Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3288: Heute im Bundestag Nr. 293 - 13.06.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 293
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 13. Juni 2012 Redaktionsschluss: 13:45 Uhr

1. Koalition will EU-Vorgaben zur Energieeffizienz übertreffen
2. Gesetzentwurf zur Sportwetten-Besteuerung vertagt
3. "Pflege-Bahr" erreicht das Parlament
4. Öffentliche Anhörung zum Betreuungsgeld in der letzten Sitzungswoche
5. Sachverständige für mehr Bürgerbeteiligung bei Großprojekten



1. Koalition will EU-Vorgaben zur Energieeffizienz übertreffen

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Berlin: (hib/HLE) Koalitionsfraktionen und Bundesregierung gehen davon aus, die Vorgaben der Europäischen Union zur Energieeffizienz zu übertreffen. "Wir sind auf einem guten Weg, die EU-Vorgaben überzuerfüllen", stellte ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion in einer Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am Mittwoch fest. Zugleich bezeichnete er die in mehreren Anträgen erhobenen Vorwürfe der Oppositionsfraktionen, nach denen die Bundesregierung das Sparen von Energie nicht ernst nehme, als falsch. Der Sprecher der FDP-Fraktion warnte davor, auf die Lenkungswirkung von Steuern zu setzen. Wer die Energie durch höhere Steuern weiter verteuern wolle, entziehe den Unternehmen Liquidität, so dass Investitionen in bessere Energieeffizienz nicht mehr geleistet werden könnten.

Der Ausschuss nahm den von der Bundesregierung als Unterrichtung (17/6927) vorgelegten Zweiten Nationalen Energieeffizienz-Aktionsplan zur Kenntnis. Darin wird prognostiziert, dass Deutschland die EU-Vorgaben zur Energieeinsparung "deutlich übererfüllen" werde. Durch seine frühzeitige und langfristig orientierte Energieeffizienzpolitik habe Deutschland schon heute ein hohes Maß an Energieeffizienz erreicht - beispielsweise durch die Einführung von energetischen Standards bei der Gebäudesanierung. Mit einer Verbesserung des spezifischen Energieverbrauchs um 1,7 Prozent im Jahr (1990 bis 2009) befinde sich Deutschland unter den Industrienationen in der Spitzengruppe. Wie die Bundesregierung weiter schreibt, ist der Energieverbrauch je Einwohner, der 1995 noch bei 114 Gigajoule (GJ) gelegen hat, inzwischen auf 107 GJ zurückgegangen. Der Sprecher der Bundesregierung erklärte, bis 2020 solle der Verbrauch an Primärenergie um 20 Prozent sinken, bis 2050 um 50 Prozent, ohne der Wirtschaft zu schaden.

Der Aktionsplan wurde von der SPD-Fraktion scharf kritisiert. Wenn man genau hinschaue, handele es sich dabei um eine Beschreibung von KfW-Programmen aus früheren Regierungszeiten. Darauf sollte sich die Bundesregierung nicht ausruhen, warnte ein Sprecher der SPD-Fraktion. Da Deutschland auf europäischer Ebene bei der Energieeffizienz sogar bremse, schraube die dänische Ratspräsidentschaft die Ziele herunter.

Auch die Linksfraktion wies die Darstellung der Bundesregierung, sie verfolge "ambitionierte Ziele" bei der Energieeinsparung, zurück. Vielmehr werde die Regierung als Blockierer wahrgenommen. Angesichts der steuerlichen Ausnahmen für energieintensive Betriebe sei die Wahrnehmung der FDP-Fraktion vom Liquiditätsentzug "Realitätsverweigerung". Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf der Regierung vor, im Bereich der Energieeffizienz "gar nichts" zu tun und in Brüssel nur zu blockieren. Selbst die Industrie sehe die Energieeffizienz als riesigen Markt an. Ländern mit hohen Importkosten für Öl und Gas könne durch Energieeffizienz geholfen werden. Die Bundesregierung gab den Vorwurf der Blockade mit dem Hinweis zurück, im Bundesrat werde die Förderung der energetischen Gebäudesanierung aus parteipolitischen Gründen blockiert.

Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen wurden drei Anträge der Oppositionsfraktionen SPD (17/8159), der Linksfraktion (17/8457) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/7462) zur Verbesserung der Energieeffizienz abgelehnt.

*

2. Gesetzentwurf zur Sportwetten-Besteuerung vertagt

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat die weitere Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Besteuerung von Sportwetten (17/8494) vertagt. Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion begründete dies mit weiterem Beratungsbedarf, was auf Unverständnis bei den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen stieß. Von der CDU/CSU-Fraktion wurde aber zugesichert, dass das Gesetzgebungsverfahren bis zum 1. Juli abgeschlossen sein werde. Zu diesem Zeitpunkt tritt die Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in Kraft. Der Gesetzentwurf des Bundesrat steht damit in Zusammenhang.

