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BUNDESTAG/3454: Heute im Bundestag Nr. 459 - 22.10.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 459
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 22. Oktober 2012 Redaktionsschluss: 14:10 Uhr

1. Kritik an Plänen für EU-Datenschutzreform
2. Wirtschaft: Strompreise werden wegen Offshore-Anlagen steigen
3. Regierung: Änderung des Arzneimittelgesetzes erfolgt Anfang 2013



1. Kritik an Plänen für EU-Datenschutzreform

Innenausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/SUK) Die Vorschläge der EU-Kommission zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten stoßen bei deutschen Experten auf Widerspruch. Dies wurde am Montag in einer Anhörung des Innenausschusses deutlich. Alle sieben Sachverständigen, die im Bundestag angehört wurden, sahen erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Die Kommission (Ratsdokument 5853/12, Ratsdokument 5834/12, Ratsdokument 5851/12) will eine durchsetzungsfähige Datenschutzregelung schaffen, mit deren Hilfe die digitale Wirtschaft im Binnenmarkt weiter Fuß fassen und die Bürger Kontrolle über ihre eigenen Daten erhalten sollen.

Der Hamburger Rechtsanwalt Professor Ralf B. Abel sieht in den Plänen "ganz erhebliche Konstruktionsfehler", die verfassungsrechtlich mindestens bedenklich seien. Er kritisierte vor allem die "uferlose Anwendung des Schutzgegenstandes" des Persönlichkeitsrechts. Abel monierte, man plane pauschale Eingriffe in verschiedene Grundrechte. Dies sei ein "Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit". Er kritisierte zudem die Position der Kommission, die sich mit ihren Vorschlägen zu einem "Normgesetzgeber" mache, "der parlamentarisch nicht kontrolliert werde.

Auch der Berliner Rechtsanwalt Professor Niko Härting griff diesen Punkt auf: Man müsse sehr "wachsam" sein, wenn durch das Zusammenspiel von regulierender Kommission und zentraler Überwachung durch eine Behörde die Regelungen nicht mehr der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts unterliegen würden. Das Datenschutzrecht sei ohne Zweifel reformbedürftig" der Vorschlag der EU-Kommission liefere aber auf viele Fragen keine Antworten. Es sei "überraschend und unbefriedigend", dass es etwa keinerlei Regelungen zum Profiling gebe. Zudem seien in dem Papier "völlig unzureichende Transparenzregelungen" enthalten.

Professor Gerrit Hornung, Jurist an der Universität Passau, lobte die Kommission zwar, sich der "Herkulesaufgabe" eines neuen Datenschutzrechts angenommen zu haben, stellte aber fest, es gebe "noch vieles, was man besser machen kann". So müsste etwa der Spielraum, der den Mitgliedstaaten verbleibe, dringend präzisiert werden. Auch die Vorschläge zu "einem ominösen Recht auf Vergessen werden" seien ein "Webfehler" des Entwurfs, weil es in den einzelnen Staaten durch spezifische Regelungen zu Pressefreiheit und Meinungsbildung so etwas wie ein "Recht auf Erinnern" gebe. Insgesamt sei der Entwurf viel zu "technikfern" und mache keine verbindlichen Vorgaben zum technischen Datenschutz. Auch Hornung kritisierte die starke Position der Kommission. Etwa beim Arbeitnehmerdatenschutz sei vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten Regelungen finden sollten, die Kommission behalte sich dann aber letztentscheidende Befugnis vor, obwohl sie keine unabhängige Datenschutzbehörde sei.

Auch Karsten Neumann, ehemaliger Datenschutzbeauftragter des Landes Mecklenburg-Vorpommern, sprach von "Webfehlern". Er betonte, zwar müsse das Datenschutzrecht dringend modernisiert werden, allerdings sei man in der Praxis auch in Deutschland noch "lange nicht auf dem heutigen Stand" der Gesetzgebung angekommen, weil die Umsetzung des Datenschutzrechts bis vor wenigen Jahren "die Industrie nicht interessiert" habe. Neumann bezeichnete die Vorschläge der Kommission als ambitioniert und "überraschend gut gelungen", kritisierte aber die Regelungen zur Rolle der Datenschutzbeauftragten und zum Arbeitnehmerdatenschutz. Hier seien einheitliche Vorgaben nötig, die aber nicht nach Zahlen, sondern nach qualitativen Kriterien ausgestaltet werden müssten.

