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BUNDESTAG/5060: Heute im Bundestag Nr. 261 - 20.05.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 261
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 20. Mai 2015, Redaktionsschluss: 14.15 Uhr

1. Finanzierung des Cochrane Zentrums
2. Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch
3. Kritik an Maßnahmen zum Meeresschutz


1. Finanzierung des Cochrane Zentrums

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/PK) Die Bundesregierung prüft derzeit intensiv Möglichkeiten einer verbesserten und nachhaltigen Finanzierung des Deutschen Cochrane Zentrums (DCZ) für evidenzbasierte Medizin. Wie Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages sagte, wird ein Ergebnis voraussichtlich im Herbst 2015 vorliegen. Die jetzige Projektförderung sei auf Dauer keine gute Lösung, da die Planungssicherheit fehle. Das habe auch Auswirkungen auf die personelle Kontinuität in der wissenschaftlichen Einrichtung.

Das DCZ leiste eine wichtige Arbeit für das deutsche Gesundheitswesen, heißt es in einem aktuellen Bericht der Bundesregierung an den Gesundheitsausschuss. Widmann-Mauz sagte, derzeit würden mehrere Optionen zur künftigen Finanzierung geprüft, auch mögliche Anbindungen an bestehende Institutionen, was aber nicht ganz einfach sei. Eine nachhaltige Förderung wäre jedenfalls wünschenswert. Die Regierung sei daneben auch bereit, sich weiter in der Projektförderung für das DCZ zu engagieren, vorausgesetzt, die Förderanträge seien ausreichend konkretisiert. Es wäre jedoch "klüger", nicht immer von Projekten abhängig zu sein.

Die 1993 in Großbritannien gegründete Cochrane Collaboration ist benannt nach Archibald Leman Cochrane (1909-1988), einem Epidemiologen, der als Begründer der evidenzbasierten Medizin gilt. Die international ausgerichtete Organisation vereinigt Forscher, Ärzte und Methodiker, die sich zur Aufgabe gemacht haben, medizinische Informationen zusammenzutragen, in Dossiers (systematic reviews) zu bündeln und zu veröffentlichen. Daraus resultieren Empfehlungen für medizinische Therapien. Das Deutsche Cochrane Zentrum mit Sitz in Freiburg im Breisgau nahm 1999 seine Arbeit auf.

Finanziert und gefördert werden die gemeinnützigen Cochrane Zentren von Behörden, Universitäten, wissenschaftlichen Fonds, Stiftungen oder privaten Spendern. DCZ-Direktor Gerd Antes hatte Anfang Februar im Gesundheitsausschuss auf die "wackelige Finanzierung" seiner Institution hingewiesen, die unter kurzfristigen Verträgen und einem Mangel an Personal leide.

Der evidenzbasierten Medizin wird eine wachsende Bedeutung zugemessen, etwa was den internationalen Wissenstransfer und die Methodenlehre angeht. Bei der Erarbeitung von Leitlinien in der Gesundheitspolitik und in der Gesetzgebung kommt dieser Form der Grundlagenforschung eine wichtige Rolle zu.

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2. Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Die Bundesregierung soll den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten unterstützen, um die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs fortzuführen. Hierfür soll eine Aufarbeitungskommission eingesetzt werden. Den entsprechenden Antrag von CDU/CSU und SPD (18/3833) verabschiedete der Familienausschuss am Mittwoch ohne Gegenstimmen. Lediglich die Linksfraktion enthielt sich der Stimme.

Die Koalitionsfraktionen erinnerten an die Arbeit des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich", der im März 2010 durch die Bundesregierung eingesetzt worden war. Die Kommission soll nach dem Willen von Union und Sozialdemokraten die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs fortführen. Das Leid der Opfer müsse gewürdigt werden und die entsprechenden Lehren für eine bessere Prävention gezogen werden.

Die Oppositionsfraktionen unterstützten das Ziel des Antrags zwar prinzipiell, übten zugleich jedoch Kritik an der nach ihrer Ansicht zu ungenauen Formulierung des Antrags, vor allem bei den eingeschränkten finanziellen Zusagen. Zudem monierten Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke übereinstimmend, dass die Koalitionsfraktionen nicht bereit gewesen seien, einen überfraktionellen Antrag gemeinsam mit der Opposition auf den Weg zu bringen. Dies sei ein "negatives Signal". Sie kündigten an, deshalb einen eigenen Antrag vorzulegen.

