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BUNDESTAG/5894: Heute im Bundestag Nr. 408 - 04.07.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 408
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 04. Juli 2016, Redaktionsschluss: 16.30 Uhr

1. EEG-Ausschreibungen kritisch beurteilt
2. Keine Antworten zum Stromsteuergesetz
3. Deutsche Banken und Panama Papers
4. Regierung lehnt Wünsche zum EEG ab
5. Evaluation des Deutschlandstipendiums


1. EEG-Ausschreibungen kritisch beurteilt

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien werden bald neue Erfahrungen machen können: Neuanlagen müssen sich dem scharfen Wind des Wettbewerbs stellen. Nach Jahren der relativ ruhigen Förderung zur Markteinführung soll nun in Ausschreibungen der günstigste Bieter zum Zuge kommen. Diese in der EEG-Novelle 2016 zusammengefassten Neuregelungen waren in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Montag unter den Experten zum Teil heftig umstritten.

In der Anhörung zu dem von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachtem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (18/8860, gleichlautend von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/8832) beurteilte Carsten Rolle für den Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) die vorgesehenen Ausschreibungen grundsätzlich positiv. Man verspreche sich mehr Kosteneffizienz. Aber es drohten weiterhin Steigerungen der EEG-Umlage. Ausschreibungen würden bei der Photovoltaik nur Großanlagen über ein Megawatt betreffen. Damit würden nur 20 Prozent des jährlichen Zubaus von der Pflicht zu Ausschreibungen erfasst.

Zugleich forderte der BDI eine Auffangregelung für Unternehmen, die bei der EEG-Umlage begünstigt waren, aber zum Beispiel wegen sinkenden Stromverbrauchs unter den Schwellenwert fallen würden. Die Unternehmen hätten erheblich höhere Stromkosten, obwohl sie weniger Strom verbrauchen würden.

Professor Achim Wambach (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) bedauerte den Verzicht auf regionalisierte Ausschreibungen. Damit könne es zu weiteren Bauprojekten an küstennahen Standorten kommen. Folge sei eine Verschärfung des Nord-Süd-Problems. "Eine Zunahme von Engpasssituationen und eine weitere Steigerung von Redispatching- und Netzausbaukosten wären die Folge", warnte Wambach.

Stefan Kapferer vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) forderte nicht nur eine Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau, sondern auch Änderungen bei den Ausschreibungsmengen. So müsse berücksichtigt werden, dass nicht alle Projekte, die einen Zuschlag erhalten hätten, tatsächlich auch gebaut würden. Daher müsse die Ausschreibungsmenge höher sein als der angestrebte Zielkorridor. Horst Seide forderte für den Fachverband Biogas und andere Verbände aus diesem Bereich einen breiteren Ausbaupfad für den Bau von Biogasanlagen. Die vorgesehene Begrenzung auf 150 Megawatt sei nicht ausreichend, sagte Seide, der auch das Fehlen einer Anschlussregelung für Altholzkraftwerke und eine Benachteiligung kleiner Akteure kritisierte. Gegen die Absicht, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 45 Prozent festzuschreiben, wandte sich Hermann Falk vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). Stattdessen sei es besser, den "bewährten dynamischen Ausbau" fortzuschreiben. Er bezweifelte, dass Deutschland mit den Regelungen der EEG-Novelle die Klimaziele bis 2020 einhalten könne.

Die Ausschreibungsmengen gerade für Windenergie an Land müssten größer sein, "damit auch kleine und mittelgroße Akteure wie Stadtwerke eine realistische Chance auf einen Zuschlag haben", forderte Michael Wübbels für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Sonst würden sich die kleinen Akteure aus dem Markt zurückziehen und das Feld wenigen Großkonzernen überlassen. Martin Altrock (Becker Büttner Held) bezeichnete es als unsicher, ob die Einführung von Ausschreibungen tatsächlich geeignet sei, die Ziele Kostensenkung, Mengensteuerung und Erhalt der Akteursvielfalt angemessen auszutarieren. Ein Prüfungsintervall von vier Jahren sei deshalb zu lang. Besser seien zwei Jahre. Altrock forderte zudem erweiterte Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung.

Zweifel an der Zielerreichung durch Ausschreibungen äußerte auch Claudia Kemfert (DIW Berlin). Die Tücken würden im Detail stecken. Erfahrungen aus anderen Ländern würden zeigen, dass keinesfalls sicher sei, dass die Vergütungshöhen sinken würden. Zudem bestehe die Gefahr, dass die angestrebten Ausbaukorridore nicht erreicht würden. Eckhard Ott (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband) forderte verschiedene Maßnahmen, um Bürger-Energieprojekte zu stärken. Klaus Ritgen (Deutscher Landkreistag) wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass trotz der Sonderregelungen für die Bürgernergiegesellschaften immer noch große Hürden für kleine Akteure bleiben würden. Bürger-Energiegesllschaften und Stadtwerke müssten besser kooperieren können.

