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BUNDESTAG/3964: Heute im Bundestag Nr. 364 - 27.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 364
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 27. Juni 2013 Redaktionsschluss: 10:00 Uhr

1. Konflikt um Mietpreisbremsen
2. SPD fordert weitere Reformen der betrieblichen Ausbildung
3. Linke fordert das Recht auf Ausbildung umzusetzen
4. Koalition spricht sich für Verhandlungen über serbischen EU-Beitritt nicht vor 2014 aus



1. Konflikt um Mietpreisbremsen

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/KOS) Auf ein kontroverses Echo stieß am Mittwochabend bei den zu einer Anhörung des Rechtsausschusses geladenen neun Sachverständigen die Forderung von SPD, Linken und Grünen nach Mietpreisbremsen, um so die teils drastisch steigenden Wohnkosten in Ballungszentren und Universitätsstädten einzudämmen. Nachdrücklich begrüßt wurden diese Initiativen von Lukas Siebenkotten, dem Direktor des Deutschen Mieterbunds, der besonders in Kappungsgrenzen bei der Wiedervermietung von Wohnungen ein "Therapeutikum gegen Überhitzungen" in Ballungszentren sah. Sprecher der Wohnungswirtschaft warnten hingegen vor Mietbeschränkungen, da auf diese Weise Investitionen in Neubauten "abgewürgt" würden, so Hans-Joachim Beck vom Immobilienverband Deutschland (IVB). Zugrunde lagen dem Hearing Anträge der SPD (17/12486), der Linken (17/4837) und der Grünen (17/13098).

Kernpunkte der Vorstöße der Oppositionsfraktionen sind Kappungsgrenzen für Mieten bei laufenden Verträgen sowie bei Wiedervermietungen. Die SPD will Steigerungen bei Bestandsmieten auf höchstens 15 Prozent innerhalb von vier Jahren limitieren. Erhöhungen bei der Wiedervermietung von Wohnraum sollen auf eine Summe beschränkt werden, die maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Nach Auffassung der Linken soll eine Anhebung der Kaltmiete bei bestehenden Mietverhältnissen und bei Wiedervermietungen an die Verbesserung des bisherigen Wohnstandards geknüpft werden, ansonsten dürften Mietsteigerungen nur im Rahmen des Inflationsausgleichs erlaubt sein. Nach dem Willen der Grünen sollen Mietminderungen künftig schon dann möglich sein, wenn die Quadratmeterzahl um weniger als zehn Prozent unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt.

Aus Sicht Siebenkottens würden durch Kappungsgrenzen bei Wiedervermietungen zwar keine zusätzlichen Wohnungen geschaffen. Ein solches Instrument sei jedoch ein geeignetes Mittel, um preiswerten Wohnraum in Ballungszentren zu erhalten. Eine wesentliche Ursache für steigende Wohnkosten sah der Direktor des Mieterbunds in energetischen Sanierungen. Es müsse geklärt werden, wer solche Investitionen finanzieren solle. Siebenkotten plädierte dafür, dass Vermieter, Mieter und Staat diese Aufwendungen jeweils zu einem Drittel übernehmen.

Nach Auffassung von Astrid Siegmund sind Modernisierungsmaßnahmen wie etwa Wärmedämmung, die Installierung von Balkonen oder der Einbau von Aufzügen oft eine wesentliche Ursache für Mieterhöhungen. Solche Investitionen könnten sogar zu einer Verdoppelung der Miete führen, so die Vorsitzende Richterin am Landgericht Berlin. Sie berichtete, dass Mietprozesse inzwischen öfters in einem aufgeheizten Klima stattfänden. Solche Verfahren müssten schon mal unter Polizeischutz ablaufen, weil Richter bedroht würden oder Demonstranten in das Gebäude einzudringen versuchten.

Beck sprach von einem "differenzierten Wohnungsmarkt". In ländlichen Regionen suchten Wohnungsbesitzer oft händeringend nach Mietern, während in manchen Vierteln von Ballungszentren wegen großer Nachfrage die Wohnungskosten stiegen. Es sei ein "kulturelles Phänomen", sagte der IVB-Vertreter, dass "bestimmte Straßenzüge" besonders begehrt seien. Für Berlin konstatierte Beck einen "Nachholeffekt", da sich in dieser Stadt die Mieten in den vergangenen 20 Jahren nur sehr moderat erhöht hätten. Man brauche keine weitere Regulierung des Mietmarkts und keine Deckelung bei Mieten. Solche Maßnahmen seien "Gift für Wohnungssuchende", da wegen ausbleibender Investitionen keine neuen Wohnungen entstünden.

