Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/5653: Heute im Bundestag Nr. 167 - 17.03.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 167
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 17. März 2016, Redaktionsschluss: 10.09 Uhr

1. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
2. Sporthallen als Flüchtlingsunterkünfte
3. Expertenkritik an Sachverständigenreform
4. Grüne wollen Barrierefreiheit überall


1. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) muss eine strukturelle Verankerung im gesamten Bildungssystem finden. In dieser Forderung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend geladenen Experten einig.

Thomas Hohn vom "Bündnis ZukunftsBildung", einer Initiative deutscher Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Jugend, Umwelt und Naturschutz, Bildungspolitik, Entwicklung und Menschenrechte machte vor den Abgeordneten auf das aktuelle Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometer aufmerksam. Dies zeige, dass Jugendliche nicht mehr in Frage stellen, dass eine nachhaltige Gesellschaft nötig ist. Allerdings hätten der Studie nach in deutschen Schulen nur 30 Prozent von ihnen Möglichkeiten kennengelernt, die Gesellschaft zu verändern, nur 19 Prozent hätten sich mit Zukunftsvisionen auseinandergesetzt, nur 15 Prozent seien im Austausch mit Menschen anderer Kulturen oder begegneten anderen Denkweisen und nur 5 Prozent hätten langfristige Projekte. "Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf", sagte Hohn.

Zugleich begrüßte er die Einrichtung der Nationalen Plattform BNE. Echte Jugendbeteiligung findet dort derzeit jedoch noch nicht statt. "Wir sehen aber, dass das Bildungsministerium hier aktiv an einer Lösung arbeitet", sagte er.

Es habe sie erstaunt, dass weder ein Vertreter der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) noch des Verbandes Erziehung und Wissenschaft zur Nationalen Plattform BNE eingeladen gewesen sei, sagte Ilka Hoffman von der GEW. Schließlich seien es die Lehrer, die die Konzepte an den Schulen umsetzen müssten. Gleichzeitig begrüßte sie es, dass die GEW in den Fachforen mitarbeiten dürfe. Hoffmann stellte drei Kernforderungen auf: So müsse die BNE strukturell in die Lehreraus- und Lehrerfortbildung verankert werden. BNE dürfe sich zudem nicht in Leuchtturmprojekten und Wettbewerben erschöpfen. "Es ist eine Aufgabe für alle", sagte die GEW-Vertreterin und warnte gleichzeitig davor, BNE auf Umweltfragen und fairen Konsum zu begrenzen. "Sie muss verknüpft werden mit sozialen Fragen der Bildungs- und Berufsbeteiligung, mit Fragen der Demokratie und Fragen der sozialen Gerechtigkeit", sagte Hoffmann.

Aus Sicht der Arbeitgeber kommt der Bildung mit Blick auf die Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle zu, betonte Barbara Dorn von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Strukturelle und soziale Durchlässigkeit im Bildungssystem sei dabei eine wichtige Zielmarke, sagte sie. Es sei eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Notwendigkeit, frühkindliche Bildung als erste Bildungsstufe zu verstehen und zu gestalten, Übergänge zwischen Bildungsbereichen zu schaffen sowie die Verzahnung zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung zu befördern, so die BDA-Vertreterin.

*

2. Sporthallen als Flüchtlingsunterkünfte

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die Nutzung von Sporthallen als Flüchtlingsunterkünfte darf keine langfristige Lösung darstellen. In dieser Feststellung waren sich Vertreter der Bundesregierung, des organisierten Sports und die Mitglieder des Sportausschusses bei dessen Sitzung einig. Dies führe zu "Verdrückungen" bei Sportlern, die ihrem Training nicht mehr nachgehen können und Eltern, deren Kindern keinen Sportunterricht mehr haben, sagte Klaus Böger, Präsident des Landessportbundes Berlin (LSB) als Vertreter der Konferenz der Landessportbünde.

