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BUNDESTAG/5829: Heute im Bundestag Nr. 343 - 08.06.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 343
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 08. Juni 2016, Redaktionsschluss: 14.09 Uhr

1. Normenkontrollrat beklagt digitalen Rückstand der Verwaltung 2. Viele klinische Studien verschwinden 3. Experten befürworten Netzausbaugesetz 4. Besserer Schutz für Wildtiere 5. Ernährungspolitischer Bericht 2016


1. Normenkontrollrat beklagt digitalen Rückstand der Verwaltung

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Der Vorsitzende des Normenkontrollrates Johannes Ludewig vermisst in Deutschland den "klaren politischen Willen", die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben. Es gebe zwar einen IT-Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern, doch dieser bestehe weithin aus Kann-Bestimmungen und sei "an Unverbindlichkeit nicht zu übertreffen", kritisierte Ludewig am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss. Der Normenkontrollrat entstand im September 2006 als unabhängiges Gremium, um die Bundesregierung beim Bürokratieabbau zu beraten, und wird für jeweils fünf Jahre berufen. Seit 2011 lautet sein Auftrag, nicht nur Bürokratiekosten, sondern den gesamten durch Gesetzgebung verursachten "Erfüllungsaufwand" der Wirtschaft im Blick zu behalten.

Im europäischen Vergleich der Effizienz und Bürgernähe staatlichen Verwaltungshandelns sei die Bundesrepublik mittlerweile ins untere Drittel abgerutscht, beklagte Ludewig. Unter 28 EU-Staaten belege sie derzeit den 18. Platz, hinter Italien, aber immerhin vor Zypern. Dagegen halte Österreich einen respektablen sechsten Platz: "Wer hätte mal gedacht, dass Österreich uns um zehn Jahre voraus sein würde?" Als Ursachen des deutschen Rückstandes in der Modernisierung der Verwaltung nannte Ludewig die föderale Vielfalt der Bundesrepublik, aber auch das Desinteresse der Politik. "Die Chance, die die Informationstechnik bietet, hat parteiübergreifend nicht den angemessenen Stellenwert.". Auch im Bundestag sei das Interesse an den Anliegen seines Gremiums "überschaubar" und "steigerungsfähig", bedauerte Ludewig.

Die Dramatik der Lage habe spätestens die Flüchtlingskrise enthüllt, als sich gezeigt habe, dass die IT-Systeme der unterschiedlichen Behörden und Länder allesamt nicht kompatibel waren. Aus diesem Grund habe der "Flüchtlingsstrom zu keinem Zeitpunkt effizient gesteuert" werden können: "Es geht hier nicht um die Portokasse", mahnte Ludewig. "Es geht um ein Strukturdefizit im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland." Wenn sich die Wirtschaft weiterhin im bisherigen Tempo digitalisiere, während die Verwaltung hinterherhinke, werde dies früher oder später zu Spannungen führen, die dann auch negative Folgen für das Wirtschaftswachstum haben könnten: "Da muss Deutschland einfach besser, beweglicher, da müssen wir einfach unruhiger werden. Das kann so nicht weitergehen."

Ludewig zog andererseits eine positive Bilanz der Tätigkeit des Normenkontrollrats, dem er seit seiner Gründung vor knapp zehn Jahren vorsteht. Es sei in diesem Zeitraum gelungen, die Bürokratiekosten der Wirtschaft von damals 49 Milliarden Euro bis 2013 um zwölf Milliarden zu senken. Dies entspreche der Verringerung um 25 Prozent, die die damalige Bundesregierung sich vorgenommen habe. Das Gremium habe auch gesetzgeberische Innovationen angestoßen, von denen weitere Effizienzgewinne zu erwarten seien. So gebe es seit drei Jahren die Bestimmung, dass alle Gesetze, deren Folgekosten mehr als ein Million Euro betragen, nach drei bis spätestens fünf Jahren auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen sind: "Das hat es in der deutschen Rechtsgeschichte bislang nie gegeben. Darauf bin ich ein bisschen stolz."

Seit Anfang diesen Jahres gelte zudem die Regel, dass die Bundesregierung alle Vorschläge der EU-Kommission, deren Folgekosten europaweit 35 Millionen übersteigen, im voraus auf ihre Auswirkungen auf Bürger, Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland "im Detail zu analysieren" hat.