Nach Ansicht von Kai Warnecke widerlegen die Fakten die These von einer allgemeinen Mietpreisexplosion. Mietpreisbremsen würden "enteignend" wirken, die Renditen auf dem Wohnungsmarkt seien schon jetzt sehr niedrig, meinte der Vertreter des Zentralverbands der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. Die zunehmende Belastung der Bürger durch die Wohnkosten habe ihre Ursache nicht in den Mieten, sondern vor allem in den steigenden Energiepreisen. Beschränkungen bei Mietpreisen hätten auch deshalb "dramatische Folgen", warnte Warnecke, weil dann Investitionen in Modernisierungen des Wohnungsbestands unterblieben. Wohin das führe, könne man am Beispiel Lissabons sehen, wo die Altstadt "kurz vorm Kollaps steht".

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2. SPD fordert weitere Reformen der betrieblichen Ausbildung

Bildung und Forschung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Auch wenn sich die berufliche Bildung in Deutschland gerade in Zeiten der Finanzkrise als Stabilisator und Innovationstreiber der deutschen Wirtschaft erwiesen habe, sei es eine "inakzeptable wie illusorische Strategie, die Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland allein auf Kosten der notleidenden EU-Mitgliedstaaten betreiben zu können", schreibt die SPD in ihrem Antrag "Betriebliche Ausbildung weiter denken - Qualität erhöhen, Gleichwertigkeit durch einen attraktiven Dualen Bildungsweg herstellen" (17/14134). Auch wenn die krisengeschüttelten südeuropäischen Staaten Solidarität und Unterstützung verdienten, müsse in Deutschland die berufliche Ausbildung weiter reformiert werden. Die Ausbildung von Fachkräften müsse vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung zukunftsfest gestaltet werden. Die "Fehlsteuerungen im Fördersystem" des so genannten Übergangsbereichs, der Ausbildungsbeteiligung und der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung, müssten revidiert werden. Zudem beklagt die SPD, dass die Ausbildungsbetriebsquote von Fachkräften in Deutschland weiter sinke und mit nunmehr 21,7 Prozent einen neuen Tiefststand erreicht habe. Besonders Kleinstbetriebe hätten sich weiter aus der Ausbildung zurückgezogen. Diese Entwicklung sei beunruhigend, nach dem auch zukünftig laut wissenschaftlichen Untersuchungen der Bedarf an Facharbeitern, Angestellten, Technikern und Meistern ungebrochen sein werde.

Die SPD fordert daher in einem Zehn-Punkte-Plan die Bundesregierung auf, den systematischen Ausbau der persönlichen Begleitung von jungen Menschen und eine curricular verankerte Berufsorientierung während der Schulzeit gemeinsam mit den Ländern flächendeckend zu implementieren. Die Programmvielfalt im so genannten Übergangsbereich soll radikal abgebaut werden und der Schwerpunkt in Vermittlung in Ausbildung und betriebliche Einstiegsqualifizierung gelegt werden. Die Verantwortung über die Maßnahmen im Übergangsbereich, die Vermittlung in eine Ausbildung sowie die Aktivitäten zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit sollen gebündelt und in ein Bundesministerium zusammen gelegt werden.

Doch fordert die SPD nicht nur die Bundesregierung zum Handeln auf, sondern erinnert auch die Länder an ihre Verantwortung. Sie schlägt ihnen neben der flächendeckenden Berufsorientierung, die Entwicklung regionaler Bildungsmanagements in Form von Jugendberufsagenturen vor. Die SPD regt an, dass Bund und Länder mit den Sozialpartnern die Etablierung eines durchgehenden dualen Bildungsweges diskutieren mögen und im Sinn der Sicherung der Qualität der betrieblichen Berufsausbildung für eine hinreichende Ausstattung der universitären Fachbereiche Berufspädagogik sorgen sollen.

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3. Linke fordert das Recht auf Ausbildung umzusetzen

Bildung und Forschung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) In Spanien und Griechenland sind mittlerweile mehr als die Hälfte aller Jugendliche arbeitslos. Aber auch in anderen südeuropäischen Ländern hat "die Jugendarbeitslosigkeit infolge der globalen Finanzkrise und der damit verbundenen rigiden Kürzungspolitik dramatische Ausmaße angenommen", schreibt die Linke in ihrem Antrag "Das Recht auf Ausbildung umsetzen - Berufliche Perspektiven für alle garantieren" 17/14119). Für März 2013 weise die Eurostat-Statistik aus, dass in der Europäischen Union (EU) durchschnittlich 23,8 Prozent aller Menschen unter 25 Jahren ohne Arbeit seien. Vor diesem Hintergrund habe sich die EU-Kommission auf die Einführung einer "Jugendgarantie" verständigt.

