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BUNDESTAG/9230: Heute im Bundestag Nr. 1380 - 09.12.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1380
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 9. Dezember 2019, Redaktionsschluss: 16.41 Uhr

1. Petent: Klimaschutzgesetz reicht nicht
2. Ausbildung im Betrieb im Fokus
3. Weiterer Berichtsteil beschlossen
4. Anreize für erneuerbare Energien


1. Petent: Klimaschutzgesetz reicht nicht

Petitionen/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) "Das Klimaschutzgesetz ist ein zentrales, neues Rahmenwerk, in dem erstmals verbindlich festgelegt wird, wie viel Emissionen jeder Sektor pro Jahr noch ausstoßen darf." Das machte Berthold Goeke, Leiter der Unterabteilung Klimaschutzpolitik im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), am Montag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. 54 Milliarden Euro seien in den nächsten vier Jahren vorgesehen, um zusätzliche Anreize für Investitionen in den Klimaschutz zu setzen, sagte Goeke.

Aus Sicht des Petenten Jonathan Berlin ist jedoch das Klimaschutzgesetz "nicht im Ansatz ausreichend, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen". Er fordert in seiner Petition die "Ausrufung eines Klima-Notstandes innerhalb der nächsten drei Monate". Vor den Abgeordneten sagte Berlin: "Momentan fahren wir mit einem vollbesetzten Bus auf einen Abgrund zu. Da sich die Folgen der Klimakrise aber zeitversetzt zeigen, brauchen wir sofortige Maßnahmen, um eine Notbremsung einzuleiten." Der den Petenten begleitende Geowissenschaftler Joachim Curtius von der Goethe-Universität Frankfurt am Main betonte, Hitzesommer wie 2003 oder 2018 könnten den Prognosen zufolge künftig als kühle Sommer gelten, wenn die Erderwärmung weiter so ansteige. In Indien und am Persischen Golfe seien dann regelmäßig Temperaturen von 60 Grad zu erwarten. Folgen davon könnten Kriege und "Migration in ungekanntem Ausmaß" sein. "Wenn nicht sofort gehandelt wird, wird unser Planet zu einem lebensfeindlichen Ort werden", warnte Curtius.

Sollten die Maßnahmen aus dem Klimaschutzgesetz nicht greifen, gebe es durch die vorgenommenen Normierungen die Möglichkeit, dies zeitnah zu erkennen und nachzusteuern, befand hingegen BMU-Vertreter Goeke. "Damit haben wir eine neue Qualität erreicht", sagte er. Im Klimaschutzgesetz sei auch der Begriff der Treibhausneutralität niedergelegt, die es bis 2050 zu erreichen gelte. Das sei ein klares Signal an alle Akteure, auch in der Wirtschaft, betonte Goeke.

Nach Auffassung des Petenten ist aber ein Einstiegspreis von mindestens 40 Euro statt wie geplant zehn Euro pro Tonne CO2 nötig. Außerdem sei zu befürchten, dass die geplanten Abstandsregelungen für Windräder deren Ausbau vollständig zum Erliegen bringen. Berlin sprach sich zudem für einen Kohleausstieg bis 2030 und eine "hundertprozentige Erneuerbare-Energien-Versorgung" bis 2035 aus. Eine Rückkehr zur Kernkraft sei indes keine Option. Der Ausstieg sei auch mit Blick auf die mit der Kernkraft verbundenen Gefahren richtig gewesen, sagte Professor Curtius. "Es muss uns gelingen, zusätzlich auch aus den fossilen Energien herauszugehen", forderte er. Vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen sei auch in kurzer Zeit machbar.

Auf die Vorbildrolle Deutschlands beim Wechsel auf erneuerbare Energien verwies BMU-Vertreter Goeke. Fortschritte in Deutschland würden in Ländern wie Indien aufgegriffen. "Die Technologien, die wie hier entwickeln, führen dort zur Nachahmung", sagte er. Deutschland mit seinem hohen Pro-Kopf-Verbrauch müsse zeigen, dass der Transformationsprozess "ohne Wohlstandsverlust" gelingt. Damit könnten Länder wie Indien und China ermutigt werden, diesen Weg ebenfalls zu gehen.

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2. Ausbildung im Betrieb im Fokus

Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt/Anhörung

Berlin: (hib/LBR) Die Mitglieder der Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt" haben am Montagnachmittag in ihrer 15. Sitzung ihre Beratungen fortgesetzt. In nicht-öffentlicher Sitzung stellte die zweite Projektgruppe einige Handlungsempfehlungen zu den "Anforderungen der digitalen Arbeitswelt an die Ausbildung im Betrieb" vor.

Die Vorsitzende der Projektgruppe, Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen), umriss einige der Handlungsempfehlungen zu den betrieblichen Anforderungen, digitalen Methoden und Instrumenten im betrieblichen Teil der Ausbildung, aber auch zu Möglichkeiten digitaler Lernkonzepte für heterogene Lerngruppen und die barrierefreie Vernetzung von Lernorten. Auch ging es um digitale Anforderungen an Ausbildungsberufe, die nicht im Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO) geregelt sind sowie um die Internationalisierung der beruflichen Bildung. Die Ausführungen und Handlungsempfehlungen wurden von den Abgeordneten und Sachverständigen aus dieser und den anderen beiden Projektgruppen ergänzt und kommentiert.

Die Endberichte der ersten drei Projektgruppen sollen voraussichtlich im Frühjahr 2020 beraten werden.

Auch wurden in der Sitzung die drei Projektgruppen "Weiterbildung, duales Studium und lebensbegleitendes Lernen", "Attraktivitätssteigerung der beruflichen Bildung - Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit" und "Zu- und Übergänge - Passung, Berufsorientierung, Fachkräfte, Integration besonderer Gruppen" eingesetzt, die ab Januar 2020 ihre Arbeit aufnehmen sollen.

In der Januar-Sitzung des Gremiums soll eine öffentliche Anhörung zum Thema "Neue Wege in neue Berufe - Chancen und Risiken neuer Bildungswege" durchgeführt werden.

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3. Weiterer Berichtsteil beschlossen

Künstliche Intelligenz - Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Die Mitglieder der Enquete-Kommission haben am Montagnachmittag einen weiteren Projektgruppenbericht beschlossen. Mehrheitlich stimmten die Abgeordneten und Sachverständigen für einen von der Projektgruppe "KI und Staat" vorgelegten Entwurf in geänderter Fassung. Die bereits beschlossenen Berichte der Projektgruppen "KI und Staat", "KI und Gesundheit", "KI und Wirtschaft" werden vorerst nicht vollständig veröffentlich werden. Stattdessen sprachen sich die Kommissions-Mitglieder mehrheitlich für eine Teilveröffentlichung der Zwischenergebnisse aus, die noch näher spezifiziert werden soll.

Zuvor hatten sich die Kommission mit den Ergebnissen einer EU-Expertengruppe sowie drei Impulsvorträgen unter dem Titel "KI und Nachhaltigkeit" befasst. Die Vorträge fanden jeweils öffentlich statt, für die Frage und Diskussionsrunde nicht-öffentlich.

Sami Haddadin, Sachverständiger der KI-Enquete, stellte in öffentlicher Sitzung die Ergebnisse der "High-Level Expert Group on Artificial Intelligence" vor, der er ebenfalls angehört. Übergreifendes Ziel der Expertengruppe ist es, die Umsetzung der KI-Strategie der EU zu unterstützen. Das 52-köpfige Gremium war im Juni 2018 von der EU-Kommission eingesetzt worden. Die Gruppe hatte im Dezember 2018 einen ersten Entwurf für Ethik-Richtlinien und im April 2019 eine überarbeitete Version vorgelegt. Im Frühjahr 2020 soll nach einer ersten Pilotphase dieses Vorhaben mit der Vorlage eines final überarbeiteten Dokuments abgeschlossen werden. Ebenfalls im April 2019 hatte die Gruppe Policy- und Investitionsempfehlungen vorgelegt.

Unter dem Titel "KI und Nachhaltigkeit" trug Fabian Reetz (Stiftung Neue Verantwortung) zu den Potentialen des KI-Einsatzes in der Energiewende vor. Reetz hob beispielsweise hervor, dass durch entsprechende technologische Lösungen Energiemärkte effizienter gestaltet und Kosten gesenkt werden könnten.

Wolfgang Ecker, sachverständiges Mitglied der Kommission, plädierte für einen holistischen Blick auf die Künstliche Intelligenz, der neben den Aspekten Daten und Algorithmen auch die Hardware berücksichtigen müsse. Ecker problematisierte unter dem Stichwort "KI und Hardware", inwiefern bisherige Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Mikroprozessoren ("Moore's Law") noch Gültigkeit besitzen. Zudem erläuterte Ecker grob, wie (KI-)Chips funktionieren und welche Strombedarfe bei der Anwendung entstehen.

Florian Butollo, sachverständiges Mitglied der Kommission, entwickelte in seinem Vortrag eine kritische Perspektive zu bestimmten Aspekten des KI-Diskurses. Butollo ging dabei unter anderem auf die von ihm so bezeichnete "Fabel vom Wachstum" ein und warnte vor unseriösen Prognosen. Grundsätzlich sprach sich der Sachverständige für ein gemeinwohlorientiertes, "massives Innovationsprojekt" in Form von "Moonshots der sozial-ökologischen Transformation" aus.

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4. Anreize für erneuerbare Energien

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/FLA) Näher am Bedarf bei zugleich stärkerem Wettbewerb und Anreize für Innovationen: Wie die Bundesregierung dies im Bereich der erneuerbaren Energien erreichen will, ist von den Sachverständigen bei einer Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie mit einer Reihe kritischer Anmerkungen versehen worden. Bei der Expertenbefragung unter der Leitung von Peter Bleser (CDU) ging es um Preisgestaltung und Ausschreibungen.

