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BUNDESTAG/6202: Heute im Bundestag Nr. 716 - 01.12.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 716
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 01. Dezember 2016, Redaktionsschluss: 17.38 Uhr

1. Kanzleramt: Kein Wissen über Software
2. Keine Finanzierung fossiler Projekte
3. Linke thematisiert EU Internet Forum
4. Neuausrichtung von Interpol


1. Kanzleramt: Kein Wissen über Software

5. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/STU) Das Bundeskanzleramt verneint eine Kenntnis der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen zur Abgasreinigung vor dem Auffliegen des VW-Skandals im September 2015. Das sagte der Referatsleiter Verkehr im Kanzleramt, Dirk Pung-Jakobsen, am Donnerstag im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die theoretische Möglichkeit sei aber bekannt gewesen, weil sie schon 2007 in der EU-Verordnung 715/2007, wo es um Typgenehmigungen von Kraftfahrzeugen geht, verboten worden seien. Allerdings seien dort Ausnahmen erlaubt. Diese seien "nicht sehr präzise" und gäben Spielraum für Interpretationen.

Die Aufdeckung des VW-Skandals hat auch im Kanzleramt zu zahlreichen Aktivitäten geführt. Die Affäre fiel in die europäischen Schlussverhandlungen über die Grenzwerte für die ab Herbst 2017 geplanten Straßentests (RDE), die realitätsnähere Werte als die aktuellen Tests im Labor (NEFZ) liefern sollen. Zudem hatte die EU gegen Deutschland wegen zu hoher Stickoxidwerte in Innenstädten ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Bundesregierung habe sich um Werte bemüht, die auch technisch erfüllbar seien,a sagte Pung-Jakobsen. Er verwies auf die Bedeutung der Automobilbranche mit 350 Milliarden Euro Jahresumsatz und 850.000 Beschäftigten. Auch brauche man die Dieseltechnologie mit ihrem geringeren CO2-Ausstoß für die Einhaltung der Klimapläne.

Zu Fragen von Ausschussmitgliedern nach Aktivitäten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Herbst blieb der Referatsleiter einsilbig. Er verneinte Kenntnisse über ein angesprochenes Telefonat Merkels mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn am Montag nach Bekanntwerden des VW-Skandals und über ein angebliches Treffen der Kanzlerin mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur RDE-Gesetzgebung. Auch der Automobilindustrieverband VDA sandte seine Wünsche mit weniger strengen Werten ans Kanzleramt. Die Kanzlerin erhielt auch einen Brief von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit der Bitte, bei der Neuregelung die Balance zu wahren zwischen Veränderungen bei der Abgasgesetzgebung und der technischen Machbarkeit. Pung-Jakobsen legte Wert auf die Feststellung, dass es nicht um Einflussnahme gehe, sondern um die Mitteilung von Positionen. Merkel soll dem Ausschuss im Frühjahr Rede und Antwort stehen.

Zur Sprache kam auch ein Treffen Merkels mit dem damaligen kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger im April 2010. Die Leiterin der kalifornischen Umweltbehörde CARB, Mary Nichols, hatte damals notiert, dass Merkel die Stickoxidwerte in dem Bundesstaat als zu strikt und als Gefährdung der deutschen Automobilindustrie bezeichnet haben soll. Dazu wollte der Referatsleiter nichts sagen mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit des Gesprächs.

Zeuge im Ausschuss war auch der Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherschutzministerium, Gerd Billen. Das Ressort hatte im Zusammenhang mit der VW-Affäre einige Vorschläge zur Verbesserung der Stellung der Verbraucher, die jedoch bislang nicht Realität wurden. Das Projekt einer Musterfeststellungsklage war vom Verkehrsministerium zunächst abgelehnt worden. Unlängst hatte sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aber offen gezeigt und erklärt, die Pläne prüfen zu wollen. Mit Musterklagen könnten Kunden ihre Rechte leichter durchsetzen. Für die Idee einer Schlichtungsstelle für Neuwagen haben laut Billen Verbände keinen Bedarf gesehen. Die Idee sei aber noch nicht vom Tisch. Und der Vorschlag eines Beirates beim Kraftfahrt-Bundesamt sei noch in der Überlegung des Verkehrsministeriums.

