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BUNDESTAG/6450: Heute im Bundestag Nr. 202 - 28.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 202
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 28. März 2017, Redaktionsschluss: 11.03 Uhr

1. Verkürzter Klageweg umstritten
2. Kampf gegen Sexismus im Blick
3. Onlineanbieter im Wildtierhandel
4. Immer weniger kleine Milchkuhherden
5. Bestandsaufnahme im Tierschutz


1. Verkürzter Klageweg umstritten

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die von der Bundesregierung geplante Erweiterung der Zahl an Infrastrukturvorhaben, für die das Bundesverwaltungsgericht als erste und einzige Gerichtsinstanz bei Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse zuständig ist, trifft bei Experten auf Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem von der Bundesregierung vorgelegten "Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes" (18/11236) deutlich. Ziel der Aufnahme in die Anlage zu Paragraf 17e des Fernstraßengesetzes ist es, die Planungsverfahren für die Projekte zu beschleunigen, heißt es in der Begründung zu dem Entwurf, mit dem auch die finanzielle Beteiligung des Bundes am Bau von Radschnellwegen in fremder Baulast der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände geregelt werden soll.

Der mit dem Gesetzentwurf verbundene "Impuls zur Planungsbeschleunigung bei Bundesfernstraßen" ist aus Sicht von Stefan Gerwens, Geschäftsführer des Vereins Pro Mobilität, zu begrüßen. Planungs- und Genehmigungsverfahren seien zum Engpass vieler dringend benötigter Bauvorhaben geworden, sagte er. Das "bewährte Instrument der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts" zu nutzen, sei richtig. Die Liste der dafür vorgesehenen Projekte werde durch Streichungen, Änderungen und Neubenennungen "sinnvoll und maßvoll" weiterentwickelt und an die Prioritäten des Bundesverkehrswegeplans 2030 angepasst, urteilte Gerwens.

Die Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken nannte die geplante Erweiterung der Nutzung des Paragrafen 17e einen "positiven Weg, der uns in der Praxis helfen wird". Dies habe sich auch im Falle der Rheinbrücke der A 1 bei Leverkusen gezeigt, für die dringend eine Ersatzbrücke benötigt worden sei. Hier sei es gelungen, das Verfahren nachhaltig zu beschleunigen. Knapp acht Monate nach Einreichung der Klage gegen den Ersatzbau gebe es derzeit schon einen Termin zur Hauptverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, sagte Walsken, die von einer Reduktion der Verfahrensdauer von zwei Jahren sprach.

Der Paragraf 17e des Fernstraßengesetzes sei eigentlich als Ausnahmeregelung gedacht gewesen, sagte Karsten Sommer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Es sei nicht unproblematisch, dass auch Projekte ohne große Netzbedeutung aufgenommen würden, gab er zu bedenken. Die Richterschaft in den Verwaltungsgerichten, so Sommer, sehe die Ausdehnung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts sehr kritisch. Die lange Realisierungsdauer von Großprojekten werde von langwierigen Arbeitsabläufen und Abstimmungsprozessen der planenden Stellen bestimmt, sagte er. Die mögliche Verkürzung von Gerichtsverfahren könne angesichts dessen nur wenig zur Reduzierung des Zeitraums bis zur Realisierung beitragen. Sommer weiter: "Der Rechtsschutz muss es uns wert sein, ein oder anderthalb Jahre bis zur Klärung zu warten."

Es gebe keine sachliche Notwendigkeit, den Rechtsschutz zu verkürzen, befand auch Peter Rottner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Aus seiner Sicht wäre es zweckmäßig, wenn sich auch weiterhin erstinstanzlich die Oberverwaltungsgerichte mit der Fernstraßenplanung beschäftigen würden. Diese hätten eine größere Sach- und Ortsnähe und seien auch organisatorisch auf die Sachverhaltsaufklärung vor Ort ausgerichtet, sagte Rottner. Die langen Planungs- und Ausführungszeiten der Bundesfernstraßenplanung lägen im Übrigen nicht an den massenweisen gerichtlichen Verfahren "sondern an der Geldnot der öffentlichen Kassen", sagte er.

Mit Blick auf die geplante Bundesbeteiligung am Bau von Radschnellwegen sagte Christian Lippold von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, bei Radschnellwegen handle es sich um ein Angebot mit einem guten Potenzial zur kurz- und mittelfristig stärkeren Nutzung von Fahrrädern. Radschnellwege seien zwar keine Autobahnen für den Radverkehr. Da sie aber höhere Fahrgeschwindigkeiten bei gleichzeitig hoher Verkehrssicherheit ermöglichen sollen, seien sie schwieriger zu realisieren und deutlich teurer als normale Radwege, sagte der Experte.

