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PRESSEKONFERENZ/426: Regierungspressekonferenz vom 25. Mai 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Freitag, 25. Mai 2012 - Mitschrift der Pressekonferenz
Regierungspressekonferenz vom 25. Mai 2012



Themen waren unter anderem: Termine der Bundeskanzlerin (Besuch der Bundesnetzagentur in Bonn und der Netzwarte in Brauweiler, Kabinettssitzung, Ostseeratsgipfel in Stralsund, Verleihung des Walther-Rathenau-Preises an den polnischen Ministerpräsidenten, Antrittsbesuch des neuen russischen Staatspräsidenten).
Weitere Themen waren: Informationskampagne der BZgA zum Tag der Organspende, Medienberichte über einen angeblichen Sechs-Punkte-Plan zur Wirtschaftsförderung für Euro-Peripheriestaaten, Bundesnetzplan, Betreuungsgeld, Leistungsschutzrecht, Frauenquote, iranisches Atomprogramm, Nabucco-Pipeline, Menschenrechtsverstöße in Aserbaidschan

Sprecher: StS Seibert, Albrecht (BMG), Peschke (AA), Kraus (BMWi), Kotthaus (BMF), Steegmans (BMFSFJ), Mertzlufft (BMJ), Flosdorff (BMAS)

Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin in der nächsten Woche beginnen nach dem Pfingstwochenende am Dienstag mit einem energiepolitischen Schwerpunkte in Nordrhein-Westfalen. Wie Sie wissen, ist der Netzausbau einer der ganz zentralen Punkte der Energiewende. Der Energiegipfel am vergangenen Mittwoch im Kanzleramt hat ja gezeigt, dass sich auch die Länder bei diesem wichtigen Thema ihrer Verantwortung bewusst sind und dass es sehr stark auf ein gutes Miteinander, eine gute Kooperation zwischen Bund und Ländern ankommen wird.

Dies ist sozusagen der Hintergrund, vor dem die Bundeskanzlerin am 29. Mai vor Ort sein wird. Sie wird zunächst von 11 bis 12.45 Uhr die Bundesnetzagentur in Bonn besuchen, begleitet von Bundesumweltminister Altmaier. Sie wird dort mit Vertretern der vier Übertragungsnetzbetreiber und natürlich der Bundesnetzagentur sprechen. Es geht um die Fragen des beschleunigten Netzausbaus. Konkret geht es um den ersten gemeinsamen Netzentwicklungsplan der vier Übertragungsnetzbetreiber das ist ein wichtiger Schritt für die weiteren Planungen hinsichtlich des Ausbaus der Stromnetze in Deutschland , um Netzintegration, um erneuerbare Energien und auch um Netzstabilität. Das sind die entscheidenden Themen, um die es dabei gehen wird. Es wird gegen 12.15 Uhr bei der Bundesnetzagentur in Bonn eine Pressekonferenz geben.

Anschließend wird die Bundeskanzlerin nach Brauweiler fahren das ist bei Köln und dort die Netzwarte Brauweiler des Übertragungsnetzbetreibers Amprion besichtigen. Von dort aus werden 11.000 Kilometer Höchstspannungsnetz in Deutschland kontrolliert. Sie will sich einen unmittelbaren Eindruck von den dortigen Tätigkeiten verschaffen. Es ist die mit Abstand größte Netzwarte in Europa. Es gibt dort natürlich auch Vertreter des Unternehmens Amprion, mit denen die Bundeskanzlerin über Fragen des Netzausbaus sprechen wird. Es wird auch dort ein Pressestatement der Bundeskanzlerin mit der Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, und zwar um 15.30 Uhr.

Am Mittwochvormittag wird, wie immer um 9.30 Uhr, die Sitzung des Bundeskabinetts unter Leitung der Bundeskanzlerin stattfinden.

Am Mittwoch wird um 18.30 Uhr der diesjährige Ostseeratsgipfel in Stralsund beginnen. Die Bundeskanzlerin wird die Regierungschefs ab 18.30 Uhr empfangen. Deutschland hat, wie Sie wissen, seit Mitte letzten Jahres für genau ein Jahr die Präsidentschaft des Ostseerates inne. Es werden neun Regierungschefs an diesem Ostseerat teilnehmen. Aus Russland wird der stellvertretende Ministerpräsident Schuwalow teilnehmen. Ministerpräsident Medwedew ist wegen des gleichzeitig stattfindenden GUS-Gipfels in Tadschikistan leider verhindert; das hatte er der Bundeskanzlerin auch persönlich angekündigt. Auch EU-Kommissionspräsident Barroso wird am Ostseeratsgipfel teilnehmen.

Es wird auch dabei um Fragen der Energiesicherheit im Ostseeraum gehen. Es wird um den demografischen Wandel gehen, der fast alle der teilnehmenden Länder doch stark betrifft. Es gibt ein Presseprogramm, das den genauen Ablauf des Gipfels aufzeigt und auf das ich Sie gerne hinweise. Sie finden es auf der CvD-Seite im Internet. Wir werden hier, in der Bundespressekonferenz, auch ein Briefing mit dem außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin, Herrn Heusgen, durchführen, und zwar am Dienstag um 15 Uhr. Dann wird der stellvertretende Regierungssprecher Streiter hier sein. Sie sind natürlich herzlich eingeladen.

Am Donnerstagvormittag wird dann noch der Ostseeratsgipfel in Stralsund stattfinden. Er wird mit einer Pressekonferenz der Bundeskanzlerin gegen 12.30 Uhr enden.

Am Donnerstagnachmittag wird die Kanzlerin zurück in Berlin sein und den Walther-Rathenau-Preis an den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk verleihen. Das heißt konkret ausgedrückt: Sie hält die Laudatio zur Verleihung des Walther-Rathenau-Preises. Das Ganze findet in der Repräsentanz der Deutschen Bank statt. Mit dem Preis ehrt das Walther-Rathenau-Institut, das natürlich den Preis verleiht, Ministerpräsident Tusk unter anderem für sein starkes europapolitisches Engagement und für seine Verdienste um die Vertiefung der europäischen Einigung, ganz besonders während der ersten polnischen Ratspräsidentschaft 2011.

