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BUNDESTAG/9490: Heute im Bundestag Nr. 181 - 13.02.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 181
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 13. Februar 2020, Redaktionsschluss: 10.06 Uhr

1. Situation von Mittelmeerflüchtlingen
2. Verstärktes Vorgehen gegen Islamismus
3. Unterstützung für Reformen im Sudan
4. Linke will UNAMID-Beteiligung beenden
5. Grüne: Reformen im Sudan unterstützen
6. Lieferengpässe bei Arzneimitteln


1. Situation von Mittelmeerflüchtlingen

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/SAS) Die Bundesregierung zeigt sich beunruhigt über die seit Jahresanfang wieder deutlich gestiegene Zahl von Flüchtlingen auf der zentralen Mittelmeerroute. Zwar sei insgesamt die Zahl der registrierten illegalen Grenzübertritte auf den Hauptmigrationsrouten laut Frontex im Januar im Vergleich zum Vormonat gesunken. Doch von Libyen aus habe sich die Anzahl der europäischen Grenzschutzagentur zufolge verdoppelt. Auch die Zahl der Toten und Vermissten habe zuletzt "nach oben korrigiert" werden müssen, sagte ein Vertreter der Bundesregierung am Mittwoch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Damit bleibe die Mittelmeerroute laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) die "gefährlichste Flüchtlingsroute".

Besorgt äußerte sich der Vertreter des Auswärtigen Amtes auch über die Situation der in libyschen Haftzentren internierten Flüchtlinge. Deren Lage "sei extrem schlecht." Die EU und insbesondere der deutsche Außenminister hätten die libysche Regierung wiederholt zur Schließung der Lager und zur Freilassung der Inhaftierten aufgefordert. Seit vergangenem Sommer seien so auch tatsächlich drei Lager geschlossen worden. In den noch bestehenden "Detention Centers" befänden sich jedoch noch immer mehr als 2.000 Personen

Äußerst angespannt sei auch die Lage der Flüchtlinge auf der Route über das östliche Mittelmeer: Über die Ägäis würden insgesamt die meisten illegalen Grenzübertritte registriert. Rund 60.000 seien 2019 über den Seeweg nach Griechenland gekommen. Zuletzt sei die Zahl der Flüchtlinge gestiegen. Besonders besorgniserregend nannte der Regierungsvertreter auch die hohe Zahl der Todesfälle. 2019 seien auf der ostmediterranen Route über 70 Menschen zu Tode gekommen, 2020 aber "schon 63". Eine Entspannung sei darüber hinaus nicht zu erwarten, angesichts der der "katastrophalen humanitären Situation" im syrischen Idlib.

Als "völlig unzureichend" bezeichnete der Vertreter des Auswärtigen Amtes zudem die Unterbringung der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln. Fast 42.000 Menschen lebten dort in Flüchtlingslagern, obwohl diese nur für etwa 6.700 Menschen ausgelegt seien. An dieser Überlastung habe auch die Verlegung von etwa 2.000 Menschen aufs Festland wenig geändert. In und um das Lager Moria auf Lesbos sollen derzeit noch mehr als 19.000 Flüchtlinge untergebracht sein, darunter viele unbegleitete Minderjährige. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes bezifferte allein die Zahl derer, die auf den griechischen Inseln untergebracht seien, auf etwa 2.500. Dass das Dublin-Verfahren "nicht funktioniert", lasse sich besonders an dieser Situation in Griechenland ablesen, sagte der Regierungsvertreter. Die EU-Kommission sei dabei, mit der griechischen Regierung einem Vorschlag zu erarbeiten, um die humanitäre Situation vor Ort zu verbessern.

