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BUNDESTAG/4920: Heute im Bundestag Nr. 121 - 05.03.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 121
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 05. März 2015, Redaktionsschluss: 10.45 Uhr

1. Gute Noten für neues Hilfskonzept
2. Linke gegen Tarifeinheitsgesetz
3. Linke verlangt Mindestlohn-Korrektur
4. Schutz minderjähriger Flüchtlinge
5. Nachhaltige Entwicklung fördern
6. LSBTI-Flüchtlinge und Resettlement


1. Gute Noten für neues Hilfskonzept

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe/Anhörung

Berlin: (hib/AS) Die Vereinbarung für eine verbesserte Arbeitsteilung der deutschen humanitären Hilfe zwischen dem Auswärtigen Amt (AA) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) ist bei einer Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochnachmittag von der Mehrheit der geladenen Sachverständigen positiv bewertet worden. Grundlage der Anhörung war eine Unterrichtung der Bundesregierung (18/2900) über die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland von 2010 bis 2013. Beide Ministerien hatten im Mai 2012 beschlossen, die Zuständigkeit der Bundesregierung für die humanitäre Hilfe neu zu regeln. Die Vereinbarung sei eine "Zäsur, die einen Wandel in der deutschen humanitären Hilfe eingeleitet hat", sagte der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses Michael Brand (CDU) zu Beginn der Anhörung.

Der Geschäftsführer der Organisation "Ärzte ohne Grenzen", Florian Westphal, nannte mehrere Schwierigkeiten der humanitären Hilfe, die im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten stehen. Zum einen fehle oftmals dort die Hilfe, wo sie am dringendsten gebraucht werde. Zum anderen würden Konfliktherde oftmals nur unzureichend von der humanitären Hilfe erreicht. Er machte auf das Problem von zunehmenden Angriffen auf Hilfsorganisationen aufmerksam: "Die Situation ist nicht neu, hat aber auf besorgniserregende Weise zugenommen", sagte er. Ein zentrales Ziel müsse es daher sein, "mit allen Konfliktparteien gesprächsbereit" zu bleiben. Dabei verwies er auf die oftmals ambivalente Rolle der Vereinten Nationen: "Es ist schwierig, gleichzeitig humanitäre Hilfe zu leisten und politische und militärische Ziele zu verfolgen", gab er zu bedenken.

Den in der Vereinbarung zwischen AA und BMZ beabsichtigten Paradigmenwechsel von kurzfristiger zu langfristiger Hilfe begrüßte auch Thomas Gebauer, Geschäftsführer von medico international. Gleichzeitig stellte aber auch er eine wachsende Lücke zwischen "Bedarf und zur Verfügung gestellten Mitteln" bei der humanitären Hilfe fest. Er sprach sich ebenfalls für eine bessere Kontrolle der eingesetzten Hilfsgelder aus: "Eine Initiative zur Evaluierung ist absolut richtig", sagte er. Gleichzeitig machte er seine Bedenken hinsichtlich einer "Weißhelmtruppe der EU" deutlich und warnte vor einer weiteren Fragmentierung von Hilfsmaßnahmen.

Auch Professor Joachim Gardemann erklärte als Vertreter eines Hochschulnetzwerkes, dass die neue Ressortausübung von allen Beteiligten größtenteils positiv aufgenommen werde. "Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind zwei grundlegend verschiedene Gebiete", sagte der Leiter des Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe an der Fachhochschule Münster, "da die Entwicklungszusammenarbeit immer auch ein politisches Handeln ist und die Nothilfe immer strikt neutral". Er machte gleichzeitig auf die Bedeutung der Unparteilichkeit für die humanitäre Hilfe aufmerksam. Neutralität sei ein politisches Instrument, das mit der Genfer Konvention eingeführt worden sei. Dies werde momentan oftmals nur mangelhaft respektiert und zur Kenntnis genommen: "Wir haben eine Krise des humanitären Völkerrechts", sagte Gardemann.

