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BUNDESTAG/9013: Heute im Bundestag Nr. 1160 - 21.10.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1160
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 21. Oktober 2019, Redaktionsschluss: 15.23 Uhr

1. Soli soll für 90 Prozent wegfallen
2. Linke fordert 50.000 neue Wohnheimplätze
3. Kosten bei Beschleunigeranlage FAIR
4. Evaluation der Mediatoren-Ausbildung
5. Stand der Legal-Tech-Regulierung


1. Soli soll für 90 Prozent wegfallen

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Der steuerliche Solidaritätszuschlag soll in einem ersten Schritt zugunsten niedriger und mittlerer Einkommen zurückgeführt werden. Dies sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 (19/14103) vor. Das Entlastungsvolumen soll ab 2021 9,8 Milliarden Euro betragen und 2022 auf 11,2 Milliarden Euro steigen.

Wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt, stellt der erste Entlastungsschritt für niedrige und mittlere Einkommen eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, der Kaufkraft und der Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen hätten eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, für die der Solidaritätszuschlag weiterhin erhoben werden soll. Die Bundesregierung führt dazu sozialstaatliche Erwägungen an, da höhere Einkommen einer stärkeren Besteuerung unterliegen sollen als niedrige Einkommen. Soziale Gesichtspunkte rechtfertigten es auch, einen Teil der Einkommensteuerpflichtigen nicht zu erfassen. Wegen der aktuell weiterhin bestehenden finanziellen Lasten des Bundes aus der Wiedervereinigung werde der Solidaritätszuschlag nur teilweise zurückgeführt.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die sogenannte Freigrenze, bis zu der der Solidaritätszuschlag nicht erhoben wird, stark erhöht wird. Bei einkommensteuerpflichtigen Personen beträgt diese Freigrenze derzeit 972 Euro bei Einzel- und 1.944 Euro bei Zusammenveranlagung. Diese Freigrenze soll auf 16.956 beziehungsweise 33.912 Euro erhöht werden. Dadurch sollen 90 Prozent aller bisherigen Zahler des Zuschlags von der Zahlung befreit werden. Für höhere Einkommen wird eine Milderungszone eingerichtet, um einen Belastungssprung beim Überschreiten der Freigrenze zu vermeiden. Die Wirkung der Milderungszone nimmt mit steigendem Einkommen ab.

Nach Angaben der Bundesregierung kann der Solidaritätszuschlag so lange fortgeführt werden, wie ein aufgabenbezogener Mehrbedarf des Bundes besteht: "Der Bund hat weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer." Die bis jetzt zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung aufgewendeten Mittel würden das durch den Solidaritätszuschlag erzielte Aufkommen übersteigen. Das Aufkommen zwischen 1995 und 2016 habe etwa 275 Milliarden Euro betragen. Hingegen hätten sich allein die Ausgaben des Bundes aus dem Solidarpakt I und II bis 2016 sowie weitere Leistungen auf insgesamt 383 Milliarden Euro summiert. Die Regierung geht davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken wird.

Der Normenkontrollrat äußert sich in seiner Stellungnahme kritisch zu der vom Bundesministerium der Finanzen gesetzten Frist für Länder und Verbände zur Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf. Erinnert wird, dass die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vorsehe, die Beteiligung der Länder und Verbände "möglichst frühzeitig" einzuleiten. Das Bundesministerium der Finanzen habe den Gesetzentwurf am 12. August 2019 an Länder und Verbände mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum darauffolgenden Werktag verschickt, nur neun Tage vor der geplanten Verabschiedung durch die Bundesregierung in der Kabinettssitzung am 21. August 2019. "Dies stellt keine frühzeitige Beteiligung dar. Derart kurzfristige Abstimmungsprozesse traten zuletzt aus Sicht des Normenkontrollrats gehäuft auf", heißt es in der Stellungnahme. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei bei diesem Vorhaben nicht zu erkennen, da die Änderungen erst ab dem Jahr 2021 gelten sollten. Die Vorgehensweise des Bundesministeriums der Finanzen entspreche nicht den "Prinzipien der besseren Rechtsetzung".