Mit der Synchronisation des Netzausbaus mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien beschäftigte sich auch Martin Grundmann (ARGE Netz): "Der fehlende Stromnetzbau ist weiter die zentrale Ursache für massive Verwerfungen bei der Energiewende." Ganze Regionen seien von Zwangsabschaltungen der Anlagen betroffen. Mengen, die das Stromnetz nicht aufnehmen könne, müssten für "power-to-x"-Lösungen verwendet werden, forderte Grundmann. Uwe Nestle (Energie- und KlimaPolitik) warnte in seiner Stellungnahme davor, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Netzausbau zu knüpfen. Dies würde der Erfüllung des Ziels der Umweltverträglichkeit entgegenstehen: "Denn auch Ökostromanlagen, die zeitweise abgeregelt werden müssen, reduzieren in den anderen Zeiten Treibhausgasemissionen." Die Entwicklung der erneuerbaren Energien bewertete Nestle als Erfolgsgeschichte. So seien im Bereich erneuerbare Energien heute mehr Menschen beschäftigt als zu Beginn der Energiewende im Jahr 2000 im gesamten Kohlebereich.

Angelika Thomas von der Industriegewerkschaft Metall betonte die Bedeutung der Onshore- und Offshore-Wirtschaft. Die Wertschöpfungskette reiche bis nach Süddeutschland. Der Offshore-Ausbau müsse unbedingt weitergehen. Ein "stop and go" würde der Industrie nicht gut bekommen.

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2. Keine Antworten zum Stromsteuergesetz

Finanzen/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung will Fragen zur geplanten Änderung des Energie- und Stromsteuergesetzes nicht beantworten. Wie es in einer Antwort der Bundesregierung (18/8938) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/8721) heißt, betreffen die meisten Fragen der Abgeordneten Themen der noch andauernden Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung. Einer Beantwortung stehe damit der vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entgegen.

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3. Deutsche Banken und Panama Papers

Finanzen/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat 13 deutsche Banken um Auskünfte gebeten, ob Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit den "Panama Papers" bestehen. Im weiteren Verlauf seien elf Institute um Unterlagen gebeten worden, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung (18/8943) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/8447). Das Verfahren laufe noch.

Weiter teilt die Regierung mit, dass die BaFin bei den von ihr beaufsichtigten elf Instituten von 2011 bis 2016 zehn geldwäschebezogene Sonderprüfungen durchgeführt habe. Es habe hierbei mit Ausnahme einer Prüfung keine aufsichtsrechtlich relevanten Erkenntnisse mit Bezug zu den in den "Panama Papers" angesprochenen Tätigkeiten gegeben.

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4. Regierung lehnt Wünsche zum EEG ab

Wirtschaft und Energie/Unterrichtung

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat die meisten Vorschläge der Bundesländer zu dem von ihr eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (18/8832) abgelehnt. Der Bundesrat hatte in seiner als Unterrichtung (18/8972) vorliegenden Stellungnahme unter anderem Verbesserungen bei der Begriffsdefinition der "Bürgerenergiegesellschaft" gefordert, um mehr Beteiligung von Bürgern an Projekten der erneuerbaren Energien zu ermöglichen. So sollte die Beteiligung von Bürgern aus Nachbarlandkreisen an Bürgerenergieprojekten erleichtert werden. Auch Stadtwerke in kommunaler Trägerschaft sollten sich besser daran beteiligen können. Änderungen wurden auch für "Mieterstrommodelle" und bei der EEG-Umlage verlangt. Grundsätzlich forderten die Länder, die Zahl der Abregelungen von regenerativen Energieerzeugungsanlagen konsequent zu minimieren und den Netzausbau zu beschleunigen.

Zur Bürgerenergie heißt es in der Gegenäußerung der Regierung, die vorgeschlagene Erweiterung des Investorenkreises um "Bürger, die nicht mehr vor Ort sind", werde abgelehnt. Außerdem will die Regierung die Beteiligungsgrenze für Gesellschafter (derzeit zehn Prozent) für Stadtwerke nicht auf 24,9 Prozent erhöhen. Kommunale Unternehmen erhielten dadurch eine "dominierende Stellung, die dem Charakter einer reinen Bürgerenergiegesellschaft widersprechen würde". Auch Begünstigungen für Mieterstrommodelle werden abgelehnt: "Wenn Mieter für Photovoltaik-Strom, den sie vom Vermieter beziehen, nur noch 40 Prozent der EEG-Umlage zahlen, steigt im Gegenzug die EEG-Umlage für alle anderen Stromverbraucher - insbesondere auch für alle Mieter, deren Vermieter ihnen diese Möglichkeit nicht bietet."

