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BUNDESTAG/5289: Heute im Bundestag Nr. 489 - 30.09.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 489
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 30. September 2015, Redaktionsschluss: 14.31 Uhr

1. Betreuungsgeld fließt an Bundesländer
2. Bologna braucht Schub
3. Kritik an Umsetzung des Nagoya-Protokolls
4. Linke will OSZE stärken


1. Betreuungsgeld fließt an Bundesländer

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sind mit ihrem Vorstoß gescheitert, die im Bundeshaushalt 2015 eingestellten Mittel direkt in den Ausbau der Kindertagesbetreuung zu investieren. Der Familienausschuss lehnte am Mittwoch die beiden entsprechenden Anträge der Linken (18/6041) und der Grünen (18/6063) mit der Stimmenmehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD ab. Die beiden Oppositionsfraktionen kritisierten übereinstimmend, dass bei der Einigung zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten auf dem sogenannten Flüchtlingsgipfel in der vergangenen Woche die frei werdenden Mittel den Ländern nach Umsatzsteuerpunkten und Einwohnerzahl anteilsmäßig zur Verfügung zu stellen, keine Auflagen über deren konkrete Verwendung gemacht worden seien. Union und Sozialdemokraten wiesen diese Kritik zurück. Das Geld komme in den Ländern den Familien und Kindern zugute. Dies sei zu begrüßen. Misstrauen gegenüber den Ländern sei an diesem Punkt nicht angebracht. Es sei zudem richtig, es den Ländern zu überlassen, wie sie die Gelder konkret verwenden.

Ebenfalls abgelehnt wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD der Gesetzentwurf der Linksfraktion (18/5), mit dem sie das Betreuungsgeldgesetz aufheben lassen will. Die Koalitionsfraktionen argumentierten, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 21. Juli dieses Jahres das Betreuungsgeldgesetz für verfassungswidrig erklärt habe. Das Gesetz werde deshalb auch nicht angewendet. Eine gesetzliche Aufhebung des Gesetzes sei deshalb überflüssig.

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2. Bologna braucht Schub

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) "Es steht wohl außer Frage, dass es etwas bringt, wenn junge Menschen ins Ausland gehen und Brücken bauen", sagte die Vertreterin der CDU/CSU bei der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zum Bologna-Prozess, die am Mittwochmittag in Berlin stattfand. Grundlage war unter anderem der Entschließungsantrag des Europäischen Parlamentes vom 28. April 2015 zur Überwachung der Umsetzung des Bologna-Prozesses, der Antrag der CDU/CSU und SPD (18/4801), der Linken (18/4802) sowie der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/4815). Die Vertreterin der CDU/CSU lobte das Vorankommen des Prozesses, viele Themen hätten sich gut entwickelt. Die Qualität von Studium und Lehre in Deutschland konnte mindestens gehalten und die internationale Anerkennung des Wissenschaftssystems ausgebaut werden. Der Hochschulpakt, der Qualitätspakt Lehre sowie die Exzellenzinitiative waren und seien wichtige Instrumente, um das Hochschulsystem qualitativ und quantitativ für die Zukunft zu rüsten. Die mit der Bologna-Reform beabsichtigte Steigerung der Auslandsmobilität der Studenten hätte deutlich ausgebaut werden können. Der Bologna-Prozess habe nicht nur in Deutschland sondern vor allem auch in anderen europäischen Staaten Bildungsreformen beschleunigt. Sie appellierte an alle Länder, die gegenseitige Anerkennung von im Ausland erworbenen Studienleistungen zwischen den Hochschulen der Unterzeichnerstaaten der Bologna-Erklärung weiter zu verbessern.

Einen anderen Blick auf den Bologna-Prozess warf die Vertreterin der Linken. "Diesen als gut zu bezeichnen, davon sind wir weit entfernt", sagte sie. Derzeit stagniere die Umsetzung. Zudem betontes sie, dass es eine zu große ökonomische Nutzbarmachung der Studenten gebe. Sie kritisierte neue Systeme zur Dokumentation von Leistungen sowie eine neue inhaltliche Ausrichtung von Studiengängen, die sich unter dem Stichwort "Employability" hauptsächlich auf die Vermittlung von marktgängigen Fähigkeiten und Wissen für den späteren Beruf konzentrieren. Bildung müsse als Menschenrecht begriffen werden. Zudem bemängelte sie die BAföG-Sätze als zu niedrig. Sie müssten an den tatsächlichen Bedarf für Lebensunterhalt und Ausbildung angepasst werden.