Die Länder streben mit dem Gesetzentwurf eine Besteuerung sämtlicher Sportwetten an. Bisher seien nur Wetten erfasst worden, die im Inland veranstaltet werden, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Nach der Neuregelung sollen Wetten auch dann besteuert werden, wenn der Spieler bei Abschluss des Wettvertrages zum Beispiel über Internet bei einem ausländischen Anbieter seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Durch eine Öffnungsklausel im Gesetz sollen die Bundesländer die Möglichkeit erhalten, ergänzende Regelungen zu Pferdewetten zu treffen.

Ebenfalls vertagt wurde die Beratung eines von der Bundesregierung als Gesetzentwurf (17/9688) vorgelegten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung von Doppelbelastungen bei der Erhebung der Bankenabgabe. Mit dem Abkommen soll sichergestellt werden, dass es bei Tochtergesellschaften und Niederlassungen von in beiden Ländern tätigen Kreditinstituten nicht zu einer Doppelbelastung mit der deutschen Bankenabgabe und der britischen "Bank Levy" kommt.

*

3. "Pflege-Bahr" erreicht das Parlament

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/MPI) Die Koalition hat die geplante Förderung der privaten Pflege-Zusatzvorsorge in das laufende parlamentarische Verfahren zur Pflege-Reform eingespeist. Die Fraktionen von Union und FDP legten dazu am Mittwoch im Gesundheitsausschuss einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/9369) "zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung" (PNG) vor. Weiter erörtert werden soll der "Pflege-Bahr" in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses am Montag, 25. Juni. Das Bundeskabinett hatte die Zuschusslösung in der vergangenen Woche gebilligt. Über den Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause im Bundestag abgestimmt werden. Die Pflege-Reform soll Anfang Januar 2013 in Kraft treten.

Der "Pflege-Bahr" sieht vor, Anreize für mehr Eigenvorsorge zu geben, da die soziale Pflegeversicherung lediglich einen Teilkaskoschutz bietet. Wer privat für den Pflegefall mit einer Pflegetagegeldversicherung vorsorgt, soll nach dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vom Bund eine Zulage von fünf Euro pro Monat erhalten. Es müssen zehn Euro im Monat als Mindestbetrag eingesetzt werden. Zudem muss der Versicherungsvertrag vorsehen, dass im Pflegefall in der höchsten Pflegestufe III mindestens 600 Euro pro Monat ausgezahlt werden. Männer und Frauen sollen dieselben Versicherungsbedingungen erhalten (Unisex-Tarife). Die Versicherungsunternehmen sollen den Angaben zufolge keinen Antragsteller aufgrund gesundheitlicher Risiken ablehnen, wohl aber eine am Alter ausgerichtete Staffelung der Prämien vornehmen dürfen. Der Bund stellt im kommenden Jahr für die Zulagenförderung 100 Millionen Euro zur Verfügung, was für rund 1,7 Millionen Verträge reicht.

Weitere Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen beziehen sich auf die Pflegeberatung und die Förderung von Pflege-Wohngruppen. Unter anderem sollen die Pflegekassen verpflichtet werden, die Versicherten und ihre Angehörigen und Lebenspartner im Pflegefall "in für sie verständlicher Weise zu unterrichten". Union und FDP greifen hierbei eine Initiative des Bundesrates auf, die die angemessene Information von Versicherten mit Migrationshintergrund vorsieht. Ferner muss nach dem Willen der Koalition für den Erhalt des geplanten Pauschalbetrags für Pflegebedürftige in einer ambulanten Pflege-WG die beschäftigte Person keine ausgebildete Pflegefachkraft sein. "Sie kann ebenso wie die europäischen Haushaltshilfen 'hauswirtschaftliche Arbeiten und notwendige pflegerische Alltagshilfen'" durchführen, heißt es im Änderungsantrag.

Nach dem Gesetzentwurf erhalten in Pflege-Wohngruppen betreute Pflegebedürftige einen monatliche Pauschalbetrag in Höhe von 200 Euro für organisatorische, verwaltende oder pflegerische Tätigkeiten.

*

4. Öffentliche Anhörung zum Betreuungsgeld in der letzten Sitzungswoche

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Der Familienausschuss wird am Freitag zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um eine öffentliche Anhörung über das geplante Betreuungsgeld in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages zu beschließen. Dies beschlossen die Obleute des Ausschusses auf Wunsch der Unionsfraktion gegen den Willen der Oppositionsfraktionen. Damit wäre sichergestellt, dass der von CDU/CSU und FDP vorlegte Gesetzentwurf zur Einführung des Betreuungsgeldes (17/9917) noch vor der parlamentarischen Sommerpause abschließend im Familienausschuss und in der zweiten und dritten Lesung im Plenum beraten werden kann. Da der Gesetzentwurf jedoch erst am Freitag dieser Woche in erster Lesung beraten wird, hätte der Familienausschuss in seiner heutigen Sitzung die öffentliche Anhörung nur mit Zustimmung aller Fraktionen beschließen können. Diese Beschleunigung des Verfahrens wollte die Opposition jedoch nicht mittragen.