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2. Linke fordert 50.000 neue Wohnheimplätze

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Linke fordert, ein Konzept für einen Hochschulsozialpakt zu erarbeiten, um für Studentinnen und Studenten 50.000 neue bezahlbare Wohnheimplätze in den nächsten vier Jahren zu schaffen und die bestehenden Wohnheimkapazitäten zu erhalten. In ihrem Antrag (19/14154) führt die Linke aus, dass die Zahl der Studenten in Deutschland seit Jahren steigt und laut Schätzungen der Kultusministerkonferenz auch in Zukunft auf hohem Niveau bleiben wird. Die Zahl der Wohnheimplätze bei den Studentenwerken bleibe hinter diesem Anstieg jedoch weit zurück.

Aktuell stünden den knapp 2,9 Millionen Studenten bundesweit nur rund 240.000 öffentliche geförderte Wohnheimplätze zur Verfügung. Nur 8,5 Prozent der Studenten können daher einen Wohnheimplatz bekommen. Die Fraktion kritisiert, dass die Folgen vor allem Studienanfängerinnen und -anfänger in Form von langen Wartezeiten auf einen Wohnheimplatz, langen Pendelwegen zur Hochschule, übergangsweiser Unterbringung in provisorischen Unterkünften und hohen Mietzahlungen am freien Wohnungsmarkt zu spüren bekommen.

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3. Kosten bei Beschleunigeranlage FAIR

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antwort

Berlin: (hib/ROL) Beim GSI Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt wird das neue internationale Beschleunigerzentrum (Facility for Antiproton and Ion Research, FAIR) erbaut. Die Teilchenbeschleuniger-Anlage ist weltweit eines der größten und komplexesten Bauvorhaben für die internationale Spitzenforschung und physikalische Grundlagenforschung. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/13179) auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/12726). Baubeginn war 2017, die Inbetriebnahme sei für 2025 vorgesehen. Es sei das wichtigste Projekt der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) im Forschungsbereich Materie.

Nach gegenwärtigem Stand sollen circa 3.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und rund weiteren 50 Ländern an FAIR forschen, die sich von der neuen Anlage grundlegende Durchbrüche im Verständnis der Struktur der Materie und der Evolution des Universums versprechen. Darüber hinaus gebe es zahlreiche Anwendungen in der Materialforschung, der Strahlenbiologie und der Strahlenmedizin und in der Raumfahrt. In großen Planeten, Sternen und Sternexplosionen ist Materie extremen Bedingungen ausgesetzt, zum Beispiel extrem hohen Temperaturen, Drücken oder Dichten. An der FAIR-Anlage könnten Wissenschaftler genau diese Bedingungen im Labor herstellen.

Die GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung als Gründungsmitglied der Helmholtz-Gemeinschaft wird mit der Verwirklichung des FAIR-Projekts zum internationalen Ansehen Deutschlands wie auch zur Stärkung der internationalen Bedeutung der Helmholtz-Gemeinschaft als Forschungsorganisation erheblich beitragen, schreibt die Bundesregierung. Die HGF zeige mit dieser Mitgliedseinrichtung ihre herausragende Kompetenz als Errichter, Betreiber und auch als Bereitsteller größter Forschungsinfrastrukturen in Deutschland und auch als Partner weltweit.

Das FAIR-Projekt wird auch den Technologiestandort Deutschland erheblich stärken, insbesondere in den angewandten Naturwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften sowie in den Bereichen Informationstechnik (IT) und Big Data, betont die Bundesregierung. So sei FAIR eine der wenigen Beschleunigeranlagen überhaupt, die die Grundlagentechnologie für eine erhebliche Anzahl weiterer Beschleunigeranlagen in der ganzen Welt liefere. Diese Technologie finde ihre Anwendung zum Beispiel in der Medizintechnik und in der Nahrungsmittelproduktion. Damit sei FAIR ein bedeutender Beitrag zur Sicherung von Hochtechnologiekompetenz in Deutschland und trage substantiell zur Ausbildung des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses bei.