Professor Spiro Simitis, Jurist an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, rief die Abgeordneten auf, sich jetzt stark in die Diskussion einzubringen, weil sie später eine Verordnung exekutieren müssten, die sie nicht mehr verändern könnten. Simitis äußerte stark Kritik an der Klarheit des Entwurfs: An mindestens 40 Stellen heiße es, das Nähere werde in Dekreten ausgeführt. Niemand wisse, was dies bedeute. Man müsse aber die Tragweite, die genauen Inhalte und die Konsequenzen der Regelungen kennen. Es gebe "keine Alternative" zu einer Datenschutzregelung; doch sei an dem, was nun vorliege, "noch beträchtliche Arbeit zu leisten".

Bremens Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Imke Sommer, bemängelte, was die Kommission vorgelegt habe, sei nicht geeignet, Vertrauen der Bürger zu schaffen. Der Verzicht auf Einwilligungserfordernisse baue stattdessen Vertrauen weiter ab. Die Menschen müssten aber glauben können, dass ihre Daten im Internet sicher seien. Daher müsse es nun einen "argumentativen Kampf um Mindeststandards" geben.

Ulrich Wuermeling, Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main, stellte die Frage, ob die alltägliche Datenverarbeitung wirklich europaweit geregelt werden müsse. Man müsse hier "die Frage der Subsidiarität geltend machen". Er glaube, dass für die wenig riskante Datenverarbeitung, die mindestens 90 Prozent der Datenverarbeitung ausmache, wenige Grundregeln ausreichten. Der Datenschutz müsse dort "angemessen streng" geregelt werden, wo es Risiken gebe.

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2. Wirtschaft: Strompreise werden wegen Offshore-Anlagen steigen

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (Anhörung)

Berlin: (hib/HLE) Die Energiewirtschaft erwartet steigende Kosten für Stromverbraucher durch die geplante Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts. In einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (17/10754) erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am Montag, es werde "zwangsläufig zu Belastungen für die Stromkunden" kommen. Auch nach Ansicht des Übertragungsnetzbetreibers TenneT wird es "teurer für die Konsumenten".

Der Gesetzentwurf sieht eine Haftung der Netzbetreiber vor, wenn die Offshore-Anlagen nicht rechtzeitig angeschlossen werden können. Die Haftung tritt bereits bei einfacher Fahrlässigkeit auch von Zulieferern ein. Dann bekommen betriebsbereite Offshore-Anlagen einen Entschädigungsanspruch gegen den anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber. Die Haftung des Übertragungsnetzbetreibers soll allerdings begrenzt und über eine "Entschädigungsumlage" auf die Stromverbraucher abgewälzt werden. "Um Verbraucher vor übermäßigen Belastungen aus der Entschädigungsumlage zu schützen, wird diese auf eine Höchstgrenze von maximal 0,25 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt", heißt es in dem Entwurf. Bei einem durchschnittlichen Strompreis eines Haushaltskunden von 24 Cent pro Kilowattstunde werde es durch die Entschädigungsumlage zu einer Erhöhung des Strompreises um ein Prozent kommen, erwartet die Bundesregierung.

Die Bundesnetzagentur erklärte, die geplante Umlage zur Entschädigung der Betreiber von nicht rechtzeitig angeschlossenen Offshore-Anlagen sei "eindeutig zu gering". Die Bundesnetzagentur rechnete nun vor, dass den erwarteten Einnahmen von 650 Millionen Euro aus der Umlage eine voraussichtliche Haftungssumme in Höhe von 1,6 Milliarden Euro gegenüberstehe. Die errechnete Summe ergebe sich ausschließlich aufgrund der verspäteten Netzanbindungen von Offshore-Windparks. Kritisch setzte sich auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) mit der Umlage auseinander. Sie müsse "politisch öffentlich gegenüber den Endkunden vermittelt werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass selbst im Falle grob fahrlässiger Handlungen des Übertragungsnetzbetreibers die Allgemeinheit in erheblichem Maße herangezogen werden soll".

