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BUNDESTAG/3158: Heute im Bundestag Nr. 163 - 28.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 163
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 28. März 2012 Redaktionsschluss: 13:30 Uhr



1. Umweltausschuss billigt Kürzung der Solarförderung
2. Opposition zweifelt an Vereinbarkeit des Vorbehalts zum EFA mit dem Völkerrecht
3. Bundesländer intensivieren Engagement in Entwicklungspolitik
4. Mehr Sicherheit für Postdoktoranden
5. Fraktionen wollen Zuständigkeit des Sondergremiums beschränken

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1. Umweltausschuss billigt Kürzung der Solarförderung

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Berlin: (hib/AS) Der Umweltausschuss hat am Mittwoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition die Änderungen des Gesetzentwurfes zur Kürzung der Solarförderung (17/8877) gebilligt. Das Gesetz soll am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden. Mitte Mai wird sich der Bundesrat damit befassen.

Ab 1. April sollen die Einspeisevergütungen je nach Größe der Anlagen um 20 bis 32 Prozent gesenkt werden. Es gelten jedoch neue Übergangsfristen: Für alle Anlagen, für die bis 24. Februar ein Antrag auf Netzanschluss gestellt wurde, sollen bis zum 30. Juni die alten Fördersätze gelten. Für größere Anlagen etwa für Freiflächenanlagen auf sogenannten Konversionsflächen - alten Mülldeponien oder ehemaligem Militärgelände - mit einem längeren Planungsverfahren sollen die alten Fördersätze bis 30. September maßgebend sein.

Im Rahmen des sogenannten Marktintegrationsmodells wird künftig bei kleineren Dachanlagen noch 80 Prozent des Stroms und bei größeren Anlagen 90 Prozent vergütet. Der Rest soll selbst verbraucht oder vermarktet werden. Zwischen Mai und Oktober dieses Jahres wird die Förderung dann nochmals um ein Prozent gekürzt. Ab November soll die Kürzung dann nach dem Prinzip des "atmenden Deckels" vom monatlichen Zubau neuer Anlagen abhängig gemacht werden. Entgegen früheren Planungen hat der Bundestag auch weiter ein Mitspracherecht bei den Förderkürzungen. Die vorgesehenen Verordnungsermächtigungen wurden gestrichen.

Die CDU/CSU-Fraktion begrüßte die Regelung als "nachhaltigen Pfad". Die FDP erklärte, dass die Wiedereinführung des atmenden Deckels "mehr Planungssicherheit" bringe. Die Photovoltaik sei besonders dann gut, wenn sie dezentral sei, erklärte der Vertreter der FDP. Beim Marktintegrationsmodell sei bei kleineren Anlagen eine Vergütung von 80 Prozent eine "angemessene Größenordnung".

Nach Meinung der SPD setzt die Bundesregierung mit der Kürzung der Solarförderung den Produktionsstandort Deutschland mit 130.000 Arbeitsplätzen aufs Spiel. Die SPD sprach sich bei den Änderungen des Gesetzentwurfes gegen das Prinzip des atmenden Deckels aus, weil dieser weiter für Unsicherheit sorge. Die SPD schlug daher vor, die Solarvergütung zukünftig in gleichmäßigen Kürzungsschritten zu senken.

Die Linke bezeichnete das Gesetz als einen "Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner". Gleichzeitig verwies die Vertreterin der Linken darauf, dass im Bereich der Solarbranche "die Lage der Betriebe dramatisch ist". Die Debatte um das Erneuerbare Energien-Gesetz habe diese Verunsicherung noch weiter verstärkt. Bündnis 90/Die Grünen kritisierten die Kürzungen als zu hoch. Insbesondere kleinere Dachanlagen würden durch die Maßnahmen benachteiligt.

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2. Opposition zweifelt an Vereinbarkeit des Vorbehalts zum EFA mit dem Völkerrecht

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Berlin: (hib/TYH) Die Opposition hat im Ausschuss für Arbeit und Soziales Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorbehalts zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) mit dem Völkerrecht angemeldet. Bei der Sitzung am Mittwochvormittag widersprachen die Koalitionsfraktionen dieser Auffassung. Der Vorbehalt sei rechtmäßig, sagte auch ein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Grundlage für die Diskussion war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/9036), in dem die Abgeordneten die Rücknahme des Vorbehalts forderten.

Wie es darin weiter heißt, hat die Bundesregierung im Dezember vergangenen Jahres einen Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen eingelegt, wonach Zuwanderer aus den 14 EU-Ländern, aus Norwegen, Island und der Türkei, die allein zur Arbeitsuche nach Deutschland gekommen sind, keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II haben. "Der Vorbehalt richtet sich gegen den Kern des Abkommens selbst", betonte die Grünen-Fraktion im Ausschuss.