Die Betriebskosten für FAIR werden derzeit auf 235 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Gemäß gültiger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der FAIR GmbH betrage der deutsche Anteil an den Betriebskosten etwa 140 Millionen Euro.

Die FDP-Fraktion hatte angeführt, dass für den Bau von FAIR deren Gesellschafter unter anderem aus Deutschland, Finnland, Frankreich, Indien, Polen, Rumänien, Russland, Schweden und Slowenien kommen und nach dem Abschlussbericht 2019 Mehrkosten entstünden. Demnach lägen die Kostenschätzungen um insgesamt rund 850 Millionen Euro (entspricht 530 Millionen Euro auf Basis des Preisniveaus von 2005) über der Planung von 2015. Laut Monitoring-Berichts der HGF von 2019 zum Pakt für Forschung und Innovation werden für die "Sicherstellung von Aufbau und Betrieb großer Forschungseinrichtungen" für das FAIR-Projekt nun weitere 250 Millionen Euro bereitgestellt.

Die Bundesregierung begründet den großen Anteil, den Deutschland beim FAIR-Projekt trägt, mit dem Ansinnen, eine wissenschaftlich exzellente Forschungsinfrastruktur errichten und mit FAIR den Forschungs- und Technologiestandort Deutschland stärken zu wollen. Außerdem soll die Rolle der Helmholtz-Gemeinschaft als weltweit bedeutende Forschungsorganisation nachhaltig gefestigt werden.

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4. Evaluation der Mediatoren-Ausbildung

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/MWO) Eine Evaluierung der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (ZMediatAusbV) ist nicht vorgesehen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (19/13185) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/12762) hervor. Die Anforderungen für eine Evaluation seien nicht erfüllt, schreibt die Bundesregierung. Weiter heißt es in der Antwort, das für den Bereich der Mediation zuständige Fachreferat im federführenden Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz verfolge kontinuierlich den offenen Diskussions- und Meinungsbildprozess. Der konkrete Aufwand sei im Einzelnen nicht messbar. Daten in Bezug auf Mediationen, die ohne Verbindung mit einem Gerichtsprozess von einem zertifizierten Mediator im Sinne der ZMediatAusbV durchgeführt wurden, lägen der Bundesregierung nicht vor. Die Abgeordneten hatten unter anderem nach den Erkenntnissen der Bundesregierung durch den offenen Diskussions- und Meinungsbildungsprozess nach dem Inkrafttreten der Verordnung gefragt.

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5. Stand der Legal-Tech-Regulierung

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/MWO) Die Bundesregierung wird den Bericht der Länderarbeitsgruppe zu Legal-Tech-Anwendungen und den Beschluss der Justizministerkonferenz vom Juni 2019 in ihre laufenden Prüfungen zu möglichen Rechtsänderungen im Hinblick auf Legal-Tech-Angebote einbeziehen. Das schreibt sie in ihrer Antwort (19/13181) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Derzeit sehe die Bundesregierung keinen konkreten Anlass für Liberalisierungen im Rechtsdienstleistungsgesetz, heißt es darin weiter. Sie prüfe jedoch, ob Liberalisierungen im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts erforderlich sind. Im Einzelnen werde eine Lockerung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren geprüft, um die anwaltliche Erbringung von Legal-Tech-Angeboten zu fördern. Das Bundesjustizministerium beabsichtige, demnächst Vorschläge mit den betroffenen Verbänden zu erörtern. Die Prüfung einer möglichen Lockerung des Verbots reiner Kapitalbeteiligungen an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften sei noch nicht abgeschlossen. Die Fragesteller wollten unter anderem wissen, welche regulatorischen Maßnahmen die Bundesregierung in Bezug auf Legal-Tech-Unternehmen plant, die sich mit der Digitalisierung von Rechtsdienstleistungen befassen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1160 - 21. Oktober 2019 - 15.23 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2019

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