Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/7216: Heute im Bundestag Nr. 366 - 04.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 366
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 4. Juni 2018, Redaktionsschluss: 16.56 Uhr

1. Sorge über hohe Kosten in der Heimpflege
2. Anhörung zur Musterfeststellungsklage


1. Sorge über hohe Kosten in der Heimpflege

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten sehen die teilweise stark steigenden Eigenanteile in der Heimpflege mit Sorge. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Montag in Berlin über einen Antrag (19/960) der Linksfraktion schlugen sie - auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen - unterschiedliche Lösungen vor.

Einig sind die Experten darin, dass die Pflegekosten in den nächsten Jahren deutlich steigen werden, unter anderem durch höhere Löhne und mehr Personal, was zu höheren Beiträgen führen könnte und auch zu höheren Eigenanteilen. Während einige Experten empfehlen, aus der Teilkostendeckung auszusteigen und eine Pflegevollversicherung zu entwickeln, sehen andere Fachleute darin ein zusätzliches Kostenrisiko sowie einen systematischen Fehlanreiz. Auch die Idee einer Teilkostenversicherung mit fixem Eigenanteil der Versicherten wurde in der Anhörung vorgeschlagen.

Die Linke fordert in ihrem Antrag, die Eigenanteile in Pflegeheimen zu begrenzen und die Teilkostendeckung zu einer Pflegevollversicherung umzugestalten. Die angestrebte flächendeckende tarifliche Bezahlung der Pflegekräfte dürfe sich nicht zu Lasten der Pflegefälle und Versicherten auswirken. Der Pflegevorsorgefonds solle umgewidmet und die medizinische Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen wieder durch die Krankenversicherung finanziert werden.

Nach Angaben der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA-Pflegeschutzbund) wird das finanzielle Risiko eines Pflegefalls oft unterschätzt. Der Versicherungszuschuss decke nur bis zu 75 Prozent der reinen Pflegekosten. Bei stationärer Pflege kämen Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten hinzu, die von den Betroffenen selbst zu tragen seien. Eine bessere Bezahlung und Aufstockung der Pflegekräfte werde zu weiteren Kosten führen.

Der Verband schlug vor, die medizinische Behandlungspflege wieder auf die gesetzlichen Krankenkassen zu übertragen, den Pflegevorsorgefonds aufzulösen, die aufwendigen Parallelstrukturen bei den zahlreichen Pflegekassen zu verändern, Eigenanteile zu deckeln und langfristig eine Vollversicherung einzuführen. Nach Berechnungen des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) würde die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege die GKV rund drei Milliarden Euro jährlich kosten.

Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing warnte, mit einer Vollversicherung könnte die Bereitschaft zurückgehen, ältere Menschen zu Hause zu pflegen. Der Pflegeversicherung liege jedoch der Gedanke der Eigenverantwortung zugrunde. Wenn der Sozialstaat die Pflegebedürftigkeit komplett absichere, könnte dadurch die Eigenverantwortung an Bedeutung verlieren und die Pflegeversicherung belastet werden. Vor allem bei einer Steuerfinanzierung ginge der Zusammenhang zwischen Beitrag und Leistungsanspruch und damit das Kostenbewusstsein verloren.

Der Arbeitgeberverband BDA gab zu Bedenken, eine Vollversicherung würde neue Ungerechtigkeiten schaffen. Es wäre nicht vermittelbar, warum über die Pflege hinaus eine Unterstützung für Verpflegung und Unterkunft geleistet werde, die andere Menschen nicht erhielten. Insbesondere wohlhabende Pflegebedürftige würden durch die Finanzierung ihrer Wohn- und Verpflegungskosten besser gestellt. Der Verband plädierte alternativ für eine ergänzende kapitalgedeckte Risikovorsorge, um die Finanzierbarkeit der Pflege langfristig zu sichern. Denkbar wäre ein Prämienmodell, ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag für Versicherte.

