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BUNDESTAG/3692: Heute im Bundestag Nr. 092 - 21.02.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 092
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 21. Februar 2013 Redaktionsschluss: 17:25 Uhr

1. Kritik an mangelnder Kooperation der Sicherheitsbehörden
2. SPD fordert Konzept zur Förderung der Kreativwirtschaft
3. Koalitionsfraktionen wollen deutsche Kinderfilme fördern
4. Drei Menschen im vierten Quartal 2012 infolge antisemitischer Straftaten verletzt
5. Im Bundestag notiert: 39 Menschen infolge politisch rechts motivierter Straftaten verletzt
6. Im Bundestag notiert: Unvollstreckte Haftbefehle gegen Neonazis
7. Im Bundestag notiert: Einsatz externer Mitarbeiter in Bundesministerien
8. Im Bundestag notiert: Kostenentwicklung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm



1. Kritik an mangelnder Kooperation der Sicherheitsbehörden

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Alle Informationen des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) über das im Januar 1998 abgetauchte Jenaer Trio, aus dem später der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) wurde, sind an die Polizei geflossen: Dies betonte am Donnerstagnachmittag zum Auftakt seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem NSU zugerechneten Mordserie durchleuchten soll, der zwischen 1994 und 2000 amtierende Geheimdienstchef Helmut Roewer.

Der 63-Jährige wies darauf hin, dass die vom LfV gesammelten Erkenntnisse im Januar 1998 zur Entdeckung der Bombenwerkstatt der Gruppe in einer Jenaer Garage durch das Landeskriminalamt (LKA) geführt hätten. Auch bei der nach dem Untertauchen der Zelle von seiner Behörde eingeleiteten Suche nach dem Aufenthaltsort des Trios sei die Polizei umfassend über das Wissen des LfV unterrichtet worden. Zu diesem Zweck sei eigens eine Polizeieinheit in seinem Amt installiert worden, sagte der Zeuge. Fast wöchentlich habe er sich wegen dieses Falls mit LKA-Präsident Egon Luthardt getroffen. Mehrfach habe die Suche des LfV nach den drei Abgetauchten in deren Nähe geführt, erklärte Roewer. Das Misslingen eines Zugriffs sei nach den Erkenntnissen seiner Behörde nicht auf "Absicht" zurückzuführen, diese "frohe Botschaft" könne er aber nur für die Dauer seiner Amtszeit aufrechterhalten. Der Zeuge erklärte, dass viele Informationen aus der Polizei nach außen gelangt seien - etwa an die Medien. Auf die kritische Frage des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD), ob im LfV der Rechtsextremismus mit Nachdruck bearbeitet worden sei, sagte Roewer, bei diesem Thema habe er "kein Jota Laxheit" geduldet. Die Befragung des Zeugen dürfte sich bis in den frühen Abend hinziehen.

Scharfe Kritik an der Informationspraxis des Erfurter Geheimdiensts gegenüber dem LKA und generell an der mangelnden Zusammenarbeit zwischen den Thüringer Sicherheitsbehörden haben vor Roewers Anhörung die Sprecher der Fraktionen bei der Befragung des ehemaligen LfV-Vizechefs Peter Jörg Nocken geübt. Man habe nicht zusammengearbeitet, ja sogar "gemauert", monierte Wolfgang Wieland, der ein "Trauerspiel" ausmachte. Der Grünen-Obmann verwies darauf, das Luthardt mit der Begründung, er sei "nicht verkalkt", bestritten habe, von Nocken entgegen dessen Darstellung mündlich erfahren zu haben, dass das LfV aufgrund einer Unterrichtung durch den Brandenburger Geheimdienst von den Plänen des untergetauchten Trios zur Waffen- und Geldbeschaffung wisse. Edathy (SPD) nannte es zwar nicht belegbar, aber "sehr plausibel", dass Nocken "gelogen hat": Warum, fragte der SPD-Politiker, hätte Luthardt diese wichtige Erkenntnis nicht an die mit der Suche nach der Zelle beauftragten Zielfahnder weiterleiten sollen, die über die Waffensuche der Gruppe nie informiert wurden? Der SPD-Abgeordnete Sönke Rix kritisierte das "Schwarze-Peter-Spiel" zwischen den Sicherheitsbehörden, das dazu beigetragen habe, das Jenaer Trio nicht schon frühzeitig aufzuspüren.