Mit sogenannten Innovationsausschreibungen will die Bundesregierung neue Mechanismen und Modalitäten erproben. Dazu hat sie eine Verordnung zu den Innovationsausschreibungen und zur Änderung weiterer energiewirtschaftlicher Verordnungen (19/14065) vorgelegt, die von den Experten zu begutachten waren.

Professor Mario Ragwitz (Fraunhofer-Institut) begrüßte grundsätzlich den Ansatz, über das Instrument der Innovationsausschreibungen in einem abgegrenzten Segment des Gesamtmarktes innovative Ansätze für Anlagenkombinationen und Vergütungsoptionen in einem experimentellen Verfahren mit klaren Anforderungen an nachfolgende Evaluationen zu testen.

Marc Behnke von E.DIS hielt das Vorhaben für unausgereift, da insbesondere neue Innovationsansätze und notwendige Förderungsbedingungen mit der Branche nicht zu Ende diskutiert worden seien. Zudem bestünden bereits viele Ausschreibungsmodelle, die nicht unbedingt um ein zusätzliches Modell erweitert werden müssten. Bei diesem Modell würden höchstwahrscheinlich erneut allein Solaranlagen Zuschläge erhalten statt zunächst die Windenergie zu fördern.

Hauke Beeck (Vattenfall) fand den innovativen Ansatz gut, erstmals Anlagenkombinationen von Erneuerbare-Energie-Anlagen an Land mit Speichern in den Markt zu integrieren. Er empfahl, bereits ab der ersten Ausschreibung 2020 nur Anlagenkombinationen zuzulassen, um das Potenzial schon zu einem frühen Zeitpunkt auszureizen.

Fabian Schmitz-Grethlein vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hielt es grundsätzlich für sinnvoll zu prüfen, ob die Fördersystematik bei erneuerbaren Energien mit Blick auf eine stärkere Markt- und Systemintegration weiterentwickelt werden kann. Zugleich solle aber auch das ursprüngliche Ziel der Innovationsausschreibungen weiterverfolgt werden, nämlich besonders netz- und systemdienliche technische Lösungen zu fördern. Die zunehmende Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie erhöhe den Bedarf an Flexibilität.

Daniel Hölder (BayWa r.e.) begrüßte die Einführung einer Fördermöglichkeit für Anlagenkombinationen aus fluktuierenden und steuerbaren Erneuerbare-Energien-Quellen und/oder Speichern. Er empfahl, die Innovationsausschreibungen ab der ersten Ausschreibungsrunde auf Anlagenkombinationen sowie Anlagen mit innovativer Mehrfachnutzung von Flächen zu begrenzen.

Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, vertrat die Ansicht, das vorgeschlagene Verfahren verkompliziere für den Zeitraum 2020/21 das ohnehin aufgeblähte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) weiter. Ziel müsse es sein, die erneuerbaren Energien aus dem EEG heraus an den Markt zu führen. Eine fixe Marktprämie wirke dabei hemmend. Sie lade dazu ein, sich im vorgegebenen Rahmen einzurichten und behindere eher die Forschung zur Technologieentwicklung.

Tobias Paulun (European Energy Exchange) beschrieb das Ziel, Erfahrungen mit Blick auf eine umfassendere Novelle des EEG zu sammeln, um die Erneuerbaren-Förderung langfristig noch stärker markt- und wettbewerbsorientiert weiterzuentwickeln. Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien dazu allerdings nicht geeignet. Unabhängig davon sei es für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien besonders wichtig, dass Fortschritte bei den Themen Flächenverfügbarkeit, Genehmigungsverfahren und Akzeptanz erzielt werden.

Bernhard Strohmayer vom Bundesverband Erneuerbare Energien erkannte an, dass gegenüber dem ersten Entwurf der Verordnung die Chance, echte Innovationen gezielt zu unterstützen und zu erproben, zwar nicht vollumfänglich genutzt, aber zumindest in Teilen verbessert worden sei. Begrüßenswert sei insbesondere die Teilnahmemöglichkeit von Anlagenkombinationen. Dies müsse praxistauglich ausgestaltet werden.

Karl-Heinz Remmers (Solarpraxis) übte Kritik an der an der vorgesehenen festen Marktprämie. Sie bringe der Erneuerbaren weiter weg vom Markt und erhöhe vollkommen unnötig die EEG-Umlage. Der gravierende Nachteil einer fixen gegenüber der gleitenden Marktprämie sei, dass sie sich nicht entsprechend der Erlöse aus dem Strommarkt anpasse. Während sich die gleitende Prämie bei steigendem Strompreisniveau selbst abschaffe, werde bei einer fixen Prämie auch weiterhin eine Förderung ausgezahlt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1380 - 9. Dezember 2019 - 16.41 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2019

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