Die Vertreterin der SPD begrüßte es, dass bei der Bologna-Nachfolgekonferenz Mitte Mai in der armenischen Hauptstadt Eriwan Weißrussland als 48. aktives Mitglied des europäischen Hochschulraums aufgenommen worden sei. Gegen den Vorwurf der Linken, dass es ausschließlich um "Verwertbarkeit" bei den Studenten gehe, verwahrte sich die Bundestagsabgeordnete: "Es geht um den Erwerb von Kompetenzen." Sie machte aber auch deutlich, dass die Lehre stärker an den Studenten ausgerichtet sein müsste. Zudem habe Bologna wesentlich dazu beigetragen, Deutschland als attraktives Wissenschaftsland sichtbar zu machen. "Es darf nicht an den Bildungspolitikern scheitern, wenn Europa auseinanderfällt."

Der Vertreter von Bündnis 90 /Die Grünen betonte, dass es immer noch nicht gelungen sei, die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu verringern. Immerhin seien fünf Millionen Menschen unter 25 Jahre in Europa ohne Jobs. Daran habe auch Bologna nichts geändert. Hinzu komme, dass der Europäische Hochschulraum noch immer nicht verwirklicht sei und nun einen neuen Schub brauche. "Wir müssen Europa besser, größer und erfahrbarer machen." Er sprach sich für ein offenes Deutschland und mehr Hochschulzugänge aus, ohne dass die soziale Herkunft eine Rolle spiele. Zudem fragte der Vertreter der Grünen die Bundesregierung, wie man den Umgang mit Weißrussland gestalten wolle. Schließlich seien die Hochschulen dort auch Teil des Repressionssystems.

Die Bundesregierung bezeichnete es als mutiges Vorhaben, Weißrussland als 48. Staat aufgenommen zu haben. Es sei eine "Road Map" vereinbart worden. Die Bundesregierung lobte die Debattenkultur auf der Konferenz in Eriwan, da es dort eine offene Diskussion über die Defizite im Bologna-Prozess in einigen Ländern gegeben habe. Beim Thema Bafög erinnerte der Vertreter der Bundesregierung daran, dass es gerade erst eine große Reform beschlossen worden sei. Außerdem gebe es ein Instrument wie Bafög nur in fünf von 48 Bologna-Staaten. Daran sehe man, wie groß die soziale Beteiligung des deutschen Staates am Bildungswesen sei.

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3. Kritik an Umsetzung des Nagoya-Protokolls

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die von der Bundesregierung in einem Gesetzentwurf (18/5219) geplante Umsetzung des Nagoya-Protokolls, das den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben, regelt, stößt auf breite Kritik. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses am Mittwoch deutlich. Ziel des 2010 auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Biodiversitätskonvention angenommenen Nagoya-Protokolls ist die Schaffung eines völkerrechtlichen Rahmens, der den Zugang zu genetischen Ressourcen regeln und für einen fairen Verteilungsausgleich sorgen soll. Die Herkunftsländer der genetischen Ressourcen sollen in gerechter Weise an den Vorteilen, die sich aus der Nutzung ihrer Ressourcen ergeben, beteiligt werden. Auf diese Weise soll in den Herkunftsländern ein ökonomischer Anreiz für den dauerhaften Erhalt von biologischer Vielfalt geschaffen werden.

Nach Ansicht der Experten schafft sowohl die dazu vorgelegte EU-Verordnung als auch der diskutierte Gesetzentwurf der Bundesregierung statt Rechtssicherheit für Unternehmen und Forscher lediglich eine überbordende Bürokratie. Ricardo Gent von der Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) bemängelte das Fehlen der Definitionen zentraler Begriffe. "Nicht geklärt ist etwa der konkrete Anwendungsbereich." Es erschließe sich nicht, was unter eine genetische Ressource falle und was unter eine biologische Ressource, sagte Gent. Unklar sei auch, wann eine Nutzung beginnen und wann sie beendet sei. Hier müsse es Klarstellungen geben, da dies unmittelbare Auswirkung auf die Frage Kontrolle und Sanktionen habe, betonte der Industrievertreter.

Schwerwiegende Kritikpunkte aus der Sicht der Grundlagenforschung brachte Christoph Häuser im Namen des Leibnitz-Instituts für Evolutions- und Biodiversitätsforschung vor. Es fehle die Klarstellung, "welche Form des wissenschaftlichen Umgangs mit biologischen Proben eine Nutzung im Sinne des Gesetzes konkret darstellt". Der Entwurf zeige auch keine Unterscheidung zwischen nicht-kommerzieller Grundlagenforschung "und angewandter und damit eindeutig kommerzieller Forschung" auf. Häuser befürchtet massive Rechtsunsicherheit für die öffentliche Forschung und Ausbildung. Die nachteiligen Folgen der Umsetzung, so seine Einschätzung, hätten schlussendlich die Schwellenländer zu tragen.