Angela Kohl vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) begrüßte die geplante Mitfinanzierung der Radschnellwege durch den Bund. Allerdings seien die in Aussicht gestellten Zuweisungen an die Bundesländer in Höhe von etwa 270 Millionen Euro für einen Zeitraum von elf Jahre "deutlich zu gering bemessen".

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2. Kampf gegen Sexismus im Blick

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/mwo) Die Notwendigkeit von Maßnahmen gegen Sexismus stand am Montag im Mittelpunkt einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Anhörung unter Vorsitz von Paul Lehrieder (CDU/CSU) geht auf einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/8723) zurück, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, in Abstimmung mit den Bundesländern einen bundesweiten Aktionsplan zu initiieren, der alle staatlichen Ebenen in die Pflicht nimmt und auch Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis mit einbezieht.

Unter der Überschrift "Sexismus die Rote Karte zeigen" heißt es darin, die Auseinandersetzung mit sexistischer Diskriminierung dürfe nicht allein in den privaten Bereich zurückgeschoben oder der freien Wirtschaft überantwortet werden. Komme der Staat seinen eigenen Schutzpflichten nicht nach, mache er sich mitverantwortlich. Ein entsprechender Aktionsplan sollte unter anderem Maßnahmen der geschlechtersensiblen Pädagogik, Maßnahmen im Bereich der medialen Darstellung, Maßnahmen gegen Sexismus in der Arbeitswelt, Maßnahmen zur Stärkung und Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sowie Maßnahmen im Bereich Gewalt gegen Frauen umfassen.

Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, befasste sich in ihrem Statement mit der Stärkung und Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Sie bezog sich auf eine Evaluation des AGG aus dem Jahr 2016 und Ergebnisse einer Kommission, die 2015 der Frage nachgegangen waren, wie Betroffene bessere vor Diskriminierung geschützt werden können. Notwendig seien danach eine Verlängerung der Geltendmachungsfristen, die Einführung eines Verbandsklagerechts, die Erweiterung des Schutzbereichs bei sexuellen Belästigungen, die Stärkung von Beschwerdemöglichkeiten, die Erleichterung der Beweislast sowie die Stärkung sowie personelle und finanzielle Absicherung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Prof. Dr. Sabine Sczesny vom Institut fur Psychologie der Universität Bern erklärte in ihrem Statement, in der deutschen Gesellschaft bestehe ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass die Beseitigung von Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern zu den Prioritäten von Regierungen gehören sollte. Obwohl für viele gesellschaftliche Bereiche bereits wissenschaftlich fundierte Maßnahmen entwickelt worden seien, reichten die vorhandenen Gesetze und Maßnahmenkataloge nicht aus. Eine zeitnahe Umsetzung des geforderten bundesweiten Aktionsplans könne einen wesentlichen Schritt zu einer tatsächlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Deutschland darstellen.

Aus Sicht der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, vertreten durch Jutta Troost vom Deutschen Städtetag, stellt der in dem Antrag geforderte bundesweite Aktionsplan eine Bündelung aller bisherigen und noch auszuweitenden Maßnahmen dar, bietet aber keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten bei der Bekämpfung von Diskriminierungstatbeständen oder sexistischer Gewalt. Außerdem seien verschiedene Maßnahmen bereits in Bundesgesetzen umgesetzt oder befänden sich gerade in der Abstimmung. Es sollte zunächst zumindest eine Zeit abgewartet werden, ob diese Gesetze greifen.

Dr. Stevie Meriel Schmiedel, Geschäftsführerin Pinkstinks Germany e.V, stimmte in ihrem Statement allen Punkten des Antrags zu. Pinkstinks versteht sich als junge Protestorganisation, die gegen Produkte, Werbe- und Medieninhalte agiert, die Kindern eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen. Dringend gebraucht wird Schmiedel zufolge eine bundesweite Aktion "Schule ohne Sexismus", um insbesondere Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern für Alltagssexismus zu sensibilisieren. Diese sollte - ähnlich wie die "Schule ohne Rassismus" - Teil eines bundesweiten Aktionsplans sein.

Prof. Dr. Gerd Bohner von der Abteilung für Psychologie der Universität Bielefeld, erklärte in seinem Statement, die im Antrag präsentierte Überlegung, dass es sich bei sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen nur um die Spitze eines sexistischen Eisbergs handle, decke sich mit dem Stand der Forschung. Es sei zu erwarten, dass wirksame Maßnahmen gegen Sexismus auch zu einer Reduktion anderer gruppenbezogener Vorurteile beitragen und damit weitere wünschenswerte Effekte entfalten. Wichtig sei daneben die Förderung der Forschung zum Thema Sexismus.

