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BUNDESTAG/5763: Heute im Bundestag Nr. 277 - 11.05.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 277
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 11. Mai 2016, Redaktionsschluss: 17.20 Uhr

1. Kritik an Einreiseverbot nach China
2. Vorstöße zu Lobbyistenregister umstritten
3. Eine Milliarde Euro für Elektromobilität
4. Sicherheit bei der EM - Restrisiko bleibt


1. Kritik an Einreiseverbot nach China

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Der Menschenrechtsausschuss hat am Mittwochnachmittag in einer einstimmig verabschiedeten Erklärung das von der chinesischen Regierung ausgesprochene Einreiseverbot gegen den Ausschussvorsitzenden Michael Brand (CDU) verurteilt. "Über die Zusammenstellung der Delegation entscheidet alleine der Deutsche Bundestag", heißt es darin. Zudem kritisieren die Abgeordneten die "wiederholten Versuche" des chinesischen Botschafters sowie von Vertretern des chinesischen Volkskongresses, "auf den Terminkalender und Auftritte bei Veranstaltungen sowie Veröffentlichungen des Vorsitzenden zum Thema Menschenrechte in Tibet Einfluss zu nehmen".

Ausdrücklich hält der Ausschuss an seinem Vorhaben fest, die geplante Reise nach China gemeinsam mit dem Ausschussvorsitzenden als Delegationsleiter durchzuführen. Dort wollen sich die Abgeordneten im Gespräch mit Regierungs- und Parlamentsvertretern sowie der Zivilgesellschaft über die Menschenrechtslage informieren. Die Vertreter Chinas fordern sie auf, "alles in die Wege zu leiten, damit die Reise in der geplanten Form so rasch wie möglich stattfinden kann". Zugleich betonen sie: "Wir sind an guten außenpolitischen Beziehungen interessiert. Dazu gehören gegenseitige Besuche und die Selbstverständlichkeit, kritische Menschenrechtsthemen anzusprechen."

Im Ausschuss sprach Brandt von einem "außergewöhnlichen Vorgang". So sei er vom chinesischen Botschafter gedrängt worden, Artikel zu Tibet von seiner Internetseite zu löschen und einen geplanten Auftritt bei der "Tibet Initiative Deutschland" abzusagen. Eine solche Einflussnahme auf einen frei gewählten Abgeordneten sei inakzeptabel. Dies müsse auch die Bundesregierung dem Botschafter unmissverständlich klar machen.

Die Delegationsreise des Ausschusses nach China soll Ende Mai stattfinden. Geplant ist neben dem Besuch der Städte Peking und Urumtschi auch eine Reise nach Lhasa, der Hauptstadt der Autonomen Region Tibet.

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2. Vorstöße zu Lobbyistenregister umstritten

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung/Anhörung

Berlin: (hib/STO) Forderungen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung eines verpflichtenden öffentlichen Lobbyistenregisters stoßen bei Experten auf kontroverse Einschätzungen. Dies wurde am Mittwochnachmittag bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu entsprechenden Anträgen der Links- und der Grünen-Fraktion deutlich.

Wie die Linksfraktion in ihrer Vorlage (18/3842) schreibt, sollen die Lobbyisten die Pflicht haben, sich in das Register einzutragen. Als Lobbyisten sollen danach alle natürlichen oder juristischen Personen gelten, die auf die Entscheidungen im Bereich der Bundesregierung und des Bundestages unmittelbar Einfluss ausüben wollen und zu diesem Zweck Kontakte etwa mit Parlaments- oder Regierungsmitgliedern oder ihren Mitarbeitern "vorbereiten, anbahnen, durchführen oder nachbereiten". Um sicherzustellen, dass Betroffene sich weiterhin ohne Verwaltungsaufwand jederzeit politisch zu Wort melden können, sollen Ausnahmen vorgesehen werden können, "soweit die Lobbyarbeit geringe Finanz- oder Zeit-Schwellenwerte nicht überschreitet".

In das Register aufgenommen werden sollen nach dem Willen der Grünen Daten zu den Lobbyisten, zu ihren Arbeitgebern und zu den finanziellen Aufwendungen, die sie in die Interessenvertretung investieren. Zudem soll das Register dem Grünen-Antrag (18/3920) zufolge unter anderem "Daten zur mitgliedschaftlichen Struktur, zum Gesamtbudget und zu den Hauptfinanzierungsquellen bei Institutionen" enthalten, deren Haupttätigkeit in der Einflussnahme auf politische Entscheidungen besteht.

Jeder Bürger soll das Recht auf kostenlose Einsichtnahme in das Register haben, fordern die Abgeordneten weiter. Der Zugang von Lobbyisten zu Bundesministerien und nachgeordneten Bundesbehörden und jede Kontaktaufnahme zu deren Personal soll - sofern eine Lobbytätigkeit beabsichtigt ist - nur nach einer Registrierung möglich sein, ebenso wie die Ausgabe von Hausausweisen für den Bundestag, heißt es in der Grünen-Vorlage weiter. Darin wird zudem eine Kennzeichnung der Mitwirkung von Lobbyisten in für das Parlament bestimmten Vorlagen der Exekutive gefordert.

