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BUNDESTAG/7699: Heute im Bundestag Nr. 851 - 07.11.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 851
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 7. November 2018, Redaktionsschluss: 16.12 Uhr

1. Kritik an Pensionskassen-Aufsichtsgesetz
2. Strafbarkeit des Schwarzfahrens
3. Denkmal für die ermordeten Juden
4. Vermarktung von Gasgeräten
5. Kosten der Unterkunft im ALG-II-Bezug
6. Regierung: Mütterrente regelkonform


1. Kritik an Pensionskassen-Aufsichtsgesetz

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Mehrere Sachverständige haben in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch vor zu großen Befugnissen der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA gewarnt. In der von der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) geleiteten Anhörung ging es um den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (19/4673). Mit dem Gesetz soll unter anderem ein besserer Schutz von Versorgungsanwärtern und Versorgungsempfängern durchgesetzt werden. Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger sollen besser informiert werden. Außerdem wird der Ausbau des Risikomanagements der Pensionskassen und Pensionsfonds geregelt. Für die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (aba) nutzt der Gesetzentwurf die Möglichkeit nicht, die Regulierung von Pensionskassen und Pensionsfonds auf das nationale Arbeits- und Sozialrecht abzustimmen.

Die Folgen einer weitgehend ungeprüften EU-Vollharmonisierung für die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung wären jedoch für diese fatal: "Alle bisherigen Erfahrungen mit EIOPA sprechen dagegen, dass EIOPA in der Lage und willens sein wird, den bestehenden Rahmen der betrieblichen Altersversorgung und deren Einbettung in nationales Arbeits- und Sozialrecht angemessen zu berücksichtigen." Auch der Verband der Firmenpensionskassen forderte eine Beschränkung der Einflussnahme von EIOPA. Eine uneingeschränkte Einflussnahmemöglichkeit der EIOPA könnte zur Umsetzung ungeeigneter Vorgaben "durch die Hintertür" führen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund zeigte sich in seiner Stellungnahme kritisch zu den Bestrebungen der EIOPA, eine Vollharmonisierung der Aufsicht über die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung zu erreichen. Der Gesetzentwurf enthalte keine Definition der Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, und die herausragende Rolle, die tarifvertragliche Regelungen in der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland spielen würden, würden nicht ausreichend berücksichtigt. Von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hieß es, es müsse ein zusätzlicher Halt eingeführt werden, ehe die EIOPA-Vorschriften in Kraft treten könnten.

Dagegen erklärte der Vertreter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der Anhörung: "Die Sorgen der Branche wegen EIOPA teilen wir ausdrücklich nicht." Der Bund der Versicherten wies auf die Probleme bei der Ausgestaltung eines EU-weiten Arbeitsmarktes hin. Bei grenzüberschreitenden Wechseln gebe es zahlreiche Hemmnisse für die Mitnahme von Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung in ein anderes Land. Unterstützung fand das Anliegen des Entwurfs, dass die Einrichtungen angeben sollen, wie ihre Anlagepolitik ökologischen, sozialen und die Unternehmensführung betreffenden Belangen Rechnung trägt. Darauf hob in ihrer Stellungnahme besonders die Menschenrechtsorganisation FIAN ab. Sie trat dafür ein, ökologische und soziale Belange bei der Anlage von Pensionsfonds-Geldern zu berücksichtigen. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft verlangte längere Übergangsfristen für die neuen Informationspflichten der Unternehmen. Die Unternehmen sollten mindestens 18 Monate Zeit für die technische Umsetzung erhalten. Außerdem sei es für Direktversicherungen wichtig, dass keine doppelten oder widersprüchlichen Informationspflichten eintreten. Auch von der aba gab es den Appell, Überlappungen zu vermeiden und die Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge vor Mehrbelastungen zu bewahren.

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2. Strafbarkeit des Schwarzfahrens

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Das in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Thema "Fahren ohne Fahrschein" war Thema einer öffentlichen Anhörung am Mittwoch im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Wissenschaftler, Justiz- und Verbändevertreter legten als Sachverständige ihre Sicht auf Gesetzentwürfe der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen dar, mit denen der Tatbestand des Schwarzfahrens aus dem Strafgesetzbuch entfernt werden soll. Während der Linke-Entwurf (19/1115) vorsieht, in Paragraf 265a des Strafgesetzbuches die Beförderungserschleichung zu streichen und das Fahren ohne Fahrschein nicht mehr mit dem Strafrecht, sondern nur noch mit einem erhöhten Beförderungsentgelt zu sanktionieren, plädieren die Grünen in ihrem Entwurf (19/1690) für die Schaffung eines neuen Ordnungswidrigkeitstatbestandes.