Am Freitag, den 1. Juni, steht der Antrittsbesuch des neuen russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin in Berlin an. Die Bundeskanzlerin wird Staatspräsident Putin um 12 Uhr mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen. Anschließen werden sich ein Gespräch im Rahmen eines Mittagessens und im Anschluss daran gegen 13.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz. - Das war's!

Albrecht: Auch ich möchte gerne auf einen Termin hinweisen. Sie wissen, dass der Bundestag in diesen Stunden mit breiter Mehrheit die Neuregelung der Organspende beschlossen hat. Das macht uns sehr froh, weil wir glauben, dass wir mit dieser Entscheidungslösung die Spendebereitschaft in der Bevölkerung erhöhen können. Wichtig ist für uns vor allen Dingen die Information. Deswegen mache ich den Hinweis: Am 2. Juni, also am nächsten Sonnabend, wird ja zum 30. Mal der bundesweite Tag der Organspende stattfinden. In diesem Zusammenhang wird in Münster am 31. Mai gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Bahr eine Informationskampagne der BZgA gestartet werden. Der Titel dieser Kampagne lautet "Organpaten werden". Damit wollen wir unseren Teil dafür tun, dass das Gesetz zügig umgesetzt wird.

Frage: Herr Seibert, ist (der Besuch der Bundesnetzagentur) ein weiteres Zeichen dafür, dass Frau Merkel die Energiewende zur Chefsache machen möchte, oder ist das gar nicht so?

StS Seibert: Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass sich die Bundeskanzlerin wie von Anfang an ganz persönlich um die Fortschritte bei der Erreichung dieser nationalen Aufgabe kümmert, was der Tatsache überhaupt keinen Abbruch tut, dass die beiden im Wesentlichen zuständigen Minister der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesumweltminister im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit natürlich ebenso intensiv bei der Sache sind. Den Bundesverkehrsminister möchte ich in diesem Zusammenhang nicht zu erwähnen vergessen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert oder das Wirtschaftsministerium. Der "Spiegel" berichtet über einen Sechs-Punkte-Plan zur Wirtschaftsförderung für die Euro-Peripheriestaaten, unter anderem durch die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen mit Niedrigsteuern. Können Sie einmal sagen, woher dieses Papier stammt, was das ist, was daran ist und was Sie davon halten?

StS Seibert: Ich kann Ihnen nicht sagen, woher Papiere stammen, die der "Spiegel" in seinen Händen zu halten glaubt. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Bundesregierung im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit intensiv darüber nachdenkt wie alle anderen europäischen Partner auch , wie Wachstumsimpulse und Impulse für Beschäftigung in den Ländern, die derzeit sehr stark unter der Krise leiden, gesetzt werden können. Dies ist erstens ein Auftrag des Europäischen Rates, dem wir alle nachkommen. Zweitens hat es bei den gestrigen Gespräch mit der Opposition das haben Sie ja gehört auch die Einigung gegeben, dass die Bundesregierung noch einmal konkret darlegen und schriftlich vorlegen wird, was sie an Wachstumsimpulsen erarbeiten will.

Sie können sich das nun also so vorstellen, dass das Bundeswirtschaftsministerium, das dabei sehr stark federführend ist, nun die übrigen Ressorts dazu einlädt, darüber nachzudenken, und zum gemeinsamen Gespräch und zu Abstimmungen über mögliche Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung einlädt. Das ist das, worum es sich handelt. Es geht um die Abstimmungsarbeit hinsichtlich solcher Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung, bevor sich Regierung und Opposition dann zum Beispiel zur Diskussion über dieses Thema zusammensetzen, dies auch mit dem Ziel, es wieder in europäische Kanäle einbringen zu können. Der Europäische Rat Ende Juni in Brüssel soll ja auf diesem Gebiet konkrete Beschlüsse erbringen.

Zusatzfrage: Heißt das, Sie können die Existenz dieses Sechs-Punkte-Papiers so bestätigen, wie darüber berichtet worden ist?

StS Seibert: Nein. Ich sage, dass ich bestätigen kann, dass sich die Bundesregierung intensiv am Nachdenken über Wachstums- und Beschäftigungsimpulse und am Erarbeiten konkreter Pläne dafür beteiligt. Details werde ich hier jetzt weder kommentieren noch bekannt geben.

Zusatzfrage: Aber auch nicht dementieren?

StS Seibert: Ich kommentiere sie nicht, und ich gebe sie nicht bekannt.

Frage: Herr Seibert, gehört zu diesem Nachdenken denn auch das Nachdenken über die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen?

StS Seibert: Das Nachdenken muss natürlich ein breites Nachdenken sein; das ist doch ganz klar. Einzelne Details kann ich hier nicht bestätigen und auch nicht kommentieren.

Frage: Herr Kotthaus, gibt es in diesem Zusammenhang Erkenntnisse, was die Umsetzung der Anforderungen der EU und der Troika an Griechenland in Bezug auf Reformschritte angeht? Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet da einiges. Gibt es Erkenntnisse, dass diese Reformschritte stocken oder gar zum Erliegen gekommen sind? Was hat das für Auswirkungen auf mögliche weitere Geldzahlungen?

Kotthaus: Jetzt fragen Sie nach dem gleichen Thema. Ich bin da schmerzfrei, das muss der Vorsitzende entscheiden.

Zuruf: Diesen Zusammenhang stellte auch die Bundesregierung her.