Für ein solches Konzept plädierte auch die Sozialökonomin Susanna Kochskämper vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Es sollte über eine ergänzende, kapitalgedeckte zweite Säule für die Pflegeversicherung nachgedacht werden. Sie warnte, auf keinen Fall sollte die Erwartung geschürt werden, die Pflegeversicherung könnte die steigenden Pflegekosten bei gleichbleibenden Leistungszusagen allein und ohne signifikant steigende Beiträge bewältigen.

Nach Angaben des Deutschen Pflegerates (DPR) steigt der Eigenanteil in den stationären Pflegeeinrichtungen seit Jahren. Mit der Pflegereform 2017 sei zwar der Übergang in einen höheren Pflegegrad durch den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) nicht mehr mit Mehrkosten für die Pflegefälle verbunden, jedoch sei der Kostenanstieg ungebremst. Ferner seien die Kosten in den Bundesländern sehr unterschiedlich.

Der Sozialverband VdK sieht wegen der "drastisch steigenden Belastungen" für die Betroffenen akuten Handlungsbedarf. Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen zahlten im Schnitt 587 Euro monatlich aus eigener Tasche für die Pflegekosten. Zusammen mit den Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten ergebe sich eine monatliche Gesamtbelastung von 2.278 Euro.

Der Verband forderte einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss, um Kosten zu begleichen, die entweder die Infrastruktur betreffen oder gesamtgesellschaftliche Aufgaben, etwa die Investitions- oder Ausbildungskosten. Auch ein Vertreter des GKV-Spitzenverbandes brachte in der Anhörung einen Bundeszuschuss ins Gespräch.

*

2. Anhörung zur Musterfeststellungsklage

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/mwo) Eine öffentliche Anhörung zu dem von der Regierungskoalition geplanten Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage soll am 11. Juni 2018 stattfinden. Das beschloss der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz während seiner Sitzung am heutigen Montag. Eingeladen werden sollen neun Sachverständige. Das Gremium beschloss ebenfalls die Einbeziehung des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung von Gruppenverfahren (19/243) in die Anhörung. Der Entwurf der Bundesregierung liegt derzeit dem Bundesrat vor (19/2439). Danach sollen Verbraucherschutzverbände die Möglichkeit erhalten, zugunsten von mindestens zehn betroffenen Verbrauchern deren Ansprüche feststellen zu lassen.

Der Gesetzentwurf der Grünen war bereits im März in erster Lesung im Plenum debattiert worden. Dabei hatten sich die Bundestagsfraktionen vor dem Hintergrund des Dieselabgasskandals übereinstimmend für Verbesserungen im Verbraucherschutz und für die Einführung von Gruppenverfahren zur kollektiven Rechtsdurchsetzung ausgesprochen. SPD-Abgeordnete hatten betont, dass die von der Koalition angestrebte Musterfeststellungsklage über den Grünen-Entwurf hinausgehe. Sie soll am 1. November in Kraft treten. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte bei der Vorstellung des Haushalts ihres Ressorts im Bundestag Mitte Mai die Musterfeststellungsklage als einen Schwerpunkt ihres Hauses genannt.

Des Weiteren empfahl der Ausschuss die Annahme des Entwurfs eines Gesetzes der Fraktionen von CDU/CSU und SPD (19/1686), mit dem die Regelung zur Nichtzulassungsbeschwerde verlängert werden soll. Es soll eine Mehrbelastung der Zivilsenate beim Bundesgerichtshof (BGH) verhindern. Die Regelung, wonach eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH nur zulässig ist, wenn der Beschwerdewert der Berufungsentscheidung 20.000 Euro übersteigt, ist bis Ende Juni 2018 befristet und soll um eineinhalb Jahre verlängert werden. Ein Änderungsantrag der Grünen wurde abgelehnt.

Weiter votierte das Gremium für die Annahme eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung (19/2073), mit dem die innerstaatlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden sollen, damit der deutsche Vertreter im Rat der Europäischen Union dem Vorschlag der Europäischen Kommission für die Verordnung über die elektronische Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union (KOM(2017) 87 final) zustimmen darf.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 366 - 4. Juni 2018 - 16.56 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang