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PRESSEKONFERENZ/435: Regierungspressekonferenz vom 13. Juni 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 13. Juni 2012
Regierungspressekonferenz vom 13. Juni 2012

Themen waren unter anderem: Vorstellung der Ergebnisse der DEGS-Studie durch den Bundesgesundheitsminister, Teilnahme des Bundesgesundheitsministers am Team-Staffel-Fest in Berlin, Kabinettssitzung (Einrichtung eines Fonds für Opfer der Heimerziehung in der DDR)
Weitere Themen waren: Finanztransaktionssteuer, Klagen auf Schadensersatz für die Stilllegung von Atomkraftwerken, europäische Finanzkrise, Betreuungsgeld, Abgase von Dieselmotoren, vorgeschlagene Fusion von Deutscher Telekom und France Telecom, Prüfung der Reaktivierung staatlicher Hilfen für den französischen Automobilsektor, EU-Kartellverfahren gegen die Deutsche Bahn, Lage in Syrien

Sprecher: SRS Streiter, Geißler (BMU), Jopp (BMG), Laubinger (BMFSFJ), Albin (BMJ), Kraus (BMWi), Peschke (AA)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Geißler: Meine Damen und Herren, mein Name ist Dominik Geißler. Ich bin seit vier Jahren Sprecher in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wenn ich hier herumschaue, dann kenne ich drei Viertel aller Anwesenden, und ich freue mich auch weiterhin auf die gute Zusammenarbeit, die wir ohnehin schon viele Jahre lang hatten.

Jopp: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte sie auf zwei Termine des Gesundheitsministers aufmerksam machen.

Am Donnerstag, den 14. Juni, um 12 Uhr der Termin für die Pressekonferenz ist vorverlegt worden wird der Gesundheitsminister zusammen mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts die Ergebnisse der DEGS-Studie vorstellen. Das ist nach 1998 die erste umfassende Untersuchung des Gesundheitszustandes der Deutschen. Sie sind alle ganz herzlich eingeladen und können sich noch anmelden.

Am selben Tag am Donnerstag, den 14. Juni wird der Minister ab 18 Uhr praktisch umsetzen, was betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention bedeuten, und zwar zusammen mit fast 40 seiner Mitarbeiter im Tiergarten. Wir werden zusammen an der Teamstaffel teilnehmen. Auch das ist ein Foto- und Filmtermin, zu dem Sie ganz herzlich eingeladen sind. Sie können sich gerne dafür anmelden.

SRS Streiter: Ich kann es kurz machen: Das Bundeskabinett hat heute die Einrichtung eines Fonds für Opfer der Heimerziehung in der DDR beschlossen. Wie Sie wissen, gibt es bereits seit Anfang des Jahres einen Fonds für die Opfer von Heimerziehung in den alten Bundesländern für die Jahre 1949 bis 1975. Darüber hinaus dürfen wir aber nicht vergessen, dass es auch in der DDR viele Kinder und Jugendliche gab, die in den Jahren zwischen 1949 und 1990 in Heimen sehr gelitten haben. Diesen Betroffenen soll nun geholfen werden. Das Kabinett hat daher heute beschlossen, gemeinsam mit den ostdeutschen Ländern inklusive Berlin einen Fonds für die Opfer der Heimerziehung einzurichten. Er wird voraussichtlich zum 1. Juli seine Arbeit aufnehmen.

Dieser Fonds macht das Unrecht nicht ungeschehen, aber er kann den Betroffenen helfen, die Folgen dessen, was sie in den Heimen erlebt und durchlitten haben, zu mildern. Der Fonds soll mit Mitteln in Höhe von 40 Millionen Euro ausgestattet werden. Bund und ostdeutsche Länder bringen diese Mittel je zur Hälfte auf. Aus diesem Fonds sollen verschiedene individuelle Rehabilitationsmaßnahmen und Unterstützungshilfen für ehemalige Heimkinder gezahlt werden, die an Folgeschäden der Heimerziehung leiden. Es soll auch einmalige Geldleistungen als Ausgleich für die Minderung von Rentenansprüchen aufgrund nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge geben. Anträge auf Zahlungen aus dem Fonds können bis zum 30. Juni 2016 eingereicht werden.

Frage: Wie lange hat das Kabinett bei einem Tagesordnungspunkt denn heute getagt?

SRS Streiter: Es gibt ja noch die berühmte TOP-1-Liste. Das Kabinett hat schon ein bisschen länger getagt; ich glaube, etwa eine halbe Stunde.

Frage: Hinsichtlich des Zeitvertreibs im Kabinett würde mich Folgendes interessieren: Ist denn Herr Pofalla in die Offensive gegangen und hat erklärt, wem er seinen kritischen Zeitplan in Sachen Börsenumsatzsteuer in den letzten Tagen vorgelegt hat? Hat er darüber wirklich mit jemandem gesprochen, hat er das klargestellt, oder wurde er danach gefragt?

