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BUNDESTAG/6188: Heute im Bundestag Nr. 702 - 30.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 702
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 30. November 2016, Redaktionsschluss: 12.02 Uhr

1. Änderung des Luftsicherheitsgesetzes
2. Viele Änderungen am Teilhabegesetz
3. Regeln für Einsatz bewaffneter Drohnen
4. Übergriffe auf Schwule in der Türkei
5. Lage der Flüchtlinge in Griechenland


1. Änderung des Luftsicherheitsgesetzes

Inneres/Ausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss hat grünes Licht für Änderungen des Luftsicherheitsgesetzes gegeben. Gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke billigte das Gremium am Mittwochvormittag einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/9752) bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in modifizierter Fassung. Die Vorlage steht am Donnerstag zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.

Mit der Neuregelung soll das nationale Recht an die EU-Luftsicherheitsverordnung und ihre Durchführungsbestimmungen angepasst werden. Zugleich soll das Sicherheitsniveau im Bereich der Luftfracht erhöht werden. So soll das Bundesinnenministerium unter bestimmten Voraussetzungen ein "Einflug-, Überflug-, Start- oder Frachtbeförderungsverbot für einzelne Luftfahrzeuge oder eine näher bestimmte Gruppe von Luftfahrzeugen" verhängen können.

Laut Ministerium sollen zudem zum Schutz des zivilen Luftverkehrs vor Anschlägen durch mögliche Innentäter die Vorschriften für die Zuverlässigkeitsüberprüfung verschärft werden: Danach bedürfen künftig auch die Arbeitnehmer, für die bislang eine sogenannte beschäftigungsbezogene Überprüfung durch den Arbeitgeber ausreichend war, einer behördlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung.

Mit den Stimmen der CDU/CSU-, der SPD- und der Grünen-Fraktion verabschiedete der Ausschuss zudem bei Enthaltung der Fraktion Die Linke einen Änderungsantrag der Koalition. Unter anderem kann danach das Bundesverkehrsministerium bei "tatsächlichen Anhaltspunkten für eine erhebliche Gefährdung der Betriebssicherheit von Luftfahrzeugen" auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ein Einflug-, Überflug- oder Startverbot verhängen, soweit keine völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen.

Anlass dieser Neuregelung ist der Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges MH 17 im Juli 2014 über der Ukraine, wie die Koalitionsfraktionen in der Begründung ausführen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei es undenkbar erschienen, "dass ein Luftfahrzeug in so großen Höhen über einem Kriegs- oder Krisengebiet abgeschossen werden könnte". Es sei gängige Praxis gewesen, allein den Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugführern die Entscheidung zu überlassen, welche Flugrouten sie wählen. Angesichts neuartiger Gefahrenlagen könne jedoch für Krisen- oder Kriegsgebiete im Ausland die Verantwortung, welche Gebiete noch überflogen und welche Flughäfen noch bedient werden können, nicht allein den Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugführern überlassen bleiben. Die Schutzpflicht des Staates erfordere vielmehr auch ein staatliches Handeln.

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2. Viele Änderungen am Teilhabegesetz

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwochvormittag dem Gesetzentwurf (18/9522) der Bundesregierung für ein Bundesteilhabegesetz (BTHG) in geänderter Fassung zugestimmt. Die Fraktion Die Linke stimmte gegen den Entwurf, Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich. Die Koalitionsfraktionen hatten zuvor einen 68 Änderungen umfassenden Änderungsantrag vorgelegt, in dem sie in vielen Punkten auf die deutliche Kritik von Verbänden reagierte.

Schwerpunkt des Gesetzes ist die Neufassung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Die Eingliederungshilfe soll aus dem "Fürsorgesystem" der Sozialhilfe herausgeführt und das SGB IX zu einem Leistungsgesetz aufgewertet werden. Fachleistungen werden künftig klar von den Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt. Mit der Erhöhung der Vermögensfreibeträge und der Befreiung der Ehe- und Lebenspartner aus der Finanzierungspflicht soll es außerdem künftig möglich sein, deutlich mehr vom eigenen Einkommen zu behalten.

Mit einem Budget für Arbeit soll zudem die Teilhabe am Arbeitsleben gestärkt werden. Erstmals klargestellt wird, dass die Teilhabe an Bildung eine eigene Reha-Leistung ist. Damit werden Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse wie ein Masterstudium oder in bestimmten Fällen eine Promotion ermöglicht.

Gestrichen wurde die umstrittene 5-zu-9-Regelung. Diese sah vor, dass Betroffene in fünf von neun Lebensbereichen eingeschränkt sein müssen, um Leistungen der Eingliederungshilfe zu erhalten. Auch in Bezug auf die Schnittstelle von Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung gab es eine wesentliche Änderung: Der Vorrang von Pflegedienstleistungen gegenüber Leistungen der Eingliederungshilfe wurde aus dem Gesetz herausgenommen. Es bleibt damit bei der jetzigen Regelung der Gleichrangigkeit beider Leistungen. Festgelegt wurde auch, dass es im Bereich der persönlichen Assistenz kein "Poolen" von Leistungen geben soll, wenn davon die ganz persönliche Lebensführung innerhalb der Wohnung betroffen ist. Über eine Verordnung zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) wird zudem geregelt, dass der Vermögensfreibetrag von Leistungsbeziehern des SGB XII von 2.600 auf 5.000 Euro angehoben wird. Davon sollen Menschen mit Behinderungen profitieren, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können. Grundsätzlich gilt diese Regelung jedoch für alle Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII.

