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BUNDESTAG/7582: Heute im Bundestag Nr. 734 - 08.10.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 734
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 8. Oktober 2018, Redaktionsschluss: 15.04 Uhr

1. Debatte über Marrakesch-Richtlinie
2. Regierung will das Fleischgesetz ändern
3. Strafverordnung für Rindfleisch
4. Verstöße gegen die Lebensmittelsicherheit
5. Kindergeld steigt 2019 um zehn Euro
6. Beratung über Betriebsrenten erzwungen


1. Debatte über Marrakesch-Richtlinie

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/mwo) Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung eines verbesserten Zugangs zu urheberrechtlich geschützten Werken für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung (19/3071) war Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Montag. Begrüßt durch den Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD), beurteilten acht Experten und der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, den Gesetzentwurf, mit dem die sogenannte Marrakesch-Richtlinie umgesetzt werden soll. Kritik gab es vor allem an den im Entwurf vorgesehenen Vergütungs- und Verwaltungsregelungen, die die finanziellen und personellen Möglichkeiten von Blindenbibliotheken sprengen würden. Darauf bezogen sich auch die Fragen der Abgeordneten aller Fraktionen.

Mit dem Gesetz sollen blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Menschen ohne Erlaubnis des Urhebers barrierefreie Kopien von Werken zum eigenen Gebrauch herstellen oder von einer Hilfsperson herstellen lassen dürfen. Außerdem sollen Blindenbibliotheken und andere befugte Stellen barrierefreie Kopien herstellen dürfen und sie Blinden, Sehbehinderten oder anderweitig Lesebehinderten zur Verfügung stellen oder mit anderen befugten Stellen austauschen dürfen. Nutzungen seien angemessen zu vergüten. Der Vertrag von Marrakesch regelt die entsprechenden Voraussetzungen auf internationaler Ebene.

Mit dem Entwurf werde die Marrakesch-Richtlinie "nur unzureichend" umgesetzt, sagte der Behindertenbeauftragte Dusel. Im Ergebnis gebe es keine deutliche Verbesserung der bisherigen Situation, sondern eine stärkere finanzielle und administrative Belastung der Blindenbibliotheken. Er werbe dafür, den Entwurf im parlamentarischen Verfahren noch einmal kritisch zu überprüfen, die Vergütungspflicht zu streichen und die Bibliotheken finanziell besser auszustatten. Dies forderten auch die Sachverständigen der Blinden- und Sehbehindertengremien. Der vorgelegte Entwurf werde dem Anliegen des Vertrags von Marrakesch, den Mangel an barrierefreier Literatur für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen weltweit zu beseitigen, nicht gerecht, hieß es übereinstimmend.

Thomas Kalisch, Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde (DZB) und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes (DBSV), erklärte, der Gesetzgeber müsse durch Regelungen im Urheberrecht als auch durch die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen sicherstellen, dass die umsetzenden Einrichtungen in die Lage versetzt werden, das Angebot an barrierefreien Werken massiv auszubauen. Christiane Möller, Rechtsreferentin des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands, wies darauf hin, dass Blinden, sehbehinderten und anderweitig lesebehinderten Menschen bislang nur fünf Prozent aller veröffentlichten Werke in einem barrierefrei zugänglichen Format zur Verfügung stehen. Daher bestehe dringender Handlungsbedarf.

Andrea Katemann von der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista), Leiterin der Deutschen Blinden-Bibliothek, kritisierte, dass die schwierige finanzielle und personelle Situation der befugten Stellen in dem Entwurf keine Berücksichtigung finde. Zudem müsse die Literaturversorgung blinder, seh- und lesebehinderter Menschen gesetzlich und nicht in einer Verordnung geregelt werden, sagte sie unter Bezug auf den Entwurf einer Verordnung über befugte Stellen nach dem Urheberrechtsgesetz, der ebenfalls zur Debatte stand. Diese Verordnung sollte gestrichen werden. Lea Beckmann von der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte bemängelte, dass die Bundesregierung trotz massiver öffentlicher Kritik in ihrem Gesetzentwurf an der Vergütungspflicht festhalte. Es bestehe das Risiko, dass die Vergütung sowie der mit ihr einhergehende Verwaltungsaufwand den befugten Stellen die kostenaufwändige Übertragung von Werken in zugängliche Formate weiter erschwert.