Grundsätzlich lehne die Bundesregierung Entschädigungen von betroffenen VW-Kunden nach US-Vorbild ab. Mit Blick auf VW sprach Billen von einem Mangel, der laut Kaufrecht abgestellt werden müsse. Solche Sachmängel müssten von einem Gericht festgestellt werden. "Wer einen Schaden zu glauben hat, muss vor ein Gericht gehen", sagte der Staatssekretär.

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2. Keine Finanzierung fossiler Projekte

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Die Bundesregierung unterstützt in der Entwicklungszusammenarbeit den Neubau von Kohlekraftwerken und die Ertüchtigung bereits stillgelegter Kohlekraftwerke nicht mehr. Das schreibt sie in einer Antwort (18/10447) auf eine Kleine Anfrage (18/10187) der Fraktion Die Linke. Die Finanzierung der Modernisierung von Kohlekraftwerken sei nur in Ausnahmefällen und anhand strenger, kumulativ geprüfter politischer und technischer Kriterien zulässig. So müsse das Projekt unter anderem kohärent mit der nationalen Klimapolitik und Klimaschutzstrategie des Partnerlandes sein und die besten verfügbaren Technologien laut EU-Industrieemissionsrichtlinie nutzen. Außerdem müsse es einen signifikanten Beitrag zur Energieversorgungssicherheit sowie einen nachweisbaren Beitrag zum Zugang zu Energie für ärmere Bevölkerungsschichten leisten. Grundlage dieses Vorgehens ist laut Bundesregierung ihr Bericht "zur internationalen Kohlefinanzierung für den Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages".

Die Linksfraktion hatte Medienberichte angeführt, denen zufolge die Weltbank entgegen dem zugesagten Kohleausstieg über ihre Entwicklungsbank International Finance Corporation (IFC) weiter fossile Projekte in der ganzen Welt finanziere. Die Bundesregierung dementiert dies jedoch. Die IFC vergebe keine Kreditlinien oder Darlehen an Finanzintermediäre, die auf die Finanzierung von Kohleprojekten abzielen, betont sie. Sie will jedoch nicht ausschließen, dass einige der Finanzintermediäre, an denen IFC Eigenkapitalbeteiligungen halte oder an die IFC generelle Kreditlinien vergeben habe, Anteile an fossilen Projekten in begrenztem Ausmaß hielten. In drei Fällen stelle die IFC zurzeit Kredite an Finanzintermediäre für die Zwecke von Infrastrukturprojekten zur Verfügung, die potenziell auch fossile Unterprojekte beinhalten könnten.

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3. Linke thematisiert EU Internet Forum

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Anstrengungen des EU Internet Forums zur Entfernung von Internetinhalten und zum Zugang von Polizei und Geheimdiensten zu Verschlüsselung", lautet der Titel einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/10386). Wie die Fraktion darin schreibt, startete im Dezember 2015 "das ,Forum der Internetdienstleister' aus damals 21 Mitgliedstaaten, Europol, der Europäischen Kommission, dem Auswärtigen Dienst und mindestens sechs Internetanbietern". Ziel des Forums sei die "möglichst schnelle Beseitigung unliebsamer Internetinhalte und/oder deren Beobachtung".

Wissen will die Fraktion, was der Bundesregierung darüber bekannt ist, welche Internetanbieter, Mitgliedstaaten und EU-Einrichtungen sich derzeit am "EU Internet Forum" beteiligen. Auch erkundigt sie sich unter anderem danach, im Rahmen welcher Vorhaben und Maßnahmen das "EU Internet Forum" im Bereich des Zugangs von Polizeien und Geheimdiensten zu verschlüsselten Telekommunikationsinhalten engagiert ist.

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4. Neuausrichtung von Interpol

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Eine "Neuausrichtung der Polizeiorganisation Interpol im Projekt 'Interpol 2020'" ist Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/10430). Wie die Fraktion darin ausführt, verfolgt die internationale Polizeiorganisation mit "Interpol 2020" eine Neuausrichtung ihrer Tätigkeiten. Wissen will sie, welche Arbeitsgruppen oder Institutionen nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufgaben, Prioritäten und Strukturen der Polizeiorganisation im Rahmen des Projekts Interpol 2020 "umfassend" überprüft haben. Auch erkundigt sie sich unter anderem danach, welche einzelnen Empfehlungen die Arbeitsgruppen oder Institutionen nach Kenntnis der Bundesregierung der Generalversammlung von Interpol im November dieses Jahres vorgelegt haben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 716 - 1. Dezember 2016 - 17.38 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2016

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