Die Grünen kritisierten die Beschränkung auf den Wohnbereich, während es bei Freizeitaktivitäten außerhalb der Wohnung immer noch zu einem "Zwangspoolen" kommen könne. Die Linke äußerte ebenfalls Zweifel, weil das Prinzip der unabhängigen Lebensführung durch unklare Formulierungen im Gesetz nicht ausreichend geschützt werde. Union und SPD zeigten sich zufrieden, dass nach den langen und umfangreichen Beratungen die Eingliederungshilfe nun in ein "modernes Sozialhilferecht" überführt werden und die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden konnten.

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3. Regeln für Einsatz bewaffneter Drohnen

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung unterstützt eine US-Initiative zur Reglementierung zur Nutzung und zum Export von bewaffneten und bewaffnungsfähigen unbemannten Drohnen. Wie sie in ihrer Antwort (18/10379) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/10070) schreibt, hätten sich bisher 44 Staaten, darunter Deutschland, einer Erklärung im Rahmen der US-Initiative angeschlossen und sich damit zu einer Reihe von Prinzipien bekannt. "Sie unterstreichen die Geltung des Völkerrechts beim Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge, betonen die Bedeutung eines verantwortungsvollen Vorgehens beim Export solcher Systeme unter Beachtung einschlägiger Exportkontroll- und Nichtverbreitungsregime und heben die Bedeutung von Transparenz hinsichtlich der Ausfuhr von Rüstungsgütern im Allgemeinen und unbemannten Luftfahrzeugen im Besonderen hervor."

Die gemeinsame Erklärung ersetze nicht die von den USA ebenfalls vorgeschlagene Entwicklung internationaler Standards bezüglich der Ausfuhr und Nutzung bewaffneter oder bewaffnungsfähiger unbemannter Luftfahrzeuge, "vielmehr solle sie ein Momentum für die Diskussion solcher internationalen Standards schaffen", heißt es in der Antwort weiter. Zusammen mit der Arbeit in den einschlägigen Exportkontrollregimen und dem Engagement für die Universalisierung des Vertrags über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) sei die Initiative ein wichtiger Baustein, um Ausfuhr und Nutzung solcher Waffensysteme zu reglementieren.

Zu den 44 die Erklärung unterstützenden Nationen gehören laut Antwort neben den Vereinigten Staaten unter anderem die EU-Mitglieder mit den Ausnahmen Dänemark, Frankreich, Kroatien und Republik Zypern. Weitere die Erklärung unterstützende Staaten seien unter anderem Argentinien, Australien, Brasilien, Japan, Kanada, Mexiko und Südafrika, nicht jedoch die ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder China und Russland.

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4. Übergriffe auf Schwule in der Türkei

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Der Bundesregierung sind Berichte "über Verfolgungen und Straftaten an Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen (LSBTTI) aus vielfältigen Quellen und dem engen Austausch mit Vertretern der Zivilgesellschaft" in der Türkei bekannt. Wie es in einer Antwort (18/10380) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/10093) weiter heißt, existiere in der Türkei keine offizielle Statistik zu Straftaten an LSBTTI-Personen. Die vorhandenen Daten beruhten auf Angaben türkischer Medien und türkischer zivilgesellschaftlicher Organisationen. Nach Angaben des Berichts "Human Rights Violations of LGBTI individuals in Turkey", den die Organisation KAOS GL, die International Gay Lesbian Human Rights Commission (IGLHCR) und LGBTI News Turkey sowie weitere türkische LSBTTI-Vereine im Jahr 2014 zur Vorlage beim United Nations Human Rights Council erstellt hatten, seien zwischen 2010 und 2014 in der Türkei mindestens 41 Morde an LSBTTI-Personen verübt worden.

"Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte spielen in EU-Beitrittsverhandlungen grundsätzlich eine prioritäre Rolle", schreibt die Bundesregierung. Sie würden auch in den EU-Türkei-Beziehungen, etwa im Rahmen des EU-Türkei-Assoziierungsabkommens grundsätzlich angesprochen und im Länderbericht der EU-Kommission prominent behandelt. Dazu zählten auch die Menschenrechtssituation von LSBTTI. "Das Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte), in dessen Rahmen das Thema gehört, ist in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei jedoch noch nicht geöffnet."

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5. Lage der Flüchtlinge in Griechenland

Auswärtiges/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AHE) Die Situation von Flüchtlingen in Griechenland sowie den "sogenannten Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei" steht im Mittelpunkt einer Kleinen Anfrage der Die Fraktion Die Linke (18/10394). Die Bundesregierung soll unter anderem mitteilen, wie viele Flüchtlinge "seit Juni 2016 von welchen Behörden welcher Länder beim Versuch, von der Türkei aus über die Ägäis auf die griechischen Inseln zu gelangen, unverzüglich (also ohne Gelegenheit, einen Asylantrag zu stellen, Anhörung und Rechtsbefehlsverfahren), in die Türkei zurückverbracht" worden sind. Ferner interessiert die Abgeordneten die Zahl der Flüchtlinge sowie der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in den Hotspots sowie weiteren Einrichtungen in Griechenland und die Dauer der Bearbeitung von Asylanträgen. Die Bundesregierung soll auch Auskunft geben, welche Schlussfolgerungen n sie aus den bisherigen Erfahrungen mit der Umsetzung des Türkei-EU-Abkommens zieht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 702 - 30. November 2016 - 12.02 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2016

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