Der Vertreter der Bundesregierung wies darauf hin, dass der Vorbehalt der Bestimmung in Artikel 16 des EFA entspreche, nach dem die Vertragsstaaten später erlassene Gesetze, die das EFA berühren, melden könnten. Der Vorbehalt sei völkerrechtlich völlig in Ordnung, sagte auch die CDU/CSU-Fraktion. Zudem könnten Unionsbürger die Ansprüche aus ihrem Heimatland bis zu sechs Monate lang nach Deutschland mitnehmen. Die anderen, für die der Vorbehalt gelte, hätten außerdem Anspruch auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), also auf Sozialhilfe. Der Antrag entbehre jeder Grundlage, ergänzte die FDP-Fraktion.

Dagegen kündigte die SPD-Fraktion an, die Vorlage unterstützen zu wollen. Der Vorbehalt komme einer Teilkündigung des EFA nahe und sei ein "verheerendes europäisches Signal", konstatierte sie. Wer Europa ernst nehmen wolle, müsse auch das EFA ernst nehmen, betonte die Fraktion Die Linke. Das sei die politische Dimension des Problems. Auf der anderen Seite befänden sich die Koalitionsfraktionen und die Regierung juristisch gesehen "auf extremen Glatteis".

Die Entscheidung über den Antrag wurde vertagt.

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3. Bundesländer intensivieren Engagement in Entwicklungspolitik

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Berlin: (hib/KRU) Die Bundesländer intensivieren ihr Engagement in der Entwicklungspolitik, allerdings könnte die Koordination mit dem Bund verbessert werden. Dies war der Tenor der Sitzung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der sich am Mittwoch schwerpunktmäßig mit der Entwicklungszusammenarbeit der Länder befasste.

Obwohl deutsche Entwicklungspolitik hauptsächlich vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) betrieben wird, gibt es seit Jahren nach Angaben der Ausschussvorsitzenden Dagmar Wöhrl (CSU) auch ein beachtliches Engagement der Länder. Es wurde bis 2010 auf rund 714 Millionen Euro gesteigert. Nach einem Beschluss der Länder-Regierungschefs von 2008 wurden dabei Kernkompetenzen für Länder-Aktivitäten festgelegt, so bei der Bildung, der wissenschaftlichen Zusammenarbeit oder nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung.

Nordrhein-Westfalen (NRW), Baden-Württemberg und Niedersachsen stellten ihre Konzepte vor. Die Düsseldorfer Bundes- und Europaministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) sagte, NRW sehe sich mit mehr als 3.000 entwicklungspolitisch aktiven Vereinen und Organisationen als "führendes Eine-Welt-Land" in Deutschland. Bonn als Sitz von 19 UN-Einrichtungen spiele dabei eine besondere Rolle. Nordrhein-Westfalen sei besonders engagagiert bei Hilfen für Ghana und der südafrikanischen Partnerprovinz Mpumalanga. Düsseldorf wolle bei der Entwicklungspolitik vor allem im Hochschulwesen neue Anstöße geben.

Laut Abteilungsleiterin Gerda Windey hat die baden-württembergische Regierung dem entwicklungspolitischen Engagement mit dem Projekt "Welt:Bürger gefragt!" eine neue Plattform gegeben. Es fänden im Land jetzt regionale Bürgerkonferenzen und überregionale Themengespräche zur Entwicklungspolitik statt, deren Ergebnisse im September auf einer Konferenz präsentiert würden.

Niedersachsen ist nach Angaben von Abteilungsleiter Heinz Davidsohn für die südafrikanische Provinz Ostkap und Tansania aktiv. Das symbolträchtigste Porjekt in Tansania sei derzeit die Renovierung des auf dem Tanganjika-See fahrenden Schiffs MS Liemba. Es wurde vor knapp 100 Jahren als "Graf Goetzen" für die damalige deutsche Kolonie Deutsch-Ostafrika im niedersächsischen Papenburg gebaut. Hannover hoffe hier auf Hilfe des Bundes.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, Gudrun Kopp (FDP), würdigte das Engagement von rund 500 Kommunen für die Entwicklungspolitik. Bei rund 10.000 Städten und Gemeinden in Deutschland gebe es aber noch "Potenzial, das gesteigert werden kann". Zudem müsse die "Koordinierung der Länder mit dem Bund in der Entwicklungspolitik verbessert werden". Es müssten Daten besser ausgetauscht werden, "damit der eine weiß, was der andere tut". Bei der seit Jahresbeginn arbeitenden Organisation "Engagement global" hätten nun alle entwicklungspolitischen Aktivitäten einen zentralen Ansprechpartner. Firmen sollten, so Kopp, stärken darauf achten, ihre Ausbildungszentren in der Dritten Welt "neutral zu errichten", damit diese auch außerhalb des Unternehmens genutzt werden könnten.