In der Anhörung nannte es Jochen Bäumel von Transparency International Deutschland "höchste Zeit" für die Einrichtung eines Lobbyistenregisters, das verpflichtend sein sollte. Es sei unbestritten, dass in einer funktionierenden Demokratie Stellungnahmen aus der Gesellschaft an Regierung und Parlament "herangetragen, gehört und abgewogen werden" müssten. Das Vertrauen der Bürger in Exekutive und Legislative scheine jedoch beschädigt. Vertrauen müsse die Möglichkeit der Kontrolle und Überprüfung haben, was Transparenz voraussetze.

Daniel Freund vom Europa-Büro von Transparency International argumentierte, dass Deutschland seit der Einführung des Verbänderegisters von 1972 im internationalen europäischen Vergleich bei der Transparenz von Lobbyismus "immer mehr ins Hintertreffen geraten" sei. Das schlechte Abschneiden Deutschlands könne zu einem erheblichen Teil darauf zurückgeführt werden, dass es hierzulande bisher kein Lobbyistenregister gebe. Dagegen hätten bereits acht EU-Staaten sowie die europäischen Institutionen ein solches Register.

Heiko Kretschmer, Ethikbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung, befürwortete "im Prinzip" ein Lobbyistenregister. Dieses müsse dann aber auf der Basis eines Bundesgesetzes und nicht per Geschäftsordnung geschaffen werden. Auch müsse es sich um ein Pflichtregister handeln. Es müssen zudem "Bagatellgrenzen" gezogen werden, um eine "Registrierungsflut" zu vermeiden.

Timo Lange von "LobbyControl - Initiative für Transparenz und Demokratie" bezeichnete Transparenz als ein "wichtiges Instrument zur Stärkung des Vertrauens in die Integrität der parlamentarischen Demokratie und ihre Institutionen". Um mehr Transparenz bei der politischen Interessensvertretung herzustellen, brauche man ein Lobbyistenregister, das sowohl "gegenüber Parlament als auch Regierung wirkt". Insofern begrüße er die Anträge der beiden Oppositionsfraktionen, die indes lediglich Eckpunkte für die Ausgestaltung eines solchen Registers enthielten.

Der Direktor des schleswig-holsteinischen Landtages, Professor Utz Schliesky, sagte dagegen, dass es für ein über die derzeitige Regelung hinausgehendes Lobbyistenregister sehr enge Grenzen gebe. "Mehr ist verfassungsrechtlich kaum machbar", betonte Schliesky. Er wandte sich gegen die Vorstellung, dass "totale Transparenz gleich maximale Demokratie" bedeute. Dies sei falsch. Auch sei Transparenz kein Verfassungsprinzip, während sich Interessenvertretung auf Grundrechte stützen könne. Zudem schütze das freie Mandat den selbstgewählten Kontakt zu Interessenvertretern und das vertraulichen Gespräch mit ihnen.

Der Rechtswissenschaftler Professor Helge Sodan von der Freien Universität Berlin kritisierte, die "in den Anträgen der beiden Oppositionsfraktionen geforderten Registierungs- und Offenbarungspflichten sowie Sanktionen als Folgen von Verstößen gegen derartige Pflichten" stießen auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Einwände. Daher empfehle er, die Anträge abzulehnen. Zur Herstellung notwendiger Transparenz sei die beim Bundestagspräsidenten geführte öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern ausreichend.

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3. Eine Milliarde Euro für Elektromobilität

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Die Bundesregierung will die Elektromobilität mit insgesamt rund einer Milliarde Euro fördern. Dies geht aus einem Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Elektromobilität hervor, den der Haushaltsausschuss am Mittwoch zur Kenntnis nahm.

Danach ist eine Kaufprämie für Elektrofahrzeuge geplant. Diese soll 4.000 Euro für rein elektrische Fahrzeuge und 3.000 Euro für Plug-In Hybride betragen. Finanziert werden soll die Prämie jeweils zur Hälfte von der Bundesregierung und der Industrie. Das zu fördernde elektrisch betriebene Fahrzeug muss laut Bericht einen Listenpreis für das Basismodell von unter 60.000 Euro aufweisen. Aus Bundesmitteln sollen dafür 600 Millionen Euro zur Verfügung stehen, die längstens bis 2019 ausgezahlt werden.

Weiterhin will der Bund den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge bis 2020 mit 300 Millionen Euro fördern. Damit soll ein bedarfsgerechtes flächendeckendes Grundnetz an Schnellladeinfrastruktur geschaffen werden und die Normalladeinfrastruktur weiter ausgebaut werden. Zudem ist im Bereich der Kraftfahrzeugsteuer eine Ausweitung der bestehenden Steuerbefreiungen für reine Elektro-Kraftfahrzeuge geplant. Diese soll jetzt auf zehn Jahre heraufgesetzt werden. Dafür sind rund 100 Millionen Euro eingeplant. Die Finanzierung der Kaufprämie sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur soll über den Energie- und Klimafonds erfolgen, heißt es in dem Bericht.

Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD betonten, dass großes Interesse bestehe, dass die E-Mobilität komme. Es müsse aber sicherstellt werden, dass die Kaufprämie tatsächlich beim Käufer ankomme. Die Linksfraktion hielt das Programm der Bundesregierung für ein "dubioses" Anreizprogramm. Es sei eine Ausprägung von Fehlanreizen und ein Schnellschuss. Bündnis 90/Die Grünen kritisierten vor allem die Finanzierung aus dem Energie- und Klimafonds. Sinnvoller sei ein Nachtragsetat.

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4. Sicherheit bei der EM - Restrisiko bleibt

Sport/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Wenn am 10. Juni die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich beginnt wird alles getan sein, um die Sicherheit für Fans und Mannschaften zu gewährleisten. Das sagte Jacques Lambert, Chef des Organisationskomitees der EM am Mittwoch im Sportausschuss des Bundestages. Trotz aller Bemühungen von Sicherheitskräften, Organisationskomitee und UEFA bleibe jedoch immer ein Restrisiko terroristischer Anschläge, fügte Lambert hinzu. Angesprochen auf die Möglichkeit sogenannter Geisterspiele - also Turnierpartien ohne Zuschauer - sagte der OK-Chef, man wolle unbedingt vermeiden, in leeren Stadien zu spielen. Man müsse sich jedoch mit derartigen Szenarien befassen und wenn es die Sicherheitslage erfordert, auch auf diese Möglichkeit zurückgreifen.

Lambert verwies auf verschärfte Sicherheitskonzepte als Reaktion auf die Terroranschläge der letzten Monate. So gebe es inzwischen einen zweiten Sicherheitsring um die Stadien. Zudem sei die Videoüberwachung in diesen Bereichen ausgebaut worden. Während der EM sollen außerdem Minenräumer die Stadien, aber auch die sogenannten Transferhotels, in denen die Nationalmannschaften am Abend vor dem Spiel wohnen, durchsuchen, sagte er.

Trotz der angespannten Sicherheitslage rechnet der OK-Chef mit einem hohen Zuschauerzuspruch während des Turniers - sowohl in den Stadien als auch in den Fan-Zonen und den Public Viewing Bereichen außerhalb der Stadien. Von den 2,5 Millionen Tickets für die 51 Spiele seien derzeit lediglich 15.000 noch nicht verkauft, sagte Lambert. Die Anschläge von Paris und Brüssel hätten im Übrigen keine Folgen für den Kartenverkauf gehabt. Nur sehr wenige Käufer hätten ihre Tickets zurückgeben wollen.

Auch in Deutschland sei ein Restrisiko von Anschlägen bei öffentlichen Veranstaltungen während der Fußball-EM nicht einhundertprozentig auszuschließen, sagte Wolfgang Lohmann, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder. Konkrete Informationen über einen Bedrohungslage gebe es derzeit jedoch nicht, so Lohmann weiter. Veranstaltungen wie etwa Public Viewing würden durch die Länderpolizeien abgesichert. Lohmann sagte, angesichts der räumlichen Nähe zu den Spielorten sei damit zu rechnen, dass sich viele tausende Anhänger der deutschen Nationalmannschaft auf den Weg nach Frankreich machen. Darunter würden sich auch viele potenzielle Störer befinden, so der Polizeiexperte weiter.

Lohmann kündigte an, mit Blick auf gewaltbereite Chaoten Spezialkräfte der deutschen Polizei zur Unterstützung der französischen Kollegen in das Nachbarland zu schicken. Vorgesehen sei auch die Übermittlung von Informationen aus der Datei "Gewalttäter Sport" an die französischen Behörden. Zugleich sei von zeitlich beschränkten Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Frankreich während des Turniers auszugehen.

Unter anderem mit mobilen Fan-Botschaften an den Spielorten sollen deutsche Fußballbesucher in Frankreich unterstützt werden, sagte Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS). Man wolle so deutschen Fans als Ansprechpartner dienen.

Die organisatorischen Vorbereitungen des Deutschen Fußballbundes (DFB) auf die EM hätten schon kurz nach der Weltmeisterschaft in Brasilien mit der Suche nach einem Teamhotel begonnen, sagte Georg Behlau, beim DFB zuständig für die organisatorischen Abläufe rund um die Nationalmannschaft. Fündig sei man in einem Hotel in Evian-les-Bains am Genfer See geworden. Dort habe man beste Bedingungen inklusive eines nahe gelegenen Trainingsgeländes vorgefunden. Vor dem Turnier werde die Mannschaft von Bundestrainer Jogi Löw noch ein Trainingslager im schweizerischen Tessin absolvieren, das von zwei Vorbereitungsspielen unterbrochen wird. Mit Blick auf die Sicherheitslage sagte Behlau, die Nationalmannschaft begebe sich in die Hände der französischen Sicherheitsbehörden und fühle sich dort gut aufgehoben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 277 - 11. Mai 2016 - 17.20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2016

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