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BUNDESTAG/3145: Heute im Bundestag Nr. 150 - 21.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 150
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 21. März 2012 Redaktionsschluss: 15:30 Uhr


1. Plädoyer für ein nachhaltiges Wirtschaften
2. Niebel fordert 240 Millionen Euro zivile Aufbauhilfe für Afghanistan nach 2014
3. Öffentliche Anhörung zu bi- und multilateraler Entwicklungszusammenarbeit
4. Linksfraktion verlangt Abschaffung der Praxisgebühr
5. Die Regierung soll die Verordnung zur Kleingruppenhaltung in Kraft setzen
6. Regierung soll die Kleingruppenhaltung für Legehennen beenden
7. Bundesregierung legt Bericht zum EU-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetzes vor


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1. Plädoyer für ein nachhaltiges Wirtschaften

Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität"

Berlin: (hib/KOS) Mit eindringlichen Appellen, das Wirtschaften mit den Erfordernissen einer ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit zu verknüpfen und Wachstum an sich nicht mehr zum alleinigen Maßstab für gesellschaftliches Wohlergehen zu machen, wurde am Mittwochnachmittag ein wissenschaftliches Symposium der Enquetekommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" eröffnet. Zum Auftakt der Veranstaltung betonte die Gremiumsvorsitzende Daniela Kolbe, Politik und Wissenschaft seien in der Pflicht, nach Alternativen zu einer Politik des "Weiter-So" zu suchen. Es stelle sich die Frage, "welchen Sinn das Wirtschaften haben soll", so die SPD-Abgeordnete. Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte in einer Begrüßungsrede, die Tätigkeit der Enquetekommission zeuge von der Bereitschaft, "vertraute Denkgewohnheiten" zu hinterfragen.

Mit dem Symposium wollen die 17 Abgeordneten und 17 Wissenschaftler des Ausschusses über ihre interne Gremienarbeit hinaus an die Öffentlichkeit treten. Kernauftrag der Kommission ist es, mit Hilfe einer Neubewertung des Wohlstandsbegriffs Wege hin zu einem qualitativen Wachstum aufzuzeigen, wozu etwa die Entkoppelung des Ressourcenverbrauchs von der Steigerung der Wirtschaftsleistung gehört.

Lammert verwies darauf, dass sich bereits Ludwig Erhard, mit dem bis heute eine Politik unter dem Motto "Wohlstand für alle" verbunden wird, kritisch mit dem Wachstumsbegriff auseinandergesetzt habe. Weniger bekannt sei Erhards These, dass Wachstum zwar eine "Grundlage, aber kein Leitbild der Lebensgestaltung" sei. Bei der Enquetekommission gehe es darum, , so Lammert, "diese Einsicht zu revitalisieren".

Kolbe sagte, die Themen ihres Gremiums und des Symposiums träfen "den Nerv unserer Zeit". Angesichts ökologischer Krisen und der Finanzkrisen suchten viele Bürger nach Orientierung. Man müsse nach einer Form des Wirtschaftens suchen, das die Zukunft der Kinder und der Bewohner anderer Ländern auf dem Planeten nicht gefährde. Die Kommissionsvorsitzende: "Wir wollen optimistische Antworten finden."

Im ersten Forum des Symposiums bezeichnete es die Österreicherin Marina Fischer-Kowalski als unvermeidbar, den Ressourcen- und Energieverbrauch drastisch zu reduzieren, um die Wende hin zur Nachhaltigkeit zu ermöglichen. In den Industrieländern, so die Professorin für Soziale Ökologie, sei inzwischen eine gewisse Entkoppelung des Rohstoffkonsums vom Wachstum zu beobachten, in Deutschland und Japan sinke dieser Verbrauch sogar. Weltweit steige indes die Nachfrage nach Ressourcen stetig, was nicht zuletzt mit der fortschreitenden Industrialisierung von Schwellenländern wie China oder Indien zu tun habe, die in hohem Maße fossile Energie nutzten. Angesichts steigender Preise und endlicher Rohstoffvorkommen, so Fischer-Kowalski, "lohnt es sich wirtschaftlich, die Ressourcenersparnis und -produktivität voranzutreiben". Die Wissenschaftlerin: "Wir sind technisch in der Lage, ein hohes Maß an Wohlfahrt mit weniger Ressourcen zu produzieren."