Die Vorlagen, die im April erstmals im Plenum des Bundestages beraten worden waren, wurden von den Sachverständigen kontrovers diskutiert. Während die teilnehmenden Staatsanwälte dafür plädierten, den Gesetzestext beizubehalten, zeigten sich die Richter offen für Änderungen. Die Abgeordneten interessierten sich in der Fragerunde unter Leitung des Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) vor allem für die Unterschiede zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und deren Bedeutung für die Bestrafung von Schwarzfahrdelikten. Auch die Frage, wie eine bessere Kontrolle der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr erfolgen kann, ohne den Zugang zu den Verkehrsmitteln zu erschweren, spielte eine Rolle.

Aus Sicht von Andreas Mosbacher, Richter am Bundesgerichtshof, ist die derzeitige Praxis umstritten. Für die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens sprächen die besseren Argumente. Eine Einstufung solcher Handlungen als Ordnungswidrigkeit erscheine gegenüber der völligen Sanktionslosigkeit vorzugswürdig. Vorschläge, Schwarzfahren insgesamt ahndungslos zu stellen, seien kriminalpolitisch nicht unproblematisch. In der Bevölkerung würde dieser Schritt wohl eher als Signal dafür wahrgenommen werden, dass Schwarzfahren rechtlich nun überhaupt nicht mehr missbilligt wird. Barbara Stockinger, Richterin am Oberlandesgericht München, Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbunds, schloss sich Mosbacher an. Sowohl die Rechtslage als auch die Praxis seien unbefriedigend, daher sehe auch der Richterbund Reformbedarf und spreche sich für eine Anpassung des Paragrafen 256a aus.

Stockinger verwies in ihrer Stellungnahme auf die umstrittene Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Erschleichen". Die Beförderungserschleichung solle nur noch strafbar sein, wenn Zugangsbarrieren- oder -kontrollen umgangen oder überwunden werden. In erster Linie blieben die Verkehrsbetriebe gefordert, vorbeugend mehr gegen Schwarzfahren zu tun. Stockinger ging auch auf den hohen Aufwand der Strafverfolgung ein und bezeichnete die Ersatzfreiheitsstrafe als fragwürdig. Diese Meinung teilte die Leiterin der Berliner Justizvollzugseinrichtung Moabit, Anke Stein. Mit der abschreckenden Wirkung des Strafgesetzbuches zu argumentieren, scheitere an der Lebenswirklichkeit. Nach den Erfahrungen der Berliner Justiz spielten bei Ersatzfreiheitsstrafen vor allem Obdachlosigkeit, Drogen- und Alkoholabhängigkeiten, psychische Störungen, psychiatrische Erkrankungen oder desolate körperliche Gesundheitszustände eine Rolle. Hier stelle sich die Frage nach der gesellschaftlichen Aufgabe des Justizvollzugs.

Wie Mosbacher und Stockinger äußerten sich auch Heiner Alwart von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Stefan Conen vom Deutschen Anwaltverein (DAV) kritisch zu der gängigen Praxis. In seiner Stellungnahme ging Alwart ausführlich auf den Begriff des Erschleichens von Leistungen ein, der seiner Meinung nach auf das Schwarzfahren nicht zutrifft. Die einschlägige Vorschrift im Strafgesetzbuch müsse ersatzlos gestrichen werden. Für ein neues Ordnungswidrigkeitengesetz bestehe allerdings keinerlei Bedarf. Für Alwart ist es dringend geboten, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung, wonach das Schwarzfahren einer Beförderungserschleichung gleichzusetzen ist, zeitgemäß ändert.

Kollateralschäden in Gestalt von "Strafbarkeitslücken" stünden nicht zu befürchten. Conen betonte, auch der DAV sei für die Streichung des Paragrafen 265a aus dem Strafgesetzbuch. Dagegen sprachen sich Udo Gramm, Leitender Oberstaatsanwalt Staatsanwaltschaft München, und Frank Rebmann, Leitender Oberstaatsanwalt Staatsanwaltschaft Heilbronn, explizit gegen die Gesetzentwürfe aus. Gramm erklärte, seiner Auffassung nach sei weder die Abschaffung der Strafbarkeit der Beförderungserschleichung noch deren Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit der geltenden Rechtslage vorzuziehen. Die Beibehaltung der Strafbarkeit sei kriminalpolitisch sinnvoll und ermögliche die Verhängung angemessener Sanktionen. Härtefällen könne schon bei Auswahl und Bemessung der Sanktion Rechnung getragen werden, wie zum Beispiel durch Projekte zur Begrenzung von Ersatzfreiheitsstrafen, namentlich "Schwitzen statt Sitzen".