Kotthaus: Darf ich trotzdem noch ein Wort zu dem vorherigen Thema dem Wachstumspapier, den Wachstumspapieren oder was immer das auch ist sagen? In der Frage ist eine Sache enthalten gewesen, die man vielleicht einmal ganz abstrakt hinterfragen muss: Steuerermäßigungen und Sonderwirtschaftszonen dürften innerhalb der EU schwierig werden. Dabei gibt es einfach beihilferechtliche Dinge zu beachten; aber das einfach einmal ganz abstrakt gesagt, abgesehen von irgendwelchen Papieren, was auch immer der "Spiegel" vorliegen hat.

Zu Griechenland: Wir alle hier im Raum wissen, dass in Griechenland zurzeit eine Übergangsregierung existiert. Das ist auch der Grund, aus dem der IWF die Gespräche momentan erst einmal nicht weiterführt. Ich kann keine seriöse Aussage darüber machen, ob das stockt oder ob das nicht stockt. Normalerweise sind in Phasen wie der jetzigen allgemein nicht unbedingt die dynamischsten Entwicklungen in Ländern in Bezug auf Reformmaßnahmen zu erwarten. Aber ich kann dazu momentan keine seriöse Aussage machen.

Es wird, wie Sie wissen, vor der Auszahlung der nächsten Tranche eine Troika-Mission in Griechenland geben. Die muss dann schauen, was passiert ist, was nicht passiert ist, was fehlt, wo nachgesteuert oder wo auch nicht nachgesteuert werden muss. Erst dann kann man eine seriöse Aussage machen. Hier und jetzt bin ich dazu mangels Fakten nicht in der Lage. Wir kennen die gleichen Berichte, die Sie gelesen haben. Ich kann sie nicht verifizieren, und ich kann sie nicht falsifizieren.

Zusatzfrage: Gestern haben Sie ja im Kanzleramt mit den Partei- und Fraktionschefs sehr intensiv über Wachstumsmaßnahmen gesprochen. Es soll auch um das Thema Griechenland und den Austritt aus der Eurozone gegangen sein. Stimmt das?

StS Seibert: Nein, das ist ausdrücklich zurückzuweisen. Ich weiß, dass das eine Zeitung heute geschrieben hat. Das ist falsch. Dieses Thema hat gestern keine Rolle gespielt.

Frage: Ich bin inzwischen ein bisschen irritiert, weil es so viele Papiere der Bundesregierung zum Wachstum gibt. Ich möchte das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium fragen, ob diese Vorschläge, von denen wir heute im "Spiegel" lesen, in irgendeinem dieser Papiere dieser beiden Häuser ich erinnere mich an eine Sechs-Punkte-Regierungserklärung des Außenministers und an 16-Punkte-Programme aus dem Hause des Wirtschaftsministeriums vorkommen?

Zu Griechenland, wenn es schon angesprochen worden ist, Herr Kotthaus: Hat Griechenland nach Ihrem Dafürhalten zumindest die finanzielle Möglichkeit, eine Verschiebung der Troika-Mission um wenige Wochen auszuhalten, ohne gleich kaputtzugehen? Das Problem ist nämlich offenbar ein zeitliches, und zwar in Bezug auf die Gründung einer neuen, handlungsfähigen Regierung nach dem 17. und diese Troika-Mission. Gibt es für Griechenland noch irgendwelche zeitlichen Spielräume?

StS Seibert: Wenn ich vorher ganz kurz etwas sagen darf, obwohl ich nicht angesprochen bin: Ich finde, Sie sollten froh sein, dass die Bundesregierung mit all ihren verfügbaren Kompetenzen die sind nun einmal auch auf unterschiedliche Ressorts verteilt über das Thema der Wachstums-, Beschäftigungs- und Förderimpulse nachdenkt. Wir werden es natürlich sowohl gegenüber der Opposition im nächsten Gespräch, das geplant ist als auch und vor allem gegenüber unseren europäischen Partnern schaffen, dies zu einem Vorschlag oder zu einem Paket von Vorschlägen zu bündeln, das dann für die gesamte deutsche Bundesregierung vorgelegt werden wird.

Zusatz: Herr Seibert, das bin ich ja auch. Ich verliere nur den Überblick!

StS Seibert: Am Ende wird sich dieser Überblick ganz einfach ergeben. Ich wollte den Kollegen hier jetzt nicht vorgreifen, aber das das wollte ich nur grundsätzlich sagen.

Peschke: Ich hätte es nicht schöner als der Regierungssprecher sagen können. Ich erkenne Ihre Verwirrung jetzt auch nicht so richtig. Staatssekretär Seibert hat zu dem "Spiegel"-Bericht gesagt, was zu sagen ist. Dem habe ich natürlich nichts hinzuzufügen.

Ansonsten verweise ich Sie auf die Regierungserklärung, die der Außenminister für die Bundesregierung vor eineinhalb Wochen abgegeben hat. Darin ist alles laut, deutlich und klar benannt worden. Diese Dinge werden eingespeist; mehr ist dazu zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu sagen.

Kraus: Zur Sicht des Wirtschaftsministeriums: Das 16-Punkte-Papier Sie haben es ja gerade schon angesprochen ist in der Tat ein Vorschlag aus unserem Haus dazu, wie man das Wachstum in Europa stärken kann. Dabei ist vor allem zentral, dass sich nachhaltiges Wachstum nicht über noch höhere Staatsdefizite, Staatseingriffe oder auch eine zu expansive Geldpolitik erkaufen lässt. Das BMWi ist vielmehr der Auffassung, dass die strukturellen Bedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung weiter verbessert werden müssen. Diese Vorschläge werden natürlich auch in den Prozess einfließen, den wir für das Wachstumspapier oder das Wachstumspaket anführen, das jetzt gemeinsam innerhalb der Bundesregierung erarbeitet wird.

Zusatzfrage: Um ganz platt zu fragen: Sind die Vorschläge, die wir im "Spiegel" lesen, Teil dessen, was im Moment im Wirtschaftsministerium in diesen Papieren fixiert worden ist? Ich habe sie nicht ganz in Erinnerung.

Kraus: Die zentralen Punkte unseres Papiers hatte ich ja eben dargelegt.

Zusatzfrage: Sind das vielleicht weniger zentrale Punkte, Herr Kotthaus?

Kotthaus: Ich finde es toll, wie Sie aus einer kurzen Vorabmeldung ganze Papiere herauslesen; das ist ja schön.

Zur Frage mit Griechenland: Sie kennen den Emissionskalender. Der sah ursprünglich vor, dass die zweite Tranche Ende Juni fällig werden würde. Soweit mir bekannt ist, gibt es aber keinen aktuellen Finanzbedarf externer Art bis über die Hälfte des Jahres hinaus, sodass ich das, was Sie gerade sagten eine Verschiebung um wenige Wochen , als unproblematisch ansehe, zumindest nach meinem Kenntnisstand, ohne jetzt Grieche sein zu können.

Frage: Ich habe noch eine ganz kurze technische Frage an Herrn Kotthaus, weil der EU-Rat ja tatsächlich erst Ende Juni stattfinden wird: Ist es denn technisch unbedingt notwendig, über den ESM schon in der letzten Juniwoche, also möglicherweise vor dem EU-Rat, abzustimmen? Besteht die Möglichkeit technischer Art, auch in der ersten Juliwoche abzustimmen, falls sich die Opposition bis dahin vielleicht noch davon überzeugen lässt, oder wäre das für den ESM schon zu spät?

Kotthaus: Wir streben an, den ESM vor der Sommerpause durchzubekommen. Der ESM soll laut Vertragsgestaltung am 1. Juli operativ sein. Damit er am 1. Juli operativ sein würde, hätte man ihn vorher ratifizieren müssen. Aber da muss man, wie gesagt, einfach einmal schauen. Angestrebt ist ein Termin vor der Sommerpause, idealerweise der 1. Juli.

Frage: Herr Seibert, gestern spielte in den Gesprächen mit der Opposition ja auch der Altschuldentilgungsfonds eine Rolle. Wie stellt sich die Regierung denn zu diesem Vorschlag, der ja auch vom Sachverständigenrat unterstützt wird?

StS Seibert: Ich glaube, man muss ganz genau lesen, was der Sachverständigenrat zu diesem Thema geschrieben hat. Der Sachverständigenrat schrieb nämlich:

"Die Voraussetzung für die Implementierung eines präventiven und effektiven Staatsinsolvenzregimes ist jedoch, dass im Moment seiner Einrichtung alle Staaten dessen Anforderungen erfüllen. Um diesen Ausgangszustand zu erreichen, muss zunächst die übermäßige staatliche Verschuldung in allen Ländern der Eurozone auf unter 60 Prozent abgebaut werden."

Das ist also laut Sachverständigenrat eine Vorbedingung für eine solche Schuldentilgungslösung. Auf der Seite der Bundesregierung ergeben sich rechtliche Bedenken, ob eine solche gemeinschaftliche Haftung für Altschulden den europäischen Verträgen entspricht. Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken. Das muss geprüft werden. Auch die Frage, ob ein solcher Fonds problematische Anreize setzt, muss geprüft werden.

Kotthaus: Ich kann dazu noch ergänzen: Es gibt mittlerweile unter dem Begriff "Altschuldentilgungsfonds" viele Modelle. Man muss tatsächlich immer ganz genau differenzieren, von welchem Modell man spricht. Es gibt die Modelle, die Herr Seibert gerade geschildert hat. Es gibt die Modelle, dass man im Wesentlichen die Altschulden "earmarked" und sich einem gemeinsamen Abbaupfad verschreibt, den jeder individuell leistet, sowie andere Untervariationen mehr. Deswegen ist es etwas schwierig, die Frage zu beantworten, was man zu einem Altschuldentilgungsfonds sagt. Dafür gibt es einfach mittlerweile zu viele Varianten auf dem Markt.

StS Seibert: Wenn ich das noch ganz kurz sagen darf: Es ist ja gestern Einigkeit zwischen der Bundesregierung und den Vertretern der Opposition erzielt worden, dass man rechtliche Fragen bis zum nächsten gemeinsamen Treffen am 13. Juni klärt also im Kreis mit der Bundeskanzlerin und dass man noch inhaltliche Fragen klärt. Dieses gehört auch zu den klärenden rechtlichen Fragen.

Zusatz: Ich habe den Vorschlag der Opposition so verstanden, dass gerade die Schulden über 60 Prozent in diesen Altschuldentilgungsfonds gegeben werden. Es macht ja keinen Sinn, zu warten, bis alle unter 60 Prozent sind. Das ist ja im Moment nicht absehbar.

StS Seibert: Weil Sie sich auf den Sachverständigenrat bezogen, habe ich Ihnen gesagt, was der Sachverständigenrat zu dem Thema in seinen Empfehlungen schreibt. Ansonsten bleibe ich dabei: Es ist darüber gesprochen worden. Es ist vereinbart worden, dass sich beide Seiten der rechtlichen Prüfung dieser Frage noch einmal nähern. Das wird dann gemeinsam besprochen werden.

Frage: Ich habe nicht verstanden, ob das Konzept Sonderwirtschaftszonen wieder Bestand hat. Ich erinnere mich daran, dass dieses Konzept in dem 16-Punkte-Programm des Wirtschaftsministeriums und auch getrennt im Programm der Wirtschaft enthalten war, aber dann fallengelassen worden ist, weil es, wie ein Vertreter der Wirtschaft erklärt hat, negative Assoziationen im Sinne von neokolonialistischen Vorhaben hervorruft. Ich wollte fragen, ob das tatsächlich wieder im Gespräch ist. Wenn ja, welche Überlegungen haben dazu geführt?

StS Seibert: Sie bringen uns jetzt ein bisschen zurück an den Punkt, an dem wir vor zehn Minuten waren. Ich habe gesagt: Die Bundesregierung und die verschiedenen Ressorts, die zuständig sind, erarbeiten konkrete Vorschläge für Wachstums- und Beschäftigungsimpulse. Diese Vorschläge werden erstens der Opposition in Deutschland vorgelegt. Sie werden zweitens vor allem in den europäischen Prozess eingebracht, damit es Ende Juni in Brüssel gute Beschlüsse gibt. Weder zu Vorabmeldungen noch zu Details von noch zu erarbeitenden Vorschlägen will und werde ich hier Stellung nehmen.

Frage: Da Herr Kotthaus das eben nur zart angedeutet hat: Warum wäre es denn zum Beispiel problematisch vielleicht können Sie das etwas detaillierter beschreiben , wenn man über eine Sonderwirtschaftszone diskutierte, steuerliche Vorteile zu gewähren? Ist das EU-wettbewerbsrechtlich problematisch? Das habe ich noch nicht verstanden. Vielleicht können Sie das ergänzen.

Kotthaus: Doch, Sie haben es verstanden. Es war wirklich nur eine zarte Andeutung, ohne auf irgendwelche Papiere im Detail eingehen zu wollen. Nur weil gerade der Kollege den Aspekt Steuern einwarf, habe ich genauso zart angedeutet, dass es genau in dem Punkt etwas trickreicher werden könnte. Das nur als kleinen Hinweis.

Frage: Wissen Sie, ob Präsident Rajoy bei dem Treffen am Mittwoch um Hilfe der EZB in Sachen Schuldenkrise gebeten hat? Glauben Sie, dass Spanien letztlich auf den europäischen Mechanismus zur Unterstützung der Banken zurückgreifen muss?

StS Seibert: Die Sitzungen des Europäischen Rates, auch die informellen Abendessen, sind vertraulich. Deswegen berichte ich nicht daraus. Bezüglich spanischer Regierungspolitik müssten Sie natürlich die spanische Regierung und nicht den deutschen Regierungssprecher fragen.

Ich kann nur wiederholen, und zwar mit Überzeugung wiederholen, was unsere Haltung gegenüber der spanischen Regierung und ihrer Politik ist, die sich auch zuletzt bei dem bilateralen Treffen von Herrn Rajoy und Bundeskanzlerin Merkel in Chicago sehr deutlich ausgedrückt hat: Wir haben große Anerkennung und großen Respekt für den sehr anspruchsvollen und schwierigen Reformweg, auf den sich die spanische Regierung gemacht hat. Wir wünschen ihr Glück, und wir unterstützen sie dabei.

Kotthaus: Das Konzept, das die Spanier bei dem letzten Treffen der Eurogruppe vorgestellt haben, schien uns sehr überzeugend.

Frage: Herr Kotthaus, gibt es denn Geld aus dem Bundeshaushalt zur Kapitalaufstockung bei der Europäischen Investitionsbank? Ich glaube, es müssten zwei Milliarden Euro fließen, wenn man den Plan umsetzte, das Eigenkapital um zehn Milliarden Euro zu erhöhen.

Kotthaus: Es gibt eine Diskussion in Brüssel sie ist, glaube ich, auch Teil der Diskussion am Mittwoch gewesen ist und wird sicherlich weiter fortgesetzt werden , ob eventuell eine Möglichkeit wäre, wie man Wachstum unterstützen kann, das Kapital der EIB aufzustocken. Diese Diskussion wird geführt, ist aber bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Daher macht es momentan wenig Sinn, sich Gedanken über den Bundeshaushalt zu machen, weil die Diskussion schlicht und ergreifend noch nicht in diesem Stadium ist.

Frage: Der italienische Regierungschef Monti hat die Frau Bundeskanzlerin, Herrn Hollande und Herrn Rajoy zu einem Spitzentreffen nach Italien eingeladen. Welche Erwartungen verbindet die Bundesregierung mit diesem Treffen?

StS Seibert: Zunächst einmal müssen wir einen gemeinsamen Termin für dieses Treffen finden. Genau das ist gerade in der Mache. Die Bundesregierung und die anderen Partner versuchen, einen gemeinsamen Termin zu finden, damit die Bundeskanzlerin dann nach Rom reisen kann.

Vorsitzender Leifert: Herr Seibert, Sie hatten noch etwas nachzutragen.

StS Seibert: Ich habe etwas nachzutragen. Das betrifft die beiden Bundesminister, die die Bundeskanzlerin bei ihrer energiepolitischen Reise nach Nordrhein-Westfalen begleiten. Bei der ersten Veranstaltung, dem Termin bei der Bundesnetzagentur in Bonn, wird die Bundeskanzlerin von den beiden Ministern Altmaier und Rösler begleitet. Bei der zweiten Veranstaltung, dem Besuch der Netzwarte Brauweiler des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, wird sie nur noch vom Bundesumweltminister begleitet.

Frage: "Besuch" ist ein gutes Stichwort. Ich muss noch einmal auf etwas zurückkommen. Dieser neue Bundesnetzplan ist ja eine wichtige Geschichte. Wird er schon am Dienstag vorgestellt? Es findet hier am Mittwoch eine Pressekonferenz der vier Netzbetreiber statt, die uns angekündigt wurde. Erfahren wir schon bei der Bundesnetzagentur Einzelheiten über die Frage, wie viele neue schöne Hochspannungsleitungen wir in diesem Land brauchen?

StS Seibert: Ich würde die Ressorts bitten, sich dazu zu äußern.

Kraus: Ich kann Ihnen nur sagen, dass der Bundesnetzentwicklungsplan nächste Woche vorgelegt wird; den genauen Tag kann ich Ihnen jetzt nicht nennen. Dort werden die vier Übertragungsnetzbetreiber den Bundesnetzentwicklungsplan vorstellen. Aufgrund dieser Basis wird dann der Bundesbedarfsplan gesetzt und das Gesetz entwickelt.