Aus Sicht von Professor Carl Christian von Weizsäcker ist allein schon wegen der statistischen Schwierigkeit, Wachstumsraten über sehr lange Zeiträume zu berechnen, die Frage "falsch gestellt", ob ökonomisches Wachstum mit Nachhaltigkeit zu vereinbaren sei. Man müsse vielmehr konkret herausfinden, was die Nachhaltigkeit voranbringe, so der am Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter tätige Wirtschaftswissenschaftler. Beim Verbrauch fossiler Energieträger sei das sicher kritisch zu beurteilen. Bei Investitionen in den medizinischen Fortschritt und in die Bildung sehe das aber anders aus. Kritisch äußerte sich Weizsäcker zu der oft diskutierten Frage, ob die gegenwärtige Form der parlamentarischen Demokratie den Erfordernissen einer Politik der Nachhaltigkeit gerecht werde. Es sei eine "sehr gefährliche These", deshalb dem Staat als gestaltender Kraft mehr Macht zu übereignen: "Zu viel Staat bedeutet Stagnation." Stattdessen plädierte Weizsäcker für den Ausbau dezentraler politischer Strukturen.

Die Hauptrede des Symposiums will zum Abschluss der Veranstaltung am frühen Abend Achim Steiner, Chef des UN-Umweltprogramms, halten. Thema: "Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der sozialen Marktwirtschaft."


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2. Niebel fordert 240 Millionen Euro zivile Aufbauhilfe für Afghanistan nach 2014

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Berlin: (hib/AHE) Deutschland wird auch nach dem Truppenabzug 2014 den zivilen Aufbau in Afghanistan unterstützen. Dies bekräftigte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) am Mittwoch im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Als Größenordnung schlug Niebel einen Betrag in der Höhe der aktuellen deutschen Zusagen für den zivilen Aufbau in Afghanistan vor. 2012 würden 240 Millionen Euro aus dem Etat des Entwicklungsministeriums (BMZ) in die deutsch-afghanische Zusammenarbeit fließen. Diese Hilfen seien an konkrete Reformfortschritte gebunden und würden in Tranchen ausgezahlt. Der Minister ging in diesem Zusammenhang auch auf die jüngsten Vorschläge des afghanischen Religionsrates Ulema zur Beschränkung von Frauenrechten ein. "Das Thema ist brandgefährlich", sagte Niebel, betonte jedoch, dass der Rat weder die repräsentative Vertretung des afghanischen Volkes noch des Klerus sei.

Die Finanzierung der internationalen Unterstützung Afghanistans über das Abzugsdatum hinaus sei in vielen Punkten noch offen, sagte Niebel. Die Folgekosten, die sich aus dem Abzug der Schutztruppen 2014 ergeben, würden Thema beim Nato-Gipfel im Mai in Chicago und bei einer Geberkonferenz zum zivilen Aufbau im Juli in Tokio sein.

Niebel kündigte am Mittwoch im Ausschuss außerdem einen Aufwuchs des Entwicklungsetats im Jahr 2013 an. Nach den vom Bundeskabinett am Vormittag verabschiedeten Eckwerten für den Haushalt 2013 würden für das BMZ rund 800 Millionen Euro mehr eingeplant als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Ein Vertreter der Opposition kritisierte die Ankündigung als "Milchmädchenrechnung". Gemessen am Etat 2012 betrage der Aufwuchs zwischen 100 bis 200 Millionen Euro.


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3. Öffentliche Anhörung zu bi- und multilateraler Entwicklungszusammenarbeit

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Berlin: (hib/AHE) Die Vor- und Nachteile von bi- und multilateraler Entwicklungszusammenarbeit sind Thema einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am kommenden Mittwoch.

Im Zentrum des ersten Teils der Veranstaltung steht die Frage nach der Wirksamkeit und Effizienz beider Instrumente und nach der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit innerhalb der EU. Als Experten geladen sind Helmut Reisen (Forschungsleiter bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD), Tobias Hauschild (Oxfam Deutschland e.V.) und Stephan Klingebiel (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik). Im zweiten Teil der Anhörung soll es um die Frage gehen, wie wirkungsvoll eine Quotierung von bi- und multilateralen Hilfen ist und nach welchen Kriterien diese erfolgen soll. Als Experten werden Thomas Fues (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik) und Klaus Schilder (Global Policy Forum Europe) ihre Position erläutern und den Fragen der Abgeordneten Rede und Antwort stehen.

