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PRESSEKONFERENZ/404: Regierungspressekonferenz vom 18. April 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 18. April 2012
Regierungspressekonferenz vom 18. April 2012

Themen: Kabinettssitzung (Bundeswehrmandat für die Operation Atalanta, Maßnahmen zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Jugendgerichte, Rentenerhöhung, Aktualisierung 2012 des deutschen Stabilitätsprogramms, Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß Paragraph 96 BVFG, Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst), Nato-Treffen der Außenminister und Verteidigungsminister, europäische Schuldenkrise, Vorratsdatenspeicherung, Führerschein mit 16, gesetzliche Frist zur Aufbewahrung steuerlich relevanter Unterlagen von Unternehmen, Proteste in Bahrain

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Dienst (BMVg), Kotthaus (BMF), Mertzlufft (BMJ), Teschke (BMI), Moosmayer (BMVBS)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag auch von meiner Seite, meine Damen und Herren!

Das erste Thema, mit dem sich das Kabinett befasst hat, ist der EU-geführte Atalanta-Einsatz gegen die Piraterie vor der Küste Somalias. Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte dient dem Schutz der internationalen Seeschifffahrt vor der Küste Somalias sowie, wie ich gesagt habe, der Bekämpfung von Piraterie. Nun ist im März auf europäischer Ebene eine Erweiterung der Einsatzoptionen dieser Mission beschlossen worden, auch mit dem Ziel, ein Vorgehen gegen Piraterielogistik Ausrüstung, Waffen, Boote an Land zu ermöglichen. In diesem Sinne soll das Bundestagsmandat nun angepasst werden. Das heißt, auch deutsche Einsatzkräfte werden künftig in den Küstengebieten und in den inneren Küstengewässern Somalias entlang des Küstenstreifens gegen die Logistik der Piraten wirken dürfen. Es werden dabei jedoch keine Soldaten am Boden eingesetzt. Es wird sich immer um einen Einsatz aus der Luft handeln. Die Durchführung etwaiger Rettungsmaßnahmen bleibt davon unberührt.

Dieser Einsatz gegen die Logistik der Piraten an Land stellt lediglich die Erweiterung einer Einsatzoption dar, die bereits auf hoher See besteht und seit Langem praktiziert wird. Sie soll dazu dienen, bei sich bietender Gelegenheit eben nicht nur auf hoher See, sondern auch an Land klar identifizierte Ausrüstung der Piraten unbrauchbar zu machen. Damit schränkt man die Handlungsmöglichkeiten der Piraten ein und verhindert, dass sie überhaupt erst die hohe See erreichen, wo sie ansonsten in einem Seegebiet von daran muss man immer wieder erinnern 24‍ ‍Mal der Größe Deutschlands gesucht werden müssen.

Der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Mission Atalanta wird bis zum 31.‍ ‍Mai 2013 bei unveränderter personeller Obergrenze verlängert. Die liegt bei 1.400 Soldaten. Wie immer steht dieser Beschluss des Kabinetts natürlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundestags.

Dann hat sich das Kabinett mehreren Maßnahmen zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Jugendgerichte zugewandt. Die Ministerin hat eine Formulierungshilfe der Bundesregierung vorgestellt. Ein Element dieser Maßnahmen vielleicht das bekannteste Element ist der sogenannte Warnschussarrest. Es soll also nun möglich sein, neben einer Jugendstrafe auf Bewährung auch einen Jugendarrest zu verhängen. Nach geltendem Recht ist es immer nur möglich, entweder Arrest oder Jugendstrafe anzuordnen. Nun soll der Jugendarrest neben der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe angewandt werden können, dies in der Hoffnung und der Erwartung, dass dem jugendlichen Täter so das Unrecht und die Konsequenzen seines Fehlverhaltens noch einmal nachdrücklich verdeutlicht werden, und zwar in der Hoffnung, dass dies einen Impuls zur Änderung seines Verhaltens gibt. Es ist die Erfahrung vieler Experten, dass eine bloße Bewährungsstrafe eben oft als ein gefühlter Freispruch empfunden wird. An dem Leitgedanken, der das Jugendstrafrecht insgesamt prägt, nämlich dem Erziehungsgedanken, wird dabei festgehalten.

Eine weitere Neuerung: Der Gesetzentwurf ermöglicht den Jugendgerichten, gegen Heranwachsende das sind Menschen zwischen 18 und 21 Jahren wegen Mordes eine Jugendstrafe von bis zu 15 Jahren zu verhängen, wenn das bisherige Höchstmaß von 10 Jahren wegen der besonderen Schwere der Schuld etwa bei besonders grausamen, besonders gefühlskalten Taten ohne Reue im Einzelfall nicht ausreichend erscheint. So viel dazu.

Am 1. Juli 2012 werden sich, wie schon im März bekannt geworden ist, für die mehr als 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland die monatlichen Renten erhöhen. Sie werden sich um 2,18 Prozent in den alten Bundesländern und um 2,26 Prozent in den neuen Bundesländern erhöhen. Diese Erhöhung hat das Kabinett in seiner heutigen Sitzung formal auf den Weg gebracht.

Nachdem die Rente im letzten Jahr aufgrund der Nachwirkungen der Finanzkrise nur leicht um 0,99 Prozent gestiegen war, trägt die gute Lohnentwicklung 2011 nun zur deutlichen Rentenerhöhung in diesem Jahr bei. Nun wird mancher fragen: Hätte die Rentenerhöhung wegen der guten Lohnentwicklung nicht sogar noch höher ausfallen müssen? Dazu ist zu erklären, dass natürlich einige Nachhaltigkeitsfaktoren dämpfend eingreifen. Sie erinnern sich, dass es in den Jahren 2005, 2006 und 2010‍ ‍keine Rentenerhöhung gab. Es gab aber eben damals auch keine Rentenkürzung, obwohl das wegen der ungünstigen Lohnentwicklung in diesen Jahren geboten gewesen wäre. Die gesetzlichen Schutzklauseln verhinderten Rentenkürzungen. Es ist sozusagen ein Ausgleichsbedarfs entstanden. Die gesetzlichen Bestimmungen sehen aber vor, dass diese Entwicklung der Rentenversicherung in guten Jahren kompensiert werden muss. Dieser Ausgleichsbedarf muss also im Interesse der Generationengerechtigkeit abgebaut werden. Mit dem Ausgleichsbedarfsabbau wurde 2011 begonnen, und das wird mit der diesjährigen Rentenanpassung fortgesetzt. Das heißt, dass der Ausgleichsbedarf für die neuen Länder, der in diesen Jahren 2005, 2006 und 2010 entstanden ist, bereits jetzt vollständig abgebaut is t, und es ist nur noch ein sehr geringer Ausgleichsbedarf für die Renten in den alten Ländern zu verzeichnen.

Das Kabinett hat heute die Aktualisierung 2012 des deutschen Stabilitätsprogramms beschlossen. Dieses Stabilitätsprogramm muss gemäß den Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes jährlich dem Ecofin-Rat vorgelegt werden. Die wesentlichen Punkte: Bereits ab diesem Jahr hält Deutschland sein mittelfristiges Haushaltsziel mit einem strukturellen Defizit von maximal 0,5 Prozent des BIP ein. Auch die Schuldenstandsquote, die 2008 infolge der Stabilisierungsmaßnahmen zur Bewältigung der Finanz- und Staatsschuldenkrise angestiegen war, reduziert sich wieder. Sie wird von derzeit 82 Prozent in diesem Jahr bis 2016 kontinuierlich auf etwa 73 Prozent zurückgeführt werden. Mit einem gesamtstaatlichen Defizit in Höhe von 1 Prozent des BIP hielt Deutschland schon im vergangenen Jahr den europäischen Grenzwert von 3 Prozent das Maastricht-Kriterium ein. Es erfüllt damit also seine Selbstverpflichtung aus dem Euro-Plus-Pakt, den Grenzwert schon zwei Jahre früher zu erreichen. Diese Verpflichtung erfüllt es.

Insgesamt kann man sagen, und das ist die klare Botschaft des Stabilitätsprogramms, dass das Kabinett heute zur Kenntnis genommen hat: Mit dieser finanzpolitischen Ausrichtung wird Deutschland sowohl die europäischen als auch die nationalen finanzpolitischen Vorgaben in vollem Umfang erfüllen. Es trägt damit erheblich zur Stabilität der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion bei.

Ein weiteres Thema im Kabinett: Der Bundesstaatsminister für Kultur, Bernd Neumann, hat den Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß 96 des Bundesvertriebenengesetzes vorgelegt. Bund und Länder haben nach diesem Bundesvertriebenengesetz den gesetzlichen Auftrag, das Bewusstsein um die Geschichte und das Kulturgut der historischen deutschen Ost-Siedlungsgebiete zu erhalten. Bund und Länder tun das. Der BKM fördert diese Kulturarbeit mit insgesamt 32 Millionen Euro. Das bezieht sich auf den Berichtszeitraum 2009/2010. Weitere 1,7 Millionen Euro stellt das Bundesinnenministerium für die verständigungspolitische Arbeit der Vertriebenen zur Verfügung. Dieser Bericht dokumentiert die vielfältigen Aktivitäten auf diesem Gebiet unter dem Motto "Entdecken und Bewahren - deutsches Kulturerbe im östlichen Europa".

Zuletzt hat der Bundesinnenminister Friedrich dem Kabinett zum Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst vorgetragen und angekündigt, dass das Ergebnis, wie er es auch schon öffentlich erklärt hatte, möglichst zeit- und inhaltsgleich auf die Beamten, die Soldaten und die Versorgungsempfänger des Bundes übertragen werden soll. Die Kabinettsbefassung ist für Anfang Mai vorgesehen. - Das wäre es.

Schäfer: Ich möchte nur auf eine Reise hinweisen, die Außenminister Westerwelle soeben angetreten hat und die ihn genauso wie seinen Kabinettskollegen de Maizière aus dem Verteidigungsministerium heute zum Nato-Treffen der Außenminister und der Verteidigungsminister nach Brüssel führen wird. Das dortige Treffen dient der Vorbereitung des Nato-Gipfels in Chicago, der Mitte Mai stattfinden wird. Dort in Brüssel werden die Außen- und Verteidigungsminister über die Rolle der Nato in Afghanistan nach der Übergabe der Sicherheitsverantwortung beraten. Ziel für die Übergabe der vollen Sicherheitsverantwortung bleibt dabei für die Nato-Mitgliedstaaten und damit auch die Bundesregierung das Jahr 2014. Wir werden Afghanistan auch danach im Sicherheitssektor sowie natürlich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen.

Ein zweites wichtiges Thema auf der heutigen Außen- und Verteidigungsministerkonferenz der Nato wird das Thema Abrüstung und Rüstungskontrolle sein. Die Nato-Partner werden die bereits auf dem Lissabon-Gipfel im November 2010 vereinbarte Überprüfung des Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs beraten.

Schließlich ist ein drittes wichtiges Thema ein Treffen des sogenannten Nato-Russland-Rates auf Außenministerebene. Das ist eine Gelegenheit, die praktische Zusammenarbeit der Nato mit Russland weiter zu besprechen.

Frage (zu Atalanta): Mich würde einmal interessieren, wie man auf diese exakt 2.000 Meter gekommen ist? Warum waren es nicht 1,5 oder 2,5 Kilometer, zumal das auch noch in Metern gemessen wird? Das klingt, wie mit dem Maßband gezogen.

StS Seibert: Vielleicht möchte sich eines der Ressorts dazu äußern.

Dienst: Im Mandat sind 2.000 Meter festgelegt, und die Herleitung ist hier nicht Bestandteil der Erörterung.

Zusatz: Aber man muss sie ja irgendwie begründen!

Dienst: Wir erfinden die Parameter ja nicht. Es gibt eine Operationsführung und einen Operationsplan. Der ist geheim. Der Operationsplan ist am 4. März durch die EU und durch das PSK in Kraft gesetzt worden. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Frage: Herr Dienst, befürchtet die militärische Führung bei einer öffentlichen, klaren Festlegung auf einen Raum von 2 Kilometern Länge in das Landesinnere hinein nicht, dass sich die Piraten darauf einstellen, das sozusagen relativ schnell spitz bekommen und sich einfach 2,5 Kilometer zurückziehen?

Dienst: Diese Frage war zu erwarten. Es wird nur schwer, darauf zu antworten, ohne leicht abzugleiten. Wir gehen jetzt wieder in den berühmten Sandkasten, in dem jeder mit seinem Maßband sei es 1 Meter oder 2 Kilometer lang messen kann und sich seine eigene Herleitung schafft.

Es ist so: Das ist landwärts die Einsatzgrenze, die für das deutsche Einsatzkontingent nach der Mandatierung vorgesehen ist. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Zusatzfrage: Was war denn der Grund dafür, dass man überhaupt so eine Distanz nennt? Offensichtlich ist das auf EU-Ebene nicht der Fall gewesen, jedenfalls nicht öffentlich.

Dienst: Das müssen Sie die EU fragen.

Zusatzfrage: Nein, ich frage ja Sie, warum sich Deutschland sozusagen gezwungen sah, direkt eine Distanz zu nennen.

Dienst: Ich denke, Herr Schäfer, der auch die nationale Vertretung in der EU begleitet, ist da besser auskunftsfähig.

Schäfer: Es dürfte allgemein bekannt sein, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Es ist nicht die Bundesregierung, die über den Einsatz der Bundeswehr entscheidet, sondern es ist das Parlament, jedenfalls bei dieser Art von Einsätzen. Aus Sicht der Bundesregierung ist es von ganz entscheidender Bedeutung, mit Transparenz und Offenheit den Abgeordneten des Deutschen Bundestags Gelegenheit zu geben, mit allen notwendigen Informationen über das versehen zu sein, über das sie entscheiden, nämlich einen Einsatz der deutschen Bundeswehr, um auf dieser Grundlage eine richtige und weise Entscheidung zu treffen.

Frage: Gilt diese 2.000-Meter-Begrenzung für alle Mitglieder der EU-Atalanta-Mission, oder ausschließlich für den Teil der Bundeswehr?

Die zweite Frage kann mir Kapitän Dienst vielleicht beantworten: Wie viele Soldaten befinden sich dort im Augenblick wirklich im Einsatz? Wie viele Helikopter, Hubschrauber oder Drehflügler, wie immer das bei Ihnen heißt, werden eingesetzt, weil das offenbar das Mittel ist, das man dann gegen die Logistik der Piraten einzusetzen bereit ist?

Dienst: Fangen wir mit Letzterem an: Zurzeit werden 340 deutsche Soldaten in der EU-Mission Atalanta eingesetzt. Das umfasst zum einen den Einsatzgruppenversorger Berlin, der zwei Hubschrauber des Typs Sea King an Bord hat. Des Weiteren wird ein Seefernaufklärungsflugzeug eingesetzt, und für dieses Flugzeug wird Personal in Dschibuti vorgehalten. Der Einsatzgruppenversorger Berlin wird mittelfristig gegen die Fregatte Bremen ausgetauscht werden, wenn mich nicht alles täuscht, die dann wiederum zwei Bordhubschrauber vom Typ Sea Lynx an Bord haben wird. Es ist also immer und durchgehend so, dass das von Deutschland eingesetzte Schiff auch zwei Helikopter an Bord hat. Dies nun zu der Frage, ob wir überhaupt das entsprechende Werkzeug haben, um im Sinne des Mandates handeln zu können. Das haben wir.

Frage: Es heißt in der Pressemitteilung der Bundesregierung, dass Atalanta ein erfolgreicher Einsatz sei. Kann man das ein bisschen mit Zahlen unterlegen? Hier wird zum Beispiel erwähnt, 130 im Auftrag des Welternährungsprogramms durchgeführte Schiffstransporte hätten ihre Ziele sicher erreicht. Gleichwohl hätte ich gerne noch ein paar mehr Zahlen: Wie viele Operationen und Einsätze hat es gegeben? Wie viele Piraten haben Sie festgesetzt?

Dienst: Das geht nun sehr weit "in the weeds", wie der Lateiner sagen würde. Fakt ist: Der Hauptauftrag der Mission Atalanta ist die Begleitung des Schiffsverkehrs für das Welternährungsprogramm sowie auch, die Schiffe, die im Rahmen der militärischen Mission der Afrikanischen Union AMISOM unterwegs sind, zu schützen. Diesen Schutzauftrag erfüllte die EU-Mission zu 100 Prozent. Dort sind bislang keine Verluste aufgetreten beziehungsweise Schiffe durch die Piraten bedroht oder sogar entführt worden.

Darüber hinaus: Die Gesamttonnage und die gesamte Statistik darüber, wie viele Piratenangriffe es gegeben hat und wie viele abgewehrt worden sind, können Sie beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam abfragen.

Frage: In der Staatsschuldenkrise im Euroraum ist jetzt Spanien in den Mittelpunkt gerückt, dabei insbesondere die spanischen Banken. In der "Süddeutschen Zeitung" ist heute in einem Bericht die Rede davon, dass die Forderung wieder aufgekommen sei, dass die spanischen Banken oder die Banken im Euroraum künftig auch direkt aus der EFSF oder dem ESM unterstützt werden könnten. Die Frage an das Finanzministerium und das Kanzleramt, also an Sie, Herr Seibert: Ist Ihnen von solchen Forderungen etwas bekannt? Bei "Spiegel ONLINE" wurde das dann so zugespitzt, dass Spanien selbst diesen Wunsch schon geäußert habe.

Kotthaus: Nein und nein.

Ich kann es auch länger machen. Faktisch ist es so: Es gibt diese Diskussion nicht. Wenn Sie sich einfach anschauen, wie die EFSF und der ESM entschuldigen Sie meine Stimme, sie ist heute etwas rau gestrickt sind, dann sehen Sie, dass sich daraus relativ klar ergibt, dass diese Diskussion auch schwierig zu führen wäre. EFSF und ESM haben klare Regeln, wie Hilfen für den unwahrscheinlichen Fall, dass noch einmal ein Staat Unterstützung bräuchte, geleistet werden können oder müssen. Dabei muss festgehalten werden: Der EFSF-Vertrag ist nicht nur in Brüssel verabschiedet und unterzeichnet, sondern mittlerweile auch in allen Mitgliedstaaten inklusive aller Änderungen ratifiziert worden. Der ESM-Vertrag ist unterzeichnet und befindet sich in allen Mitgliedstaaten im Ratifizierungsverfahren.

In den Regeln von EFSF und ESM ist klar stipuliert, dass die zentrale tragende Säule der Hilfen immer die Mitgliedstaaten sind. Es gibt verschiedene Instrumente im Rahmen von EFSF und ESM, die für eventuell erforderliche Unterstützungsmaßnahmen genutzt werden können. Dazu gehört auch die Hilfe, wenn ein Staat eine Bank oder Banken rekapitalisieren müsste und sich nicht im Stande sieht, eigene ausreichende Mittel aufzubringen.

Das Prinzip kennen Sie, Herr Schäfers. Es geht darum, dass Banken, wenn sie diese Probleme haben, erst einmal selber versuchen müssen, diese zu lösen. Dann müssen ihre Eigentümer versuchen, diese zu lösen. Dann erst wäre der jeweilige Mitgliedstaat der Eurozone oder ein anderer Staat gefragt. Sie wissen auch, dass wir genau dafür in allen Mitgliedstaaten Mechanismen aufgebaut haben, um gegebenenfalls Banken zu unterstützen. Das war auch eine europäische Verabredung vom letzten Jahr.

Für den Fall, dass ein Staat nicht ausreichende Mittel hätte, um seine Banken zu unterstützen, kann er dann auch zu der EFSF und in Zukunft zu dem permanenten Rettungsschirm ESM gehen und dort dementsprechende Mittel mit den dementsprechenden Konsequenzen und in dem vorgegebenen Rahmen, was das Programm und Ähnliches mehr betrifft, beantragen. All das ist so gemeinsam beschlossen und festgelegt worden und Teil des Vertrags.

Was Spanien betrifft, sind wir der Auffassung, dass die Spanier sehr gute Maßnahmen ergriffen haben und sehr engagiert dabei sind, ihre Probleme zu lösen und dass eigentlich die Maßnahmen Hochachtung und Zustimmung verdienen und eigentlich auch überzeugend sind.

Langer Rede kurzer Sinn: Meine erste kurze Antwort "Nein und nein" ist zutreffend. Ich habe ein bisschen erläutert, warum.

Vorsitzender Leifert: Herr Seibert, Herr Schäfers hatte auch Sie angesprochen.

StS Seibert: Ich schließe mich vollkommen dem an, was Herr Kotthaus gesagt hat.

Frage: Herr Seibert oder Herr Kotthaus, wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung der italienischen Regierung, das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts von 2013 auf 2014 zu verschieben?

Kotthaus: Ich habe das persönlich nur den Tickern entnommen und kann das daher noch nicht kommentieren, weil ich die Meldungen faktisch nicht kenne. Grundsätzlich kann man festhalten, dass die italienische Regierung in den letzten Monaten gerade unter dem neuen Premierminister Monti alles daran gesetzt hat, um überzeugend die erforderlichen Reformmaßnahmen zu ergreifen. Aber noch einmal: Ich kenne die Meldungen nur aus den Tickern und kann das daher nicht kommentieren.

Vorsitzender Leifert: Herr Seibert, wissen Sie mehr?

StS Seibert: Es geht mir genauso wie Herrn Kotthaus.

Frage: Herr Mertzlufft, eine Frage zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Wenn ich die Kommentare des Bundesinnenministeriums zu dem Gesetzentwurf, den Ihre Ministerin vorgelegt hat, richtig verstehe, dann hat das Innenministerium gewisse Mängel in Sachen Verfassungsrecht und EU-Konformität an diesem Gesetzentwurf erkannt. Meine Frage deshalb: Nehmen Sie die Anmerkungen des Innenministeriums dazu in diesen Gesetzentwurf hinein? Oder können Sie sich dahinter versammeln, respektive kann sich Ihre Ministerin dahinter versammeln? Wird es noch in dieser Woche beziehungsweise Anfang nächster Woche, also bis zum 26. April das ist die Frist, die die EU-Kommission gesetzt hat , einen gemeinsamen Gesetzentwurf geben?

Merzlufft: Die letzte Frage kann ich Ihnen nicht abschließend beantworten. Es ist in der Tat so, dass es eine Stellungnahme des Bundesinnenministeriums gibt. Ich weiß nicht, ob Sie sie gelesen haben, weil Sie daraus schlussfolgern. Können Sie den ersten Teil der Frage noch einmal wiederholen?

Zusatz: Der erste Teil war: Wenn ich das richtig verstanden habe, rügt das Innenministerium gewisse Fehler in Sachen Verfassungskonformität und EU-Rechtskonformität.

Merzlufft: Das Erste ist natürlich unzutreffend. Ich will aber auch an der Stelle nicht den Gesprächen vorweggreifen und behaupten, dass die Vorschläge des Innenministeriums verfassungsrechtliche Mängel aufweisen würden. Natürlich steht im Vordergrund, dass trotz unterschiedlicher politischer Ansichten das ist auch gang und gäbe innerhalb dieser Bundesregierung, die von drei gleichberechtigen Partnern getragen wird respektvoll mit unterschiedlichen Auffassungen umgegangen wird. Insofern wird natürlich durchaus in einem persönlichen Gespräch zwischen beiden Ministern die Frage diskutiert werden, wie denn die Einschätzung ist. Sie ist ja wechselseitig im Augenblick noch nicht die gleiche.

Der andere Punkt: Europarechtlich ist die Richtlinie ich will mir (die Formulierung) nicht zu eigen machen auf Treibsand gebaut, wie ich einmal gelesen habe. Sie ist zumindest wackelig. Gerhart Baum, der frühere Bundesinnenminister, hat diese Woche in der "Süddeutschen Zeitung" darauf hingewiesen, dass es eine Klage des irischen High Court gibt, also des irischen Verfassungsgerichts. Sie wissen vielleicht, dass es, als die Richtlinie 2006 eingeführt wurde, noch keine europäische Grundrechtecharta gab.

Sie kennen alle ich habe das hier auch mehrfach gesagt die massiven Umsetzungsprobleme. Frau Malmström selbst hat als Parlamentarierin gegen die Richtlinie gestimmt, weil sie sagte, sie sei hastig (beschlossen worden) und die Zweckbestimmung sei nicht klar gewesen. Der frühere Bundesinnenminister hat darauf hingewiesen, dass es diese Klage des irischen High Court gibt. Es gibt eine andere Klage des EuGH, auf die er anspielte. Bei dieser geht es um die Provider-Haftung. Der EuGH hat sich in dem Zusammenhang auch mit der anlasslosen Speicherung von Daten beschäftigt.

Das heißt: Ich will nicht behaupten, dass die irische Klage zu einem Erfolg führen würde. Aber selbstverständlich wird seit Bestehen der Richtlinie auch von der Kommission selbst rechtlich immer auf die Mängel hingewiesen, die bestehen. Es ist durchaus denkbar, dass diese Richtlinie nicht Bestand hat, wenn sie denn vor dem EuGH entschieden wird.

Zusatzfrage: Ich habe etwas nicht ganz verstanden. Wo gibt es die verfassungsrechtlichen Probleme? Bei dem Gesetzentwurf oder bei der Stellungnahme des Innenministeriums?

Merzlufft: Es gibt jetzt eine Stellungnahme des Bundesinnenministeriums. Diese hat uns im Kern die alte Vorratsdatenspeicherungsregelung übermittelt. Das ist dieser berühmte Paragraf im TKG. Dort ist genau aufgelistet, dass jetzt einmal hypothetisch gesprochen zum Beispiel Sie heute früh im Innenministerium waren dann werden Ihre Standortdaten gespeichert oder mit einem anderen Ressort telefoniert haben; dann werden Ihre Telefondaten gespeichert. Wenn Sie jemandem eine SMS geschickt haben, wird die SMS gespeichert. Wenn Sie gemailt und gesurft haben, werden diese Daten auch gespeichert.

Diese Daten sind alle in dieser alten Gesetzesfassung enumerativ aufgelistet. Das BMI hat uns jetzt einen Änderungsvorschlag übergeben und noch einmal explizit die gleiche Regelung vorgeschlagen, also diese sechsmonatige (Speicherung) mit allen Datenarten, wie zum Beispiel E-Mail, Standortdaten usw. Diese Regelung ist in der Diskussion zwischen den beiden Ressorts oder zwischen Teilen, die diese Regierung tragen, und anderen Teilen, die diese Regierung tragen. Insofern ist es ein ganz normaler Prozess, dass man sich trotz unterschiedlicher politischer Auffassungen darüber unterhält. Was an unserem Gesetzentwurf verfassungsrechtlich mangelhaft sein soll, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Vorsitzender Leifert: Herr Teschke, wollen Sie das ergänzen?

Teschke: Das würde ich gerne ergänzen; Sie haben vollkommen recht. In der Tat hat das BMI in seiner ganz normalen Verhandlungsbasis mit dem BMJ den Gesetzentwurf des BMJ noch einmal überarbeitet, damit er die Vorgaben der EU-Kommission, aber auch des Bundesverfassungsgerichts erfüllt. Jetzt ist er in der Version, wie er jetzt vorliegt und wie wir ihn zurückübermittelt haben, kabinettsreif, weil er ganz einfach die Vorgaben, die uns die Richtlinie gibt, die aber auch das Bundesverfassungsgericht seinerzeit in seiner Entscheidung vorgegeben hat, erfüllt. Das ist uns natürlich sehr wichtig gewesen, weil es natürlich nicht angeht, dass ein Gesetzentwurf wichtige Vorgaben nicht berücksichtigt beziehungsweise nicht erfüllt.

Noch den Treibsand-Vorwurf aufnehmend: Natürlich gilt EU-Recht und muss auch umgesetzt werden. Das ist uns als Bundesinnenministerium sehr wichtig. Dass die Richtlinie eben nicht auf Treibsand gebaut ist, zeigt allein, dass sie jetzt auch in Schweden umgesetzt wird und dort im Parlament verabschiedet worden ist.

Noch ganz kurz zu dem Spitzentreffen, das so herumgeistert: Ich möchte noch einmal klarstellen, dass es kein Spitzentreffen ist. Es ist in der Tat ein ganz normales Treffen, das es ungefähr alle sechs Wochen zwischen den beiden Häusern gibt. Zur Tagesordnung kann ich Ihnen nichts sagen, weil uns vom BMJ keine Tagesordnung übermittelt wurde. Wir nehmen zur Kenntnis, dass offensichtlich das BMJ über die Vorratsdatenspeicherung sprechen möchte und gehen davon aus, dass im Grunde die Änderungen, die wir jetzt noch im Gesetzentwurf angemerkt haben, entweder die Zustimmung finden und damit der Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht werden kann oder keine Zustimmung finden. Dann geht die Diskussion sicherlich weiter.

Frage: Herr Mertzlufft, jetzt sagt das Bundesinnenministerium, man habe den Gesetzentwurf überarbeitet. Wenn man den Gesetzentwurf in der Version, die das Bundesinnenministerium Ihnen zurückgeschickt hat, liest, ist das keine Untertreibung. Es sagt, jetzt sei es sowohl konform mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts als auch der EU-Richtlinie. Insofern ist doch die Frage, dass es vorher offenbar nicht der Fall gewesen ist, nicht nur die Einschätzung von uns Journalisten, sondern offenbar auch von wie sagten Sie so schön tragenden Teilen dieser Bundesregierung. Wie gedenken Sie denn jetzt weiter damit umzugehen, auch mit dem Blick darauf, dass Sie federführend bis 26. April nach Brüssel zur EU-Kommission eine Entgegnung auf die letzte Frist formulieren müssen, die auch das Bundesinnenministerium mittragen muss? Frage eins.

Frage zwei: Die Bundeskanzlerin hat ja zuletzt sehr darauf gedrungen, auch wenn es kein Machtwort war, dass eine EU-konforme Regelung vorgelegt wird, weil sich ein großes Land wie Deutschland nicht leisten könne, gegen geltendes EU-Recht zu verstoßen. Wenn die Einschätzung des Bundesinnenministeriums stimmt, dass dies nicht EU-konform gewesen ist, was sagt das über das Verhältnis zwischen der Bundesjustizministerin und der Bundeskanzlerin aus?

Dritte Frage: Bereitet sich das Bundesjustizministerin im Zuge von Rückstellungen wir sind ja in der Haushaltsaufstellung 2012 schon auf mögliche Strafzahlungen vor, die dann offenbar aus Ihrem Etat zu begleichen wären?

Merzlufft: Zu der ersten Frage: Sie machen es mir ein bisschen schwer, weil Sie offensichtlich von mir nicht die Stellungnahme bekommen haben, aus der Sie zitieren und ich an der Stelle ich weiß nicht, wie es Herr Teschke sieht sozusagen nicht in die unterschiedlichen Bewertungen einsteigen möchte. Aber ich versuche trotzdem, die Fragen konkret zu beantworten.

Es ist ja so: In den überarbeiteten Vorschlägen des Bundesinnenministeriums ist daran gedacht, auch den Nachrichtendiensten die Vorratsdaten zur Verfügung zu stellen. Das ist nicht in der Richtlinie vorgesehen. Da ist die Rede von "serious crimes". Das wird in allen Ländern unterschiedlich gehandhabt. Das ist einer der Kritikpunkte an der Richtlinie. Ich habe ja Frau Malmström zitiert, die damals gesagt hat, die Zweckbestimmung sei unklar. Sie hat gegen die Richtlinie gestimmt. Nach Vorstellungen des Bundesinnenministeriums sollen auch die Vorratsdaten den Nachrichtendiensten zur Verfügung gestellt werden.

Zweitens. Ich habe es einmal in den Fachreferaten abfragen lassen ich kann es nur auf die Schnelle sagen , und unsere Fachabteilung hat uns gesagt: Auch diese Anonymisierungsdienste, die das BMI komplett erfassen möchte, gibt es in der EU nirgendwo anders. Das wäre auch sozusagen Neuland innerhalb der Europäischen Union. Beides daran sehen Sie schon, warum ich vorhin ein bisschen versucht habe, diplomatisch zu antworten sind natürlich keine ontologischen, auch keine rechtlichen Fragen, sondern politische. Ist man der Auffassung, dass man auch im präventiven Bereich Vorratsdaten zur Verfügung stellen soll oder zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, wie wir im Gesetzentwurf vorgeschlagen haben?

Das ist eine Frage, die neben vielen anderen auch politisch diskutiert werden muss. Ich glaube, es ist rechtlich kompliziert. Deswegen der kurze Verweis auf die Diskussion innerhalb der Europäischen Union, dass es sozusagen nicht um Fragen der Letztbegründbarkeit geht. Heruntergebrochen sei gesagt: Es geht hier nicht um schwarz und weiß, richtig und falsch, sondern es geht um politische Auffassungen. Es geht darum: Wie können wir mit diesen unterschiedlichen Herangehensweisen zwischen einer anlassbezogenen und einer anlasslosen Sicherung von Daten im Gespräch bleiben und zu einem Ergebnis finden.

Die Bundesjustizministerin ist der Auffassung, dass sie einen klugen Kompromiss vorgelegt hat. Sie wissen alle, dass er sieben Tage eine Speicherung der IP-Adressen vorsieht. Das war das Kompromissangebot seit, glaube ich, anderthalb Jahren. Bislang ist darüber keine Verhandlung geführt worden.

Der andere Punkt: Wenn ich lese, der Versuch sei "untauglich", dann ist das ein Modell, das von den USA oder auch Kanada abgeschaut wurde. Es ist sperrig zu übersetzen und schwer zu erklären. Das weiß ich, der öfter versucht hat, es zu erklären. Sie sichern die Daten, sobald ein wie auch immer gearteter Verdacht vorliegt. Wenn ein Terrorverdächtiger irgendetwas baut und Sie können keine Hausdurchsuchung vornehmen oder keine Telefonabhörmaßnahme im Bereich der Gefahrenabwehr durchführen, weil es nicht reicht, haben Sie die Möglichkeit, mit einer solchen Sicherung alles Mögliche weiter einzufrieren, was an Daten da ist. Das ist ein Verfahren, das in den nordamerikanischen Staaten, die durch eine schon recht erfolgreiche Strafverfolgung gekennzeichnet sind, praktiziert wird. Daran haben wir uns orientiert.

Die damalige Kritik auch aus den Reihen der FDP-Bundestagsfraktion das ist ja kein Geheimnis und der Opposition war ja Vorratsdatenspeicherung light. Unser Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sei eine Vorratsdatenspeicherung light. Insofern sehen Sie, dass das auch rechtlich und politisch eine komplizierte Diskussion ist. Das Wichtige ist, dass man in Respekt bei unterschiedlichen Auffassungen im konstruktiven Gespräch bleibt und sich um einen Konsens bemüht.

Vorsitzender Leifert: Die Frage war auch nach der Frist, also wie Sie mit der Frist umgehen. Es wurde auch nach dem Verhältnis zur Bundeskanzlerin gefragt.

Merzlufft: Es waren gute Gespräche am Rande des Kabinetts. Das hatte ich an der Stelle gesagt. Ich habe eben auch versucht, zum Ausdruck zu bringen: Das Ziel ist, im Gespräch zu bleiben, sich konstruktiv zu einigen und trotz dieser bedauerlichen Stellungnahme des Bundesinnenministeriums in erfolgreiche Verhandlungen zu kommen.

Ich glaube, jetzt habe ich alle Fragen beantwortet. Die Ausführungen waren länger.

Vorsitzender Leifert: Was schreiben Sie jetzt am 26. April der Kommission?

Merzlufft: Jetzt werden erst einmal innerhalb der Regierung Gespräche geführt. Insofern kann ich die Frage nicht beantworten.

Vorsitzender Leifert: Und das Verhältnis zur Bundeskanzlerin?

Merzlufft: Die Frage habe ich doch beantwortet, dass es nämlich ein gutes Gespräch am Rande des Kabinetts war und dass wir uns um konstruktive Gespräche bemühen.

Vorsitzender Leifert: Und die Strafzahlungen? Das war der dritte Teil.

Merzlufft: Das waren ja viele Fragen. Bei den Strafzahlungen ist es halt das politische Spiel. Da werden jetzt Zahlen ventiliert. Oswald Spengler will ich jetzt nicht bemühen. Es gibt drei verschiedene Berechnungsarten Koeffizient, Multiplikation , die sehr kompliziert sind. Es gibt keine Strafzahlungen der Kommission. Die Kommission müsste, wenn wir uns nicht einigen könnten, in einem nächsten Schritt Deutschland vor dem EuGH verklagen. Es ist wie hier: Am Ende des Prozesses wird bezahlt. Aber die Kommission wird auf diesen drei verschiedenen Berechnungsgrundarten einen Vorschlag machen, mit dem sie dann in die Klage geht. Es gibt 71 Vertragsverletzungsverfahren. Das ist nicht das Ziel. Deswegen sind wir ja auch in konstruktiven Gesprächen und suchen das Gespräch. Aber es ist nicht der Untergang des Abendlandes, um jetzt doch Oswald Spengler zu zitieren.

Teschke: Ich würde doch gerne ein paar Zahlen zum Thema Zwangsgeld liefern wollen: Es ist so, dass in der ergänzenden Stellungnahme der Kommission ausdrücklich die Rede von der Möglichkeit finanzieller Sanktionen war. Das deutet darauf hin, dass es ein sogenanntes einstufiges Verfahren gibt. Das heißt also: Der nächste Schritt ist die Klage vor dem EuGH. Dabei kommt es dann bereits zu einem Antrag auf Zwangsgeld.

Nach unseren Berechnungen im Hause muss man davon ausgehen es wird, wie Herr Mertzlufft ausführte, immer verschiedene Koeffizienten geben , dass es die Schwere und die Dauer der Vertragsverletzung gibt, aber auch die Wirtschaftskraft des Landes und die finanzielle Leistungskraft des Mitgliedstaates werden mit einbezogen. Insofern kommen wir auf einen Betrag des Zwangsgeldes von mindestens 11 Millionen Euro. Wir gehen intern von einem mittleren Betrag von 32,5 Millionen Euro aus.

Frage: Eine Frage an den Regierungssprecher in diesem Zusammenhang: Ist denn die Bundeskanzlerin fast hätte ich gesagt: guter Hoffnung guter Erwartung, dass angesichts der Bedeutung, die dieses Thema für sie hat, was am Rande des Kabinetts durch das Gespräch deutlich geworden ist, dass sich die beiden Minister im Zuge dieses Treffens heute Abend auf einen Kompromiss einigen und dann möglicherweise nächste Woche ein Kabinettsvorschlag vorliegt, der im Kabinett behandelt wird? Oder sieht sie sich möglicherweise schon gezwungen, von ihrer Weisungsbefugnis Gebrauch zu machen?

StS Seibert: Ich kann und will mich hier nicht auf irgendwelche Zeitpläne einlassen. Wir sind zurzeit in einer Ressortabstimmung, einer schwierigen Ressortabstimmung. Aber genau in dieser Phase wollten wir jetzt auch sein. Das war ja auch unter anderem der Sinn des Gesprächs der Bundeskanzlerin mit der Bundesjustizministerin neulich am Rande des Kabinetts.

Die Bundesjustizministerin hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Das Bundesinnenministerium hat umfangreiche konkrete Änderungsvorschläge gemacht. Jetzt wird wiederum vom federführenden BMJ geprüft, wie es sich zu diesen umfangreichen Änderungsvorschlägen verhält. Es ist wichtig, dass wir eine richtlinienkonforme Lösung finden. Wir sind in der Ressortabstimmung. Es erscheint mir völlig unproduktiv, diese hier in der Regierungspressekonferenz zu führen.

Zusatzfrage: Also im Moment noch kein Anlass, der Weisungsbefugnis in irgendeiner Form gerecht zu werden?

StS Seibert: Wir sind in den notwendigen und auch intensiven schwierigen Gesprächen, aus denen am Ende eine Lösung hervorgehen wird.

Zusatzfrage: Heißt aber auch noch einmal in diesem Zusammenhang , dass es die Bundeskanzlerin nicht als unbedingt notwendig sieht, bis zu dem Termin am 26. April einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen? Oder sieht es die Bundeskanzlerin als unbedingt notwendig an, dass dann zu diesem Termin schon geantwortet oder eine Stellungnahme an die Kommission abgegeben worden ist?

StS Seibert: Es besteht keine Rechtspflicht zur Stellungnahme. Eine Stellungnahme wäre wahrscheinlich das Übliche. Aber es ist auch nicht verpflichtend. Insofern kann ich jetzt nicht voraussagen, was am 26. April geschehen wird. Wir sind in den schwierigen, aber auch letztlich zu einer Lösung führenden Gesprächen.

Frage: Herr Seibert, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundeskanzlerin willens ist, zu dulden, dass sich die Bundesrepublik Deutschland ab dem 26. April in einer gesetzwidrigen Position gegenüber der EU befindet?

StS Seibert: Ich habe das hier sicherlich ein halbes Dutzend Mal gesagt und sage es gerne noch einmal: Die Bundesregierung ist sich ihrer europäischen Verantwortung bewusst, und sie ist sich auch ihrer fachlichen Verantwortung in Sachen Vorratsdatenspeicherung bewusst. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung notwendig ist zur Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr , und zwar so, dass es der entsprechenden EU-Richtlinie und den Erfordernissen des Verfassungsgerichts entspricht. Darum wird jetzt gerungen.

Zusatzfrage: Es tut mir leid, Herr Seibert, aber das beantwortet meine Frage nicht. Ist die Kanzlerin willens, einen Zustand zu erdulden, in dem die Bundesrepublik Deutschland riskiert, ab dem 26. oder 27. April ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH zu bekommen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin wird das Ihre dazu beitragen, dass die Bundesregierung den Zustand erreicht, dass sie eine gemeinsame Position beziehen kann.

Merzlufft: Ich möchte an der Stelle vielleicht ganz kurz etwas ergänzen zur Haltung der Bundesregierung, die ja abgestimmt war und die wir auch in dem laufenden Vertragsverletzungsverfahren an die Kommission übermittelt haben: Wir sind ja als federführendes Ressort abgestimmt gegenüber der Kommission der rechtlichen Auffassung, dass wir bislang nur teilweise nicht umgesetzt haben. Sie wissen, dass die Unternehmen nach dem TKG Daten vorhalten. Es ist ganz wichtig, dass jetzt nicht der Eindruck entsteht, wir hätten vollständig nicht umgesetzt. Wir haben ja in der Stellungnahme gegenüber der Kommission immer rechtlich argumentiert, wir hätten auch bislang also ohne erneute Umsetzung der Richtlinie teilweise Vorgaben der Richtlinie umgesetzt. Deswegen habe ich vorhin gesagt: Das sind komplizierte rechtliche Fragen, denn am Ende müsste dann der EuGH über die unterschiedlichen Rechtsauffassungen also der Rechtsauffassung, die wir abgestimmt als Bundesregierung übermittelt haben, und der Rechtsauffassung der Kommission entscheiden.

Teschke: Vielleicht noch einmal zur generellen Einordnung: Die Richtlinie sieht ja ganz klar vor, dass Sie anlassbezogen sechs Monate Speicherfrist haben und ein Quick Freeze ausdrücklich ausgeschlossen wird in der Stellungnahme auf den ersten Gesetzentwurf wurde ja bereits darauf hingewiesen, dass die EU-Kommission Quick Freeze als Verfahren ablehnt. All das hat das BMI in seiner Überarbeitung des Gesetzentwurfs noch einmal korrigiert und angemerkt. Deswegen ist da eben auch schon einmal ausdrücklich hineingeschrieben worden: sechs Monate anlassbezogene Speicherfrist.

Vielleicht noch ein Hinweis: Es ist aus Sicherheitsgründen schon sehr wichtig, dieses Verfahren zu haben, denn wir würden zum Beispiel auch im Fall der Zwickauer Terrorzelle gerne wissen, mit wem zum Beispiel Frau Zschäpe die vorher nicht als Terroristin aufgefallen war in den vergangenen sechs Monaten telefoniert hat. Insofern können wir nicht sagen "Es wird gespeichert, sobald jemand auffällig wird", denn Beate Zschäpe ist letztlich erst jetzt als Terroristin auffällig geworden. Das könnten wir nach der jetzigen Regelung nicht, das haben wir nicht, und deswegen gehen uns wichtige Faktoren verloren. So einen Fall möchten wir alle ja nicht noch einmal erleben.

Frage: Herr Seibert, ich muss leider noch einmal zurückkommen auf die Frage: Die Bundeskanzlerin, sagten Sie, werde das Ihre dazu beitragen, um diesen Konflikt zu lösen. Deshalb meine Frage zunächst: Was wird die Kanzlerin denn dazu beitragen? Wird sie noch einmal Gespräche mit den beiden Häusern, mit den beiden Spitzen der Häuser dazu führen? Wie sind Ihre zeitlichen Vorstellungen? Es handelt sich hierbei ja nicht um einen kurzfristigen Streit, sondern da gibt es ja schon lange grundsätzliche Auseinandersetzungen zwischen den beiden Häusern. Ist die Kanzlerin gewillt, dass das Thema noch vor der Sommerpause letztlich abgeräumt wird, oder nicht?

StS Seibert: Ich wiederhole, dass ich mich jetzt hier auf keinen zeitlichen Rahmen festlegen kann. Es stimmt, das ist ein sehr schwieriges Thema, aber es liegt nun ein Entwurf aus dem BMJ vor und es liegen konkrete Änderungsvorschläge aus dem BMI vor. Auf dieser Ebene und auf dieser Basis werden die beiden Häuser intensiv miteinander sprechen. Heute bereits gibt es ein Gespräch unter anderem dazu der beiden Minister. Sofern es bei irgendeinem politischen Thema nicht gelungen ist, eine Einigung herbeizuführen, besteht außerdem immer auch die Möglichkeit, dass ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin ohne dass ich das jetzt hier festlegen will geführt wird.

Frage: Herr Seibert, ich versuche es noch einmal andersherum: Die Bundeskanzlerin hat vor vier Wochen die beteiligten Häuser aufgefordert, rasch eine EU-konforme Regelung vorzulegen. Die Bundesjustizministerin hat eine Regelung vorgelegt, die nach Auffassung des Bundesinnenministeriums diesen Vorgaben nicht entspricht. Wie reagiert die Bundeskanzlerin darauf, dass ihr Wunsch Machtworte spricht sie ja nicht offenkundig bei einem der drei gleichberechtigten Partner, die diese Regierung in Teilen tragen, nicht das nötige Gehör fand? Lässt sie das kalt, ist ihr das egal, oder hofft sie, dass der Innenminister das durchsetzt, was sie möchte?

StS Seibert: Das Thema ist der Bundeskanzlerin wichtig, es ist dieser ganzen Bundesregierung wichtig. Wir haben jetzt mehr auf dem Tisch liegen als zu dem Zeitpunkt des Gesprächs, von dem Sie vorhin sprachen. Wir haben jetzt, wie ich es schon mehrfach gesagt habe, einen konkreten Entwurf des BMJ und wir haben dazu konkrete Änderungsvorschläge des BMI. Das heißt, wir sind tief in der Materie, und die Arbeitsebenen und die Chefs beider Häuser sprechen miteinander.

Zusatzfrage: Herr Seibert, haben Sie auch nach dieser Veranstaltung und den letzten 45 Minuten den Eindruck, dass die Ressortabstimmung in dieser Frage auf einem guten Weg ist?

StS Seibert: Die Ressortabstimmung und ihr Erfolg entscheidet sich nicht in der Bundespressekonferenz.

Zusatz: Dass Sie sich da mal nicht täuschen!

Frage: Herr Mertzlufft, auf der Suche nach der Themensetzung für heute Abend: Herr Teschke hatte gesagt, sein Haus nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass offensichtlich das BMJ heute Abend über das Thema Vorratsdatenspeicherung sprechen möchte; davon geht auch Herr Seibert aus. Ist das der Fall, oder wo kommt die Vorstellung her, dass heute Abend darüber gesprochen wird? Was steht sonst für heute Abend auf der Tagesordnung?

Merzlufft: Eigentlich ist dieses Kleeblatt-Format das nennt sich bei uns so ein Treffen von Ministern sowie beamteten und Parlamentarischen Staatssekretären. Es ist ein bisschen ungewöhnlich, dass dieser Termin jetzt medial so hochgejazzt wird. Es wird jetzt ja behauptet, das sei ein Krisengipfel; ich habe auch schon Kriegsmetaphern gelesen. Das ist alles aber schon lange geplant und ein ganz normales Gespräch. Frau Leutheusser-Schnarrenberger wird selbstverständlich auch die Frage ansprechen, wie die Verhandlungen zur Ressortabstimmung jetzt weiterlaufen; das ist gar keine Frage. Was Herr Teschke gesagt hat, kann ich einfach nicht weiter kommentieren. Wenn jetzt sozusagen zwischen unseren beiden Ressorts die Tagesordnung eines Routinetreffens abgestimmt wird, würde ich hier nicht kommunizieren wollen, was wir im Detail besprechen. Das haben wir bislang nicht so gehalten; wir haben auch bislang die Termine eigentlich nicht kommuniziert und haben auch bislang keine Pressearbeit dazu gemacht. Das sind ganz normale Arbeitsgespräche, die ca. alle sechs Wochen fest zwischen beiden Häusern stattfinden. Das ist so ein bisschen die mediale Aufregung nicht wert.

Frage: Herr Mertzlufft, könnten Sie die "Operation Kleeblatt" einmal erläutern? Woher kommt das?

Merzlufft: Das können Herr Teschke und ich gerne gemeinsam machen. Das ergibt sich sozusagen, wenn man die Blätter zählt, denn da sind die Minister, die Staatssekretäre und die Parlamentarischen Staatssekretäre dabei.

Teschke: Genau, vier!

Merzlufft: Das ist also ein regelmäßiges Format zwischen beiden Häusern. Ich würde sagen, ungefähr alle sechs Wochen treffen sich Innen- und Justizminister mit den Staatssekretären, und dann wird sozusagen über anstehende gewichtigere politische Fragen beraten. Manchmal geht es um das Verfahren, zum Beispiel um die Frage: Hängt irgendwo etwas, vielleicht sogar im Parlament nach einer Kabinettsbefassung? Manchmal geht es um Fragen auf der Arbeitsebene, wenn auf Ressortebene die normale Ressortbefassung stattfindet. In diesem Fall Herr Seibert hat ja darauf hingewiesen ist in der Ressortabstimmung jetzt einmal formal betrachtet ein Änderungsantrag übermittelt worden, über den sich unser Haus nicht so glücklich gezeigt hat ich habe ja versucht, das in hoffentlich diplomatische Worte zu kleiden , und heute Abend findet eben ein Routinetreffen statt, in dem dann auch diese Fragen angesprochen werden.

Zusatzfrage: Können Sie sich erinnern, wann das letzte Mal bei diesen Kleeblatt-Treffen über das Thema Vorratsdatenspeicherung gesprochen wurde? Wenn das alle sechs Wochen stattfindet, dann scheint mir das von Interesse zu sein.

Merzlufft: Erstens weiß ich es nicht, denn ich war nicht dabei, zweitens kann ich mich nicht erinnern und drittens würde ich, auch wenn ich dabei gewesen wäre und mich erinnern könnte, es auch nicht sagen; denn an dieser Stelle werden normale Arbeitsgespräche zwischen beiden Ministern eigentlich nicht kommuniziert. Es gab eine Vorabmeldung, dann wurde das ein bisschen hochgejazzt, nach dem Motto Sie kennen das ja alle viel besser als ich , das sei ein Krisengipfel, und Ihre Kollegen heute früh hatte ich etwa 25 bis 30 Anfragen im Büro wollten dann alle wissen, was denn da Aufregendes passiere. Das ist aber ein ganz normales, lang anvisiertes Routinetreffen. Es war schon angesetzt, als ich in den Urlaub gefahren bin; seit drei bis vier Wochen ist das bestimmt schon ausgemacht. Vielleicht war es sogar schon angesetzt, bevor das Vertragsverletzungsverfahren diese Stufe erreicht hat, ich weiß es aber nicht.

Zusatzfrage: Noch eine ganz kurze Nachfrage: Wer hat sich den Namen "Klettblatt-Treffen" einfallen lassen?

Merzlufft: Ich glaube, der ist geerbt.

Zusatzfrage: Geerbt?

Merzlufft: Ja, geerbt von Vorgängerregierungen.

Teschke: Ich meine, das kommt sogar noch aus der Zeit, als Herr Schäuble Innenminister war.

Frage: Eine kurze Frage an beide Ministeriumssprecher: Hat die Bundeskanzlerin mit ihrem Ressortchef oder ihrer Ressortchefin in den letzten Tagen über das Thema Vorratsdatenspeicherung gesprochen?

Merzlufft: Ich kann leider nur sagen: Auch wenn das der Fall gewesen wäre, würde ich das hier nicht kommunizieren; denn da gilt genau das Gleiche wie auch bei den Kleeblatt-Gesprächen. Da muss ich einfach um Verständnis bitten: Normalerweise ist es nicht Usus, dass wir hier in der Bundespressekonferenz so tief in den Stand der Ressortbesprechungen einblicken lassen.

Zuruf: Das sollten wir ändern!

Teschke: Da möchte ich mich aber ausdrücklich den Worten des BMJ-Sprechers anschließen.

Merzlufft: Na da haben wir doch einen Konsens.

Frage: Herr Mertzlufft, Sie hatten vorhin darauf rekurriert, dass Sie in einer früheren Antwort gesagt hatten, dass das Gespräch mit der Kanzlerin in dieser Sache sehr gut gewesen sei. War das das Gespräch vor vier Wochen, auf das Sie Bezug genommen haben?

Merzlufft: Ich habe mich selbst zitiert und darauf hingewiesen, dass ich an der Stelle gesagt habe das waren, glaube ich, damals meine Worte , dass es ein gutes Gespräch am Rande des Kabinetts war.

Zusatzfrage: Aber das Gespräch, hinsichtlich dessen Sie sich jetzt selbst zitiert haben, war das Gespräch vor vier Wochen? Es hätte ja auch ein Gespräch heute Morgen am Rande des Kabinetts sein können.

Merzlufft: Nein, nein. Ich habe mich an der Stelle selbst zitiert wahrscheinlich nicht auf Ihre Frage.

Frage: Herr Teschke und Herr Mertzlufft, rechnen Sie denn damit, dass das Kleeblatt heute Abend einem Ihrer Häuser Glück bringt und Sie heute Abend eine Lösung finden?

StS Seibert: Dann müsste es ja ein vierblättriges sein.

Teschke: Das Kleeblatt ist ja nicht vierblättrig.

Zusatzfrage: Das ist ja völlig egal rechnen Sie für heute Abend mit einer Lösung oder nicht?

Teschke: Wir gehen erwartungsvoll in dieses Gespräch hinein und werden hören, ob es Kritik oder schwerwiegende Punkte gibt, die die Justizministerin an der jetzt EU-Rechts-konformen und bundesverfassungsgerichtskonformen Vorlage finden kann.

Zusatzfrage: Auf Deutsch: Sie rechnen also nicht mit einer Lösung?

Teschke: Man soll sich immer auch überraschen lassen.

Merzlufft: Ich will Ihnen jetzt keinen Einblick in meinen privaten Terminkalender geben, aber ich werde heute Abend auf jeden Fall nicht kommunizieren, wie die Gespräche gelaufen sind.

Ich glaube, das Wichtige ist, dass man konstruktiv im Gespräch bleibt und dass man, wenn man unterschiedlicher Auffassung ist, Respekt vor den unterschiedlichen Auffassungen zeigt und trotzdem versucht, im Gespräch zu bleiben, um ein Ergebnis hinzubekommen.

Frage: Eine Frage an das Bundesverkehrsministerium zum Thema Führerschein mit 16: Dazu ist ein Vorschlag aus der CDU gekommen, der aber vom Verkehrsminister sehr schnell vom Tisch gewischt worden ist. Die Idee ist, die Mobilität von jungen Leuten vor allem in ländlichen Regionen zu verbessern. Vielleicht können Sie einmal die Haltung des Ministers dazu deutlich machen? Warum diese schnelle Antwort?

Moosmayer: Der Minister hat sich dazu heute schon selbst geäußert. Er hat gesagt, dass er es aus verkehrspolitischer Sicht nicht für sinnvoll erachtet, dass man sehr gute Erfahrungen mit dem begleiteten Fahren mit 17 gemacht hat, das ja auch erst vor Kurzem bundesweit eingeführt worden ist, und dass darüber hinaus keine weiteren Regelungen erforderlich sind. Er hat auch darauf hingewiesen, dass es zum Beispiel Überlegungen und Pilotprojekte gibt, die Altersgrenze für das Mopedfahren in ländlichen Räumen herabzusetzen, sodass man den Mopedführerschein schon mit 15 machen kann. Das wird in einigen Bundesländern gerade testweise durchgeführt. Darüber hinaus sehen wir auch schon aus Sicherheitsgründen keine Notwendigkeit, weiter an den Altersgrenzen zu drehen.

Zusatzfrage: Gerade diese Mopedgeschichte war ja ein Argument für diesen Vorschlag, da das Mopedfahren gerade im Winter sehr viel gefährlicher ist als Autofahren. Ist es nicht doch eine Idee, darüber einmal zu reden?

Moosmayer: Es gibt viele gute Ideen und man kann auch darüber reden. Morgen gibt es ja auch die Verkehrsministerkonferenz der Länder, dort wird mit Sicherheit auch darüber gesprochen werden. Aus unserer Sicht ist dazu heute aber alles gesagt worden. Wir sehen eben keine Notwendigkeit, Änderungen vorzunehmen, und möchten es erst einmal bei den schon durchgeführten Änderungen mit dem begleiteten Fahren mit 17 belassen.

Frage: Frau Moosmayer, haben Sie oder Ihr Haus vielleicht einen Überblick darüber, wie viele Menschen bisher an dem begleiteten Fahren mit 17 teilgenommen haben, seit das eingeführt worden ist? Können Sie ein bisschen konkreter sagen, was die positiven Ergebnisse sind, die man aus den Pilotversuchen gezogen hat?

Moosmayer: Ich kann gerne versuchen, die Zahlen nachzureichen; dazu gibt es sicherlich Statistiken, die ich jetzt nicht dabei habe.

Was das andere betrifft: Der Hintergrund war, dass man Verkehrsanfänger eben nicht alleine auf die Straße loslässt, sondern mit einem erfahrenen Begleiter ausstattet. Das bedeutet ja, dass jemand daneben sitzt, der schon mindestens drei Jahre lang fährt, keine Punkte in Flensburg hat und ein erfahrener Teilnehmer am Straßenverkehr ist, der dann gewährleistet, dass diese ersten Fahrversuche quasi unter Aufsicht stattfinden. Das hat sich sehr bewährt; die Unfälle in dieser Altersgruppe sind seitdem sehr zurückgegangen. Von daher hat man das jetzt auch bundesweit eingeführt. Die Regeln kann ich gerne noch einmal erläutern, aber das steht auch bei uns im Internet. Man kann auch nicht irgendwen daneben setzen, sondern man muss vorher jemanden anmelden, der dann auch eine vertrauenswürdige Person ist usw. usf. Das hat sich eben sehr bewährt.

Frage: Herr Kotthaus, wie sieht Ihr Minister den Vorschlag des FDP-Chefs und Wirtschaftsministers im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz 2013, die gesetzliche Frist zur Aufbewahrung steuerlich relevanter Belege der Unternehmen zu verändern?

Kotthaus: Bei dem Thema Aufbewahrungsfristen gibt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die alle nicht komplett und einfach in Übereinstimmung gebracht werden können. Es sind Fragen von Verjährungsfristen zu bedenken, es sind Fragen der Steuerprüfung zu bedenken, es sind die Fragen zu bedenken, wie man Steuerhinterziehung bekämpft, was für Kosten damit einhergehen, ob Unternehmen ihre Abschlüsse sowieso schon archiviert haben und Ähnliches mehr. Da befinden wir in einer Diskussion darüber, wie diese verschiedenen Interessen und Wünsche in Übereinstimmung gebracht werden können.

Die Frage, die sich jetzt zunächst stellt, ist: Ist es optimal, das im Jahressteuergesetz unterzubringen, oder wäre es vielleicht nicht ein besserer Weg, das im Rahmen der Überarbeitung der Unternehmensbesteuerung zu machen? Sie wissen ja, dass es ein Zwölf-Punkte-Projekt gibt, um auch dort zu modernisieren und zu überarbeiten. Das müssen wir jetzt sehen. Da sind wir jedenfalls im Dialog, um eine Lösung zu finden. Die Hauptfrage ist im Augenblick eben: Ist es optimal, das im Jahressteuergesetz unterzubringen? Denn normalerweise ist das für kleine Stellschrauben ja sehr technisch. Wahrscheinlich wäre es systematisch günstiger, diese Fragen mit in die Überarbeitung der Unternehmensbesteuerung, an der wir ja sitzen, aufzunehmen.

Zusatzfrage: In diesem Zusammenhang auch eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Stimmt es denn, dass der Minister in diesem Zusammenhang mit einer Blockade des Jahressteuergesetzes 2013 gedroht hat?

Rouenhoff: Wie Sie wissen, hat das BMWi in einer Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2013 gegenüber dem BMF darum gebeten, die Verkürzung der Fristen zur Aufbewahrung von steuerlich relevanten Unterlagen auf fünf Jahre aufzunehmen. Herr Kotthaus hat gerade bereits angemerkt, dass es Diskussionen über dieses Thema gibt. Diesen Diskussionen möchte ich jetzt natürlich nicht vorgreifen.

Frage: Herr Schäfer, eine Frage zum Thema Proteste in Bahrain: Wie besorgt ist die Bundesregierung über die anhaltenden Proteste in dem Land im Vorfeld des Formel-1-Rennens?

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erhebt schwere Foltervorwürfe gegen das bahrainische Regime. Hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse in dieser Hinsicht?

Schäfer: Die Bundesregierung beobachtet den nach wie vor schwelenden innenpolitischen Konflikt in Bahrain aufmerksam und mit einiger Sorge. Sie wissen sicher aber ich wiederhole es noch einmal , dass die Bundesregierung, vertreten durch ihre Botschaft in Manama, den terroristischen Anschlag der vergangenen Woche, bei dem sieben bahrainische Polizisten zum Teil schwer verletzt wurden, verurteilt hat. Sie wissen auch, dass wir seit Langem an die Sicherheitskräfte und auch an die oppositionellen Gruppen in Bahrain appellieren, alles zu tun, um weitere Gewalt zu vermeiden und zu verhindern.

Für die Bundesregierung steht fest, dass sich eine politische Stabilität in Bahrain nur über grundlegende Reformen und mehr politische Partizipation für alle Bevölkerungsgruppen erreichen lassen wird. Der Weg dahin führt nur über einen ernsten und offenen nationalen Dialog. Die Vorschläge und Empfehlungen der sogenannten Bassiouni-Kommission genau dazu, nämlich zu einem ernsthaften innenpolitischen Dialog, liegen seit Monaten auf dem Tisch. Die Bundesregierung begrüßt es, wenn diese nun zügig und im Wege eines ernsthaften und konstruktiven Dialogs in die Tat umgesetzt würden.

Zusatzfrage: Und die Foltervorwürfe?

Schäfer: Ich habe dazu über das hinaus, was ich Ihnen gesagt habe, jetzt gar nichts beizutragen. Mir persönlich sind keine Erkenntnisse darüber bekannt. Ich nehme Ihre Frage aber zum Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung das ist ja bereits vom Menschenrechtsbeauftragten, Herrn Löning, in den letzten Tagen öffentlich gemacht worden weiterhin den kritischen Zustand eines bekannten Menschenrechtsaktivisten, nämlich Abdulhadi al-Khawaja, mit großer Besorgnis beobachtet. Dies haben wir nachdrücklich wiederholt und auch gemeinsam mit unseren EU-Partnern gegenüber der Regierung Bahrains mehrfach deutlich gemacht. Wir rufen jetzt die Regierung dazu auf, dringend eine humanitäre Lösung für diesen Fall zu finden. Dazu gehört auch, dem dänischen Botschafter möglichst schnell konsularischen Zugang zu Herrn Khawaja zu gewähren.

Zusatzfrage: Es werden viele deutsche Formel-1-Fans nach Bahrain reisen wollen. Gibt es in Ihrem Ministerium aufgrund der Proteste, die ja noch andauern, irgendwelche Pläne für eine Reisewarnung für Bahrain?

Schäfer: Die Reisehinweise, so wie sie sich auf der Webseite des Auswärtigen Amtes befinden, sind so, wie sie sind; denen habe ich gar nichts hinzuzufügen. Selbstverständlich werden das Auswärtige Amt und die Botschaft die Lage vor Ort beobachten. Wenn sich Anhaltspunkte oder das Bedürfnis oder die Notwendigkeit ergeben, die Reisehinweise anzupassen, so werden wir das selbstverständlich unverzüglich tun.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 18. April 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/04/2012-
04-18-regpk-breg.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012