Abgeordnete von Union, SPD und FDP fragten in der anschließenden Diskussion nach Ergebnissen der Dublin-Verhandlungen und mahnten eine schnelle "Zwischenlösung" an. "Die Erkenntnis, dass Dublin nicht funktioniert, ist doch schon lange da", sagte eine SPD-Abgeordnete. Eine Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen drang zudem darauf, unbegleitete Minderjährige aus den überfüllten griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. "Die Mühlen mahlen zu langsam. Kinder könnten sterben." Die Linke forderte, die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache zu beenden, da diese Flüchtlinge wieder zurück in Internierungslager bringe. Die "Abhängigkeit von der Türkei" kritisierte wiederum die AfD: Die Erwartungen an den EU-Türkei-Flüchtlingspakt hätten sich "nicht erfüllt", monierte ein Vertreter der Fraktion. Präsident Erdogan habe stattdessen mit der Militäroffensive in Nordsyrien neue Fluchtursachen geschaffen. Weitere Fragen der Fraktionen zielten unter anderem auf eine Verlängerung der Malta-Vereinbarung zur Verteilung der aus Seenot geretteten Migranten sowie eine Wiederaufnahme der EU-Marinemission "Sophia" mit verändertem Mandat.

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2. Verstärktes Vorgehen gegen Islamismus

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die AfD-Fraktion dringt auf ein "verstärktes und effektiveres Vorgehen gegen die Ausbreitung des Islamismus in Deutschland". In einem Antrag (19/17126), der am Donnerstagvormittag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, schreibt die Fraktion, dass eine "zunehmende Gefährdungslage für die freiheitliche demokratische Grundordnung" Deutschlands durch islamistische Organisationen bestehe, die "auf langfristige Sicht eine Abschaffung des säkularen Staates" herbeiführen wollten. Diese Organisationen verfolgten eine "bewusste Verschleierungstaktik, indem sie exemplarisch jegliche Verbindungen zu international vernetzten Organisationen wie der Muslimbruderschaft vehement leugnen".

Unter dem "Deckmantel humanitärer Hilfe, religiöser Bildung und allgemeiner Weiterbildung" gelinge es ihnen, dass sich "Nichtdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere auch Jugendliche, radikalisieren und sich von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abwenden", heißt es in dem Antrag weiter. Islamismus sei die geistige Grundlage für einen darauf aufbauenden islamistischen Terrorismus. Diesem Umstand müsse die Bundesrepublik "langfristig verstärkt unter kontinuierlicher Hinzuziehung der langjährigen Expertise Dritter, insbesondere Israels, für eine nachhaltige und erhebliche Verbesserung der Sicherheitslage begegnen".

Die Bundesregierung wird in der Vorlage aufgefordert, eine "deutlich verstärkte Beobachtung und Analyse der Muslimbruderschaft in Deutschland, ihrer Ableger, Tätigkeiten und Netzwerke anzustrengen": Dies beinhalte auch "konkrete Maßnahmen vor allem gegen die Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. (DMG), ehemals Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) und nachgeordnete Organisationen, deren bundesweite Einflussnahme präziser zu erfassen und zu analysieren" sei. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion aufgrund der gesammelten Erkenntnisse verstärkt Verbote dieser Organisationen prüfen und umsetzen.

Zudem fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, "den Moschee-Verband Ditib in Zusammenarbeit mit den Ländern im Hinblick auf etwaige verfassungswidrige staatspolitische Ziele und Netzwerkstrukturen zur Muslimbruderschaft umfassender zu analysieren und geeignete Maßnahmen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung umzusetzen". Ferner soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge eine tiefergehende bilaterale Sicherheitskooperation mit Israel zur Bekämpfung von islamistischem Terrorismus im Bereich der jeweiligen innerstaatlichen Gefahrenabwehr anstreben.

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3. Unterstützung für Reformen im Sudan

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD wollen die bilaterale Zusammenarbeit und insbesondere die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Sudan wieder aufnehmen. Der politische Umbruch im Sudan nach Jahrzehnten autoritärer und islamistischer Herrschaft sei eine historische Chance sowohl für das Land als auch für die gesamte Region am Horn von Afrika, heißt es in einem Antrag (19/17118), der heute auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Sie sei auch für Europa und Deutschland von überragender Bedeutung. Eine Stabilisierung des Landes insbesondere durch eine nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung werde dazu beitragen, Fluchtursachen in der Region zu bekämpfen. "Ein stabilisierter Sudan kann zum regionalen Stabilitätsanker und zum Partner beim Schutz der Handelswege im Roten Meer, bei der Bekämpfung des Terrorismus sowie bei der Lösung regionaler Konflikte werden." Die Übergangsregierung unter Premierminister Hamdok stehe jedoch vor enormen Herausforderungen: Das Land befinde sich in einer strukturellen Wirtschaftskrise, sei hoch verschuldet und eines der ärmsten Länder der Welt. Es gebe landesweit kaum funktionierende staatliche Institutionen und die Konflikte in Darfur wie auch die Regionen Blue Nile, South Kordofan und Abyei konnten bislang nicht vollständig befriedet werden.

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4. Linke will UNAMID-Beteiligung beenden

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung auf, den Bundeswehreinsatz im Rahmen der UN-Militärmission UNAMID in der sudanesischen Provinz Darfur umgehend zu beenden. "Die von der Massenbewegung angeschobenen Schritte in Richtung einer zivilen Regierung sowie eines Friedensprozesses im Sudan sind ausdrücklich zu begrüßen", schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (19/17105), der heute auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. "Die Gefahr durch die Militärjunta sowie die Eliten des ehemaligen Regimes ist jedoch nicht gebannt." Eine Zusammenarbeit der Bundesregierung dürfe unter keinen Umständen die militärischen Teile der Übergangsregierung stärken. Die Bundesregierung solle deshalb jegliche direkte und indirekte Unterstützung des sudanesischen Militärs einstellen und innerhalb der EU dahingehend wirken, dass dem Sudan keine Mittel für die Zusammenarbeit im militärischen und sicherheitspolitischen Bereich zur Verfügung gestellt werden.

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5. Grüne: Reformen im Sudan unterstützen

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Sudan wieder aufnehmen. Die Einigung auf eine Verfassung war ein großer Erfolg einer friedlichen Protestbewegung, die durch viele junge Menschen und vor allem durch Frauen getragen worden sei, schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (19/17123), der heute auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Diese politischen Erfolge seien jedoch fragil. Das Militär besitze nach wie vor großen Einfluss und Macht, einigen Vertretern auf Seiten des Militärs in der Übergangsregierung würden schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem auf, "sich auf Ebene der Europäischen Union für eine kohärente außen- und entwicklungspolitische Strategie der EU-Mitgliedsstaaten im Sudan einzusetzen, um den Friedensprozess in den Landesteilen Darfur, Südkordofan und Blauer Nil voranzubringen, die wirtschaftliche Entwicklung des Sudans zu fördern und den Aufbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, basierend auf einem Transitional Justice Prozess, sowie die Reform des Sicherheitssektors zu unterstützen". Außerdem sollen im Rahmen der bilateralen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit keine öffentlichen Entwicklungsgelder (ODA-Mittel) zur Aufrüstung von Sicherheitskräften, für militärische Zwecke oder für Grenzschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.

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6. Lieferengpässe bei Arzneimitteln

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Nach Ansicht der Linksfraktion muss mehr getan werden, um Lieferengpässe bei Arzneimitteln wirksam zu verhindern. Die Ursachen für das Problem seien vielfältig. So würden Wirkstoffe vieler Medikamente weltweit nur noch in wenigen Produktionsstätten zumeist in China und Indien hergestellt, heißt es in einem Antrag (19/17106) der Fraktion. Der Ausfall eines Produktionsstandortes könne bereits zu einer weltweiten Verknappung führen.

Die Abgeordneten schlagen unter anderem vor, den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag der Hersteller von Arzneimitteln zu konkretisieren. So sollten gegen Hersteller Regressansprüche geltend gemacht werden können, wenn es zu einem Engpass komme, der die Versorgung der Bevölkerung gefährde und vermeidbar gewesen wäre.

Hersteller müssten auch zur Bevorratung mit essenziellen und engpassbedrohten Arzneimitteln verpflichtet werden. Ferner müssten Hersteller dazu verpflichtet werden, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen bestehenden oder drohenden Lieferengpass zu melden.

Die Linke verlangt zudem, die Rabattverträge zwischen den Krankenkassen und Arzneimittelherstellern abzuschaffen. Zur Regulierung der Arzneimittelpreise bei Generika sollte stattdessen das Festbetragssystem geschärft werden.

Die gesetzliche Förderung des Parallel- und Reimports von Arzneimitteln müsse umgehend beendet werden. In der EU sollte sich die Bundesregierung für ein konzertiertes Vorgehen bei der Feststellung und Bekämpfung drohender und bestehender Lieferengpässe einsetzen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 181 - 13. Februar 2020 - 10.06 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2020

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