Die Präsidentin Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, machte in ihrem Beitrag vor allem auf einen Faktor aufmerksam: die Bedeutung der lokalen Partner vor Ort. Gerade die lokalen Partner der Kirchen "sind in jedem Winkel präsent und kennen die politischen und gesellschaftlichen Sensibilitäten", hob sie hervor. Im UN-Koordinierungssystem würden sie aber oftmals übergangen werden, kritisierte sie und folgerte daraus: "Das UN-System müsste vom Kopf auf die Füße gestellt werden." Sie forderte, den lokalen Akteuren mehr Raum zu geben. Außerdem seien für viele von ihnen Hilfsanträge "zu kompliziert und hochschwellig", befand sie. Hilfsstandards müssten für alle praktikabel sein.

Nach den Erfahrungen von Albrecht Broemme, dem Präsidenten der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), genießt gerade die Hilfe aus Deutschland sehr hohes Ansehen. "Sie wird manchmal mehr geschätzt, weil sie effektiver ist" sagte der frühere Berliner Landesbranddirektor. Auch Broemme stellte fest, dass der Wettkampf um die Hilfen immer größer werde. Gleichzeitig machte er nochmals deutlich, dass humanitäre Hilfe kein politisches Mandat sei. Die Wertschätzung durch die Politik sei jedoch sehr wichtig.

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2. Linke gegen Tarifeinheitsgesetz

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Gegen das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Tarifeinheit wendet sich die Fraktion Die Linke in einem Antrag (18/4184) und fordert darin eine Rücknahme des Gesetzentwurfs. Dieser sei "Verfassungsbruch mit Ansage". Gezielt werde darin die Koalitionsfreiheit auf Arbeitnehmerseite und das durch die Verfassung geschützte Streikrecht in Artikel 9 GG angegriffen, argumentiert die Fraktion. Die Bundesregierung plane einen Frontalangriff auf das System der Flächentarifverträge, schreiben die Linken weiter. Nötig seien stattdessen gesetzliche Vorgaben zur Bekämpfung der Tarifflucht durch die Arbeitgeber und gegen die Zersplitterung der Tariflandschaft, so eine weitere Forderung der Abgeordneten. Am heutigen Donnerstag debattiert der Bundestag in erster Lesung sowohl den Gesetzentwurf (18/4062) der Bundesregierung als auch den Antrag der Linken.

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3. Linke verlangt Mindestlohn-Korrektur

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Die Linke fordert eine Korrektur des Mindestlohngesetzes, um dessen Missbrauch zu verhindern. Dazu hat sie einen Antrag (18/4183) vorgelegt, der am heutigen Donnerstag in erster Lesung vom Bundestag beraten wird. In diesem verlangen die Abgeordneten unter anderem, das Gesetz so zu verändern, dass der Mindestlohn dem reinen Stundenentgelt ohne Zuschläge entspricht. Darüber hinausgehende Entgeltbestandteile, wie Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Monatsgehalt, sollen neben dem Mindestlohn zu zahlen sein. Aufwendungsersatzleistungen und jährliche Einmalzahlungen sollen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen, auch wenn sie auf den Monat umgelegt werden, fordert Die Linke. Ebenfalls sollen Sachleistungen, Trinkgelder, Boni und Provisionen bei der Berechnung des Mindestlohns nichts berücksichtigt werden. Das Gesetz müsse außerdem die vergütungspflichtigen Arbeitszeiten sowie die Abgrenzung von ehrenamtlichen von regulären Arbeitsverhältnissen präzisieren, heißt es in dem Antrag.