Rebmann stelle in seiner Stellungnahme die Frage, ob angesichts der Zunahme des Schwarzfahrens, die auf eine schwindende Rechtstreue eines Teils der Bevölkerung schließen lasse, darauf wirklich mit einer Entkriminalisierung oder Marginalisierung zur bloßen Ordnungswidrigkeit reagiert werden solle. Beide Gesetzentwürfe argumentierten mit dem geringen Unrechtsgehalt des Erschleichens von Beförderungsleistungen und verglichen diesen mit dem Unrechtsgehalt des Falschparkens. Dies sei aber nicht vergleichbar. Zudem sei Kriminalpolitik kein Ersatz für Maßnahmen in der Sozialpolitik.

Thomas Hilpert-Janßen, Rechtsexperte des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), erklärte, dass den Firmen durch das Schwarzfahren hohe Schäden entstünden, die entweder die ehrlichen Fahrgäste oder die öffentliche Hand tragen müssten. Schätzungen gingen von einem Betrag von 250 bis 300 Millionen Euro aus. Der Verband halte die Strafbarkeit des Schwarzfahrens weiterhin für notwendig. Eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit oder sogar eine gänzliche Abschaffung des Straftatbestandes hätten eine negative Signalwirkung, die die Schwarzfahrerquote deutlich erhöhen könnte. Und auch, wenn man die Leistungen der Sozialhilfe und des ALG II für unzureichend halte, wäre es nur folgerichtig, eine Erhöhung des Mobilitätsbetrags zu fordern, nicht jedoch, das Schwarzfahren straflos zu stellen. Eine Folge eines Herabstufens zur Ordnungswidrigkeit wären unter anderem schlechtere Kontrollmöglichkeiten durch Fahrausweisprüfer. Den Zugang zu ihren Verkehrsmitteln zu erschweren, käme für die Unternehmen nicht infrage, dafür müssten die Fahrgäste aber die Regeln einhalten.

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3. Denkmal für die ermordeten Juden

Bundestagsnachrichten/Wahlvorschlag

Berlin: (hib/STO) Vorschläge für die Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" haben die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (19/5501) sowie die Fraktion von AfD (19/5502), FDP (19/5503), Die Linke (19/5504) und Bündnis 90/Die Grünen (19/5505) vorgelegt. Von der CDU/CSU-Fraktion werden danach die Abgeordneten Andrea Lindholz, Mathias Middelberg und Elisabeth Motschmann vorgeschlagen, von der SPD-Fraktion Eva Högl und Marianne Schieder, von der AfD-Fraktion Uwe Witt, von der FDP-Fraktion Hartmut Ebbing, von der Fraktion Die Linke Petra Pau und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Claudia Roth. Die Wahl steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.

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4. Vermarktung von Gasgeräten

Arbeit und Soziales/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/CHE) Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf (19/5456) vorgelegt, um für Verordnungen der Europäischen Union für die Vermarktung und CE-Kennzeichnung von Gasgeräten und persönlichen Schutzausrüstungen die nötigen Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Außerdem regelt der Gesetzentwurf, dass im Bereich der Sozialhilfe den Trägern der Sozialhilfe ab dem 1. Januar 2020 bei nach dem Recht des SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen ein eigenes gesetzliches Prüfrecht eingeräumt wird.

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5. Kosten der Unterkunft im ALG-II-Bezug

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) In den Jahren 2011 bis 2017 stiegen die durch das Jobcenter für ALG-II-Haushalte gezahlten Unterkunftskosten (ohne Betriebskosten und Heizung) von 4,95 Euro auf 6,21 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Wohnfläche der Haushaltsgemeinschaft pro Bedarfsgemeinschaft sank von 61,43 auf 60,58 Quadratmeter. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/5346) auf eine Kleine Anfrage (19/4860) der Fraktion Die Linke.

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6. Regierung: Mütterrente regelkonform

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Die Bundesregierung widerspricht der Ansicht, dass die sogenannte Mütterrente systemwidrig finanziert wird. Das betont sie in ihrer Antwort (19/5359) auf eine Kleine Anfrage (19/4903) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie begründet dies mit der Erhöhung der Bundesbeteiligung zur Finanzierung der Mütterrente aber auch der doppelten Haltelinie bei Beitragssatz und Rentenniveau. Dies werde auch durch Rückgriff auf Steuermittel finanziert, um die Belastung der Beitragszahler zu begrenzen, heißt es in der Antwort.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 851 - 7. November 2018 - 16.12 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2018

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