Voraussichtlich wird die öffentliche Anhörung am Montag der übernächsten Woche stattfinden. Der Familienausschuss könnte den Gesetzentwurf dann Mittwochs abschließend beraten und der Bundestag am Donnerstag oder Freitag über das Gesetz abstimmen.

*

5. Sachverständige für mehr Bürgerbeteiligung bei Großprojekten

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Anhörung)

Berlin: (hib/MIK) Bei Großprojekten muss die Bürgerbeteiligung ausgebaut und die Genehmigungsverfahren gestrafft werden. Darüber waren sich die Experten am Mittwochmittag bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung weitgehend einig. Grundlage des Hearings war ein Antrag der SPD-Fraktion (17/9156), in dem unter anderem eine Beschleunigung der Planfeststellungsverfahren und eine Beteiligung der Öffentlichkeit schon vor Eröffnung des Verfahrens gefordert wurde. Außerdem sollten danach zeitraubende Dopplungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung vermieden werden.

Für Ben Möbius vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist ein neuer gesellschaftlicher Grundkonsens über die Bedeutung der Verkehrs- und Energieinfrastruktur und über Verfahren, Projekte zügiger zu realisieren, notwendig. Bessere Bürgerbeteiligung und schnellere Plan- und Genehmigungsverfahren müssten kein Widerspruch sein. Schon bestehende Instrumente der Bürgerbeteiligung könnten innovative Maßnahmen ergänzt werden. Diese sollten optional und nicht justiziabel sein, betonte er. Jedes Verkehrsinfrastrukturprojekt brauche vor Ort maßgeschneiderte Lösungen.

Tilmann Heuser vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) betonte, dass die Liste des Unmuts von Bürgern gegen intransparente und "von oben" durchstrukturiere Entscheidungen lang sei. Dazu zählte er unter anderem Stuttgart 21, die Aufkündigung des Atomkonsens, Protest gegen Castortransporte oder lärmende Flugrouten. Nach einer Forsa-Umfrage meinten 79 Prozent der Bundesbürger, dass auf ihre Interessen zu wenig Rücksicht genommen werde. Lediglich 17 Prozent gingen davon aus, dass die Bürger bei wichtigen Entscheidungen tatsächlich einbezogen würden, heißt es in seiner schriftlichen Stellungnahme. Deshalb forderte auch er eine frühzeitige Bürgerbeteiligung mit offener Bedarfs- und Alternativprüfung. Dadurch werde ein fairer, ergebnisoffener Planungsprozess gesichert. Zudem setzte er sich für die Bestellung von Bürgeranwälten (Ombudsleuten) für die Anhörungsverfahren ein.

Stefan Gerwens, Pro Mobilität, sieht in einer stärkeren und frühzeitigen Einbindung der Öffentlichkeit eine Chance für die Industriepolitik, da Alternativen und Probleme frühzeitiger identifiziert werden könnten. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass der Nutzen von Vorhaben für die Gesamtgesellschaft ausreichend berücksichtigt werde. Dies sei vor allem deshalb bedeutsam, weil zum Beispiel der Nutzen der Zunahme des Güterverkehrs für den einzelnen Bürger nicht deutlich werde. "Bürgerbeteiligung kann aber nicht die Entscheidung der Behörde ersetzen", betonte er. Volker Kiepe (Deutscher Städtetag) setzte sich dafür ein, auch Alternativplanungen im Planfeststellungsverfahren öffentlich zu diskutieren. Zudem seien verbindliche Regelungen für die Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig.

Auch Professor Thomas Groß (Universität Osnabrück) hielt eine Verbesserung der Bürgerbeteiligung vor allem auf den vorgelagerten Planungsstufen für erforderlich. Dies könne jedoch nicht die klaren Interessengegensätze zwischen den Umweltnutzern und den in eigenen Belangen Betroffenen, insbesondere dem Nachbarn, aufheben. Ein transparentes Verfahren könne aber die Entscheidungsprämissen und die Kompromissspielräume deutlicher machen und damit zur Befriedung von Konflikten beitragen.

Rechtsanwältin Professor Andrea Versteyl merkte an, dass zeitraubende Doppelungen zum Beispiel bei der Umweltverträglichkeitsprüfung bereits nach derzeitiger Rechtslage vermieden werden könnten. Hier handele es sich vor allem um ein Vollzugsproblem. Ihr Kollege Siegfried de Witt forderte unter anderem eine bessere Personalausstattung der Planfeststellungsbehörden. Eine beschleunigte Durchführung der Verfahren sei jedoch ohne externe Hilfe im technischen, naturwissenschaftlichen Bereich nicht möglich.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 293 - 13. Juni 2012 - 13:45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012