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4. Schutz minderjähriger Flüchtlinge

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung auf, im Asylverfahrensgesetz und im Aufenthaltsgesetz Regelungen zu verankern, die den in der UN-Kinderrechtskonvention vorgesehenen Vorrang des Kindeswohls verbindlich festlegen. In ihrem entsprechenden Antrag (18/4185) spricht sie sich zudem dafür aus, die Verfahrensmündigkeit in aufenthalts- und asylrechtlichen Angelegenheiten auf 18 Jahre heraufzusetzen, Widerspruchsmöglichkeiten gegen die Altersfestlegung durch Behörden zu schaffen und medizinisch umstrittene Verfahren der Altersfeststellung auszuschließen. Die Altersfestsetzung müsse beim zuständigen Vormundschafts- beziehungsweise Familiengericht angesiedelt werden. Nach dem Willen der Linksfraktion soll darüber analog zur Dublin-III-Verordnung im Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht ein erweiterter Familienbegriff verankert werden, so dass bei Entscheidungen zu Vormundschaften im Sinne des Kindeswohls und der Familieneinheit auch die Beziehungen zu erwachsenen Geschwistern oder anderen Verwandten gewahrt werden.

Nach Ansicht der Linksfraktion werden unbegleitete Flüchtlingskinder in Deutschland nicht immer gemäß der UN-Kinderrechtskonvention aufgenommen, geschützt, betreut und gefördert. So würden die Altersangaben von Flüchtlingen trotz Vorlage amtlicher Dokumente oft angezweifelt und Jugendliche zu Erwachsenen erklärt. Dabei würden immer wieder umstrittene Altersfeststellungsverfahren angewendet.

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5. Nachhaltige Entwicklung fördern

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel das Weltaktionsprogramm "Bildung für nachhaltige Entwicklung" stärker zu unterstützen als bisher. Eine nachhaltige Entwicklung erfordere eine Änderung von Denk- und Handlungsweisen und Bildung spiele dabei eine entscheidende Rolle, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen (18/4188). Daher sei es notwendig, auf sämtlichen Ebenen aktiv zu werden, um das Potenzial der Bildung für Nachhaltige Entwicklung in vollem Umfang zu mobilisieren.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein interdisziplinäres, den Bildungsbereich übergreifendes Lehr- und Lernkonzept. Es soll Menschen befähigen, Wissen über nachhaltige Entwicklung anzuwenden. Probleme, die durch eine nicht nachhaltige Entwicklung entstehen, sollen so schneller erkannt werden können. Durch mehr Gestaltungskompetenz sollen die Menschen in der Lage sein, Gegenwart und Zukunft vor dem Hintergrund sozialer, ökonomischer und ökologischer Erfordernisse so (mit-) zu gestalten, dass gute Lebensbedingungen für nachfolgende Generationen mindestens genauso gewährleistet sind, wie für die heutige Welt-Gesellschaft. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung biete den Rahmen für die Aneignung von Fähigkeiten und Fertigkeiten für "global citizenship", schreiben die Abgeordneten.

Das Weltaktionsprogramm "Bildung für nachhaltige Entwicklung" ziele darauf ab, die entsprechenden Aktivitäten in Gang zu setzen. Ziel der im Rahmen des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen 2002 in Johannesburg ausgerufenen UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005 bis 2014) sei es, die Grundzüge der nachhaltigen Entwicklung in den Bildungssystemen der Mitgliedsstaaten zu verankern. Zur Verwirklichung nachhaltiger Entwicklungsprozesse sei im Rahmen des Programms BLK 21 (und nachfolgend Transfer-21) das Konzept der Gestaltungskompetenz ausformuliert worden. Die Schirmherrschaft der Dekade in Deutschland liege beim Bundespräsidenten.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) betreue das Konzept innerhalb der Bundesregierung federführend und unterstütze die Umsetzung in Deutschland finanziell. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) leiste einen Beitrag zu Umsetzung der Dekade in den Partnerländern. Auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses des Bundestages vom 1. Juli 2004 (15/3472) habe die Bundesregierung die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) mit der organisatorischen Ausgestaltung der UN-Dekade beauftragt. Dies soll mit dem Weltaktionsprogramm fortgeführt werden, heißt es im Antrag weiter.