Die Anhörung findet am Mittwoch, 28. März, von 11.00 bis 13.00 Uhr im Sitzungssaal E.800 des Paul-Löbe-Hauses statt. Interessierte Besucher können sich unter Angabe ihres Namens und Geburtsdatums beim Sekretariat des Ausschusses anmelden (E-Mail: awz@bundestag.de). Zum Einlass muss der Personalausweis mitgebracht werden.


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4. Linksfraktion verlangt Abschaffung der Praxisgebühr

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/MPI) Die Fraktion Die Linke fordert, die Praxisgebühr abzuschaffen. In einem Antrag (17/9031), der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestages steht, schreiben die Abgeordneten, die mit der Einführung der Praxisgebühr im Jahr 2004 verfolgten Ziele seien nicht erreicht worden. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass vor allem Geringverdienende "auf Arztbesuche, auch auf notwendige" verzichteten, heißt es in dem Antrag. Dies könne zur Verschleppung von Krankheiten, zu negativen Folgen für die Gesundheit und auch zu Zusatzkosten führen. Zudem sei die Erhebung der Gebühr bürokratisch aufwendig. Die hierfür verwendete Zeit stehe nicht zur Versorgung der Patienten zur Verfügung, schreibt die Linksfraktion. Weiter heißt es in der Vorlage, zwar erbringe die Praxisgebühr derzeit ein Volumen von etwa 1,9 Milliarden Euro pro Jahr. "Im Verhältnis zu den gesamten Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 185,7 Milliarden Euro ist das ein geringer Finanzierungsbeitrag von rund ein Prozent, der aber einseitig die Patientinnen und Patienten belastet", schreibt Die Linke weiter.


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5. Die Regierung soll die Verordnung zur Kleingruppenhaltung in Kraft setzen

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz/Antrag

Berlin: (hib/EIS) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (17/9035) die Bundesregierung dazu auf, die Fünfte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierverordnung (Bundesrat-Drucksache 95/12), in der die Beendigung der Kleingruppenhaltung mit angemessenen Übergangsfristen geregelt wird, unverzüglich in Kraft zu setzen. Die Grünen erachten die in diesem Zusammenhang hervorgebrachten "angedeuteten" rechtlichen Bedenken gegen die vom Bundesrat beschlossene Verordnung als unbegründet, heißt es in der Begründung.


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6. Regierung soll die Kleingruppenhaltung für Legehennen beenden

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz/Antrag

Berlin: (hib/EIS) Die SPD-Fraktion fordert in einem Antrag (17/9028) die Bundesregierung dazu auf, die Fünfte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in der vom Bundesrat beschlossenen Fassung umgehend zu verkünden. In der Begründung heißt es, dass die Käfighaltung von Legehennen nicht mit dem Staatsziel Tierschutz vereinbar ist. Auch die sogenannte Kleingruppenhaltung erfüllt nach Ansicht der Sozialdemokraten die Anforderungen nicht. Der Bundesrat hatte am 2. März 2012 beschlossen, die Kleingruppenhaltung nur noch bis zum Jahr 2023 zuzulassen und in Härtefällen bis zum Jahr 2025 zu erlauben.


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7. Bundesregierung legt Bericht zum EU-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetzes vor

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz/Unterrichtung

Berlin: (hib/EIS) Das im Dezember 2006 in Kraft getretene Gesetz über die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze bei EU-weiten Verstößen hat sich bewährt. Das geht aus einer Unterrichtung (17/8982) der Bundesregierung über die Wirksamkeit von Paragraf 7 des EU-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetzes hervor. In der Unterrichtung heißt es weiter, dass das Gesetz die Voraussetzung für die Einrichtung eines Behördennetzwerks schafft, um gegen grenzüberschreitende Verletzungen von Verbraucherschutzvorschriften, die das kollektive Interesse der Verbraucher betreffen, vorzugehen. In der Praxis habe sich jedoch gezeigt, dass die Überwindung von Sprachbarrieren zu zeitlichen Verzögerungen zum Beispiel in der Beschaffung eidesstattlicher Versicherungen führt. Die Notwendigkeit präziser Übersetzungen führe zu erheblichen Zeitverzögerungen, die der Durchsetzung der Verbraucherrechte durch zu zeitige Verjährung zuwiderlaufe.


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 150 - 21. März 2012 - 15:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2012