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BUNDESTAG/3903: Heute im Bundestag Nr. 303 - 05.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 303
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 5. Juni 2013 Redaktionsschluss: 18:55 Uhr

1. Sachverständige wollen Neuregelung der Ziele in der Substitutionsbehandlung
2. De Maizière: Entscheidung war richtig
3. Experten äußern Bedenken gegen Zustimmungsgesetz für Europäische Bankenunion



1. Sachverständige wollen Neuregelung der Ziele in der Substitutionsbehandlung

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/SUK) Bei der Substitutionsbehandlung von Drogensüchtigen sollten die Ziele der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BTMVV) neu formuliert werden. Darin waren sich Experten in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch, 5. Juni 2013, einig. Insbesondere solle vom "Abstinenzparadigma" abgewichen werden.

Gegenstand der Anhörung waren drei Anträge der Oppositionsfraktionen. Dabei fordert die SPD in ihrem Antrag (17/12181) eine Reform der BtMVV und will, "dass die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte mit einer fachlichen Qualifikation für Substitutionsbehandlungen insgesamt erhöht wird". Die Linksfraktion spricht sich dafür aus (17/12825), die "fachlich-medizinischen Festlegungen aus der BtMVV zu streichen und der Selbstverwaltung zu übergeben". Dies solle insbesondere das Behandlungsziel, die Therapievoraussetzungen und die Festlegung auf bestimmte Applikationsformen oder Wirkstoffe der Substitutionsmittel betreffen. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will das BtMVV so reformieren, dass die darin enthaltenen Vorgaben "zukünftig durch eine dem aktuellen Stand der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft entsprechenden Behandlungsrichtlinie der Bundesärztekammer geregelt werden" (17/13230).

Mehrere Sachverständige unterstrichen, dass das Ziel der Abstinenz in den meisten Fällen nicht zu erreichen sei. So betonte Hans-Günther Meyer-Thompson von der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, dass Erfahrungen aus allen Ländern, in denen Substitionsbehandlungen stattfinden würden, belegten, dass Patienten zusätzliche Substanzen einnehmen würden. Darauf gebe es "keine allgemeingültige Antwort". Kollegen, die den so genannten Beikonsum im Sinne ihrer Patienten tolerieren müssten, dürften nicht befürchten müssen, nach dem Strafgesetz verurteilt zu werden oder ihre Zulassung zu verlieren.

Auch Heino Stöver von der Fachhochschule Frankfurt unterstrich, dass das Abstinenzparadigma aus den rechtlichen Rahmenbedingungen "gestrichen" werden müsse, weil dies ein "unrealistisches Ziel" wäre. Die Behandlung könne auch dazu beitragen, Patienten psychisch und sozial zu stabilisieren. Es seien "positive Outcomes". wenn Ärzte wegen Beikonsums mit einem Behandlungsabbruch drohen müssten, um sich nicht strafbar zu machen. Dies sei "kontraproduktiv".

Auch Wilfried Kunstmann von der Bundesärztekammer sagte, Abstinenz sei ein wichtiges Ziel, in vielen Fällen aber unrealistisch. Es entspreche der "medizinisch-ärztlichen Weisheit", Ziele "auf dem Niveau des Patienten" und an seiner aktuellen Situation ausgerichtet zu definieren. Beispiele aus Bayern aber zeigten, dass die Strafverfolgungsbehörden die Abstinenz als Primärziel begriffen - daher müsse ein Konzept her, dass "Klarheit für alle Beteiligten" bieten könne. Für Jürgen Vieten, Psychiater und Psychotherapeut aus Mönchengladbach, ist neben finanziellen Problemen die rechtliche Situation Grund dafür, dass viele Ärzte die Substitutionsbehandlung nicht anböten.

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2. De Maizière: Entscheidung war richtig

Haushaltsausschuss

Berlin: (hib/MIK) "Die Entscheidung und der Zeitpunkt für die Einstellung des Projektes Euro Hawk war richtig". Dies erklärte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am späten Mittwochnachmittag im Haushaltsausschuss. Es habe Anfang Mai keine Chancen mehr auf eine Musterzulassung zu vertretbaren Mehrkosten gegeben, sagte er weiter. Die Kosten dafür hätten auch nach einem unabhängigen Gutachten bei mehr als 500 Millionen Euro gelegen.

Außerdem habe sich abgezeichnet, dass die Betriebskosten erheblich steigen würden, da die USA entschieden hätten, ältere Versionen des Euro Hawk aus dem Dienst zu nehmen. Die langfristige Versorgbarkeit der Serie sei somit gefährdet gewesen. Schließlich sei eine eigenständige nationale Missionsplanung bis mindestens 2017 nicht gegeben. Das bedeute, dass jede Missionsplanung, auch zu Test- und Erprobungsflügen, von den USA aus hätten durchgeführt werden müssen, betonte der Minister.

Er hielt den Zeitpunkt auch deshalb für richtig, weil ein früherer Abbruch des Projektes zu Mehrkosten geführt hätte, da auch die rund 200 Millionen Euro für das Aufklärungssystem verloren gewesen wären. Dies solle jetzt noch genutzt werden.