Als "unerträglichen Zustand" beklagte der FDP-Parlamentarier Patrick Kurth die laut Nocken gängige Geheimdienstpraxis, wonach der Schutz von Quellen Vorrang vor der Strafverfolgung genießt und im Falle einer drohenden Enttarnung von V-Leuten Erkenntnisse gegenüber der Polizei auch schon mal zurückgehalten werden. Jens Petermann (Linke) äußerte den Verdacht, der vom Thüringer Geheimdienst lange Zeit als Spitzel geführte Tino Brandt, eine Führungsfigur des rechtsextremen "Thüringer Heimatschutzes", könne sogar vom LfV vor polizeilichen Durchsuchungen gewarnt worden sein. Aus Sicht von Unions-Obmann Clemens Binninger wird das System der V-Leute ad absurdum geführt, wenn deren Informationen wegen des Quellenschutzes vom Geheimdienst nicht an die Polizei übermittelt werden. Der Vorrang des Quellenschutzes dürfe nicht absolut gelten.

Laut Nocken war das LfV während der Suche nach der Jenaer Zelle gegenüber der Polizei in einem Maße offen, wie dies ein Verfassungsschutz noch nie getan habe. Der Ex-Vizepräsident wies die Kritik des LKA-Zielfahnders Sven Wunderlich entschieden zurück, das LfV habe seine schützende Hand über die drei Abgetauchten gehalten.

Der Zeuge wandte sich auch gegen den Vorwurf, seine Behörde habe den V-Mann Tino Brandt vor Durchsuchungen der Polizei gewarnt. Nocken betonte zudem, Brandt habe die rund 200.000 Mark, die er bis 2001 vom Geheimdienst erhielt, für sich selbst ausgegeben: Dessen Aussage, er habe das Geld vor allem in die rechtsextreme Szene gesteckt, sei nicht glaubwürdig. Kurth wies indes darauf hin, dass Brandt immer dann viele Demonstrationen und andere Aktionen organisiert habe, wenn er vom LfV als Informant bezahlt worden sei - nicht aber in einer Phase, als er vorübergehend als V-Mann abgeschaltet war. Nocken sagte, ihm sei nicht bekannt, dass seine Behörde Brandts Anwaltskosten finanziert habe. Edathy konfrontierte ihn indes mit der Rechnung eines Anwalts in LfV-Unterlagen. Das könne er sich nicht erklären, sagte der Zeuge.

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2. SPD fordert Konzept zur Förderung der Kreativwirtschaft

Kultur und Medien/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die SPD-Fraktion fordert von der Bundesregierung ein umfassendes Gesamtkonzept zur Stärkung der Kreativwirtschaft. Diese müsse die Bereiche Urheberrecht, soziale Sicherung, Bildung, Netzpolitik sowie Kultur- und Wirtschaftsförderung abdecken. Die Fraktion begründet ihren Antrag (17/12382) mit der gestiegenen Bedeutung der Kreativwirtschaft. Mit ihren Teilbranchen Buchmarkt, Musikwirtschaft, Film, Rundfunk, darstellende und bildende Kunst, Architektur und Design, Werbewirtschaft und Software- und Computerspiele habe die Kreativwirtschaft im Jahr 2010 ein Umsatzvolumen von mehr als 137 Milliarden Euro erwirtschaftet und beschäftige rund eine Million Menschen.

Konkret fordern die Sozialdemokraten unter anderem eine Novellierung des Urheberrechts, um den Anforderungen der digitalen Welt Rechnung zu tragen. Zudem müsse das Urhebervertragsrecht reformiert werden, um die "strukturell schwächere Position" der Urheber in Vergütungsverhandlungen mit den Verwertern zu stärken. Nach dem Willen der SPD müssen Kulturschaffende außerdem sozial besser abgesichert und Existenzgründungen erleichtert werden. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern fordert die Fraktion in den Bereichen der kulturellen und medialen Bildung. Handlungsbedarf sehen die Sozialdemokraten auch beim Breitbandausbau und bei der Nutzung von drahtlosen lokalen Netzwerken.