Grundsätzlich begrüßten Bundesnetzagentur und Übertragungsnetzbetreiber die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen für Anschluss- und Entschädigungsansprüche im Offshore-Bereich. Allerdings kritisierte der Netzbetreiber 50hertz die geplanten hohen Selbstbeteiligungen für die Netzbetreiber bei einfacher Fahrlässigkeit: "Damit droht die Regelung ins Leere zu laufen, da Risiken und Ertragschancen für die anbindungspflichtigen Übertragungsnetzbetreiber und für die Zulieferindustrie in keinem angemessenen Verhältnis mehr stehen." Auch der Netzübertragungsbetreiber TenneT bezeichnete die vorgeschlagene Haftungsregelung als prinzipiell sinnvoll, "in ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch ungeeignet, um dringend benötigte Eigenkapitalgeber zu gewinnen". Die Allianz als Versicherer von Windkraftanlagen wies darauf hin, dass durch die Neuregelung Netzinvestitionen auf See gegenüber denen auf dem Land schlechter gestellt würden. Die Verbraucherzentrale Bundesverband forderte, dass Haftungsrisiken, die über das übliche Maß der Windenergie an Land hinausgehen, grundsätzlich aus öffentlichen Mitteln finanziert werden sollten.

TenneT rechnete außerdem vor, dass bis zum Jahre 2022 13.000 Megawatt Offshore-Winkkraft zur Verfügung stehen sollen. "Dafür müsste zehn Jahre lang fast jeden Werktag eine Windmühle in Betrieb gehen. Das ist nicht realistisch." Der Windpark-Betreiber Trianel bestätigte Verzögerungen beim Ausbau der Offshore-Anlagen. Der BDEW stellte fest, "dass trotz einiger guter Ansätze aufgrund der im Gesetzentwurf vorgestellten gesetzlichen Ausgestaltung die erhoffte und dringend benötigte Wirkung ausbleibt und damit die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien ernsthaft gefährdet werden". Die Regelungen würden zu hohen Risiken für die dringend benötigten Investoren zum Ausbau von Offshore-Windparks führen. Der im Offshore-Bereich engagierte Energieversorger EnBW beklagte ebenfalls eine zu geringe Investitionssicherheit. Es drohe längerer Stillstand bei Investitionen.

Für eine Gruppe von Organisationen, darunter der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, stellt der Gesetzentwurf eine geeignete Grundlage für einen Gesamtansatz dar. In verschiedenen Fragen greife er jedoch zu kurz.

Die Sachverständigen befassten sich auch mit einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP zu dem Gesetz, mit dem die Stilllegung von Kraftwerken zur Sicherstellung der Energieversorgung untersagt werden kann. Die Bundesnetzagentur erklärte, es könne notwendig werden, das hohe Gemeingut Elektrizitätsversorgung durch Verbote vor endgültigen Stilllegungen zu schützen: "Es ist dabei wichtig und richtig, dass die vorliegenden Änderungen diese erhebliche Beschneidung der unternehmerischen Freiheiten eines betroffenen Kraftwerksbetreibers auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt." 50hertz begrüßte die Regelungen zum "Erhalt von systemrelevanten Erzeugungskapazitäten".

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3. Regierung: Änderung des Arzneimittelgesetzes erfolgt Anfang 2013

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/EIS) Die Bundesregierung sieht die Verabschiedung des Entwurfs eines 16. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes für Anfang des Jahres 2013 vor. Das geht aus einer Antwort (17/10881) der Regierung auf eine Kleine Anfrage (17/10591) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 459 - 22. Oktober 2012 - 14:10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2012