De Maizière betonte, dass er erst vor kurzem über den Stand des Verfahrens informiert worden sei, und kritisierte die Beschaffungsverfahren, die er vorgefunden habe. Es sei sein Fehler gewesen, dass er diese in den zwei Jahren seiner Tätigkeit als Verteidigungsminister nicht geändert habe. Dies solle nun umgehend geschehen. Rechtsansprüche würden zurzeit geprüft. Dann könnte auch über personelle Konsequenzen nachgedacht werden.

Die Sprecher der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP hielten die Art und Weise der Aufklärung durch den Minister für "gut und richtig". Die Konsequenzen müssten jedoch jetzt schnell umgesetzt werden. Sie kündigten einen Antrag an, nach dem die Regierung unter anderem die Musterzulassungsverfahren überarbeiten und ein fachliches Controlling einführen soll. Außerdem soll die Regierung alle Regressmöglichkeiten prüfen und je nach Einschätzung der Erfolgsaussichten durchsetzen.

Die SPD-Fraktion wies darauf hin, dass seit mindestens zwei Jahren bekannt sei, dass es nicht absehbare technische und fachliche Risiken in diesem Projekt gebe. Deshalb sei unvorstellbar, dass der Minister erst im Mai 2013 darüber informiert worden sei. Die Sprecherin der Linksfraktion betonte, dass nach ihrer Auffassung die Bundesrepublik keine Aufklärungsdrohnen brauche. Dies sei ein erster Schritt zu bewaffneten Drohnen. Sie interpretierte die Ausführungen des Ministers so, dass das Verteidigungsministerium "nicht leitbar" sei.

Bündnis 90/Die Grünen kritisierten, dass dem Bundesrechnungshof erst sehr spät alle Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien. Sich über den Stand des Verfahrens eines Projektes zu informieren, sei auch Aufgabe des Ministers. Die Fraktion kündigte einen Antrag an, den Haushaltsausschuss regelmäßig über anstehende Projekte und deren Umsetzung zu informieren.

Der Ausschuss will sich in den kommenden Tagen erneut mit dem "Euro Hawk"-Projekt beschäftigen.

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3. Experten äußern Bedenken gegen Zustimmungsgesetz für Europäische Bankenunion

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Berlin: (hib/AS) Im Europaausschuss haben Experten verfassungs- und europarechtliche Bedenken im Zusammenhang mit der rechtlichen Ausgestaltung einer Europäischen Bankenunion in Deutschland geäußert. Grundlage ist ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP (17/13470). Das Gesetz sieht vor, dass der deutsche Vertreter im Rat der Verordnung für den SSM (Single Supervisory Mechanism) erst dann zustimmen darf, wenn ein entsprechendes Gesetz auf der Grundlage von Artikel 23 Absatz 1 des Grundgesetzes erlassen wurde. Die SSM-Verordnung regelt die "Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank".

Professor Franz Mayer von der Universität Bielefeld und Professor Ulrich Hufeld von der Universität der Bundeswehr in Hamburg bezeichneten den Gesetzentwurf als nicht verfassungsgemäß. Professor Mayer führte an, dass Artikel 23 Absatz 1 keine "taugliche Kompetenzgrundlage" für ein solches Zustimmungsgesetz darstelle. Er warnte zugleich davor, dass ein "überflüssiges Gesetz keinesfalls rechtlich gegenstandslos" sei. "Sie können davon ausgehen, dass die Sache nach Karlsruhe" geht, sagte er. Er wage aber keine Prognose, was beim Bundesverfassungsgericht geschehen werde. "Die Chancen sind 50:50", sagte er. Er schlug vor, das Gesetzgebungsverfahren abzubrechen und anstelle eines Zustimmungsgesetzes eine Stellungnahme in Form eines Plenarbeschlusses herbeizuführen. Dabei wies er auf das Problem hin, wenn "Mitgliedstaaten Europarecht mit Sonderregeln flankieren".

Rechtsanwalt Benedikt Wolfers von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer sprach von einer "relativ einzigartigen Situation". Er erklärte, dass das geplante Gesetz zwar nicht erforderlich, aber verfassungsrechtlich zulässig sei. Man müsse fragen, ob es stimme, dass bereits 1993 mit dem Vertrag von Maastricht die Bankenaufsicht ganz an die Europäische Union übertragen worden sei. Wolfers äußerte zudem Zweifel, ob der Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die entsprechende Rechtsgrundlage sei.

Eine Frage, zu der Professor Hufeld zuvor klar Stellung bezogen hatte, in dem er sagte: "Die Kompetenz über die Bankenaufsicht ist bereits 1993 ausgewandert." Der Artikel 127 Absatz 6 gehöre nach seiner Meinung zudem nicht zu den Kompetenzerweiterungsklauseln, die das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil erwähnt. Er warnte gleichzeitig vor mögliche Risiken. "Es ist ein heikles Exempel, wenn es nicht veranlasst ist", erklärte Hufeld, da damit die Verordnungsgebung in der Europäischen Union drastisch erschwert werden könne. Bereits am Anfang hatte er daher den Abgeordneten gesagt: "Ich rate Ihnen ab, dieses Mandatsgesetz zu beschließen."

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 303 - 5. Juni 2013 - 18:55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2013