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BUNDESTAG/5470: Heute im Bundestag Nr. 670 - 17.12.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 670
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 17. Dezember 2015, Redaktionsschluss: 09.37 Uhr

1. Gefahr durch Überwachungstechnologien
2. Mehr Anstrengungen für Nachhaltigkeit


1. Gefahr durch Überwachungstechnologien

Ausschuss Digitale Agenda/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Überwachungstechnologien stellen immer öfter ein Werkzeug für Menschenrechtsverletzungen dar. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses Digitale Agenda am Mittwoch geladenen Experten einig. Sie sprachen sich für eine Effektivierung der Exportkontrollen für Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) aus. Basis dafür könne das Ende 2013 verabschiedete sogenannte Wassenaar-Abkommen sein, hieß es. Die dort gelisteten Güter dürfen seit 2014 auf Beschluss der die EU-Kommission nur noch mit Genehmigung der nationalen Aufsichtsbehörden ausgeführt werden.

Der Export von IKT-Gütern müsse bei begründeten Zweifeln über die menschenrechtliche Lage im Empfängerland untersagt werden, forderte Professor Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie. "Beim Export von Überwachungstechnologien muss der Schutz der Menschenrechte immer Vorrang haben", sagte er. Andere IKT-Güter, wie etwa Verschlüsselungstechnologien, sollten frei exportierbar sein, was derzeit entsprechend der EU-Regelung über Dual-Use-Güter nicht der Fall sei, verlangte Waidner. Daher dürfe die Definition von Dual-Use-Gütern, also Gütern, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können, nicht zu weit gefasst sein.

Überwachungstechnologien würden von totalitären Staaten genutzt, um Oppositionelle und Journalisten zu beobachten und zu identifizieren, sagte Sandro Gaycken von der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin. Seiner Ansicht nach war der arabische Frühling für totalitäre Staaten eine Art Warnsignal, "was alles durch das Internet möglich ist". Eine erste Reaktion darauf sei gewesen, das Internet einzuschränken oder abzuschalten. Inzwischen aber werde das Internet sogar zu Kontrollzwecken genutzt. "Das Internet ist kein Werkzeug mehr für Demokratisierung sondern stellt eher eine Gefahr dar", urteilte er. Big-Data-Analysen seien zum Überwachungswerkzeug schlechthin geworden. Das Wassenaar-Abkommen sei richtig, um dagegen anzukämpfen, müsse aber erweitert werden, forderte Gaycken.

Auch Professor Götz Neuneck, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), sieht im Wassenaar-Abkommen und in den Dual-Use Regelungen mögliche Gegenmaßnahmen für exzessive Überwachung. Wichtig sind aus seiner Sicht Strafandrohungen und Reputationsverluste für diejenigen, die dem zuwiderhandeln. Neuneck beklagte eine fehlende internationale Regelung. Aber auch der europäische und nationale Rechtsrahmen zur Kontrolle des Exports von Überwachungs- und Spionagesoftware sei löchrig. "Entscheidend dürfte hier die Handhabung der Praxis, die Koordination und die Überprüfung deren Effektivität durch die Ursprungsländer sein", sagte er.

Derzeit sie ein Anwachsen von Mini-NSAs in aller Welt zu beobachten, sagte Ben Wagner, Direktor der Forschungsstelle Internet und Menschenrechte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Es sei daher besonders wichtig, den Technologieexport aus Deutschland und Europa zu regeln. Ein erster Schritt dazu sei das Wassenaar-Abkommen, welches aber weiterentwickelt werden müsse. Außerdem sollte statt der Frage, ob es sich um eine zivile oder militärische Technologie handelt, gefragt werden, ob die Technologie für Menschenrechtsverletzungen genutzt werden kann, forderte Wagner, der zudem mehr Transparenz bei der Exportkontrolle anmahnte.