EU-Verordnung und Gesetzentwurf verfehlten das Ziel, die kommerzielle und gewinnorientierte Nutzung der Ressourcen effektiv zu kontrollieren, sagte Cornelia Löhne von der Freien Universität Berlin. Zugleich sei zu befürchten, dass die Grundlagenforschung durch überbordende Bürokratie behindert werde. Es zeichne sich außerdem ab, dass die zuständige Behörde - das Bundesamt für Naturschutz - "nicht in der Lage sein kann, alle Nutzer zu kontrollieren oder zu beraten". Sie plädiere ausdrücklich nicht für eine generelle Ausnahmeregelung für die Wissenschaft, sagte Löhne. "Die jetzige Herangehensweise setzt aber am falschen Ende an", urteilte sie.

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) als Vollzugsbehörde sieht sich mit der vorhandenen Stellenausstattung weder zu einem wirkungsvollen Vollzug des Protokolls noch zu der gebotenen Beratung von Forschern und Nutzern in der Lage, sagte BfN-Vertreter Dietrich Jelden. "Ohne entsprechende Personalverstärkung kann auf absehbare Zeit keine Prüfung von Sammlungen und Nutzern genetischer Ressourcen durchgeführt werden", betonte Jelden. Das sei auch deswegen "höchst bedauerlich", weil Deutschland bislang eine herausragende Rolle bei den Bemühungen zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls innegehabt habe.

Mit der Vorteilsaufteilung werde ein wesentlicher Teil des Nagoya-Protokolls nicht umgesetzt, bemängelte Hartmut Meyer von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Auch werde durch die Umsetzung nicht verhindert, dass deutsche Patente auf Produkte vergeben werden, "die auf einem illegalen Zugang zu Ressourcen und traditionellem Wissen beruhen".

Dem stimmte François Meienberg von der Schweizer Organisation "Erklärung von Bern" zu. Wenn etwa ein Schweizer Konzern eine Ressource "gegen alle Regeln der Biodiversitätskonvention" nutzt, ein Importeur dieses Produkt dann in Deutschland zur Kommerzialisierung anmeldet, bestehe die Gefahr, "dass die Vermarktung erlaubt wird". Es könne argumentiert werden, dass zum einen die illegale Nutzung nicht in Deutschland stattgefunden habe und zum anderen der Nutzende nicht der Anmelder sei. "Das könnte bei multinationalen Konzernen noch schlimmer werden", sagte Meienberg. Folge wäre eine "krasse Benachteiligung der kleinen und mittelständigen Unternehmen", die sich nicht darauf zurückziehen könnten, die Forschung habe im Ausland stattgefunden. Meienberg forderte daher: "Illegaler Zugang zu den Ressourcen darf nicht kommerzialisiert werden."

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4. Linke will OSZE stärken

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung auf, den deutschen Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Jahr 2016 für Friedens- und Abrüstungsinitiativen zu nutzen. "40 Jahre nach der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki und 25 Jahre nach der Verabschiedung der 'Charta von Paris für ein neues Europa' im Jahr 1990 hat sich in der Praxis eine weitgehende Abkehr von den Zielen der gemeinsamen Sicherheit, der solidarischen gesamteuropäischen Zusammenarbeit und der Gewährleistung der Menschenrechte zugunsten des Vorrangs des Militärischen und der Machtpolitik in den zwischenstaatlichen Beziehungen vollzogen", schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (18/5108), der am morgigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Eine neue Friedens- und Sicherheitsarchitektur für Europa, die auf der OSZE aufbauen könnte, sei in weite Ferne gerückt, heißt es darin weiter. "Das Haupthindernis für eine zentrale Friedensfunktion der OSZE ist der fehlende politische Wille, vor allem der USA und der Nato-Staaten, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen und die OSZE politisch, institutionell und materiell zu stärken." Ihre Beschlüsse seien zwar politisch bedeutsam, besäßen aber keine völkerrechtliche Verbindlichkeit. Bei aktuellen Konflikten wie in der Ukraine falle dieses wichtige Instrument aus.

Die Abgeordneten treten unter anderem für die Umwidmung von Mitteln der Nato-Finanzierung im Bundeshaushalt für zivile Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung im OSZE-Rahmen ein. Weiterhin soll die Bundesregierung im Rahmen der Organisation auf neue Initiativen zu Abrüstung und Rüstungsbegrenzung drängen und dafür eintreten, die OSZE-Friedensmissionen in der Ukraine und in der Republik Moldau besser auszustatten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 489 - 30. September 2015 - 14.31 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2015

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