Karin Nordmeyer, Vorsitzende U.N. Women Nationales Komitee Deutschland e.V., erklärte, der geforderte bundesweite Aktionsplan könne die Umsetzung der Gleichstellung und Chancengleichheit der Geschlechter voranbringen. Dafür bestehe auch in Deutschland noch Bedarf. Die im Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen seien geeignet, in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein Umdenken und eine Veränderung im Verhalten der Menschen herbeizuführen.

Dagmar Freudenberg vom Deutschen Juristinnenbund erklärte auf eine Frage nach Möglichkeiten, was die staatliche Seite tun könne, um sexistische Verhaltens- und Denkmuster zu durchbrechen, dass die Einführung einer flächendeckenden verpflichtenden Fortbildung für Juristen und Juristinnen geprüft werden sollte. In Nordrhein-Westfalen gebe es so etwas bereits. Denkbar seien auch Maßnahmen, um eine solche Fortbildung attraktiver zu machen. Hintergrund sei, dass in der Justiz die Begrifflichkeit des Sexismus nicht so geläufig sei.

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3. Onlineanbieter im Wildtierhandel

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung will schärfer gegen den Internethandel mit Wildtieren vorgehen. Dazu fordert sie von der EU-Kommission, das EU-Recht entsprechend zu ändern. Aktuell sei der Internethandel nicht "effektiv bekämpfbar", schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (18/11544) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/11348). Grund dafür sei, dass das EU-Recht "die Provider von Internetplattformen weitreichend von einer Verantwortung für den Inhalt von Angeboten auch zu gefährdeten Tier- und Pflanzenarten freistellt". Nach Willen der Bundesregierung sollten hingegen Onlineanbieter für "illegale Aktivitäten in Bezug auf den Artenhandel verantwortlich gemacht werden".

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4. Immer weniger kleine Milchkuhherden

Ernährung und Landwirtschaft/Antwort

Berlin: (hib/EIS) Die Anzahl der Milchkuhhaltungen hat sich zwischen Mai 2015 und November 2016 bundesweit um 5.588 von insgesamt 74.762 auf 69.174 verringert. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (18/11579) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/11363) zu den Folgen der Milchkrise und die Situation auf dem Milchmarkt hervor. In der Antwort heißt es weiter, dass die Daten aus dem Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HIT-Datenbank) stammen, das die Haltungen, aber nicht die Anzahl der Betriebe beziffert. Im Hinblick auf die Anzahl der Herden mit bis zu 99 Tieren ergeben die Zahlen einen stark rückläufigen Trend. Dafür zählt die Statistik mehr große Herden mit mehr als 100 Tieren. Die Bundesregierung erläutert darüber hinaus, dass durch die sehr guten Erzeugerpreise im Jahr 2014 viele Milchwirte mit Auslaufen der Milchquote die Rohmilchlieferung erheblich ausgedehnt hätten. Das erhöhte Angebot sei wegen der verhaltenen internationalen Nachfrage und der stagnierenden Inlandsnachfrage nur zu geringeren Preisen abgesetzt worden und habe zu einer Situation vergleichbar mit der Milchkrise in den Jahren 2008 und 2009 unter der Milchquotenregelung geführt. Nach Einschätzung der Regierung habe sich die Lage inzwischen konsolidiert. Die 30 Cent-Marke für den Erzeugerpreis für konventionell erzeugte Milch sei zum Jahresende 2016 wieder überschritten worden. Zur Unterstützung der Landwirte seien im Rahmen des ersten EU-Hilfspaketes im Jahr 2015 von 500 Millionen Euro rund 420 Millionen Euro an die EU-Mitgliedstaaten verteilt worden. Davon habe Deutschland 69 Millionen Euro erhalten und 52,24 Millionen Euro an 7.369 Milchviehbetriebe ausgezahlt. Weitere im Jahr 2016 in Deutschland durchgeführte Maßnahmen zusammen mit dem zweiten EU-Hilfspaket in Höhe von 500 Millionen Euro seien ausschließlich an die Milcherzeuger geflossen.

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5. Bestandsaufnahme im Tierschutz

Ernährung und Landwirtschaft/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/EIS) Die in der 17. Wahlperiode geleisteten Versprechen der Bundesregierung im Hinblick auf den Schutz von Heimtieren will die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen überprüfen. Die Abgeordneten fordern in einer Kleinen Anfrage (18/11611) zur Bestandsaufnahme im Tierschutz unter anderem Auskunft über das in der Verantwortung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) betriebene Haustierportal www.haustier-berater.de sowie über die Situation der Tierheime in Deutschland und die Kennzeichnung von Tieren.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 202 - 28. März 2017 - 11.03 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2017

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