Im gesamten Bundesgebiet seien derzeit 687 Sporthallen - darunter 172 Großhallen - durch Flüchtlinge belegt, sagte Böger. Dieses aus der Not geborene Vorgehen sei bedauerlich. Oftmals seien Vereine sehr kurzfristig aus ihren angestammten Sporthallen ausquartiert worden. Dennoch, so Böger, habe es auch bei diesen Vereinen oft eine große Bereitschaft gegeben, Flüchtlingen zu helfen. Die Vereine hätten zumeist pragmatische Lösungen gefunden. So gebe es viele Fälle, in denen Vereine zusammengerückt seien, oder auch alternative Sportstätten - wie etwa in Gemeindezentren - gefunden hätten.

Der Berliner LSB-Präsident betonte zugleich die hohe Integrationswirkung des Sports. Knapp ein Drittel aller Sportvereine beschäftige sich mit der Integration von Flüchtlingen, so Böger. Jeder fünfte Sportverein habe schon spezielle Angebote für Flüchtlinge gemacht. Die Landessportbünde unterstützten die Vereine dabei, unter anderem durch die Klarstellung, dass der Versicherungsschutz für die am Vereinsgeschehen teilnehmenden Flüchtlinge übernommen wird.

Böger bewertete es zudem positiv, dass das schon lange existierende Förderprogramm des Bundes "Integration durch Sport" im vergangenen Jahr auch für Menschen geöffnet worden sei, die noch keinen Aufenthaltsstatus in Deutschland haben. Die Erhöhung der Mittel für das Programm um 6 Millionen Euro begrüßte der Sportfunktionär ebenfalls. Dies schaffe Planungssicherheit und stabiles Engagement.

Mit Blick auf die Nutzung von Sporthallen als Flüchtlingsunterkünfte forderte der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kreativere Lösungen. Sonst würden mit den Vereinen jene getroffen, die einen großen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen leisten könnten. Auch für die Flüchtlinge selbst sei die Unterbringung in Sporthallen keine gute Lösung, hieß es von der SPD-Fraktion. Zugleich wurde in Richtung der Bundesregierung die Frage aufgeworfen, ob nicht die Mittel für die Freiwilligendienste erhöht werden sollten.

Aus Sicht der Linksfraktion gibt es durchaus Alternativen zu den Sporthallen. Der Bund sei gefordert, freistehende Objekte zur Verfügung zu stellen, sagte die Fraktionsvertreterin. Die Zweckentfremdung der Sporthallen führt aus ihrer Sicht zu einer Verstärkung des Eindrucks, die Flüchtlinge würden den Alteingesessenen etwas wegnehmen. Kritik an dem aus Sicht vieler Vereine zu hohen bürokratischen Aufwand für die Beantragung von Mitteln aus den Förderprogrammen gab es von der Unionsfraktion.

Das Bundesministerium des Inneren (BMI) habe alles dafür getan, dass Sporthallen nicht belegt werden müssen, entgegnete der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU). So seien den Ländern zusätzliche Finanzmittel für den Bau von Flüchtlingsunterkünften zugestanden worden, die allerdings nicht immer bei den Kommunen gelandet seien. Konkrete Vorgaben, wie die Flüchtlinge unterzubringen seien, könne der Bund nicht machen, da dies Angelegenheit der Länder sei, erläuterte Schröder.

Eine Vertreterin des Bundesfamilienministeriums verwies auf die zusätzlichen 10.000 Stellen im Sonderprogramm Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug. Diese seien mit einem zusätzlichen Fördervolumen in Höhe von 50 Millionen Euro verbunden.

Man bemühe sich, die bürokratischen Hürden für die Beantragung von Mitteln aus Förderprogrammen im Interesse der Vereine möglichst weit nach unten zu senken, sagte die Vertreterin des Bundesbildungsministeriums. Dafür gebe es aber eine Grenze, die nicht zuletzt durch die Bundeshaushaltsordnung vorgegeben werde.