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2. Viele klinische Studien verschwinden

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Die Ergebnisse aus Tausenden klinischen Studien weltweit werden offensichtlich nicht veröffentlicht und stehen damit der Wissenschaft und praktischen Medizin auch nicht zur Verfügung. Gerd Antes, Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums für evidenzbasierte Medizin am Universitätsklinikum Freiburg, sagte am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages, international seien schätzungsweise rund 20.000 Studien bekannt. Tatsächlich gebe es aber vermutlich mindestens 40.000. Viele Studien würden nicht registriert, verschwänden dann einfach und seien damit auch nicht bekannt.

Eine Vertreterin vom Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) merkte an, dass es bei dieser Problematik global nicht nur um Arzneimittelstudien gehe, die weniger als die Hälfte aller Studien ausmachten. So würden auch Studien etwa zu chirurgischen Verfahren, Medizinprodukten, Bestrahlungen oder Prognosestudien in Auftrag gegeben.

Nach Angaben des DRKS gibt es in Deutschland keine gesetzliche Vorschrift zur Registrierung klinischer Studien. Bei Arzneimittelstudien ist in Deutschland jedoch in der sogenannten GCP-Verordnung (Good Clinical Practice) die Registrierung im EudraCT, einem EU-Register, vorgesehen.

Ein Sprecher des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) widersprach demzufolge auch der Darstellung Antes' zumindest hinsichtlich der Arzneimittelstudien. Seit einer gesetzlichen Änderung auf EU-Ebene 2004 würden sämtliche Arzneimittelstudien registriert, nicht nur Zulassungsstudien, und seien damit auch alle bekannt. Es bestünde somit "volle Transparenz" in dem Sektor.

Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde 2011 die Pflicht zur Veröffentlichung von Ergebnissen klinischer Prüfungen eingeführt.

Eine Sprecherin des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sagte, eine Datenbank über alle genehmigten klinischen Arzneimittelprüfungen sei öffentlich zugänglich. Hier bestehe also ausreichend Transparenz.

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3. Experten befürworten Netzausbaugesetz

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf "zur Erleichterung des Ausbaus digitale Hochgeschwindigkeitsnetze" (18/8332) trifft bei Experten auf grundsätzliche Zustimmung. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur am Mittwoch deutlich. Ziel des Entwurfes ist die Kostensenkung und damit Beschleunigung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze. Dazu ist unter anderem vorgesehen, Netzbetreibern Ansprüche auf die Nutzung existierender passiver Netzinfrastrukturen einzuräumen. Weitere Synergien für den Ausbau digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze verspricht sich die Bundesregierung von der Verpflichtung, bei öffentlich finanzierten Bauarbeiten eine bedarfsgerechte Mitverlegung von Glasfaserkabeln sicherzustellen.

Kontrovers diskutiert wurde im Verlauf der Anhörung die Frage des sogenannten Überbaus, also des Breitbandausbaus in Gebieten, in denen es schon leistungsfähige Netze gibt. Die in dem Gesetz festgeschriebenen Ansprüche dürften nur in unterversorgten Gebieten, sogenannten "weißen Flecken" gelten, forderte unter anderem Thomas Abel vom Verband Kommunaler Unternehmen. Zugleich sprach er sich dafür aus, die Gründe, die eine Ablehnung der Mitnutzung gestatten, im Gesetz nicht abschließend zu beschreiben sondern offen zu gestalten. Auch Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation forderte, den Überbau zu verhindern. In dieser Frage gehe der Entwurf noch nicht weit genug, urteilte er.

Gegen ein solches Überbauverbot sprach sich der Vertreter der Deutschen Telekom, Wolfgang Kopf, aus. Dieser "negativ konnotierte Begriff" des Überbaus stehe im Widerspruch zum Ziel der Förderung des wettbewerblichen Infrastrukturausbaus, wie in der mit dem Gesetz umgesetzten EU-Richtlinie und im Telekommunikationsgesetz verankert. Kopf verwies zudem auf die leistungsstarken 5G-Funknetze, die es in Zukunft geben werde und die "ein sehr engmaschiges Glasfasernetz benötigen". Für 5G werde es parallele Netze geben müssen, sagte er.

