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BUNDESTAG/5014: Heute im Bundestag Nr. 215 - 23.04.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 215
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 23. April 2015, Redaktionsschluss: 18.20 Uhr

1. Empörung über neuen Verdacht gegen BND
2. Union und SPD drängen auf nukleare Abrüstung
3. Linke sieht Gefahren für Europas Sicherheit
4. Normale Arbeitsverhältnisse
5. Arbeitslosengeld: lückenhafte Statistik
6. Modernisierung von AKW in der Ukraine


1. Empörung über neuen Verdacht gegen BND

1. Untersuchungsausschuss (NSA)

Berlin: (hib/FLA) Neue Turbulenzen um den Bundesnachrichtendienst (BND) haben heute die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses durcheinandergewirbelt. Er brach seine Zeugenvernehmung zu BND und Bundeskanzleramt ab. Vorsitzender Professor Patrick Sensburg sprach von einem "hochsensiblen Vorgang". Dessen Ausmaß zeichne sich jetzt erst durch einen Beweisbeschluss des Ausschusses vom Februar dieses Jahres ab.

Dem BND wird vorgeworfen, der NSA beim Ausspionieren deutscher und westeuropäischer Ziele geholfen zu haben - darunter die Rüstungskonzerne EADS und Eurocopter sowie französische Behörden. Technisch funktionierte das laut Spiegel-online über "Selektoren" - IP-Adressen oder Handy-Nummern, die der US-Geheimdienst den deutschen Kollegen lieferte und die vom BND in seine weltweite Überwachungsmaschinerie eingespeist wurden. Dass es dabei nicht korrekt zuging, sei bereits seit 2008 im BND mehrfach aufgefallen, ohne dass Konsequenzen gezogen wurden.

Konstantin von Notz, Obmann von Bündnis90/Die Grünen), meinte, es bestätige sich "ein Verdacht, den wir von Anfang an hatten". "Skandalös" sei der Vorgang. Das Projekt der Zusammenarbeit zwischen BND und ausländischen Diensten erweise sich als "trojanisches Pferd". Spätestens seit 2005 hätte das Vorgehen der NSA beim BND bekannt sein müssen. Beim Bundeskanzleramt machte er "ein ganz klares Problem bei der Fachaufsicht über den BND" aus. Der Untersuchungsausschuss müsse jetzt die Listen mit den Selektoren bekommen, "um zu verstehen, welche Daten abgeflossen sind". Personelle Konsequenzen forderte er ausdrücklich nicht. Dann ließen sich die Verantwortlichkeiten nicht mehr klar feststellen.

SPD-Obmann Christian Flisek stufte das Geschehen als "sehr gravierenden Vorgang" ein. Aufzuklären sei, welches Verschulden den BND treffe und inwieweit die Rechts- und Fachaufsicht des Kanzleramtes berührt sei. Die USA hätten stets verneint, dass sie in Deutschland Wirtschaftsspionage betrieben: Das sei nun womöglich "in einem ganz neuen Licht" zu sehen. Dafür gebe es auf jeden Fall "starke Indizien".

Linken-Obfrau Martina Renner machte einen "Spionageskandal" aus, "der seinesgleichen sucht". Sie forderte den Rücktritt von BND-Präsident Gerhard Schindler. Dass er die Vorgänge verschwiegen habe, müsse Konsequenzen haben. Sie machte ein Versagen der Rechts- und Fachaufsicht im Bundeskanzleramt aus. Es gebe "ein Problem mit Geheimdiensten in diesem Land". Der Generalbundesanwalt müsse sofort ein Ermittlungsverfahren aufnehmen - "von Spionage bis Landesverrat".

Die Unions-Fraktion nehme "die Vorwürfe sehr ernst", sagt Obfrau Nina Warken (CDU). Ihnen nun nachzugehen gehöre zum "Kernbereich" des Untersuchungsauftrags, den der Ausschuss habe. Die Arbeit werde jetzt neu geplant, um "ganz zeitnah" zu einem Ergebnis zu kommen. Dabei gehe es auch um die Frage, ob und welchem Umfang tatsächlich ein Schaden eingetreten ist.

Erst im Gefolge der Snowden-Enthüllungen wurde die NSA-Liste BND-intern überprüft. Im Oktober 2013 seien 2.000 Suchvorgaben ausgemacht worden, die deutschen und westeuropäischen Interessen zuwiderliefen, wie es heißt. Die neuerliche Überprüfung im Auftrag des NSA-Untersuchungsausschuss habe jetzt gar 20.000 solcher Ziele ermittelt.