Frage: Eine Frage an das Familienministerium: Es geht um die Nachfrage nach dem aktuellen Stand in Sachen Betreuungsgeld. Steht der Termin 6. Juni? Wie weit ist die Ressortabstimmung?

Steegmans: Soweit mir bekannt, steht der Termin 6. Juni als Datum der Kabinettsbefassung nach wie vor. Wir sind mit unseren Arbeiten im Prinzip fertig. Die Ministerin hatte Mitte der Woche gesagt: so gut wie fertig. Heute kann ich sagen: Wir sind im Prinzip fertig. Die Ressortabstimmung startet in Kürze. Die Entscheidung, wann eine Ressortabstimmung erfolgt, ist nicht immer automatisch nur die alleinige Entscheidung eines Hauses. Insofern gibt es andere Beteiligte, die noch grünes Licht geben sollen.

Möglicherweise hängt das auch alles damit zusammen, dass verschiedene Medien in der Vergangenheit den Beweis angetreten haben, dass Regierungsarbeit ab dem Zeitpunkt des Beginns der Ressortabstimmung sehr transparent sein kann. Das mag für die Wahl des Zeitpunkts eine Rolle spielen, wann die Ressortabstimmung startet.

Zusatz: "So gut wie fertig" und "im Prinzip fertig" sind verschiedene Dinge.

Steegmans: "So gut wie fertig" heißt: Da gibt es noch kleine Restarbeiten zu erledigen. "Im Prinzip fertig" heißt: Wenn sich nicht noch kurzfristig Änderungsbedarf ergibt, sind wir fertig. "Wenn" muss ich immer sagen, denn ich bin nicht der einzige Beteiligte. Wenn Sie als Schüler einen Aufsatz abgeben, ist das relativ Ihre eigene Entscheidung. Wenn Sie aber in einem Ministerium eine Arbeit erledigen, wo auch andere Akteure mit im Spiel sind, können Sie immer nur den letztgültigen Stand wiedergeben. Einen gewissen Absolutheitsanspruch haben Sie auch als gut informierter Sprecher an der Stelle nie.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert zum Thema Leistungsschutzrecht, das im Koalitionsvertrag steht und auch am 4. März beim Koalitionsgipfel eine Rolle spielte. Die Bundeskanzlerin hat bei der CDU-MediaNight gesagt, dass da ein Riss durch ihre Partei gehe und auch noch einmal eine breite demokratische Debatte nötig sei. Wie ist der Stand der Dinge? Geht das vorwärts? Wird die Bundesjustizministerin dazu einen Entwurf vorlegen? Oder hat da ein Umdenken der Bundeskanzlerin stattgefunden?

StS Seibert: Über parteiinterne Diskussionen kann ich Ihnen naturgemäß nichts berichten. Die Worte der Kanzlerin stehen, glaube ich, für sich, wo sie sehr stark das Urheberrecht verteidigt hat. Ich denke, wir fragen einmal das Bundesjustizministerium, wie weit die Pläne sind.

Merzlufft: Wir arbeiten an dem Entwurf.

Zusatzfrage: Gibt es eine zeitliche Perspektive?

Merzlufft: Ich kann Ihnen im Moment keine nennen.

Frage: Es gibt eine Vorabmeldung eines Magazins, nach der die Kanzlerin sich im Hinblick auf die Frauenquote mit Herrn Seehofer auf eine flexible Frauenquote geeinigt habe, die im Gesetz stehen soll. Hat die Kanzlerin eine solche Positionierung getroffen?

Ich würde gerne vom Arbeitsministerium wissen, was das
Arbeitsministerium von dieser Einigung hält.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hatte in dieser Diskussion von vornherein eine Haltung, die sie auch heute noch hat und vertritt. Sie ist davon überzeugt, dass wir mehr Frauen in den Führungspositionen der großen Unternehmen in Deutschland brauchen. Es gibt drei Prozent Frauen in den Vorständen und 12 Prozent in den Aufsichtsräten der Unternehmen. Das kann nicht genügend sein. Es ist Zeit, dass die Unternehmen sich zu konkreten Selbstverpflichtungen und konkreten Zielen bekennen. Die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung möchte diese Möglichkeit geben, sich zu solchen spezifischen und selbst gesetzten Zielen zu bekennen. Es ist aber eigentlich auch selbstverständlich, dass diese Ziele durchaus anspruchsvoll sind.

Sie bekennt sich nicht erst jetzt, sondern seit Monaten zu der Notwendigkeit eines Stufenplans, wie ihn auch der Koalitionsvertrag vorsieht. Sie unterstützt die Bundesfamilienministerin auch Bundesfrauenministerin bei ihrem Vorhaben, einen solchen Stufenplan umzusetzen.

Flosdorff: Als Vertreter des Bundesarbeitsministeriums kann ich dazu gar nichts sagen. Frau von der Leyen gehört zu den Unterzeichnerinnen der "Berliner Erklärung". Das geht in die Richtung, dass man zum Ziel hat, dass 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten sind, dass es eindeutig mehr werden müssen, dass aber am Ende eine klare Zahl stehen muss und auch geklärt sein muss, was passiert, wenn nach einer freiwilligen Verpflichtung wieder nichts passiert. Das ist weiterhin die Position von Frau von der Leyen.

Frage: Eine ganz kurze Nachfrage an den Regierungssprecher: Herr Seibert, ich habe Sie richtig verstanden, dass Sie den Bericht, dass sich Frau Merkel und Herr Seehofer auf eine flexible Quote geeinigt hätten, so nicht bestätigen wollen?

Eine Frage an das FDP-geführte Wirtschaftsministerium: Wie steht denn das Wirtschaftsministerium zu einer flexiblen Quote und einer möglichen Einigung zwischen Frau Merkel und Herrn Seehofer?

