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BUNDESTAG/3464: Heute im Bundestag Nr. 469 - 24.10.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 469
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 24. Oktober 2012 Redaktionsschluss: 14:20 Uhr

1. Bundesregierung zieht erste positive Bilanz aus dem Fonds "Heimerziehung West"
2. Experten bewerten Öffentlich-Private-Partnerschaften unterschiedlich
3. Im Bundestag notiert: Einsätze der Bundeswehr im Inland



1. Bundesregierung zieht erste positive Bilanz aus dem Fonds "Heimerziehung West"

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Die Bundesregierung zieht eine erste positive Bilanz aus der Umsetzung des Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975". Die Entscheidung des Bundestages über die Einsetzung des Fonds aufgrund der Empfehlungen des "Runden Tischs Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren" habe sich "sehr bewährt", sagte Staatssekretär Lutz Stroppe vom Familienministerium am Mittwoch vor dem Familienausschuss. Das Modell habe sich "zum Vorbild" entwickelt, nach dem auch anderen Opfergruppen geholfen werden könnte. Stroppe informierte die Mitglieder des Ausschusses über die Umsetzung des Fonds, der zum Jahresbeginn eingesetzt worden war. Der Staatssekretär räumte ein, dass es "Anlaufschwierigkeiten" bei der Umsetzung gegeben habe. Diese seien inzwischen jedoch beseitigt worden, auch wenn die "hohe Erwartungshaltung", die viele Opfer gegenüber dem Fonds hätten, nicht immer erfüllt hätten werden können.

Der Fonds stellt ein Hilfesystem für Menschen dar, die als Kinder und Jugendliche in Erziehungsheimen der alten Bundesrepublik psychisch, physisch und sexuell missbraucht wurden, und die bis heute unter diesem Missbrauch leiden. Der Fonds ist mit einem Finanzvolumen von 120 Millionen Euro ausgestattet, die vom Bund, den elf westlichen Bundesländern einschließlich Berlin sowie der Evangelischen und katholischen Kirche jeweils zu einem Drittel bereitgestellt wurden.

Nach Angaben Stroppes haben inzwischen alle elf West-Länder regionale Anlauf- und Beratungsstellen eingerichtet, die gemeinsam mit dem Opfern deren jeweiligen Hilfsbedarf ermitteln. Diese würden auch eine "Lotsenfunktion" für die Opfer bei der Aufarbeitung ihres Leids darstellen. Stroppe betonte, dass die Opfer ihre Schädigung aufgrund eines Missbrauchs nicht nachweisen müssten, sondern diese nur "glaubhaft machen" müssten. Bis heute seien 2.086 Vereinbarungen mit Opfern über Rentenersatzleistungen und materielle Hilfen getroffen worden. Ende September seien es noch 1.118 Vereinbarungen gewesen. Dies zeige, welche Dynamik der Fonds in den vergangenen drei bis vier Wochen erreicht habe, sagte Stroppe. Insgesamt seien bislang 12,1 Millionen Euro an finanziellen und materiellen Leistungen gewährt worden. Der Staatssekretär führte zugleich aus, dass für viele Opfer die Anerkennung ihres Leids wichtiger sei, als die Hilfeleistung über den Fonds.

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2. Experten bewerten Öffentlich-Private-Partnerschaften unterschiedlich

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Anhörung)

Berlin: (hib/MIK) Die Deutsche Bauwirtschaft hat eine unterschiedliche Einstellung zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP). Damit wird die Mobilisierung privaten Kapitals und Fachwissens zur Erfüllung staatlicher Aufgaben bezeichnet. Während der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) ÖPP-Projekte "ausdrücklich" begrüßt, lehnt der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) ÖPP zumindest im Straßenbau in Form der bisherigen A-Modelle als mittelstandsfeindlich ab. Dies wurde am Mittwochmittag bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu den ÖPP deutlich, bei der es um zwei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/5258) und der SPD-Fraktion (17/9726) ging.

Die Grünen fordern dabei die Bundesregierung auf, Vorschläge für die gesetzliche Regelung der Transparenz öffentlich-privater Partnerschaften bei Infrastrukturprojekten auf Bundesebene vorzulegen. Darin soll sichergestellt sein, dass Leistungsbeschreibungen und die zur Angebotsabgabe erforderlichen Dokumente sowie die abgeschlossenen Verträge bei Projekten in öffentlich-privater Partnerschaft vollständig zugänglich gemacht werden müssen. Auch die eingegangenen finanziellen Verpflichtungen sollen dem Antrag zufolge klar als Verschuldung der öffentlichen Hand transparent gemacht werden.