Professor Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht, erklärte, die Initiative und die von ihren Organisationen vertretenen Urheber und Künstler unterstützten das Anliegen des Entwurfes, den sie für gelungen und damit zweckdienlich hielten. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass die Behinderten selbst für die Vergütung aufkommen müssen, sondern dass den befugten Stellen die erforderlichen Mittel für aus den öffentlichen Haushalten zur Verfügung gestellt werden. Die durch die Marrakesch-Vereinbarung und ihre Umsetzungsinstrumente entstehenden Ausfälle an Nutzungsentgelten durch Verzicht auf Vergütung dürften nicht von kreativen Menschen getragen werden, die sich selbst in einer schlechten wirtschaftlichen Situation befänden. Robert Staats, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der ?urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaft VG Wort, sprach sich ebenfalls für die unveränderte Beibehaltung des beabsichtigten Vergütungsanspruchs aus, der "sachgerecht" sei, und sieht die öffentliche Hand in der Pflicht. Die erforderlichen Summen seien "überschaubar".

Susanne Barwick, stellvertretende Justiziarin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sagte, aus Sicht der Verlage sei es wichtig, dass die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Blinden- und Sehbehindertenorganisationen und Verlagen fortgesetzt werden kann. Allerdings gehe der Entwurf teilweise über die Vorgaben hinaus. Kritikpunkte beträfen unter anderem die kommerzielle Verfügbarkeit, die angemessene Vergütung, fehlende Sorgfalts- und Informationspflichten der befugten Stellen sowie die Anzeigepflicht und Aufsicht. So müsse klargestellt sein, dass separate Vereinbarungen zwischen Rechteinhabern und Nutzern den Vergütungsanspruch der Verwertungsgesellschaften nicht berühren. Professor Christian Berger, Lehrstuhlinhaber und Urheberrechtsexperte von der Universität Leipzig, betonte, dass die Herstellung barrierefreier Formate durch Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung vergütungsfrei möglich sei. Die Herstellung und Nutzung barrierefreier Formate durch befugte Stellen sei hingegen vergütungspflichtig. Der besondere soziale Zweck der Herstellung und Nutzung barrierefreier Formate müsse allerdings bei der Höhe der Vergütung berücksichtigt werden.

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2. Regierung will das Fleischgesetz ändern

Ernährung und Landwirtschaft/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/EIS) Die fleischhandelsrechtlichen Vorschriften sollen an EU-Vorgaben angepasst werden. Dazu legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf (19/4721) vor, der die Kontrollpraxis anpassen soll. Die Reform soll neuregeln, welche Personen mittels welcher Klassifizierungsmethoden die Einstufung von Schlachtkörpern von Rindern, Schweinen und Schafen durchführen dürfen. Grundlage der Neuregelung ist die Delegierte Verordnung (EU) 2017 / 1182 der Kommission vom 20. April 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Handelsklassenschemata der Union für Schlachtkörper von Rindern, Schweinen und Schafen und zur Meldung der Marktpreise für bestimmte Kategorien von Schlachtkörpern und lebenden Tieren.

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3. Strafverordnung für Rindfleisch

Ernährung und Landwirtschaft/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/EIS) Die Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung soll aufgehoben werden. Die Bundesregierung legt dazu einen Gesetzentwurf (19/4728) vor, der Verstöße gegen die Etikettierungsvorschriften für Rindfleisch nicht mehr mit Strafnormen ahnden soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 21. September 2016 die entsprechenden Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt. Dafür sollen die Straftatbestände zu Ordnungswidrigkeitstatbeständen abgestuft und stattdessen der bisher geltende Bußgeldrahmen angehoben werden. Als Begründung wurde zudem angegeben, dass in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit Geld- oder Freiheitsstrafen praktisch nicht verhängt worden seien. Darüber hinaus soll aus den gleichen Gründen das Milch- und Margarinegesetz geändert werden.