*

3. Expertenkritik an Sachverständigenreform

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Im Ziel, aber nicht in der Ausführung haben bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses die geladenen Experten einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/6985) zugestimmt, mit dem das Sachverständigenrecht reformiert sowie einige Änderungen bei Familiengerichtsverfahren vorgenommen werden sollen. Im Sachverständigenrecht geht es darum, die oft kritisierte Qualität von Gutachten insbesondere für Familiengerichte zu verbessern, im Gerichtsverfahrensrecht vor allem darum, Prozesse zu beschleunigen.

Die Experten aus Justiz, Wissenschaft und Verbänden wiesen einhellig darauf hin, dass es oft schwierig sei, überhaupt qualifizierte Sachverständige zu finden, die in angemessener Zeit Gutachten erstellen. Die Psychologin und Rechtsanwältin Anja Kannegießer vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen äußerte Bedenken gegen die im Gesetzentwurf vorgesehene Fristsetzung für die Abgabe von Gutachten und begründete dies damit, dass die Gutachter oft überlastet seien. Ebenso wie Kannegießer bezweifelten auch andere Experten, dass Gutachten besser werden, wenn das Gesetz die Grundqualifikationen von Gutachtern festschreibt, etwa einen Abschluss in Psychologie oder Medizin für Sachverständige in Kindschafts- und Sorgerechtsfragen. Wichtiger seien spezifische Zusatzqualifikationen und einschlägige Berufserfahrung, sagte Claudio Nedden-Boeger vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dass es derzeit nicht genügend Fachleute gibt, die diese Voraussetzungen mitbringen, ließ Nedden-Boeger nicht als Grund gelten, diese nicht ins Gesetz zu schreiben. Vielmehr wäre dies nach seiner Meinung ein Ansporn für nicht ausreichend Qualifizierte, die Zusatzausbildung nachzuholen.

Vielfache Zustimmung anderer Experten fand die Einlassung von Eva Becker, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein, dass man bei der Qualifizierung aller Verfahrensbeteiligten ansetzen müsse, nicht nur bei den Sachverständigen. In den Fachanwaltschaften gebe es eine regelmäßige Fortbildungspflicht, die Richterschaft aber kenne so etwas nicht. Dem pflichtete der Familienrichter Stefan Heilmann als Vertreter des Deutschen Familiengerichtstag bei. Sowohl die Eingangsvoraussetzungen für die Tätigkeit als Familienrichter als auch eine Fortbildungsverpflichtung müssten im Gesetz festgeschrieben werden, forderte Heilmann. Dass für Jugendrichter und Richter in Insolvenzverfahren besondere Qualifikationen verlangt werden, nicht aber für Familienrichter, die über die Zukunft von Kindern entscheiden, wurde in der Anhörung mehrfach kritisiert.

Die Tatsache, dass in Familiensachen oft Berufsanfänger zum Einsatz kommen, ist für den ehemaligen Familienrichter und Amtsgerichtspräsidenten Helmut Borth auch eine Ursache für die beklagte Verzögerung der Verfahren. Diesen Richtern fehlten häufig wesentliche Kompetenzen, sie seien überfordert und damit auch schnell überlastet. Borth forderte, über die Gerichtsverfassungsstruktur nachzudenken, sonst sei das Problem der Verzögerungen nicht in den Griff zu bekommen.

Auf breite Ablehnung stieß ein Passus im Gesetzentwurf, nach dem Gutachtern bei Überschreiten der Abgabefrist ein Zwangsgeld von bis zu 5.000 Euro droht. Das, so die Befürchtung, werde den Mangel an qualifizierten Gutachtern noch erhöhen. Eine solche Androhung "verringert die Bereitschaft, für ein Gericht tätig zu werden", mahnte der Amtsgerichtsdirektor Harald Müller.