StS Seibert: Ich habe die Position der Bundeskanzlerin in dieser Debatte und in dieser Angelegenheit dargestellt, so wie sie seit Monaten ihre Position ist. Über naturgemäß vertrauliche Gespräche zwischen der Bundeskanzlerin und dem Vorsitzenden der Koalitionspartei CSU gebe ich hier keine Auskunft.

Kraus: Auch die Meinung in unserem Haus hat sich dazu nicht geändert. Es ist übereinstimmendes Ziel, den Frauenanteil in Führungspositionen in der Wirtschaft zu erhöhen. Das ist einfach wirtschaftlich sinnvoll und erhöht den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Aus Sicht des BMWi ist dennoch eine gesetzliche Quote weiterhin nicht der geeignetste Weg.

Frage: Herr Seibert, wie geht denn die Bundesregierung damit um, wenn die EU-Kommissarin eine Richtlinie verfasst, in der eine feste gesetzliche Quote gefordert wird? Diese Frage möchte ich auch noch an das Frauenministerium richten.

StS Seibert: Dann geben wir die Frage mal an das Frauenministerium weiter, und ich ergänze dann notfalls.

Steegmans: Die Bundesfamilienministerin hat sich in dieser Frage ja bereits öfter geäußert, zuletzt auch in einem Streitgespräch mit der EU-Kommissarin Reding im "Spiegel". Sie ist der Ansicht, dass es nicht in die Kompetenz der EU fällt, hier eine starre Quote vorzugeben. Hier wird jedes Land in Europa seinen eigenen Weg finden müssen, und dazu ist auch jedes Land in der Lage. Diese Haltung, dass jedes Land in Europa in dieser Frage seinen eigenen Weg gehen darf, ist innerhalb der Bundesregierung über die Ressorts hinaus in diesem Frühjahr noch einmal abgestimmt worden; insofern ist das auch die Haltung der gesamten Bundesregierung.

Frage: Ich möchte noch einmal kurz zum Thema Schuldentilgungspakt zurückkommen, denn Ihre Äußerung, Herr Seibert, dass das Sachverständigengutachten gesagt habe, das solle erst greifen, wenn die Schulden unter 60 Prozent liegen, konnte ich nicht richtig nachvollziehen. Insofern möchte ich Sie fragen, ob Sie die Stelle, die Sie da meinten, noch einmal kurz vorlesen können. Ich habe gerade noch einmal nachgeguckt und lese im Gutachten auf Seite 110, dass die Idee des Schuldenpakts darin besteht, Schulden über dem Referenzwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einen gemeinsamen Tilgungsfonds mit gemeinsamer Haftung auszulagern. Das widerspricht ja dem, was Sie gerade gesagt haben, diametral.

StS Seibert: Ich suche mal meine Unterlagen, aus denen ich das vorhin vorgetragen habe. Gerade hatte ich es noch. Vielleicht kann das Finanzministerium schon einmal anfangen, und ich suche weiter meine Unterlagen.

Kotthaus: Noch einmal: Ich habe ein Problem mit den verschiedenen Modellen.

Zusatz: Ich rede jetzt von dem Modell des Sachverständigenrats vom November 2011.

Kotthaus: Die Unterlagen vom Sachverständigenrat habe ich jetzt nicht bei mir, das kann ich daher nicht nachvollziehen. Es gibt, wie gesagt, verschiedene Modelle, was diese 60 Prozent betrifft. Es gibt das Modell, dass man sozusagen alles über 60 Prozent vergemeinschaftet das ist schwer vorstellbar , es gibt das Modell, dass über 60 Prozent der Sachen "ge-earmarked" und dann individuell abgebaut werden und Ähnliches mehr. Daher kann ich schlicht und ergreifend aufgrund einzelner (Zitate) wenig zum Begriff "Altschuldenfonds" sagen. Die Diskussion ist, dass man sich europäische Dimensionen anschaut. Darüber, dass man in einem Endstadium also wenn man zu einer wirklichen Fiskalunion und einer gemeinschaftlichen Verantwortung, was Staatsschulden und Ähnliches mehr betrifft, hinkommt über ein intelligentes Schuldenmanagement nachdenken muss, brauchen wir nicht streiten. Aber noch einmal: Mit dem Begriff "Altschuldentilgungsfonds", "such as it is", kann ich wenig anfangen.

Zusatzfrage: Aber die SPD hat sich doch gestern explizit auf das Sachverständigengutachten bezogen, insofern gibt es doch eigentlich gar keine Verwirrung über Modelle, sondern es gibt ein ausgearbeitetes Modell des Sachverständigenrats, hinter das sich die SPD gestellt hat. In Bezug auf dieses Modell habe ich die Frage: Wie stehen Sie zu dieser Forderung?

Kotthaus: Wie gesagt, ich war bei dem Treffen gestern nicht dabei; das war im Kanzleramt, deshalb muss ich das es tut mir leid, Herr Seibert an den Regierungssprecher zurückgeben.

StS Seibert: Das ist gar kein Problem. Ich werde Ihnen das nachreichen müssen, weil ich jetzt meine eigene Unterlage, die ich vor zehn Minuten noch hatte, nicht mehr finde. Davon abgesehen aber wiederhole ich das, was auch das Entscheidende ist: Darüber ist gesprochen worden. Es ist darüber gesprochen worden, dass die Bundesregierung dabei rechtliche Probleme sieht, und es ist darüber gesprochen worden, dass diese rechtlichen Probleme geprüft werden und man sich darüber auf der Basis einer rechtlichen Prüfung noch einmal mit der Opposition auseinandersetzt. Die Textstelle müssen wir dann noch bilateral klären.

Vorsitzender Leifert: Aber wenn es einen Irrtum bei dem Zitat gegeben haben sollte, wäre ich dankbar, wenn das auch über unseren Verteiler ginge, um das dann korrekt darzustellen.