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4. Verstöße gegen die Lebensmittelsicherheit

Ernährung und Landwirtschaft/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/EIS) Künftig sollen die Behörden die Verbraucher sechs Monate lang über festgestellte Verstöße gegen die Lebensmittelsicherheit informieren. Das geht aus einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (19/4726) hervor. Der Entwurf soll eine rechtssichere Veröffentlichung von festgestellten Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit ermöglichen und eine für alle Bundesländer einheitlich anwendbare Regelung festschreiben. Eine frühere Regelung zur Information der Öffentlichkeit über lebensmittelrechtliche Verstöße sei seit dem Jahr 2013 von den Ländern nicht mehr vollzogen worden, weil mehrere Verwaltungsgerichte verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift erhoben und deren Vollzug vorläufig untersagt hatten.

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5. Kindergeld steigt 2019 um zehn Euro

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Familien sollen in den nächsten Jahren steuerlich stark entlastet werden. Dies plant die Bundesregierung mit dem von ihr eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/4723). Damit sinkt die Steuerbelastung in den Jahren 2019 und 2020 um rund 9,8 Milliarden Euro (volle Jahreswirkung).

Zu den einzelnen Maßnahmen gehört eine Erhöhung des Kindergeldes um zehn Euro monatlich ab 1. Juli 2019. Allein dies führe zu Mehrausgaben von rund 3,3 Milliarden Euro, erwartet die Bundesregierung, die die Bedeutung der familienpolitischen Maßnahmen betont: "Familien halten unsere Gesellschaft zusammen. Familien zu stärken und zu entlasten, ist deshalb ein wichtiges Ziel." Die Erhöhung des Kindergeldes führt im Gegenzug allerdings zu einer Anrechnung bei den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, so dass der Staat dort 2019 rund 130 Millionen Euro und ab 2020 rund 260 Millionen Euro spart.

Außerdem werden die steuerlichen Kinderfreibeträge ab 1. Januar 2019 von derzeit 7.428 um 192 auf 7.620 Euro angehoben. Zum 1. Januar 2020 steigt der Kinderfreibetrag weiter um 192 Euro auf dann 7.812 Euro.

Zur Sicherstellung der Freistellung des steuerlichen Existenzminiums wird der Grundfreibetrag (derzeit 9.000 Euro) erhöht. 2019 erfolgt eine Erhöhung um 168 Euro, 2020 um 240 Euro. diese beiden Erhöhungen führen zu Steuermindereinnahmen von über drei Milliarden Euro (volle Jahreswirkung). Um den Effekt der "kalten Progression" auszugleichen, werden außerdem die Eckwerte des Einkommenstarifs verschoben, wodurch es zu einer Entlastung der Steuerzahler kommt, was 2019 zu Mindereinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro und 2020 in Höhe von 2,1 Milliarden Euro führen soll (jeweils volle Jahreswirkung).

Der Bundesrat begrüßt in seiner Stellungnahme die Erhöhung des Kindergeldes. Zugleich wird die Regierung aber aufgefordert, dass sich Bund dauerhaft an den Kosten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung von jährlich mindestens zwei Milliarden Euro beteiligt. In ihrer Gegenäußerung stellt die Bundesregierung fest, sie sehe derzeit keinen Grund für eine Verbindung des Familienentlastungsgesetzes mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung.

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6. Beratung über Betriebsrenten erzwungen

Gesundheit/Bericht

Berlin: (hib/PK) Die Linksfraktion erzwingt eine Beratung über einen länger zurückliegenden Antrag (19/242) der Abgeordneten zur sogenannten Doppelverbeitragung von Betriebsrenten. Das geht aus einem Bericht (19/4718) des Gesundheitsausschusses gemäß Paragraf 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundestages hervor.

Der Geschäftsordnung zufolge können eine Fraktion oder fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages zehn Sitzungswochen nach Überweisung einer Vorlage verlangen, "dass der Ausschuss durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter dem Bundestag einen Bericht über den Stand der Beratungen erstattet. Wenn sie es verlangen, ist der Bericht auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen." Der Antrag der Fraktion Die Linke wird nun am kommenden Donnerstag im Plenum beraten.

In dem Antrag fordert die Fraktion, die doppelte Beitragszahlung auf Direktversicherungen und Betriebsrenten in der Anspar- und Auszahlungsphase abzuschaffen.

Eine abschließende Behandlung der Vorlage im Gesundheitsausschuss ist dem Bericht zufolge zuletzt am Einspruch der Fraktionen von Union und SPD gescheitert, "da diese weiteren Beratungsbedarf sehen".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 734 - 8. Oktober 2018 - 15.04 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2018

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