Nach Aussage von Christian Mihr, Mitglied der Geschäftsführung von Reporter ohne Grenzen, sind Hermes-Bürgschaften für deutsche Exporte von Überwachungstechnologien belegt. Auch gebe es Hinweise, dass deutsche Unternehmen auch nach Verabschiedung des Wassenaar-Abkommens Überwachungstechnologien nach Uganda und Ägypten geliefert hätten, kritisierte er.

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2. Mehr Anstrengungen für Nachhaltigkeit

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Unterrichtung

Berlin: (hib/HAU) Wesentliche Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie sind noch nicht erreicht und ihre Umsetzung bis 2020 ist unsicher oder nahezu unmöglich. Zu dieser Einschätzung gelangt der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung unter Bezug auf den Indikatorenbericht 2014 des Statistischen Bundesamtes. In einer als Unterrichtung vorgelegten Stellungnahme zu dem Indikatorenbericht (18/7082), über die der Bundestag am Freitag debattiert, heißt es, die Gründe dafür seien vielfältig und zeigten einen dringenden Handlungsbedarf. "Nur mit erhöhten Anstrengungen kann es gelingen, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen", schreiben die Abgeordneten.

In der Unterrichtung fordern sie eine verbesserte Zusammenarbeit aller Akteure. Die Bundesregierung solle sich verstärkt um ein besseres Zusammenspiel der Beteiligten bemühen, heißt es. Dazu zählten wirksame Abstimmungen zwischen den Bundesressorts unter Federführung des Bundeskanzleramtes, da viel zu oft der Eindruck entstehe, "dass die Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zugeschnitten auf die Hauptaufgaben jedes Ressorts gedacht werden, damit jedoch der umfassende Nachhaltigkeitsgedanke und folglich auch Teile der Nachhaltigkeitsstrategie auf der Strecke bleiben".

Eine bessere Zusammenarbeit muss es aus Sicht des Beirates auch mit Bundesländern und Kommunen geben. Viele Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie seien vor allem durch Maßnahmen auf diesen Ebenen zu erreichen. Erforderlich sei ein strukturierter Dialog zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Außerdem sei die Schaffung von zusätzlichen Strukturen zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie auf diesen Ebenen notwendig.

Die Abgeordneten plädieren zudem für eine Verbesserung der Nachhaltigkeitsprüfung im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung. Zwar könnten die Folgenabschätzungen keinesfalls eine politische Entscheidung ersetzen. Gleichwohl ermöglichten sie eine Abschätzung von Zielkonflikten, führten zu mehr Transparenz und erleichterten die eventuell erforderliche Suche nach Alternativen, heißt es in der Vorlage. "Vor diesem Hintergrund sollte dem Prüfmechanismus mehr Beachtung beigemessen werden, weil er maßgeblich zu einer besseren Rechtsetzung für eine nachhaltige Entwicklung beitragen kann", schreiben die Abgeordneten.

Mit Blick auf die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele sieht der Beirat die Chance, die deutsche Nachhaltigkeitspolitik neu auszurichten, "bei gleichzeitiger Bewahrung und Fortentwicklung bewährter Ziele und Indikatoren der Strategie". Deutschland müsse die Fähigkeit aufbringen, zu einzelnen Themen wie etwa im Bereich der nachhaltigen Produktions- und Konsummuster die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung zu erkennen und sich insofern als "Entwicklungsland" zu verstehen.

Außerdem machen sich die Abgeordneten für eine breite Teilhabe und eine Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit stark. Der Prozess der Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele müsse unter konsequenter, breit angelegter Einbeziehung interessierter Kreise, zivilgesellschaftlicher Akteure, der Ressorts sowie des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung geschehen.

Gefordert wird zudem eine deutlich sichtbare Vorreiterrolle Deutschlands. Das gelte für den Deutschen Bundestag sowie die Bundesregierung, deren nachgeordnete Bereiche aber auch für Unternehmen mit Staatsbeteiligung, heißt es in der Vorlage.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 670 - 17. Dezember 2015 - 09.37 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2015

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