Gerade im ländlichen Bereich gebe es eben keinen Wettbewerb, sagte Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag. "Wenn es Überbau gibt, dann in den aus Sicht der Wettbewerber attraktiven Gebieten." Ritgen sprach sich zudem gegen die geplante Mitverlegung von Glasfaserkabeln etwa beim Straßenbau aus. Die Mitverlegung von Leerrohren sei eine gute Idee. Glasfasern mitzuverlegen erscheine dagegen nur sinnvoll, wenn dem eine landkreisweite Glasfaserausbauplanung zugrunde liegt.

Stefan Birkenbusch vom Bundesverband Glasfaseranschluss warnte davor, die Erwartungen an die Wirkungen des Gesetzes zu hoch anzusetzen. Der beispielsweise zur Koordinierung von Bauarbeiten notwendige Organisationsaufwand sei in vielen Fällen höher als die erzielbaren Einsparungen. Positiv bewertet er hingegen, dass der Entwurf den Schwerpunkt auf den Ausbau mit Glasfaserkabel setzt.

Das sah Franziska Löw vom Verband deutscher Kabelnetzbetreiber anderes. Benötigt werde ein Technologiemix, sagte sie und sprach sich gegen eine Fokussierung ausschließlich auf Glasfaser aus. "Die Technikneutralität muss gewahrt werden", forderte Löw.

Eine Innenverlegung von Glasfaserkabeln in Gasrohren bewertete Volker Bartsch vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches sehr kritisch. "Ich rate davon ab, die Betreiber von Gasnetzen in die Mitnutzungspflicht einzubinden", sagte er. Das eingebrachte Kabel würde die Dichtheit der notwendigen Absperrung negativ beeinflussen und diese Technik somit aus Sicht der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes unmöglich machen, sagte er.

Vor einem "Infrastruktur-Flickenteppich" warnte Claus Wedemeier vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, wenn innerhalb eines Mehrfamilienhauses verschiedene Anbieter die Kabel in verschiedene Wohnungen legen. Dies könne vorhandene Hochgeschwindigkeitsnetze entwerten und künftige Investitionen, die allen Mietern in einem Gebäude den Zugang zu einheitlichen, leistungsfähigen Breitbandnetzen ermöglichen sollen, ausbremsen, sagte er.

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4. Besserer Schutz für Wildtiere

Ernährung und Landwirtschaft/Antrag

Berlin: (hib/EIS) Wildtiere sollen besser geschützt und der illegale Wildtierhandel bekämpft werden. Das geht aus einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (18/8707) hervor. Unter anderem sollen die Importe von "Nachzuchten" beziehungsweise "Farmzuchten" artgeschützter Tiere nach Deutschland kritisch geprüft werden, um falsch deklarierte Wildfänge über diesen Weg zu verhindern. Insbesondere von Händlern aus Ländern, in denen ein solches Umetikettieren bekannt ist oder Zweifel an den Zuchtkapazitäten bestehen, sollen Nachweise über die Legalität des Zuchtstocks und die Herkunft der Tiere erbracht werden. Außerdem soll sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine Verordnung einsetzen, die nach Vorbild des US-Lacey Act die nationalen Artenschutzbestimmungen der Herkunftsländer unterstützt und akzeptiert. Nicht länger erlaubt sein sollen die Importe von Arten in die EU, die im Herkunftsland geschützt und deren Fang und Export verboten sind, die aber keinem internationalen Schutzstatus unterliegen. Darüber hinaus soll ein Verkaufsverbot für exotische Tiere auf gewerblichen Tierbörsen geprüft werden.

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5. Ernährungspolitischer Bericht 2016

Ernährung und Landwirtschaft/Unterrichtung

Berlin: (hib/EIS) Die Bundesregierung hat den Ernährungspolitischen Bericht 2016 (18/8650) vorgelegt. In der Unterrichtung werden die bundespolitischen Grundlagen, Ziele und Maßnahmen in den Bereichen Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz für den Zeitraum 2013 bis 2017 dargelegt. Der Bericht befasst sich mit den Themen Ernährungssicherung der Menschen in Deutschland, Europa und in der Welt, Lebensmittelsicherheit, Schutz vor Irreführung der Verbraucher, Nachhaltigkeit im Konsum, Ernährungsbildung und -information sowie Ernährungsprävention zur Förderung eines gesunden und ausgewogenen Lebensstils.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 343 - 8. Juni 2016 - 14.09 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2016

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