StS Seibert: Ich sehe keinen Anlass, das anzunehmen, aber das können wir dann gerne machen.

Frage: Ich möchte das Außenministerium bitten, noch einmal eine Einschätzung zu den jüngsten Gesprächen mit dem Iran zu geben. Es gibt ja unterschiedliche Interpretationen in der Frage, ob diese Gespräche nun ein Erfolg oder ein Misserfolg waren.

Peschke: Dazu kann ich das wiederholen, was der Außenminister schon zu Protokoll gegeben hat und auch heute Morgen noch einmal zum Ausdruck gegeben hat. Außenminister Westerwelle ist der Meinung, dass die Gespräche gestern und vorgestern in Bagdad sehr mühsam waren und dass die Gespräche gezeigt haben, dass der Verhandlungsweg in der Auseinandersetzung mit dem iranischen Atomprogramm sehr mühsam ist, aber dass das ein Weg ist, der weiterhin gegangen werden muss. Weil das so ist, hat er die Einigung auf eine Fortsetzung der Gespräche Mitte Juni in Moskau begrüßt.

Es ist festzuhalten, dass in Bagdad immerhin der Einstieg in substanzielle Gespräche gelungen ist. In Moskau müssten nun belastbare Schritte zur Vertrauensbildung folgen, um den Verhandlungsweg auch weiter beschreiten zu können. Die E3+3, also die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland, haben dem Iran hierfür ein zielführendes Angebot, zielführende Vorschläge gemacht. Das Ziel der E3+3 bleibt eine Verständigung auf der Grundlage dieser Vorschläge. Der Außenminister hatte heute Morgen noch einmal unterstrichen, dass es uns darum geht, eine diplomatische und politische Lösung in dem Atomstreit mit dem Iran zu ermöglichen, dass aber ein Spielen auf Zeit keine Option sein kann. Der Iran steht in der Pflicht, zügig und umfassend alle berechtigten Zweifel an der friedlichen Natur seines Nuklearprogramms auszuräumen.

Das ist unsere Bewertung. Sie ist naturgemäß sehr differenziert, weil eben auch der Ablauf der Gespräche sehr lang und auch sehr komplex war.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Wirtschaftsministerium, und zwar ob das offensichtliche Scheitern beziehungsweise die Absage des Nabucco-Pipeline-Projekts irgendwelche Auswirkungen auf Deutschland hat und ob die Bundesregierung dazu eine Position hat.

Kraus: Es gibt ja verschiedene Gasleitungen im südlichen Korridor. Was Nabucco angeht, so gilt, dass Deutschland ein starkes Interesse am Bau von Pipelines hat, die den kaspischen Raum erschließen. Neue Pipeline-Verbindungen tragen immer zur Diversifizierung der Gasversorgung bei und eröffnen in diesem Fall auch für den kaspischen Raum neue Absatzmöglichkeiten. Pipeline-Projekte müssen aber nach kommerziellen Kriterien errichtet und betrieben werden. Eine Anpassung des Nabucco-Projekts an kommerzielle Rahmenbedingungen wäre eine Entscheidung, die das Konsortium treffen muss. Wichtig ist aber, dass der südliche Korridor für die Versorgung Europas erschlossen wird.

Wenn ich darf, hätte ich auch noch eine Nachreichung zum Netzentwicklungsplan: Den stellen die Netzbetreiber tatsächlich auf ihrer Pressekonferenz am Mittwoch vor.

Frage: Eine Frage an Herrn Peschke zum Thema Aserbaidschan: Im Vorfeld des Eurovision Song Contest kam es ja in den letzten Tagen zu Pro-Demokratie-Protesten, die von den Sicherheitskräften aber niedergeschlagen worden sind, und es kam auch zu Massenverhaftungen von Oppositionellen. Auch Amnesty International hat diese Menschenrechtsverstöße in den letzten Tagen angeprangert. Gibt es dazu einen Kommentar in Ihrem Hause?

Peschke: Dazu gibt es die Kommentierung, die wir auch in den letzten Tagen immer vertreten haben: Wir verfolgen die innere Entwicklung in Aserbaidschan sehr aufmerksam und sehen einige Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit sehr kritisch. Wir thematisieren das sehr offen hinter den Kulissen mit der aserbaidschanischen Seite und auch öffentlich. Sie wissen, dass sich sowohl der Bundesaußenminister als auch unser Menschenrechtsbeauftragter, Herr Löning, in dieser Sache wiederholt auch öffentlich eingelassen haben. Wir setzen darauf, dass es diesbezüglich in Aserbaidschan zu Verbesserungen kommt, und werden unsere Arbeit in diesem Sinne weiter sehr intensiv fortsetzen.

Frage: Ich möchte noch einmal zum Thema Sachverständigenrat und Altschuldentilgungspakt zurückkommen, weil ich das ich saß in meinem Büro und hatte die Gelegenheit dazu gerade noch schnell nachgelesen habe. Der Sachverständigenrat spricht von zwei Dingen. Das eine ist die Frage, wie die Altschulden, die über 60 Prozent liegen, mit einem Tilgungsfonds, der einmalig ist und an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, für solche Länder beseitigt werden können. Er äußert sich auch zum ESM und sagt, unter welchen Bedingungen der ESM von Ländern mit unterschiedlich hohen Schuldenquotenspannen in Anspruch genommen werden kann. In dem Zusammenhang sagt er: Das ist ein mittelfristiges Thema und das kann erst passieren, wenn die 60 Prozent unterschritten sind. Darauf bezieht sich meiner Meinung nach die Passage, die Sie zitiert haben. Deshalb fände ich es gut, wenn Sie etwas nachreichen, und möchte Sie fragen, ob Sie das für uns alle machen könnten.

StS Seibert: Gut, wir reichen das nach.

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 25. Mai 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/05/2012-05-25-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2012