Mit der Jugendgarantie soll erreicht werden, dass "jungen Menschen binnen vier Monaten nach Verlust einer Arbeit oder dem Verlassen der Schule eine hochwertige Arbeitsstelle beziehungsweise weiterführende Ausbildung oder ein hochwertiger Praktikums- oder Ausbildungsplatz angeboten wird". In Deutschland gehe die Bundesregierung davon aus, dass die Ziele der Empfehlung zur Jugendgarantie an die EU-Mitgliedstaaten bereits weitgehend erfüllt sei. Sie verweise, so schreibt die Linke, pauschal auf die Stärke des dualen Systems der Berufsausbildung und die niedrige Jugendarbeitslosigkeit von rund acht Prozent. In der Tat habe das duale System durch die ausgewogene Verknüpfung von Theorie und Praxis ein hohes Integrationspotenzial, stimmt auch die Linke zu. Dennoch verschleiere die offiziell angegebene Jugendarbeitslosigkeit den hohen Handlungsbedarf in der Bundesrepublik Deutschland. Der Berufsbildungsbericht 2013 zeige, dass lediglich 66,9 Prozent aller ausbildungsinteressierten Jugendlichen einen Ausbildungsplatz erhalten hätten. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge erreiche mit 551.271 den zweitniedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Nur noch 21,7 Prozent aller Betriebe bildeten aus. Mehr als 260.000 Jugendliche landeten in Bildungsmaßnahmen des Übergangsbereichs.

Die Linke fordert die Bundesregierung in einem Acht-Punkte-Plan deshalb unter anderem dazu auf, in Deutschland das Recht auf Ausbildung für alle jungen Menschen umzusetzen. Es soll eine gesetzliche Umlagefinanzierung von Ausbildungsplätzen geschaffen werden, die alle Betriebe für die Ausbildung von Jugendlichen in die Pflicht nimmt. Die Linke tritt zudem dafür ein, eine ehrliche Ausbildungsberichterstattung auf den Weg zu bringen und eine grundlegende Neuausrichtung der Berufsausbildungspolitik vorzunehmen. Ferner fordert sie, die Steigerung der Qualität von Berufsorientierungs-, Berufsberatungs- und Vermittlungsangeboten perspektivisch bundesweit dezentral zu organisieren und Zentren für Ausbildungsberatung und -vermittlung zu gründen.

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4. Koalition spricht sich für Verhandlungen über serbischen EU-Beitritt nicht vor 2014 aus

Europa/Antrag

Berlin: (hib/AS) Die Bundesregierung soll beim Europäischen Rat in Brüssel grundsätzlich der Aufnahme von Verhandlungen mit Serbien zum Beitritt zur Europäischen Union zustimmen. Hierzu erklärt der Bundestag sein Einvernehmen. Die Europäische Union soll die Beitrittsverhandlungen mit Serbien aber erst aufnehmen, wenn die zwischen Serbien und dem Kosovo im Mai vereinbarten Absprachen umgesetzt worden sind. CDU/CSU und FDP sprechen sich in einem Antrag (17/14108), der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestages steht, dafür aus, dass die Verhandlungen dafür frühestens im Januar 2014 beginnen sollen. Zu den Bedingungen, die von Serbien erfüllt werden sollen, zählt unter anderem die Errichtung neuer Strukturen im Sicherheits- und Justizsektor Kosovos, die allein der politischen Kontrolle und der Finanzierung durch die kosovarische Regierung unterliegen sollen. Außerdem soll Belgrad einen vollständigen Überblick über alle serbischen Zahlungen an Institutionen im Kosovo liefern. Eine weitere Forderung ist die Abhaltung freier und fairer Kommunalwahlen in ganz Kosovo. Der Bundestag fordert die Regierung auf, ihn bis spätestens 30. November über die vollständige Umsetzung der 15-Punkte Vereinbarung zwischen beiden Staaten schriftlich zu unterrichten.

Die Bundesregierung soll mit dem Bundestag nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundestag und Bundesrat (EUZBBG) vor der Zustimmung zu Betrittsverhandlungen Einvernehmen herstellen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 364 - 27. Juni 2013 - 10:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2013