Einen neuen Infrastrukturkonsens fordert die SPD in ihrem Antrag. Die Bundesregierung solle eine Debatte über Anwendungsbereiche, Ausgestaltung, Chancen und Herausforderungen von öffentlich-privaten Partnerschaften anstoßen und dabei alle Beteiligten einbeziehen. Auch solle die Regierung ein Konzept öffentlich-privater Partnerschaften erarbeiten und klarstellen, in welchen Fällen der private Sektor bei öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen eingebunden werden soll. Schließlich solle die Regierung das Haushalts- und Steuerrecht bei öffentlich-privaten Partnerschaften weiterentwickeln.

Für mehr Transparenz der Vergabeverfahren und der Ausschreibungs- und Vergabeergebnisse sprach sich bei der Anhörung auch Heiko Stiepelmann vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) aus. Deshalb habe sein Verband in diesem Bereich eine Transparenzoffensive gestartet, in der sich die Unternehmen der Bauindustrie zu einer grundsätzlichen Offenlegung von ÖPP-Verträgen bereit erklärt hätten. Weiter zeigte er sich davon überzeugt, dass es sich für den Bund lohnen würde, über eine Ausweitung öffentlich privater Partnerschaften nachzudenken. Dies gelte besonders für den öffentlichen Hochbau, Baumaßnahmen für die Bundeswehr und den Verkehrswegebau zum Beispiel im Bereich der Schienenwege.

Während Felix Pakleppa (ZDB) ÖPP im Autobahnbau ablehnt, kann er sich dieses Modell im Hochbau als Alternative zur Fach- und Teillosvergabe vorstellen. Hierbei müssten jedoch die Projekte mittelstandsgerecht ausgestaltet werden. Er wies darauf hin, dass durch ÖPP nicht zusätzlich Investitionen in die Infrastruktur möglich werden, da der öffentliche Auftraggeber die höheren privaten Finanzierungskosten indirekt ebenfalls zu tragen hätte.

Bernward Kulle von der ÖPP Deutschland AG betonte, dass seit 2002 insgesamt 183 ÖPP-Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 7,2 Milliarden Euro im Hoch- und Tiefbau an private Unternehmen vergeben würden. Das seien zwei bis drei Prozent der gesamten Bauinvestitionen der öffentlichen Hand. Auch Kulle unterstützte ausdrücklich die Forderung nach mehr Transparenz bei öffentlichen privaten Partnerschaften.

Für Professor Torsten R. Böger von der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft (VIFG) sind ÖPP-Modelle im Bundesfernstraßenbau wirtschaftlich und erfolgreich. So seien bisher mehr als 300 Kilometer Autobahn sechsspurig ausgebaut worden. Die Verfügbarkeit dieser so ausgebauten Autobahnteilstücke sei langfristig durch entsprechende vertragliche Regelungen gesichert. Sogleich werde eine hohe Qualität der Bauausführung gewährleistet. Auch die Erfahrungen mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen seien positiv.

Ganz anders sieht dies Carl-Friedrich Waßmuth von "Gemeingut in Bürgerhand". ÖPP sei insgesamt ein Fehler, heißt es in seiner Stellungnahme. Die Nachteile ließen sich nicht durch etwas mehr Transparenz, etwas bessere Vertragsgestaltung, besseres Vertragsmanagement oder eine bessere Auswahl der Projekte beheben. Die zugrundeliegenden Mechanismen würden von der Privatwirtschaft "nicht ohne Grund" für sich selbst nicht angewendet. So würden Privatfirmen keinen 30-Jahres-Vertrag abschließen.

Der Bundesrechnungshof (BRH) wies auf das Risiko hin, dass ÖPP-Projekte oft stärker als alternative Finanzierungsmodelle eingesetzt werden könnten, wenn eine kreditfinanzierte konventionelle Umsetzung der Maßnahme eine gegen das Grundgesetz verstoßende Neuverschuldung zur Folge hätte. Für den BRH ist ÖPP eine Beschaffungsvariante und keine Finanzierungsvariante, sagte BRH-Vertreterin Romy Moebus.

Für Professor Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin ist ÖPP wirtschaftlich ineffizient. Dabei beklagte er methodische Defizite und Fehlanreize bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung. ÖPP sei die Anwendung der "griechischen Finanzierung der Infrastruktur" in Deutschland, sagte er.

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3. Im Bundestag notiert: Einsätze der Bundeswehr im Inland

Verteidigung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Die Linke verlangt Informationen über Einsätze der Bundeswehr im Inland im dritten Quartal des Jahres 2012. In ihrer Kleinen Anfrage (17/10965) will sie unter anderem wissen, wie viele Einsätze die Streitkräfte im Zuge der Amtshilfe und wie viele Unterstützungsleistungen sie von Juli bis September 2012 absolviert hat.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 469 - 24. Oktober 2012 - 00:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012