Im seinem ersten Arbeitsjahr habe es der Ausschuss geschafft, den gesamten Teilbereich der Auslands-Überwachung "aus dem Graubereich herauszuholen", hatte Flisek am Morgen eine Bilanz gezogen. Er begrüßte, dass die Bundesregierung nun ein Gesetz vorlegen wolle, in dem auch für die Überwachung des Transitdatenverkehrs Standards gesetzt werden sollen. Flisek wollte das als "Vorleistung" verstanden wissen: Andere Staaten sollen dann bei ihren Aktivitäten "auch deutsche Rechte schützen". Die SPD peile an, dass die G-10-Kommission des Bundestags nicht nur mit der Überwachung von Deutschen befasst wird, sondern künftig auch den Umgang des BND mit den Transitdaten kontrolliere.

"Ich bin skeptisch, ob das ein guter Schritt ist", äußerte sich von Notz zurückhaltend zum angekündigten Gesetzesvorstoß: "Jetzt huscht man noch schnell vor der Sommerpause um die Ecke", obwohl doch der NSA-Untersuchungsausschuss nicht einmal einen Zwischenbericht vorgelegt habe. In jedem Fall müsse es zu weniger Überwachung kommen. Und auch bei den ausländischen Daten dürfe es nicht bei der "Anlasslosigkeit der Überwachung" bleiben.

Warken erklärte, einer "rechtlichen Klarstellung" wolle sich CDU/CSU nicht verschließen. Die "Diskussion" darüber sei sinnvoll. Sie beschied: Es dürfe "nicht zu einer Amputation der Rechte des BND" kommen.

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2. Union und SPD drängen auf nukleare Abrüstung

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD fordern von der Bundesregierung verstärkte Anstrengungen, um "eine neue Dynamik nuklearer Aufrüstung und eine Weiterverbreitung von Atomwaffen" zu vermeiden. "Eine Weiterverbreitung von Atomwaffen bleibt ein großes sicherheitspolitisches Risiko", schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (18/4685), der am morgigen Freitag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

Die Bundesregierung soll auf der Ende April beginnenden Überprüfungskonferenz zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV, "Atomwaffensperrvertrag") in New York darauf drängen, dass die Vertragsstaaten ihre Verpflichtung auf eine friedliche und sichere Welt ohne Atomwaffen bekräftigen sowie konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Nichtverbreitung ausgebaut und die Sicherheitsgarantien für Nicht-Nuklearwaffenstaaten erneuert werden. Zudem solle die Bundesregierung "alle Anstrengungen unternehmen, damit die Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm zum Erfolg geführt werden", indem nachprüfbar sichergestellt werde, dass dieses Programm "einen friedlichen und keinen militärischen Charakter hat".

Viele Nichtkernwaffenstaaten würden die Ungleichbehandlung im Rahmen des NVV-Vertrages kritisieren, schreiben die Abgeordneten. "Sie erwarten seit langem von den Atomwaffenstaaten weitere konkrete Fortschritte beim Bemühen um nukleare Abrüstung und um verbindliche Sicherheitsgarantien im Gegenzug für den Verzicht auf Atomwaffen." Die NVV-Überprüfungskonferenz werde zudem durch das russische Vorgehen in der Ukraine und auf der Krim belastet: "Es bedeutet die Verletzung des sogenannten Budapester Memorandums von 1994, in welchem der Ukraine ihre territoriale Integrität garantiert wurde, nachdem sie auf Nuklearwaffen verzichtet hatte, die nach dem Zerfall der Sowjetunion auf dem Territorium der Ukraine verblieben waren", heißt es in dem Antrag. Durch Russlands Vorgehen habe der NVV einen "erheblichen Rückschlag erlitten".

In jüngster Zeit modernisiere Russland seine substrategischen Nuklearwaffen, senke die Einsatzschwelle für seine Nuklearwaffen ab und mache Drohungen mit nuklearen Mitteln wieder zum Bestandteil der russischen Politik. "Das Angebot einer neuen Abrüstungsrunde, das der amerikanische Präsident Obama Russland im Juni 2013 in Berlin unterbreitet hatte, wurde bisher von Russland nicht positiv aufgegriffen." Zwar sei die Zahl der weltweit stationierten Atomsprengköpfe in den letzten fünf Jahren um mehr als ein Viertel gesunken (von 22.600 auf 16.200), doch verfügten die USA und Russland nach wie vor über mehr als 90 Prozent aller Nuklearwaffen. Zudem würden alle Atomwaffenstaaten an der Modernisierung ihrer Nuklearsysteme weiterarbeiten. Risiken zeigten sich zudem besonders deutlich beim Ausbau von Atomwaffenarsenalen und Trägerkapazitäten von Nicht-Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags wie etwa Pakistan und Indien sowie bei Nordkorea, dass sein "illegales Nuklearwaffenprogramm" vorantreibe und mit dessen Einsatz drohe.

Die Bundesregierung soll sich nach dem Willen der Abgeordneten auch für Gespräche einsetzen, "die zur Schaffung massenvernichtungswaffenfreier Zonen führen könnten, wie sie bereits für die Antarktis und den Weltraum, in Lateinamerika und der Karibik, im Südpazifik, in Südostasien, in Afrika und in Zentralasien bestehen".