Eine Erhöhung der Mengenbegrenzung für Neuanlagen wird ebenfalls abgelehnt. Zur Besonderen Ausgleichsregelung, die stromintensive Unternehmen bei der EEG-Umlage begünstigt, kündigt die Regierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Änderung an. Bisher müssen bestimmte Unternehmen für die Begünstigung durch die Besondere Ausgleichsregelung eine Stromkostenintensität (Verhältnis der maßgebenden Stromkosten zum arithmetischen Mittel der Bruttowertschöpfung in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren) von mindestens 17 Prozent erreichen. Die Länder hatten befürchtet, dass Unternehmen, die sich nahe an der Schwelle von 17 Prozent befinden, in ihren Anstrengungen für eine bessere Energieeffizienz nachlassen könnten, weil sie andernfalls eine höhere EEG-Umlage zu zahlen hätten. Die Regierung will für bestimmte Unternehmen, die eine Stromkostenintensität zwischen 14 und 17 Prozent haben, eine EEG-Umlage von 20 Prozent vorsehen.

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5. Evaluation des Deutschlandstipendiums

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Unterrichtung

Berlin: (hib/ROL) Das Deutschlandstipendium hat sich neben den etablierten Begabtenförderungswerken als wichtige Säule der Begabtenförderung erwiesen. Das schreibt die Mehrheit des Beirats Deutschlandstipendium in seiner Stellungnahme, die als Unterrichtung der Bundesregierung (18/8989) vorliegt. Der Beirat berät das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2011 bei der Weiterentwicklung des Deutschlandstipendiums. Dem Gremium gehören unter anderem Vertreter der privaten Mittelgeber, der Hochschulen sowie der Studenten an. Das Deutschlandstipendium fördert begabte und leistungsstarke Studenten an den staatlichen Universitäten in Deutschland. Die Stipendiaten werden mit je 300 Euro im Monat unterstützt. 150 Euro zahlen private Förderer, 150 Euro steuert der Bund bei. Der private Anteil der Stipendienmittel wird von den Hochschulen eingeworben.

Bereits 2014, im vierten Jahr nach Programmstart, hätten sich fast 90 Prozent aller staatlichen Hochschulen am Programm beteiligt, heißt es in der Stellungnahme. Mit 22.500 sei die Zahl der Deutschlandstipendiaten vergleichbar mit der Summe der Geförderten aller Begabtenförderungswerke. Circa 6.700 Förderer - kleine und größere Unternehmen, Einzelpersonen, Stiftungen - stellten hierfür zusammen etwa 24 Millionen Euro an privaten Mitteln zur Verfügung. Dies alles zeige, dass das Programm einen gesellschaftlichen Bedarf abdecke. Zudem hält der Beirat das Programm auch für geeignet, um ausländische Studenten zu fördern. Der Beirat weist dabei auf besondere Leistungen von Studenten mit Fluchterfahrung hin.

Bei der Untersuchung der regionalen Kontextbedingungen wie etwa der Wirtschaftskraft am Hochschulstandort, der Qualifikation der Einwohner und der Beschäftigungsquote sei deutlich geworden, dass die regionalen Unterschiede praktisch keinen Einfluss auf den Fördererfolg hätten. Als ein Ergebnis der Evaluation hebt der Beirat daher hervor, dass an allen Hochschulstandorten Voraussetzungen gegeben seien, um ausreichend private Mittel einwerben zu können. Deshalb müsse der Bund keine gesetzlichen Ausgleichsmaßnahmen ergreifen.

Um die Fortführung des Deutschlandstipendiums gibt es im Beirat Meinungsverschiedenheiten. So erklärt sich auch das abweichende Votum von Matthias Anbuhl, Deutscher Gewerkschaftsbund und Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutsches Studentenwerk. Diese Beiratsmitglieder unterstreichen, dass das Deutschlandstipendium nur 0,84 Prozent aller Studenten erreiche. Das ursprünglich anvisierte und mittlerweile nach unten korrigierte Ziel von acht Prozent sei damit nicht annähernd erreicht. Von der Etablierung einer neuen Stipendienkultur könne daher nicht gesprochen werden. Es sei richtig, dass man Zeit und Geld brauche, um Strukturen einer neuen Stipendienkultur zu etablieren. Allerdings sei seit Einführung des Deutschlandstipendiums eine halbe Dekade vergangen. Auch sei ein massiver Zuwachs neuer Förderer nicht festzustellen. Laut Bericht sei lediglich ein Drittel der Förderer erstmalig bereit, ein Stipendium zu finanzieren und dies trotz der staatlichen Förderung von 50 Prozent; denn eigentlich müsse die steuerliche Absetzbarkeit als Subvention hinzugezählt werden, argumentieren Anbuhl und Meyer auf der Heyde. Ferner habe das Stipendium die soziale Ungleichheit beim Zugang zur Hochschule nicht abgemildert, sondern lediglich den Status quo reproduziert. Somit habe das Instrument keine Sogwirkung für Studenten aus nicht akademischen beziehungsweise einkommensschwächeren Elternhäusern entwickelt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 408 - 4. Juli 2016 - 16.30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2016

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