Unterschiedlich beurteilten die Experten die Regelung im Gesetzentwurf, dass vor Bestellung eines Sachverständigen durch den Richter die Verfahrensbeteiligten dazu angehört werden sollten. Joachim Lüblinghoff vom Deutschen Richterbund zeigte sich damit einverstanden, nachdem aus der Muss-Vorschrift im Referentenentwurf eine Soll-Vorschrift geworden sei. "Transparenz im Verfahren wird die Akzeptanz erhöhen", meinte Lüblinghoff. Andere Experten befürchteten dagegen zusätzliche Probleme, etwa wenn jeder Verfahrensbeteiligte einen anderen Sachverständigen wolle. Der Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski von der Berliner Humboldt-Universität wiederum verwies auf eine empirische Studie, wonach in fast einem Viertel der Fälle der Richter dem von ihm bestellten Sachverständigen signalisiere, in welche Richtung sein Gutachten gehen solle. Um die Unparteilichkeit des Gutachters zu gewährleisten, schlug Schwintowski die Zwischenschaltung einer unabhängigen Stelle ein, so dass der Gutachter nicht erfährt, wer ihn bestellt hat.

Karl Erhard Kramme, Gerichtsgutachter in technischen Fragen, kritisierte, dass die eigentlich wegen schlechter Gutachten in Familiengerichtsverfahren geplante Neuregelung für alle Sachverständigen gelten solle. In anderen Bereichen seien überwiegend öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige tätig, und deren Gutachten seien "größtenteils unproblematisch", sagte Kramme. Viele im Gesetzentwurf vorgesehene Regelungen seien außerhalb der Familiengerichtsbarkeit irrelevant.

Kritisch beurteilten mehrere Sachverständige schließlich eine Regelung, die über einen Änderungsantrag im laufenden Gesetzgebungsverfahren eingefügt werden soll. Dabei soll einer EU-Forderung entsprechend ein Rechtsmittel gegen zu langwierige Verfahren geschaffen werden. Angesichts des Formulierungsvorschlags der Bundesregierung, der zwischen einfacher und qualifizierter Verzögerungsrüge differenziert, stellte Bundesrichter Nedden-Boeger die Frage, "wie man eine so einfache Sache so kompliziert machen kann". Die Amtsgerichtsdirektorin Brigitte Meyer-Wehage nannte es "sehr bedenklich", dass mit der vorgeschlagenen Regelung "gewissermaßen der Bundesgerichtshof zur Tatsacheninstanz gemacht" werde. Mehrere der Sachverständigen schlugen vor, mit Verzögerungsrügen einfach analog zu Befangenheitsanträgen zu verfahren.

*

4. Grüne wollen Barrierefreiheit überall

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung in einem Antrag (18/7877) auf, die geplante Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) zu überarbeiten. Nach Ansicht der Grünen weißt der vorliegende Entwurf zu viele Schwächen auf, vor allem in Bezug auf die Verpflichtung der Privatwirtschaft zu Barrierefreiheit und Gleichstellung.

Die Abgeordneten verlangen von der Bundesregierung deshalb verschiedene Nachbesserungen. So sollen unter anderem auch Empfänger von Projektförderung auf Einhaltung des BGG verpflichtet werden, sofern das Projekt eine bestimmte Dauer und die Fördersumme eine bestimmte Höhe überschreiten. Bisher gilt dies nur für dauerhaft vom Bund unterstützte Einrichtungen. Die Bundesregierung soll zudem grundsätzlich feste Fristen zum Umbau bestehender Gebäude und zur barrierefreien Umgestaltung des Intranets setzen. Außerdem soll die volle Teilhabe im Netz dadurch ermöglicht werden, dass der Geltungsbereich des Paragrafen 12 des BGG (Barrierefreie Informationstechnik) auf im Auftrag des Bundes betriebene und überwiegend vom Bund geförderte Internet-Angebote ausgeweitet wird. Nach Ansicht der Grünen sollte die Weiterentwicklung des BGG auch dazu genutzt werden, den Ausschluss behinderter Menschen vom Wahlrecht noch vor der nächsten Bundestagswahl zu beenden und die Vorgaben des BGG zur Barrierefreiheit auch auf die parlamentarische Arbeit auszudehnen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 167 - 17. März 2016 - 10.09 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang