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PRESSEKONFERENZ/414: Regierungspressekonferenz vom 11. Mai 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 11. Mai 2012
Regierungspressekonferenz vom 11. Mai 2012

Themen: Gesetz zum Abbau der kalten Progression, Termine der Bundeskanzlerin (DFB-Pokalfinale, EU-Projekttag an Schulen, Zukunftsdialog mit Jugendlichen, Antrittsbesuch des französischen Staatspräsidenten François Hollande, Kabinettssitzung, Empfang des afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karsai, 98. Deutscher Katholikentag, G8-Gipfel und Nato-Gipfel in den USA)
weitere Themen: Personalie, Vorsitz der Eurogruppe, Betreuungsgeld, Regierungsbildung in Griechenland, Petition des Deutschen Bauernverbandes zur Reduzierung des Flächenverbrauchs in Deutschland, Gesetzentwurf zur Solarförderung, Äußerungen des amerikanischen Präsidenten zur gleichgeschlechtlichen Ehe, Vorratsdatenspeicherung, Reisefreiheit in Europa, Zukunft der Opel-Standorte

Sprecher: StS Seibert, Mertzlufft (BMJ), Wolf Albin (BMJ), Kotthaus (BMF), Peschke (AA), Steegmans (BMFSFJ), Stamer (BMU), Beyer (BMI), Schneid (BMWi)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen eine Stellungnahme der Bundesregierung zu der Sitzung des Bundesrates heute Morgen mitteilen: Die Bundesregierung nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression nicht zugestimmt hat.

Mit diesem Gesetz strebt die Bundesregierung den Abbau heimlicher Steuererhöhungen an. Sie hält das aus Gründen der Steuergerechtigkeit auch unverändert für geboten. Sie hält die vorgesehene Erhöhung des Grundfreibetrages sogar für verfassungsrechtlich zwingend. Es besteht aus unserer Sicht Handlungsbedarf, und deswegen ist es aus unserer Sicht weder gegenüber den betroffenen Bürgern noch gegenüber dem Verfassungsrecht verantwortbar, die vorgesehenen Änderungen zu verzögern. Aus diesem Grunde wird die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen. Sie wird in der nächsten Kabinettssitzung am 16. Mai einen entsprechenden Beschluss fassen.

Jetzt komme ich, wie immer freitags, zu den öffentlichen Terminen der Bundeskanzlerin in der nächsten Woche.

Ausnahmsweise beginne ich schon einmal mit Morgen, Samstagabend: Im Berliner Olympiastadion findet um 20 Uhr das DFB-Pokalfinale statt, und die Bundeskanzlerin schaut sich das auch an.

Am Montag findet zum sechsten Mal der EU-Projekttag an Schulen statt. Sie werden sich erinnern: Dieser EU-Projekttag geht auf eine Initiative der Bundeskanzlerin zurück und wurde zum ersten Mal im Jahre 2007, zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, durchgeführt. Aus diesem Anlass besucht die Kanzlerin am Montag zwischen 14.30 Uhr und 16 Uhr die Friedensburg-Oberschule in Berlin-Charlottenburg. Das ist eine Europaschule mit deutsch-spanischem Schwerpunkt. Dort wird es eine Diskussion mit Schülerinnen und Schülern geben, und zwar rund um das Thema: Was erwarten die Schülerinnen und Schüler von der Europäischen Union? Im gleichen Auftrag werden auch andere Minister und auch der Regierungssprecher an diesem Montag Schulen besuchen.

Am Dienstag setzt die Kanzlerin ihren Zukunftsdialog fort, diesmal mit Jugendlichen. Es gibt im Bundeskanzleramt ab 13 Uhr eine Jugendkonferenz mit 50 Schülerinnen und Schülern im Alter von 12 bis 17‍ ‍Jahren. Sie kommen aus fünf Schulen in Berlin, Hamburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Für diese Diskussion sind 90 Minuten vorgesehen. Sie schließt sich an die drei Bürgergespräche an, die in Erfurt, Heidelberg und Bielefeld in den Monaten Februar und März bereits stattgefunden haben. Auch die Vorschläge der Jugendlichen fließen in den Zukunftsdialog ein und werden auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Für diejenigen, die nicht selber journalistisch vor Ort sein können: Die Diskussion wird im Internet unter bundesregierung.de oder unter dialog-ueber-deutschland.de auch live gestreamt.

Am Dienstagabend um 18.30 Uhr begrüßt die Bundeskanzlerin den neuen französischen Staatspräsidenten François Hollande mit militärischen Ehren zu seinem Antrittsbesuch hier bei uns in Deutschland. Es ist ein sehr starkes Zeichen, das der französische Präsident da setzt, gleich am Tage seiner Amtseinführung noch zu seiner ersten Auslandsreise nach Deutschland zu reisen. Die Bundeskanzlerin freut sich auf eine enge, eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem neuen französischen Präsidenten. Sie ist sich sicher, dass die enge bewährte Abstimmung mit Frankreich auch weiterhin die Grundlage sein wird, um Europa Wohlstand, Frieden und Demokratie dauerhaft zu sichern. Es wird im Anschluss an das Gespräch natürlich auch eine gemeinsame Pressebegegnung geben; zu der laden wir Sie noch gesondert ein.

Am Mittwoch, dem 16. Mai, findet wie immer um 9.30 Uhr die Sitzung des Bundeskabinetts unter Leitung der Bundeskanzlerin statt.

Am Mittwochmittag um 12 Uhr empfängt sie den afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karsai zu einem Gespräch im Kanzleramt. Das Gespräch dient natürlich vor allem auch der Vorbereitung des anstehenden Nato-Gipfels in Chicago sowie eines weiteren Gipfeltreffens im Juli in Tokio über den zivilen Aufbau Afghanistans. Gegen 13.15 Uhr unterzeichnen die Kanzlerin und der afghanische Präsident ein bilaterales Kooperationsabkommen, das die zukünftige Zusammenarbeit der beiden Länder regelt. Es wird anschließend eine gemeinsame Pressekonferenz geben.

Am Freitag, dem 18. Mai, nimmt die Bundeskanzlerin ab 12 Uhr in Mannheim am 98. Deutschen Katholikentag teil, der in diesem Jahr unter dem Motto "Einen neuen Aufbruch wagen" steht. Die Kanzlerin wird konkret an einer Podiumsdiskussion zu dem Thema "Aufbrüche in eine(r) Gesellschaft des langen Lebens. Welche Chancen bietet der demografische Wandel?" teilnehmen.

Gleich anschließend bricht die Bundeskanzlerin in die USA auf. Sie nimmt am 18. und 19. Mai in Camp David am G8-Gipfel und am 20./21. Mai in Chicago an dem schon angesprochenen Nato-Gipfel teil. Gestern in ihrer Regierungserklärung hat sich die Bundeskanzlerin ja zu den Erwartungen und Vorhaben auf diesen beiden Gipfeltreffen ausführlich geäußert. Für Ihre journalistische Vorbereitung bieten wir wie immer auch ein Briefing zu diesen Gipfeln an, und zwar am Mittwoch, dem 16. Mai, um 15 Uhr hier in der Bundespressekonferenz mit den beiden Abteilungsleitern im Kanzleramt Herrn Röller und Herrn Heusgen.

Vorsitzender Leifert: Dann gibt es einen neuen Kollegen, den uns Herr Mertzlufft vorstellen möchte.

Merzlufft: Ich gebe einfach ganz schnell das Wort an meinen neuen Kollegen weiter.

Albin: Schönen guten Tag, mein Name ist Wolf Albin, ich bin neu in der Pressestelle des Bundesjustizministeriums. Meine Stationen vorher - wenn das jemanden kurz interessiert - waren: Bundespräsidialamt, Bundestagsmitarbeiter, dann seit 2011 Redenschreiber für Frau Leutheusser-Schnarrenberger und jetzt kürzlich in die Pressestelle berufen. - Danke.

Vorsitzender Leifert: Vielen Dank!

Frage (zum Gesetz zum Abbau der kalten Progression): Ich lese heute in einer großen deutschen Wirtschaftszeitung etwas von Überlegungen auf Länderseite, die Themen Steuerentlastungen, Fiskalpakt, Steuerabkommen mit der Schweiz und Erneuerbare-Energien-Gesetz alle in ein großes Paket zu packen und darüber in Kürze Verhandlungen aufzunehmen. Sind solche Gedanken, solche Initiativen schon an die Bundesregierung beziehungsweise an das Finanzministerium herangetragen worden? Ist so etwas überhaupt vorstellbar? Denn dabei gibt es ja durchaus auch Punkte, die zeitsensibel sind.

Kotthaus: Sie haben jetzt immer Herrn Seibert und mich angeguckt - von wem wollten Sie denn eine Antwort?

Zusatz: Ich weiß nicht, wer von Ihnen beiden zuständig ist.

StS Seibert: Ich kann Überlegungen von Länderseite, von denen Sie gelesen haben, hier nicht kommentieren. Die Bundesregierung neigt dazu, die Themen nach ihrem sachlichen Wert für sich zu behandeln und zu beurteilen.

Vorsitzender Leifert: Herr Kotthaus, möchten Sie das noch ergänzen?

Kotthaus: Ich finde eigentlich, dass das eine sehr schöne Antwort ist; ich weiß nicht genau, wie ich das noch ergänzen soll. - wir empfinden weiterhin, dass die Bekämpfung der kalten Progression eine wichtige Priorität hat, und es ist uns weiterhin ein wichtiges Anliegen, eigentlich ungewollte Steuererhöhungen, die die Bürger zahlen müssen, zu vermeiden. Das Gesetz ist ja, wie Sie wissen, zum Teil auch verfassungsrechtlich geboten. Wir werden uns dafür also sicherlich engagieren. Aber alle Überlegungen von Ländern, über die Sie in den Zeitungen lesen, kann ich genauso wenig kommentieren wie der Regierungssprecher.

Zusatzfrage: Nichtsdestotrotz noch einmal ganz konkret gefragt: Ist an Sie, an die Bundesregierung, von Länderseite schon ein solches Ansinnen gestellt worden, in Verhandlungen über eine Zusammenfassung verschiedener offener finanzpolitischer Fragestellungen einzutreten, um diese zusammen anzugehen?

Kotthaus: Da müsste ich passen.

StS Seibert: Ich auch.

Frage (zum DFB-Pokalfinale): Herr Seibert, die Kanzlerin liebt ja bekanntlich die Politik in Optionen. Gehe ich recht in der Annahme, dass sie am Samstag für beide Mannschaften ist und es sozusagen am liebsten hätte, wenn der Pokal gleich doppelt verteilt wird? Oder traut sie sich, sich zu positionieren und zu sagen: Mein Herz schlägt schwarz-gelb oder rot?

StS Seibert: Ich glaube, die Frage nach der Vereinsvorliebe der Kanzlerin geht wirklich zu tief in den persönlichen Bereich, als dass ich hier antworten könnte. Sie hofft, wie wir alle, auf ein gutes, spannendes Spiel. Beide Seiten, beide Vereine haben in dieser Saison schon sehr viel erreicht.

Zusatzfrage: Sie will sich also nicht festlegen?

StS Seibert: Ich will mich nicht festlegen.

Frage (zum Antrittsbesuch von François Hollande): Der Bundesaußenminister hat heute Eckpunkte eines Wachstumspakts für Europa im Bundestag in einer Regierungserklärung vorgestellt. Wird das die Grundlage sein, auf der die Bundesregierung mit Herrn Hollande in Gespräche über eine den Fiskalpakt ergänzende Wachstumskomponente eintritt? Ist dieses Papier, sind diese Vorstellungen Frankreich oder den anderen EU-Partnern schon zugeleitet worden? Wie ist das weitere Umgehen mit diesen Eckpunkten, wo wird das eingespeist, wann wird das entschieden?

StS Seibert: Ich möchte grundsätzlich zu der Begegnung am Dienstag sagen, Herr Heller, dass das natürlich kein Entscheidungstreffen, sondern ein Kennenlerntreffen ist, eine erste Begegnung über das bisherige kurze Gespräch am Wahlabend hinaus, um mit dem französischen Staatspräsidenten in aller Ausführlichkeit seine Vorstellungen zu Fiskaldisziplin, zu Wachstumsimpulsen, zu Beschäftigungsimpulsen zu diskutieren und ihm die deutschen Überzeugungen auf dieser Seite darzulegen - wie auch darzulegen, was aus unserer Sicht Europa bereits auf den Weg gebracht hat, seit das Thema Wachstum seit Ende letzten Jahres eben auch auf europäischer Ebene eine ganz besondere, starke Rolle spielt.

Zusatzfrage: Dann bleibt vielleicht die Frage an das Auswärtige Amt: Wie sieht hinsichtlich der Eckpunkte, die Herr Westerwelle heute illustriert hat, jetzt das weitere Vorgehen aus?

Peschke: Zu Ihrer ersten Frage: Ja, das ist die Grundlage, das ist die Haltung der Bundesregierung, die in die Gespräche zu den verschiedenen Aspekten, wie Wachstumsimpulse gesetzt werden können, ohne in das Generieren eines neuen schuldenfinanzierten Wachstums einzusteigen, eingebracht wird.

Zum Zweiten: Das wird natürlich in den verschiedenen Gremien, die es gibt, in bilateralen Gesprächen und in den europäischen Diskussionen eingebracht - da, wo es hingehört -, um die Debatte voranzutreiben. Der nächste Großtermin diesbezüglich ist ja das informelle Treffen der Staats- und Regierungschefs am 23. Mai. Im Vorlauf dazu gibt es natürlich zahlreiche Vorbereitungstreffen und Absprachen zwischen Regierungen in Europa. In all diesen Foren werden die Gedanken und Vorschläge der Bundesregierung eingespeist.

Zusatzfrage: Ich möchte noch einmal zum Charakter nachfragen: Sind das Eckpunkte, die quasi nur eine Diskussionsgrundlage bieten, oder sind das Punkte, die sich nach Auffassung der Bundesregierung unbedingt in einem solchen Wachstumspakt wiederfinden lassen sollten? Sind diese Punkte also verhandelbar oder nicht verhandelbar?

Peschke: Das ist eine Positionierung der Bundesregierung, die Eingang findet in unsere Gesprächsführung bei diesen Treffen. Das sind Punkte, von denen wir uns vorstellen könnten, dass sie in einem Wachstumspaket, in einem Wachstumspakt erscheinen sollten. Das sind ja auch Dinge, die sich zum Teil - auch auf unser Drängen - schon in der Diskussion befinden. Zum Beispiel wurden ja die ersten Besprechungen über den mittelfristigen Finanzrahmen der Europäischen Union, also die Finanzplanung der Europäischen Union ab 2014, begonnen. Da sind wir seit Längerem dabei, darauf zu drängen, dass es eine Wachstumsorientierung der europäischen Ausgaben gibt. Ein weiterer Punkt - der Bundesaußenminister hat es heute im Namen der Bundesregierung im Deutschen Bundestag vorgetragen - ist das "better spending". Da gibt es einen Aktionsplan, den die Bundesregierung gemeinsam mit anderen - sozusagen "like-minded" - europäischen Ländern in den europäischen Beratungsprozess eingespeist hat - meines Wissens beim letzten Allgemeinen Rat. Das sind also Dinge, die bereits laufen.

Wie immer ist das Ergebnis der europäischen Diskussionen dann natürlich ein europäisches Ergebnis, ein Ergebnis, das auf Grundlage der europäischen Beratungen und einer Kompromissfindung erzielt werden muss. Dieses Ergebnis kann ich Ihnen zur jetzigen Stunde natürlich nicht vorhersagen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert, auch im Zusammenhang mit dem Treffen von Herrn Hollande: Frankreich und Spanien werden nach Einschätzung der EU-Kommission im nächsten Jahr die Defizitgrenzen verfehlen; das dürfte ja auch Thema sein. Wie sieht die Bundesregierung diese Entwicklung? Sieht sie da im Zusammenhang mit der Euro-Rettung einen neuen Handlungsbedarf?

StS Seibert: Das ist eine Prognose, die wir zur Kenntnis genommen haben. Es ist natürlich in jedem Land möglich, politische Maßnahmen zu ergreifen, um gegenzusteuern und die Defizitsituation zu verbessern. Das ist, wie Sie sagen, eines der Themen, die sowohl bei dem Gespräch der Bundeskanzlerin mit Herrn Hollande als auch bei allen anderen europäischen Gesprächen, die zu dem großen Europäischen Rat Ende Juni hinführen, im Mittelpunkt stehen wird, richtig. Ich kann den Gesprächen aber nicht vorgreifen und Ihnen sagen, wie darüber gesprochen wird.

Frage: Wird bei diesem Treffen die Frage des Nachfolgers von Jean-Claude Juncker als Vorsitzendem der Eurogruppe diskutiert? Wie ist da der Stand der Dinge? Eine direkte Frage: Wird es Herr Schäuble?

StS Seibert: Das ist eine sehr direkte Frage. Ich habe Ihnen gesagt, was aus unserer Sicht die wesentlichen Themen des Abends sind. Das muss keine abschließende Liste sein, aber ich werde jetzt nicht weitere Gesprächsthemen festlegen, denn ich weiß nicht, ob sie kommen.

Frage: Nichtsdestotrotz, wenn wir hier schon den Namen Juncker angesprochen haben, noch einmal die Frage: Herr Kotthaus, wie ist der Stand der Dinge, wird bei der Eurogruppe in der kommenden Woche möglicherweise schon eine Entscheidung beziehungsweise zumindest eine Vorentscheidung fallen, wird man sich mit dieser Personalie der Spitze der Eurogruppe - vielleicht auch des ESM - befassen?

Kotthaus: Herr Heller, vielen Dank für die Frage. Das steht nicht auf der Tagesordnung.

Frage (zum Empfang des afghanischen Präsidenten): Herr Seibert, können Sie schon sagen, welchen Inhalts das bilaterale Kooperationsabkommen ist, können Sie also einige Schwerpunkte nennen?

StS Seibert: Es ist ein Abkommen, das, wenn ich es richtig verstehe, sozusagen die gesamte Breite der bilateralen Beziehungen behandeln soll und diese auf eine feste Grundlage stellen soll. Da geht es um Wirtschaftsfragen wie auch um Fragen der Zusammenarbeit auf anderen Gebieten. Ich kann Ihnen jetzt nicht ausführlich über dieses kommende Abkommen berichten. - Ich höre gerade, dass der Kollege vom AA das vielleicht noch ergänzen kann.

Peschke: Ich kann das noch ergänzen. In der Tat geht es in dem Abkommen um die gesamte Bandbreite der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan. So wie auch andere Staaten bilaterale Abkommen mit Afghanistan geschlossen haben, um ihr Engagement in Afghanistan auch nach 2014, also nach Abschluss der jetzigen Epoche unserer Engagements in Afghanistan zu spezifizieren, so wollen auch wir das tun. Da gibt es ja die sogenannte Transformationsdekade, so wie sie in Bonn vereinbart wurde, also ein Jahrzehnt, in dem wir uns weiter stark in Afghanistan für einen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel und Wiederaufbau engagieren wollen. Diese Transformationsdekade soll natürlich auch konkret durch deutsches Engagement in ganz verschiedenen Feldern begleitet werden. Im Wesentlichen wird in dem Abkommen eine Präzisierung des deutschen Engagements für diese Transformationsdekade ab 2014 vorgenommen werden. Das betrifft dann in der Tat alle Bereiche: unser Ausbildungsengagement, unser Engagement für den Wiederaufbau und unser Engagement für den gesellschaftlichen Wandel und die Entwicklung in Afghanistan.

Frage: Ich habe eine kurze Frage an Herrn Steegmans zum Betreuungsgeld. Ich möchte nach dem Zeitplan fragen, der heute in der "Süddeutschen Zeitung" mit "Anfang Juni Kabinett, Ende Juni Bundestag, innerhalb der nächsten vier Wochen Gesetzentwurf" beschrieben worden ist. Stimmt der, ja oder nein?

Steegmans: Ach, wenn die Fragen immer so leicht mit Ja oder Nein zu beantworten wären! Es ist so, dass wir nie einen Hehl daraus gemacht haben, dass der Gesetzentwurf bis zur Sommerpause vorliegen wird. Das kann ich nach wie vor reinen Herzens, aus tiefer Überzeugung und nach bestem Wissen und Gewissen so bestätigen. Was ich zurzeit nicht bestätigen kann, sind Einzelheiten, die heute in der "Süddeutschen Zeitung" berichtet werden. Ich nehme zu den Details, die dort berichtet werden, keinerlei Stellung. Ich dementiere sie aber auch nicht ausdrücklich.

Was in diesem Zusammenhang vielleicht wichtig ist, ist, dass es in der gesamten Debatte um das Betreuungsgeld eine politische Faustregel gibt, die auch für andere Debatten dieser Art gültig ist, aber hier sehr veranschaulicht wird: Je aufgeregter sich jemand äußert, desto weiter weg ist er normalerweise von den tatsächlichen Sachständen und Informationsflüssen. Ich habe zu Anfang dieser Woche schon einmal gesagt: Es gibt keinen Grund für Aufgeregtheiten. Zwischen den wesentlichen Akteuren ist seit Wochen und teilweise seit Monaten - ich hatte auch schon einmal auf die Einbindung von Frau Haderthauer im April hingewiesen - alles Wesentliche stets eng und vertrauensvoll besprochen worden. Wir haben die Perspektive hinsichtlich der Sommerpause nie ohne Grund genannt. Aber natürlich ist ein Gesetz immer erst dann fertig, wenn es fertig ist. Allein, was parlamentarische Termine angeht, wären wir als Bundesregierung auch gar nicht befugt, dem Deutschen Bundestag irgendwelche Terminvorgaben zu machen. Darüber entscheidet der Bundestag ausschließlich in eigener Zuständigkeit. Das wollen wir auch diesmal so halten.

Vorsitzender: Herr Steegmans, die Anwesenheit von Preisträgern von Schülerzeitungen gibt mir Gelegenheit, Ihnen noch einmal die Chance geben, zu erklären, was es bedeutet, wenn ein Sprecher eines Bundesministeriums eine Information weder bestätigt noch dementiert.

Steegmans: Das ist, liebe Redakteurinnen, liebe Redakteure, eine im politischen und medialen Geschäft gebräuchliche Floskel, die letztlich dem Journalisten die Freiheit lässt, in diese Aussage hineinzulesen, was er hineinlesen möchte. Zugegebenermaßen nehmen sich viele Journalisten diese Freiheit auch bei wesentlich dezidierteren Aussagen, aber in diesem Fall lässt die Aussage meinerseits eine gewisse Bandbreite an interpretativem Spielraum zu, und das ist auch sehr bewusst so.

Frage: Herr Seibert, hat die CSU der Kanzlerin als Regierungschefin denn signalisiert, dass sie das nächste Koalitionsaustreffen davon abhängig macht, dass ein Termin für einen Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld vorliegt? Sieht die Kanzlerin ein Problem darin, wenn der Gesetzentwurf noch nicht vor der Sommerpause verabschiedet werden würde? Fürchtet sie also eine mediale Diskussion über das Betreuungsgeld im Sommerloch?

StS Seibert: Es ist, wie wir es hier jetzt wirklich schon oft festgestellt haben, das klare Ziel der Bundesregierung, den Gesetzentwurf bis zur Sommerpause vorzulegen. Daran arbeitet sie, und dies, füge ich hinzu, mit Hochdruck. Deswegen stellen sich keine weiteren Fragen nach Furcht. Es gibt keine Furcht im Zusammenhang mit einem Projekt, von dem die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin überzeugt sind.

Zusatzfrage: Das ist die eine Frage gewesen. Die andere war: Hat die CSU schon an die Kanzlerin herangetragen, dass sie sich erst dann im Rahmen eines Koalitionsgipfels treffen wird, wenn der Entwurf vorliegen wird?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier nichts über Koalitionsausschusstreffen sagen, die noch gar nicht anberaumt sind; das ist auch nicht meine Rolle als Regierungssprecher. Wir sagen Ihnen: Es bleibt bei dem Zeitplan, dass federführend vom BMFSFJ ein Gesetzentwurf bis zur Sommerpause vorgelegt werden wird. Das ist die unveränderte Absicht.

Zusatzfrage: Ich würde gerne noch auf die Situation in Griechenland zu sprechen kommen. Dort treffen sich heute Konservative und Sozialisten und werden dann am Abend mit den radikalen Linken reden. Dabei geht es letzten Endes darum, inwieweit die Griechen versuchen werden, das von ihnen sogenannte Spardiktat aufzulösen. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Griechen vielleicht im Zusammenhang mit dem Wachstumspakt entgegenzukommen, sodass es dort eine Regierung geben kann, die sich nicht dazu entscheidet, aus dem Euro auszusteigen?

Könnten Sie vielleicht noch einmal darlegen, nachdem Herr Schäuble gesagt hat, dass es jetzt nicht mehr das ganz große Problem sei, wenn Griechenland aus dem Euro aussteigen würde, wie die Kanzlerin darüber denkt?

StS Seibert: Erstens gibt es kein Spardiktat. Es gibt Vereinbarungen der europäischen Partner mit dem EU- und Euro-Mitgliedsland Griechenland. Deswegen weise ich diesen Begriff zurück.

Zweitens äußern wir uns nicht zu Einzelheiten der griechischen Regierungsbildungsversuche und werden auch keinen Einfluss darauf nehmen.

Drittens war es von Anfang an die Politik der Bundesregierung, Griechenland im Euro, in der Eurozone und als Mitglied der Eurozone zu stabilisieren, und an diesem Ziel hat sich aus unserer Sicht nichts verändert. Der Weg dafür steht klar vor den Augen aller Beteiligten. Dieser Weg ist gekennzeichnet durch zwei Griechenlandprogramme, durch eine in Milliarden ausgedrückte Solidarität und durch sehr schwere Eigenanstrengungen der Griechen. Einen anderen Weg, der zum gleichen Ziel der Stabilisierung Griechenlands im Euro führen könnte, sieht die Bundesregierung nicht.

Zusatzfrage: Heißt das, man sieht auch keine Möglichkeit, Sparauflagen im Nachhinein in irgendeiner Form zu ändern?

StS Seibert: Sie fragten nach dem Wachstumsprogramm. Natürlich ist Griechenland auch ein Land, an das man in Europa immer denkt, wenn man sich überlegt, wie man Wachstumsimpulse in den Ländern setzen kann, die sie am dringendsten brauchen, und wie man der ausufernden Jugendarbeitslosigkeit beikommen kann. Natürlich ist Griechenland ein Land, das auch von dem, was hinsichtlich dieser Gebiete auf europäischer Ebene beschlossen wird, betroffen sein wird. Natürlich sollen Programme und Projekte dann auch in Griechenland stattfinden - ebenso wie in anderen Ländern, die diese zusätzliche Unterstützung möglicherweise besonders nötig haben.

Zusatzfrage: Sind Änderungen an den Sparauflagen für die Bundesregierung nicht möglich?

StS Seibert: Die Bundesregierung steht zu dem, was gemeinsam mit Griechenland vereinbart worden ist, also zwischen der Troika auf der einen Seite und der griechischen Regierung auf der anderen Seite.

Kotthaus: Wenn ich zwei Dinge ergänzen darf: Das sehr komplexe, umfassende Programm, das dafür geeignet ist, Griechenland wirtschaftlich wieder zu gesunden und es ihm langfristig auch möglich zu machen, an die Finanzmärkte zurückzukehren, in dem Wort "Spardiktat" oder "Sparprogramm" zusammenzufassen, ist zwar medial knallig, aber inhaltlich Quatsch. Man muss einfach einmal sagen, dass sich das Programm danach ausrichtet, zwei Dinge anzugehen, nämlich zum einen die überhöhte Verschuldung, die abgebaut werden muss, damit gegenüber den Finanzmärkten wieder Vertrauen geschaffen wird. Zweitens sind die Reformprogramme in Griechenland dafür geeignet, das Land wieder wettbewerbsfähiger zu machen und Wachstum zu generieren. Diese beiden Dinge sind also immer enthalten.

Das Programm - das darf man auch nicht vergessen - kommt ja nicht aus heiterem Himmel oder ist jetzt aus irgendeiner Ecke gezaubert worden, sondern es ist ein Programm, das über viele Wochen und Monate hinweg in intensiver Arbeit von IWF, EZB, der Kommission und den Griechen erarbeitet worden ist, also punktspezifisch, um auch die Probleme des Landes anzugehen, die daraus resultieren, dass während sehr vieler Jahre viele Programme und Reformen nicht angegangen worden sind.

Zweitens haben Sie jetzt gesagt, der Minister habe etwas zu einem Austritt gesagt. Der Minister hat in dem Interview ausdrücklich gesagt: Keiner will, dass Griechenland die Eurozone verlässt! Wenn man sich anschaut, was wir in den letzten Jahren gemacht haben, dann sieht man, dass es immer nur um eine Sache ging, nämlich Griechenland in der Eurozone zu behalten, das Land zu stabilisieren und Solidarität einzubringen, damit es eine langfristige positive wirtschaftliche Perspektive für Griechenland gibt. Er ist dann auch gefragt worden, was denn ungefähr passiert sei, und er hat einfach darauf verwiesen, dass wir in den letzten Jahren sehr viel gemacht haben, um die Eurozone als Ganzes zu stabilisieren. Ich möchte an dieser Stelle also höflich darauf hinweisen, dass man etwas komplexere Aussagen nicht in einem knalligen Wort zusammenfassen möge. Es wird dadurch nicht richtiger, und es werden dadurch zum Teil auch Ängste ausgelöst, die nicht gerechtfertigt sind. Wir bemühen uns mit aller Kraft, Griechenland in der Eurozone zu behalten. Wir bemühen uns mit aller Kraft, Griechenland zu stabilisieren. Das ist das Ziel aller Aktionen der letzten Jahre. Aber eines muss man natürlich auch sagen: Im Endeffekt sind es die Griechen, Griechenland und die griechische Regierung, die das eben umsetzen müssen. Das können wir nicht für sie machen.

Frage: Diese Aussage kann man natürlich auch als eine offene Drohung an Griechenland interpretieren. Beinhaltet die Aussage, dass der Schritt zu einer Eurozone auch ohne Griechenland sehr schnell gemeistert werden könnte - abgesehen von den politischen Folgen, die ein solcher Schritt haben würde -, dass man auch die finanziellen Kosten berechnet hat? Gibt es solche Studien, in denen die Kosten eines Austritts eines Landes für die Eurozone berechnet wurden, oder ist das nur eine politische Aussage?

Kotthaus: Ich glaube, die wichtigste Aufgabe der Politik in diesen Zeiten ist es, alle Zuspitzungen zu vermeiden. Daran arbeiten wir. Sie spielen, glaube ich, auf die legendären Theorien von Plan B, C, D oder E an. Darauf liegt nicht der Fokus. Wir arbeiten daran, Griechenland zu stabilisieren. Wir arbeiten daran, die Eurozone so zu behalten, wie sie ist. Das Einzige, was wir sagen, ist: Dazu gehören eben immer beide Seiten, also auf der einen Seite die internationalen Partner, die Eurostaaten, der IWF und die anderen, die ihre Verpflichtungen eingegangen sind, und auf der anderen Seite genauso Griechenland, das auch seine Hausaufgaben machen muss. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Frage: Herr Kotthaus, widersprechen Sie also nicht der Interpretation, dass die Ausführungen von Herrn Schäuble so zu verstehen sind, dass die Eurozone ein Ausscheiden Griechenlands verkraften würde?

Kotthaus: Der Minister hat gesagt: Der Euro ist eine starke Währung. Er hat darauf hingewiesen, dass wir in den letzten zwei Jahren sehr viel dafür getan haben, um diese Eurozone weiter zu stabilisieren. Er hat gleichzeitig klargemacht, dass er nicht über irgendwelche Dinge spekuliert, die hier vorangetrieben werden, und dass es als Ziel aller Aktionen in den letzten zwei Jahren eben darum ging, dass wir Griechenland in der Eurozone halten wollen und es stabilisieren wollen. Andere Interpretationen sind Ihre Sache. Aber darum geht es nicht, sondern das Ziel ist es, dass wir gemeinsam den Euro, die Eurozone und eben auch Griechenland stabil halten.

Zusatzfrage: Also kein Widerspruch? Das Interview ist ja auch mit "Euro notfalls ohne Athen denkbar" überschrieben. Dem widersprechen Sie damit also nicht.

Kotthaus: Noch einmal: Ich kann nichts für Überschriften eines Interview. Ich habe Schwierigkeiten damit und weigere mich auch, jetzt Spekulationen darüber anzustellen, was wann, wo und wie wäre. Das hat auch keinen Sinn. Was wir sicherlich innerhalb der letzten zwei Jahre gemacht haben, ist, die Eurozone eben so stark zu stabilisieren, wie es möglich gewesen ist. Das ist die Hauptaufgabe, die ich gerade genannt habe. Die Politik muss sich immer darum bemühen, Zuspitzungen zu verhindern. Wir haben sicherlich die Teile in der Eurozone, für die man vom Konstruktionsprinzip her noch Verbesserungsbedarf bestehen sah, massiv verbessert. Das ist eine Tatsache. Das ist so. Nichtsdestotrotz muss das oberste Ziel immer sein, alle Zuspitzungen und alle Eventualitäten zu vermeiden. Daran arbeiten wir. Das ist unser Ziel.

Frage: Herr Seibert, geht die Bundesregierung davon aus, dass nach diesen Wahlen unter diesen Umständen eine Regierung in Griechenland gebildet werden wird, oder hat man in der ganzen Kalkulation auch das Szenario von Neuwahlen im Auge?

StS Seibert: Wir können doch als Bundesregierung gar nichts anderes tun, als genau mitzuverfolgen und zu betrachten, wie sich die griechischen Parteien bemühen, eine tragfähige, mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Wir können darauf weder Einfluss nehmen noch ist es besonders sinnvoll, wenn wir uns Gedanken darüber machen, was passiert, wenn Herr Venizelos oder Herr Tsipras nicht zum Zuge kommen sollten. Wir werden das abwarten müssen. Natürlich hoffen wir, dass am Ende dieses Prozesses eine tragfähige Mehrheit in Griechenland stehen wird, damit das Land auf internationaler Ebene mit einer klaren Stimme auftreten kann.

Zusatzfrage: Diese Frage ist auch für die ganz Eurozone wichtig. Wenn es in Griechenland zu Neuwahlen kommt, dann verschiebt das nämlich den ganzen Prozess der Regierungsbildung um mindestens einen Monat, also auf Mitte Juni. Inwiefern spielt das eine Rolle für das, was momentan in der Eurozone passiert und zu entscheiden ist?

StS Seibert: Das ist jetzt eine dieser Wenn-dann-Fragen, die ich an dieser Stelle eigentlich nie beantworte. Das will ich auch in diesem Fall so halten. Wir hoffen darauf, dass es möglich ist, in Griechenland bald eine tragfähige, mehrheitsfähige Regierung zu bilden.

Frage: Es gibt, wie Sie wissen, in Griechenland ein großes Problem: Die Rechnung der Troika geht nicht auf - egal, was dort unternommen wird, wie das Programm implementiert wird oder wie sich die Regierung bemüht. Es kommt nicht zu Stande. Die Defizite wachsen, die Arbeitslosigkeit wächst etc. pp. Offensichtlich stellt sich die Troika stur. Sie will nichts ändern an diesem Programm. Meine Frage lautet: Wird sich die Bundesregierung für den Fall, dass sich die neue griechische Regierung um eine Korrektur bemüht, unbedingt und bedingungslos auf die Seite der Troika stellen, oder wird sie bereit sein, Ihren Einfluss geltend zu machen, damit etwas geändert wird?

StS Seibert: Ich akzeptiere die Prämisse Ihrer Frage nicht. Sie sagen sehr fest, es sei doch offensichtlich, dass das nicht aufgehe. Das ist Ihre Behauptung, und die mache ich mir nicht zu Eigen. Das zweite Griechenlandpaket ist verabschiedet und gemeinsam beschlossen worden. Das zielt auf eine Stabilisierung bis zum Erreichen eines bestimmten Schuldenstandes von um die 120 Prozent - ich glaube, knapp darunter - bis zum Jahr 2020 ab. Ich werde mich im Mai 2012 nicht darauf einlassen, zu sagen, dass das nicht funktionieren wird. Es ist von Experten aufgestellt worden, die sich sehr lange und intensiv mit allen Facetten des griechischen Wirtschafts- und Finanzlebens befasst haben. Ich habe als Sprecher der Bundesregierung im Mai 2012 überhaupt keinen Anlass, das infrage zu stellen.

Frage: Die Realität ist so: Dieses Programm funktioniert einfach nicht. Die Linksradikalen werden bei einer Neuwahl wahrscheinlich mehr Stimmen erhalten. Die Situation ist jetzt sehr kompliziert. Was der Kollege gesagt hat, ist wahr. Sind Sie für eine Korrektur bereit, weil jetzt alle in Griechenland - die Konservativen, die Sozialdemokraten, alle - von einer Korrektur sprechen? Sind Sie bereit für eine kleine oder größere Korrektur? Dieses Programm für die Griechen funktioniert nicht, und sie wollen das Programm nicht.

StS Seibert: Das ist Ihr Kommentar. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, hier jetzt Kommentare zur innenpolitischen Situation in Griechenland auszutauschen.

Zuruf: Meine Frage ist: Sind Sie bereit - -

StS Seibert: Entschuldigung! Wenn ich kurz zu Ende sprechen darf: Ich habe das gesagt, was ich für die Bundesregierung zu sagen habe. Wir beobachten die Regierungsbildung in Griechenland und hoffen, dass es möglich sein wird, eine tragfähige, mehrheitsfähige Regierung zu finden. Mit dieser Regierung wird die Bundesregierung und werden alle anderen Euro- und EU-Partner natürlich ins Gespräch einsteigen, und zwar auf der Basis des gemeinsam Vereinbarten.

Frage: Herr Kotthaus, ich hoffe, Sie können mir noch bei einer Lernfrage helfen. Wir haben ja jüngst eine Überweisung des EFSF an Griechenland gehabt. Da steht noch eine Milliarde aus. Sie ist aber, wenn ich das richtig verstanden habe, schon genehmigt worden. Gibt es eigentlich Ende Juni eine weitere Auszahlung, die durch den alten Troika-Bericht noch abgedeckt ist und von daher fließen dürfte? Oder steht schon die Zahlung Ende Juni unter der Gefahr, dass, wenn die Troika bis dahin keine neue Mission zum Abschluss gebracht hat, dann nichts mehr fließen kann?

Kotthaus: Wir bemühen uns ja möglichst berechenbar zu sein. Deswegen gibt es auch einen Auszahlungsplan. Die 4,2 Milliarden Euro, die jetzt überwiesen worden sind, waren noch Teil der ersten Tranche, die nach der letzten Verabredung, der letzten Überprüfung, geflossen sind. Für Ende Juni ist eine zweite Tranche angesetzt. Dafür muss natürlich vorher eine Troika-Mission, eine Evaluierung, erfolgen.

Aber wir beide wissen, die Akte Auszahlungsplan ist Ende Juni. Wir haben da natürlich in der Vergangenheit auch Verschiebungen gesehen. Aber der Auszahlungsplan sieht eine zweite Tranche Ende Juni mit vorheriger Mission vor.

Zusatzfrage: In der gleichen Höhe? Wären das wieder 4,2 Milliarden Euro, die da anstünden?

Kotthaus: Geplant ist für Ende Juni eine zweite Tranche in Höhe von "roundabout" 4 Milliarden Euro.

Frage: Zwei kurze Fragen an das BMU zum Thema Flächenverbrauch und Ausgleichsregelung: Da gab es am Montag im Petitionsausschuss eine Petition des Deutschen Bauernverbandes, bezüglich der sich das Landwirtschaftsministerium, vertreten durch Herrn Staatssekretär Bleser, den Inhalt dieser Petition für die Bundesregierung quasi zu eigen gemacht hat. Ich wollte hören, ob das BMU diese Einschätzung teilt.

Stamer: Ich bleibe bei dem, was ich Ihnen schon gesagt habe. Für das Thema ist das BMELV zuständig, und das habe ich nicht zu bewerten.

Zusatzfrage: Die zweite Frage: Zum Thema Flächenverbrauch und Ausgleichsregelung hatte das Ihnen unterstellte Bundesamt für Naturschutz am Dienstag eine Pressekonferenz geplant, die kurzfristig abgesagt wurde. Wissen Sie als zuständiges Ministerium den Grund für diese Absage, und hat das Ministerium darauf Einfluss genommen?

Stamer: Das Bundesamt macht eigenständig und selbstständig seine Pressearbeit.

Vorsitzender Leifert: Die Zuständigkeit für das Thema liegt beim BMELV. Haben Sie noch Interesse, von Herrn Eichele etwas dazu zu hören?

Zusatz: Nein, die Haltung kenne ich. Ich wollte wissen, ob das BMU die Haltung teilt. Da (im Petitionsausschuss) gesagt wurde, die Regierung macht sich diese Inhalte zu eigen, wollte ich hören, ob das BMU, wenn das BMELV da für die Regierung spricht, vorher konsultiert worden ist und diese Einschätzung teilt.

Stamer: Wenn hier die Regierung angesprochen ist, dann würde ich die Frage gern an Herrn Seibert weiterreichen.

StS Seibert: Der jetzt zugeben muss, dass er in dieser Frage in diesem Moment nicht firm ist. Aber ich glaube, was die Zuständigkeit des Ressorts betrifft, hat Frau Stamer dazu bereits alles gesagt.

Frage: Herr Seibert, ich wüsste gern, ob die Bundeskanzlerin damit zufrieden ist, dass ihr Bundesumweltminister nicht in der Lage war, die CDU-Ministerpräsidenten im Bundesrat von seinem Plan zur Kürzung der Solarförderung zu (überzeugen).

StS Seibert: Als ich hier hereinkam, war die Entscheidung im Bundesrat noch nicht gefallen. Über nicht gefallene Entscheidungen würde ich jetzt ungern sprechen.

Zusatz: Dann darf ich es konkret machen. Bevor Sie in den Saal hereingekommen sind, hat der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt erklärt, er werde mit Nein stimmen.

Also dann reduziere ich die allgemeine Frage auf die konkrete Frage: Finden Sie, das ist ein Verhandlungserfolg des Bundesumweltministers, dass mindestens ein CDU-Ministerpräsident zum Regierungsplan mit Nein stimmen will?

StS Seibert: Der Tatsache, dass die Bundesregierung ein Gesetz zur Vergütung von Solarstrom, zur Anpassung, eingebracht hatte, können Sie entnehmen, dass dieses ein Gesetz ist, hinter dem die Bundesregierung steht und nicht nur ein Bundesminister. Der Bundesminister glaubt, sehr gute Argumente dafür zu haben, dass diese Maßnahmen vorgenommen werden. Jetzt werde ich den Bundesrat dennoch nicht kommentieren.

Zusatz: Es ist aber schon entschieden. Also die Entscheidung ist gefallen.

StS Seibert: Dann lese ich das nach, sobald ich hier herauskomme.

Frage: Herr Seibert, sieht die Bundeskanzlerin nach den Äußerungen von US-Präsident Obama eventuell die Notwendigkeit, bei der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partner in Deutschland irgendetwas zu ändern?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat diese Äußerungen von Präsident Obama zur Kenntnis genommen. Das ist eine rein innenpolitische amerikanische Angelegenheit, die ich hier nicht zu kommentieren habe. Was Deutschland betrifft, sieht die Bundesregierung derzeit keinen Änderungsbedarf an der geltenden Rechtslage.

Frage: Ich habe ja gelernt, dass die Bundesregierung dazu neigt, Themen nach ihrem sachlichen Wert zu bewerten. Herr Seibert, wie sieht es denn im Moment in der aktuellen Situation mit der Vorratsdatenspeicherung aus? Aus der FDP hört man bereits Freudenfeste, dass man da in den nächsten zwei Jahren nicht aktiv werden müsse. Die Kanzlerin hat ja vor, ich glaube, inzwischen sechs Wochen verlangt, dass sich die beiden Ressorts jetzt zusammenraufen sollten. Ist das eine Ansicht, die die Kanzlerin teilt?

StS Seibert: Das Zusammenraufen oder die angeblichen Freudenfeste, von denen Sie hören?

Zusatz: Die Auffassung der FDP, dass man in dieser Legislaturperiode keinen Handlungsbedarf mehr hat, was die Vorratsdatenspeicherung und die Umsetzung der EU-Richtlinie, die seit 2008 gilt, angeht.

StS Seibert: Diese Auffassung ist mir nicht bekannt. Für die Bundesregierung gilt, was seit geraumer Zeit gilt: Wir sind überzeugt, dass wir aus fachlichen wie aus rechtlichen Gründen eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr brauchen. Wir sind dazu aus unserer Überzeugung auch rechtlich verpflichtet. Die beiden zuständigen Ressorts sind intensiv bei der Arbeit, einen Weg zu finden, mit dem wir das erzielen können.

Zusatzfrage: Könnten die zuständigen Ressorts vielleicht einen groben Zeitplan umreißen, bis wann sie diesen gangbaren Weg gefunden haben wollen, Herr Beyer und Herr Mertzlufft?

Merzlufft: Ich habe da nichts Neues mitzuteilen.

Zusatzfrage: Haben Sie denn einen Anhaltspunkt für uns? Reden wir über Monate oder doch über Jahre? Wie ist es denn, wenn die Kanzlerin sagt, jetzt kommt mal zu Potte, und dann kommen Sie nicht zu Potte? Vielleicht hat die Regierung ja eine Meinung, bis wann man etwas vorlegen möchte.

StS Seibert: Ich werde Ihnen hier keinen Zeitplan nennen. Es ist uns dringend. Das Thema ist zügig zu behandeln, und es wird intensiv - wie ich gesagt habe - zwischen diesen beiden Ressorts besprochen. Das ist auch die Absicht der Bundeskanzlerin.

Zusatzfrage: Hält die Bundeskanzlerin es denn für akzeptabel, dass es in dieser Legislaturperiode zu keiner Einigung zwischen den beiden Ressorts kommt?

StS Seibert: Ich habe ja gerade die Auffassung und die Überzeugung der Bundesregierung dargelegt, dass eine Lösung gefunden werden muss - aus fachlichen wie aus rechtlichen und europarechtlichen Gründen.

Zusatzfrage: Ich habe ja nur versucht, es auf diese kleine zeitliche Beschränkung der nächsten anderthalb Jahre zu reduzieren, also auf diese Legislaturperiode. Sonst könnten Sie ja sagen: Die Kanzlerin macht das jetzt noch weitere neun Jahre, und am Ende ihrer Kanzlerschaft in neun Jahren wird es diese Regelung geben.

StS Seibert: Ich versuche gerade, nachzurechnen, wo wir in neun Jahren sind.

Zusatz: Tun Sie das besser nicht!

StS Seibert: Diese Bundesregierung hat einen Wählerauftrag bis zum Herbst 2013. Den erfüllt sie, und zunächst einmal plant sie bis zum Herbst 2013.

Frage: Herr Peschke, Minister Westerwelle hat heute im Bundestag seine Sorge über Renationalisierungstendenzen in Europa zum Ausdruck gebracht und in diesem Zusammenhang vor Einschränkungen der Reisefreiheit gewarnt. Hat er damit auch die Pläne von Innenminister Friedrich gemeint, das Schengen-Abkommen in bestimmten Fällen aufzuheben?

Peschke: Ich glaube, das müssten Sie weiter konkretisieren. Es gibt eine gemeinsame Haltung beider Ministerien, beider Minister, die wir europäisch vertreten, die Einhaltung der Reisefreiheit zu garantieren und in bestimmten Ausnahmefällen bestimmte Ausnahmemaßnahmen in den europäischen Prozess einzufüttern. Das ist eine Haltung, die, soweit ich es sehe, von der Bundesregierung in Gänze vertreten wird, die ein klares Ja, ein klares Bekenntnis zur Reisefreiheit in Europa ist und für die wir in Europa auch mit allem Nachdruck eintreten.

Zusatzfrage: Dann darf ich vielleicht umgekehrt fragen: Wen hat er denn gemeint? Das war mir nicht klar.

Peschke: Mit Renationalisierungstendenzen?

Zusatz: Ja.

Peschke: Ich glaube, das kann ich hier jetzt nicht in allen Einzelheiten nachzeichnen, aber wenn Sie sich die Debatten in Europa ansehen - die öffentlichen Debatten, die Debatten, die zum Teil auch von Politikern geführt werden, die veröffentlichten Debatten -, dann werden Sie feststellen, dass es in sehr vielen europäischen Ländern Stimmen gibt, Äußerungen gibt, die nationale Lösungen für Probleme aufzeigen möchten, die sich im Moment für uns alle stellen - sei es bei der Überwindung der Schuldenkrise, sei es bei der Überwindung anderer Probleme, zum Beispiel Problemen, die sich im Zusammenhang mit der Einwanderung oder mit der Globalisierung stellen. In diesem Zusammenhang sagt der Außenminister, dass Antworten auf diese Fragen, die sich für uns alle stellen, in der gegenwärtigen Zeit besser europäisch, und zwar gemeinsam, gefunden werden müssen und dass jedes europäische Mitgliedsland - und sei es das größte Mitgliedsland der Europäischen Union, also Deutschland - für sich genommen zu klein ist, um in der Globalisierung auf sich allein gestellt zu bestehen. Der Außenminister ist der Meinung, dass wir diese europäischen Antworten vielmehr gemeinsam finden müssen und dass alle Stimmen, die vorgaukeln möchten, dass Länder da alleine Antworten finden können - und da finden Sie genug Stimmen -, irregehen.

Beyer: Noch eine kleine Ergänzung, weil Sie uns in Ihrer Frage indirekt auch angesprochen haben: Ich kann das, was der Kollege vom Auswärtigen Amt eben gesagt hat, nur unterstreichen - da gibt es eine abgestimmte einheitliche Haltung der Bundesregierung. Sie sagten, der Bundesinnenminister hätte Vorschläge gemacht, um Ausnahmen aus dem Schengen-Abkommen abzuleiten. Ich möchte Sie nur bitten, dabei nicht Ursache und Wirkung zu verwechseln. Es gibt eine Initiative der Europäischen Kommission zur Weiterentwicklung des Schengener Abkommens. Darauf hat unter anderem der deutsche Innenminister und haben auch der französische, der spanische und andere Fachministerkollegen aus den Mitgliedstaaten reagiert und ihrerseits Vorschläge gemacht, wie man auf diesen Änderungsvorschlag der Kommission reagiert. Das war sozusagen der Vorlauf, der dort stattgefunden hat. Das nur noch einmal zur Einordnung.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium oder an die Bundesregierung - ich weiß es nicht genau - zu Opel: Nordrhein-Westfalen hat eine Initiative gestartet, um ein gemeinsames Vorgehen der Bundesländer mit Opel-Standorten zu erreichen. Was halten Sie von dieser Initiative? Ist das etwas, was von der Bundesregierung unterstützt oder flankiert werden kann? - Danke.

Schneid: Dazu liegen mir jetzt leider keine Erkenntnisse vor, aber ich reiche Ihnen das gerne nach.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 11. Mai 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/05/2012-05-11-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2012