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3. Linke sieht Gefahren für Europas Sicherheit

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke sieht die europäische Sicherheitsarchitektur infolge des Ukraine-Konfliktes in Gefahr. Der Konflikt bedrohe "den Frieden in Europa in ungeahntem Ausmaße", schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (18/4681), der am morgigen Freitag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. "Die Grundpfeiler der europäischen Sicherheit, die aus den Spannungen des Kalten Krieges entstanden sind und zur Entspannung geführt haben, werden sukzessiv abgebaut", heißt es in dem Antrag weiter. So seien der Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF) und die Nato-Russland-Grundakte durch die neue Konfrontation stark gefährdet. Bereits 2001 hätten die USA den Raketenabwehrvertrag (ABM) einseitig gekündigt. Im März 2015, 40 Jahre nach Abschluss des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), habe Russland seine Teilnahme an der Konsultativen Kommission des KSE-Vertrags ausgesetzt, mit der Begründung, dass die Nato ihre militärischen Aktivitäten an Russlands Grenzen erhöht.

Konkret sehen die Abgeordneten Gefährdung für zwei Vertragswerke: Der INF-Vertrag habe die atomaren Mittelstreckenraketen in Europa eliminiert und damit die unmittelbare Gefahr eines Atomkrieges in Europa in die Ferne gerückt. Einzelne Äußerungen aus den USA und aus Russland würden ihn mittlerweile jedoch in Frage stellen. Mit der Nato-Russland-Grundakte habe das transatlantische Militärbündnis erklärt, dass es "keine Absicht, keinen Plan und keinen Grund hat, in den neuen Nato-Mitgliedsstaaten Atomwaffen zu stationieren" - was wiederum von einer Gruppe von US-Senatoren in Frage gestellt werde mit der Forderung, B61-Bomben in Osteuropa zu stationieren.

Die Linksfraktion fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierung auf, im Nato-Rat darauf zu drängen, "dass die Nato weder Russland noch einem anderen Staat mit dem Einsatz von Nuklearwaffen droht". Sie solle sich zudem gegenüber den USA und Russland "für nukleare Abrüstung und die bedingungslose Bindung" an den INF-Vertrag einsetzen und sich gegenüber beiden Seiten auf Basis des Atomwaffensperrvertrages (NVV) und im Hinblick auf die New Yorker NVV-Überprüfungskonferenz für nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung stark machen.

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4. Normale Arbeitsverhältnisse

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Der Anteil von Normalarbeitsverhältnissen an allen Arbeitsverhältnissen ist in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren deutlich gesunken. Das geht aus der Antwort (18/4638) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (18/4383) der Fraktion Die Linke hervor. Darin schreibt die Bundesregierung unter Bezug auf Daten des Statistischen Bundesamtes, dass dieser Anteil im Jahr 2013 bei 67,5 Prozent gelegen habe, 1993 seien es noch 76,8 Prozent gewesen. Gestiegen sei dagegen die sogenannte atypische Beschäftigung, von 13,1 Prozent im Jahr 1993 auf 21,4 Prozent im Jahr 2013.

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5. Arbeitslosengeld: lückenhafte Statistik

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu alleinstehenden Beziehern von Arbeitslosengeld I vor. Das schreibt sie unter Bezug auf die Arbeitslosengeldstatistik in einer Antwort (18/4594) auf eine Kleine Anfrage (18/4503) der Fraktion Die Linke. Die Fraktion hatte sich darin nach der finanziellen Situation alleinstehender Empfänger von Arbeitslosengeld und der Inanspruchnahme von aufstockenden Leistungen erkundigt. Aber auch zur Inanspruchnahme von Wohngeld oder dem Ausmaß der Nichtinanspruchnahme von aufstockenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) lägen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, heißt es in der Antwort.

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6. Modernisierung von AKW in der Ukraine

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Nach Kenntnis der Bundesregierung wird in den 15 ukrainischen Kernkraftwerksblöcken im Zeitraum zwischen 2012 und 2017 ein Modernisierungsprogramm umgesetzt, um das Sicherheitsniveau zu erhöhen. Die Gesamtkosten dafür sollen sich auf etwa 1,4 Milliarden Euro belaufen, heißt es in einer Antwort (18/4576) auf eine Kleine Anfrage (18/4477) der Fraktion Die Linke. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie Euratom hätten hierfür Kredite von jeweils 300 Millionen Euro zugesagt, schreibt die Bundesregierung.

Weiter führt sie aus, dass die Arbeiten an der Errichtung eines neuen sicheren Einschlusses für das 1986 havarierte Kernkraftwerk Tschernobyl zu etwa zwei Dritteln abgeschlossen seien. Nach derzeitigem Stand sei davon auszugehen, dass die jetzige Terminplanung mit einer Fertigstellung im November 2017 eingehalten werden könne. Die Bundesrepublik Deutschland beteilige sich mit 18 Millionen Euro am Bau des Sarkophags.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 215 - 23. April 2015 - 18.20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2015

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