Vertreter der SPD und der Linkspartei monierten, dass bei der Summe von 714 Millionen Euro Hilfen der Länder über 90 Prozent an Studienplätze gingen. Hier stehe nicht einmal fest, dass die Hochschulabsolventen nach dem Studium in ihre Herkunftsländer zurückgingen. Eine Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte den "Zickzack-Kurs" der Bundesländer in der Entwicklungspolitik. Eine FDP-Vertreterin mahnte, deutsche Unternehmen "stärker in der Entwicklungspolitik einzubinden". Eine CDU-Abgeordnete lobte das Engagement der Länder "trotz oft schwieriger Haushaltslage".

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4. Mehr Sicherheit für Postdoktoranden

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Öffentliches Fachgespräch)

Berlin: (hib/ROL) Da viele Stellen für Post Docs im wissenschaftlichen System befristet sind, leidet der akademische Mittelbau zunehmend unter mangelnder beruflicher Perspektive. Karrieren seien kaum mehr planbar. Das war der einmütige Tenor im Öffentlichen Fachgespräch zum Thema "Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs" (17/4203, 17/4423), 17/6336 und 16/8491), das am Mittwochvormittag im Paul-Löbe-Haus in Berlin stattfand.

Isolde von Bülow von der Ludwig-Maximilians-Universität bemängelte, dass Stellen unterhalb der Professur meist nicht öffentlich ausgeschrieben werden würden. "Oft wird der Aufwand gescheut", sagte sie. Viel zu häufig blieben dann diese Nachwuchswissenschaftler "in Academia" hängen. Wenn sie sich fünf Jahre nach der Promotion auf dem freien Arbeitsmarkt bewerben würden, wären ihre Chancen oft schlechter, als wenn sie dieses gleich nach der Promotion getan hätten.

Sabine Jeschke von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen sagte, dass die Problematik der Befristung von Stellen an Hochschulen verzerrt wahr genommen werden. Es sei sehr wohl sinnvoll, Doktorandenstellen zu befristen, aber der Weg danach sei für die Wissenschaftler unklar. "Vor allem gibt es viel zu wenig Professorenstellen. Das ist das Problem."

Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unterfütterte das Thema mit Zahlen. Mittlerweile seien 90 Prozent des angestellten Personals an Hochschulen nur befristet angestellt, davon die Hälfte für weniger als in Jahr. "Das führt zu prekären Verhältnissen", sagte der Gewerkschaftler. Ausdrücklich lobte er die Instrumente Tenure-Track und Post Docs. Das Tenure-Track Modell, das aus dem amerikanischen Bildungssystem kommt, ermöglicht eine erfolgreiche Rekrutierung von wissenschaftlichem Personal durch die Aussicht auf eine lebenslange Einstellung.

Und auch Reinhard Kreckel vom Institut für Hochschulforschung machte noch mal deutlich, wie ungewöhnlich das deutsche System ist. "Wenn man Glück hat, ist man mit 45 Jahren Professor. Das ist sehr spät."

Alexander Kurz von der Fraunhofer-Gesellschaft München regte an, an mehr Koordination mit der Wirtschaft bei der wissenschaftlichen Karriere zu denken. Aber auch die Autonomie der Wissenschaftler sei ein zentraler Punkt für den Erfolg von Forschung.

Jan Siemens vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin hob hervor, dass Deutschland als Wissenschaftsstandort durch die Veränderung in den vergangenen zehn Jahren international wieder an Attraktivität gewonnen habe. Gleichzeitig bemängelte er aber ebenfalls die unsichere Situation für Wissenschaftler nach der Promotionsphase.

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5. Fraktionen wollen Zuständigkeit des Sondergremiums beschränken

Haushalt/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/MIK) Das Gesetz zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus soll geändert werden. Die Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben dazu einen gemeinsamen Gesetzentwurf (17/9145) vorgelegt.

Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben soll die Zuständigkeit des Sondergremiums (sogenanntes Neuner Gremium) begrenzt werden. Zudem soll klargestellt werden, dass die Besetzung des Sondergremiums sowohl die Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln als auch dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit entsprechen muss.

Laut Gesetzentwurf soll die Bundesregierung die besondere Vertraulichkeit der Angelegenheit geltend machen können, soweit ein Aufkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt geplant ist. In dem Falle sollen die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen werden, die vom Deutschen Bundestag für eine Legislaturperiode persönlich und in geheimer Wahl gewählt werden.

Die Anzahl der Mitglieder und eine gleich große Anzahl von Stellvertretern soll die kleinstmögliche sein, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann, die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden und bei der die Zusammensetzung des Plenums widergespiegelt wird. Das Sondergremium soll der Annahme der besonderen Vertraulichkeit widersprechen können. Im Falle des Widerspruchs soll der Bundestag die bezeichneten Beteiligungsrechte wahrnehmen, heißt es in dem Gesetzentwurf, der am Donnerstag erstmals beraten wird.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 163 - 28. März 2012 - 13:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2012