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3. Kritik an Maßnahmen zum Meeresschutz

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Berlin: (hib/JOH) Der von der Bundesregierung im März vorgelegte Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) wird von Umweltexperten als unzureichend bewertet. In einem öffentlichen Fachgespräch am Mittwoch im Umweltausschuss forderten sie zum Teil erhebliche Nachbesserungen.

Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) der Europäischen Union trat im Juli 2008 in Kraft und zielt darauf ab, bis 2020 einen guten ökologischen Zustand der europäischen Meere herzustellen beziehungsweise zu erhalten. Die EU-Mitgliedstaaten werden darin verpflichtet, bis Ende 2015 konkrete Maßnahmen für den Meeresschutz zu beschließen. Ende 2016 sollen die Maßnahmen operationalisiert werden. Die Bundesregierung hatte vor wenigen Wochen gemeinsam mit den Landesregierungen der fünf Küstenbundesländer einen ersten Entwurf eines Maßnahmenkatalogs veröffentlicht.

Nadja Ziebarth vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) forderte die Überarbeitung dieses Kataloges im Sinne eines effektiven Meeresschutzes. Besonders im Bereich Biodiversität und Ressourcenschutz weise er "massive Lücken" auf. So fehlten Maßnahmen zur Beschränkung der Fischerei, zur Öl- und Gasförderung im Meer sowie zur Reduzierung des Nähr- und Schadstoffeinträge. Vernachlässigt werde vor allem der Schutz der Ostsee: "Hierfür gibt es keine Fischereimaßnahmen, kein Lärmschutzkonzept und kein Konzept gegen die Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft", kritisierte Ziebarth. Sie forderte unter anderem ein Verbot von bodenberührenden Fanggeräten sowie Stellnetzen in den Schutzgebieten.

Auch Jochen Krause vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) bezeichnete die bisherigen Pläne als "nicht ausreichend". Zum Beispiel fehlten bislang Maßnahmen zur Schaffung von Ruheräumen im Meer, in denen sich die Natur erholen könne. Darüber hinaus wertete er die Fristen zur Herstellung eines guten ökologischen Zustandes als "sehr knapp". Ein Bericht über den Zustand der Meere aus dem Jahr 2012 habe gezeigt, dass bisher in keinem europäischen Meer ein guter Umweltzustand erreicht worden sei. Nicht zuletzt gebe es auch in Deutschland teilweise erhebliche Umsetzungsdefizite bei wichtigen Umweltzielen. Als Beispiel nannte Krause die Reduzierung von Nähr- und Schadstoffeinträgen und den Kampf gegen den Verlust der Biodiversität.

Christian Buschbaum vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) urteilte, mit der MSRL sei ein Instrument geschaffen worden, das nationale Bemühungen zum Schutz der Meeresumwelt in einem europaweit abgestimmten Verfahren zusammenführe. "Das begrüßen wir ausdrücklich", betonte Buschbaum. Jedoch sei dies mit enormen Herausforderungen verbunden, da Indikatoren für die Beschreibung eines guten Umweltzustandes größtenteils noch am Anfang ihrer Entwicklung stünden. Um mit ihrer Hilfe verlässliche Aussagen über den Zustand der Meeresumwelt ableiten zu können, sei noch viel Forschungsarbeit notwendig. Außerdem bezeichnete Buschbaum das Verständnis der nationalen Küstengewässer und der Hohen See als "noch immer lückenhaft". Der Umsetzungsprozess der Richtlinie müsse daher durch wissenschaftliche Meeresforschung begleitet werden.

Gerd Kraus vom Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut (TI) lobte die MSRL als "meerespolitisch wichtigste Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte". Doch auch er sieht die Staaten vor "extremen Herausforderungen" stehen, gerade angesichts der komplexen Probleme in den Meeren und der großen Wissensdefizite in diesem Bereich. "Im Meer ist alles vernetzt", erklärte Kraus, viele Zusammenhänge seien bisher nicht geklärt. Er forderte "mehr Ressourcen", um die Richtlinie erfolgreich umsetzen zu können.

Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen kritisierte Kraus wie seine Vorredner als unzureichend und "oft windelweich". Außerdem bleibt aus seiner Sicht zu wenig Zeit "für eine vollwertige und zielführende Umsetzung". Bis 2020 werde es daher zwar Verbesserungen in den europäischen Meeren geben, "aber keine substanziellen Änderungen".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 261 - 20. Mai 2015 - 14.15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2015

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