Die Fraktionen fordern die Bundesregierung unter anderem auf, das bisherige Engagement mit den im Zuge der UN-Dekade erprobten sowie weiterentwickelten Instrumenten und Strukturen fortzuführen. Die Kooperation mit internationalen Partnern der Entwicklungszusammenarbeit für strukturbildende Maßnahmen soll weiter ausgebaut werden. Es soll eine geeignete Einrichtung mit der Koordinierung der über die staatliche Ebene hinaus reichenden nationalen Aktivitäten im Rahmen des Weltaktionsprogramms "Bildung für nachhaltige Entwicklung" beauftragt werden. Zudem fordern die Fraktionen, dass in den Bundesressorts darauf hingewirkt wird, Bildung für nachhaltige Entwicklung in ihren Strategien zu verankern und sich international für ihre Sicherung und Umsetzung einzusetzen. Zu Unterstützung dieser Ziele sei es ratsam, eine interministerielle Arbeitsgruppe einzurichten. Ferner fordern die Fraktionen, dem Prozess ein Monitoring mit überprüfbaren Indikatoren für die Durchführung des Weltaktionsprogramms zugrunde zu legen und in entsprechenden Berichten zu berücksichtigen.

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6. LSBTI-Flüchtlinge und Resettlement

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Um homo-, bi-, trans- oder intersexuelle Flüchtlinge (LSBTI-Flüchtlinge) geht es in der Antwort der Bundesregierung (18/4094) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3868). Wie die Bundesregierung darin darlegt, teilt sie die Einschätzung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), wonach unter Umständen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Flüchtlinge nur durch Umsiedlung in einen Drittstaat - dem sogenannten Resettlement - effektiv geschützt werden können. Resettlement sei das "Mittel der Wahl", wenn sowohl der Verbleib im Zufluchtsland als auch die Rückkehr in den Heimatstaat nicht möglich sind.

Eine dauerhafte Perspektive im Zufluchtsland sei unter anderem dann nicht gegeben, wenn Flüchtlinge der Verfolgung, aufgrund derer sie ihrem Heimatstaat entflohen sind, auch in ihrem Zufluchtsland begegnen, führt die Regierung aus. Bei lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Flüchtlingen könne dies in besonderem Maße der Fall sein.

Eine zentrale Verteilung auf Neuansiedlungsstaaten nach einheitlichen Kriterien findet der Antwort zufolge nicht statt. In Deutschland lege das Bundesinnenministerium (BMI) im Benehmen mit den obersten Landesbehörden für die Neuansiedlungskontingente "in einer Aufnahmeanordnung objektivierbare, insbesondere humanitäre Kriterien fest". Dies erfolge im Dialog mit UNHCR. Auf der Grundlage der Kriterien werde schließlich bestimmten Personen, die vom UNHCR als besonders schutzbedürftig befunden und für ein Resettlement vorgeschlagen wurden, eine Aufnahmezusage erteilt. Zu den vom UNHCR zur Aufnahme vorgeschlagenen schutzbedürftigen Personen könnten auch Menschen zählen, "denen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Verfolgung sowohl im Herkunftsland und auch (perspektivisch) im Zufluchtsland droht".

Wie die Regierung weiter schreibt, wurden seit der Institutionalisierung des Resettlement-Programms des Bundes im Jahr 2012 in dessen Rahmen insgesamt 921 Personen aufgenommen. Darunter seien drei Personen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich sind, denen unter dem Kriterium "Grad der Schutzbedürftigkeit" eine Aufnahmezusage erteilt wurde. Dabei handelt es sich um zwei im Jahr 2013 aufgenommene Personen aus dem Iran als Herkunftsland beziehungsweise der Türkei als "Zufluchtsland/Drittstaat" und eine 2014 aufgenommene Person aus dem Irak mit Syrien als "Zufluchtsland/Drittstaat", wie aus der Antwort hervorgeht. Die Regierung verweist darin zugleich darauf, dass es sich dabei nur um die bekannten Fälle handele und nicht ausgeschlossen werden könne, "dass unter den übrigen Resettlement-Flüchtlingen weitere lesbische, schwule, bisexuelle, trans- oder intergeschlechtliche Menschen sind".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 121 - 5. März 2015 - 10.45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2015

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