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3. Koalitionsfraktionen wollen deutsche Kinderfilme fördern

Kultur und Medien/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP wollen den deutschen Kinderfilm stärken. In einem Antrag (17/12381) fordern sie die Bundesregierung deshalb unter anderem auf, eine Quote für Kinderfilme in der Filmförderung und eine Sendequote im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu prüfen. Die beiden Fraktionen sprechen sich zudem für eine Verankerung der Förderungswürdigkeit des Kinderfilms im Filmförderungsgesetz aus. Zudem soll die Regierung bei den zuständigen Bundesländern für eine Selbstverpflichtung der Fernsehsender werben, um den Anteil deutscher Kinderfilme in den Programmen zu erhöhen.

Union und FDP begründen ihren Antrag mit der hohen Qualität des deutschen Kinderfilms. In den 1950er Jahren hätten Filmschaffende begonnen, bekannte Kinderbücher und Märchen zu verfilmen. Bis heute seien solche Verfilmungen auch an den Kinokassen erfolgreich und im Fernsehen zu sehen. Allerdings würden immer weniger Filme für Kinder nach "zeitgenössischen Stoffen gedreht, die aus der unmittelbaren Lebenswirklichkeit der Kinder stammen". Die Filmförderanstalt habe in den vergangenen drei Jahren 31 Kinderfilme gefördert, von denen jedoch nur vier einen originären Stoff zum Thema gehabt hätten. Ambitionierte Filme nach Orginalstoffen seien praktisch nicht mehr finanzierbar und damit aus Produktionslandschaft fast vollständig verschwunden.

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4. Drei Menschen im vierten Quartal 2012 infolge antisemitischer Straftaten verletzt

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Im vierten Quartal vergangenen Jahres sind in Deutschland laut Bundesregierung drei Menschen infolge politisch motivierter Straftaten mit antisemitischem Hintergrund verletzt worden. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (17/12329) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/12175) weiter hervorgeht, wurden im vierten Quartal 2012 insgesamt 207 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet. Darunter waren laut Vorlage sieben Gewalttaten und 43 Propagandadelikte. Zu den genannten 207 Straftaten seien insgesamt 87 Tatverdächtige ermittelt und eine Person festgenommen worden. Die angegebenen Zahlen werden sich den Angaben zufolge "aufgrund von Nachmeldungen und Korrekturen noch (teilweise erheblich) verändern".

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5. Im Bundestag notiert: 39 Menschen infolge politisch rechts motivierter Straftaten verletzt

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Im Dezember vergangenen Jahres sind in Deutschland vorläufigen Zahlen zufolge 39 Menschen infolge politisch rechts motivierter Straftaten verletzt worden. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (17/12328) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/12176) weiter hervorgeht, wurden für Dezember 2012 insgesamt 755 politisch rechts motivierte Straftaten gemeldet, darunter 43 Gewalttaten und 516 Propagandadelikte. Zu den 755 Straftaten seien insgesamt 372 Tatverdächtige, davon 335 männlich, ermittelt sowie 14 Männer vorläufig festgenommen worden.

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6. Im Bundestag notiert: Unvollstreckte Haftbefehle gegen Neonazis

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Unvollstreckte Haftbefehle gegen Neonazis" sind Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (17/12334). Darin erkundigen sich die Abgeordneten danach, gegen wie viele Neonazis "zum Zeitpunkt der jüngsten bundesweiten Überprüfung nach Kenntnis der Bundesregierung unvollstreckte Haftbefehle" vorlagen. Auch wollen sie unter anderem wissen, bei wie vielen der mit Stand 30. Juni 2012 mit Haftbefehl gesuchten 118 Neonazis sich nach Kenntnis der Regierung der Haftbefehl mittlerweile erledigt hat.

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7. Im Bundestag notiert: Einsatz externer Mitarbeiter in Bundesministerien

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Den Einsatz externer Mitarbeiter in Bundesministerien und -behörden thematisiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (17/12335). Darin erkundigen sich die Abgeordneten unter anderem danach, wie viele externe Mitarbeiter in der laufenden Legislaturperiode in Bundeskanzleramt und Bundespresseamt sowie in den Bundesministerien eingesetzt worden sind.

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8. Im Bundestag notiert: Kostenentwicklung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm

Verkehr und Bau/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Die Kostenentwicklung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/12357). Die Abgeordneten interessiert unter anderem, ob Meldungen zutreffen, dass die ICE-Neubaustrecke erst im Jahr 2021 in Betrieb gehen kann und dass die Kosten um 369 Millionen Euro höher liegen als bisher bekannt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 092 - 21. Februar 2013 - 17:25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2013