SRS Streiter: Ich möchte erst einmal zurückweisen, dass im Kabinett irgendein Zeitvertreib betrieben wird. Da wird gearbeitet.

Zuruf: Das ist ja manchmal das Gleiche.

SRS Streiter: Nein. Zu diesem Punkt kann ich Ihnen auch gar nichts sagen.

Zusatzfrage: Heißt das, es wurde nicht für Aufklärung gesorgt, ob Herr Pofalla gesagt hat, dass in Sachen Finanztransaktionssteuer bis zur Bundestagswahl eh nichts mehr passieren wird, sodass die FDP ruhig sein kann? Hat das niemanden interessiert?

SRS Streiter: Auch diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.

Frage: Hat das Thema Finanztransaktionssteuer denn im Kabinett heute eine Rolle gespielt?

SRS Streiter: Es hat insofern eine Rolle gespielt, als dass im Anschluss an die Kabinettssitzung eine Gesprächsrunde zwischen der Bundeskanzlerin und Vertretern der Opposition stattgefunden hat, stattfinden sollte oder noch stattfindet.

Zusatzfrage: Hat man deswegen vorher schon einmal im Kabinett darüber gesprochen oder nicht?

SRS Streiter: Es wurde erwähnt.

Frage: Herr Streiter, wurde denn der Flugbereitschaftsdienst des Bundesnachrichtendienstes für den Entwicklungsminister oder eine damit verbundene behauptete oder tatsächliche Belastung erwähnt, die der Bundesnachrichtendienst empfindet oder die manche in der Öffentlichkeit empfinden?

SRS Streiter: Erstens gibt es keinen Flugbereitschaftsdienst, und zweitens wurde das nicht erwähnt. Dazu findet ja heute, glaube ich, im Bundestag eine Aktuelle Stunde statt.

Frage: Herr Streiter, was muss denn ein Einzelner tun, wenn er meint, er hat einen entsprechenden Anspruch (in Bezug auf den Fonds für Opfer der Heimerziehung in der DDR), um diesen geltend zu machen?

SRS Streiter: Da würde ich die Kollegin aus dem Fachressort um Antwort bitten. Da stecke ich so nicht drin.

Laubinger: Die Leistungen aus dem Fonds werden aufgrund einer Vereinbarung ausgezahlt, und diese Vereinbarung wird zwischen dem ehemaligen Heimkind und der Anlauf- und Beratungsstelle in dem jeweiligen Bundesland beschlossen. Sie wissen ja, dass in den Bundesländern Beratungsstellen eingerichtet werden und zum Teil schon eingerichtet worden sind. Die Vereinbarungen werden immer zwischen dem Heimkind, der Beratungsstelle und der zentralen Geschäftsstelle des Fonds vereinbart, die beim BAFzA, dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, angesiedelt ist.

Zusatzfrage: Sind diese Beratungsstellen beim Sozialamt angesiedelt? Wo sind die angesiedelt? Wissen Sie das?

Laubinger: Wo die genau angesiedelt sind, kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen. Das ist, glaube ich, auch unterschiedlich geregelt. Das liefere ich aber gerne nach. Die sind aber jeweils bei den Ländern angesiedelt. Entschuldigung, ich kann es Ihnen doch sagen: Das werden meist die Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen sein.

Frage: Zur Finanztransaktionssteuer: Wenn sie denn erwähnt worden ist, hat die Kanzlerin vielleicht im Kabinett noch einmal darauf gedrungen, wie wichtig es ihr ist, in dieser Frage eine gemeinsame Haltung des Kabinetts herzustellen beziehungsweise zu bewahren, oder hat sie das Thema nur kurz angesprochen, was dann die Vorbereitung auf das Treffen mit der Opposition war?

SRS Streiter: Das war einfach nur die Vorbereitung auf das Treffen mit der Opposition, dem man ja auch nicht vorgreifen kann. Dabei ist auch keine Gemeinsamkeit zu wahren; die gibt es ja.

Frage: Wenn man davon ausgehen darf, dass bei vollen Tagesordnungen ein solcher Punkt wie die Heimerziehung im Prinzip zur Kenntnis genommen und abgenickt wird, also nicht länger als 5 Minuten in Anspruch nimmt, dann frage ich mich natürlich doch, was in den anderen 25 Minuten im Kabinett besprochen wurde. Die Erwähnung der Finanztransaktionssteuer scheint nämlich offenbar auch nicht so lange gedauert zu haben.

SRS Streiter: Die Tagesordnung des Kabinetts ist meistens umfangreicher. Da gibt es noch Berichte darüber, was im Bundestag so los ist und was in Europa alles so los ist. Es gab also keine Langeweile. Die Heimerziehung hat auch länger eine Rolle gespielt, weil es der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen war, diese Sache zu regeln. Dazu wird dann vorgetragen.

Frage: Herr Streiter, weil es um Vorträge geht: Hat denn der Umweltminister in Sachen Schadensersatzklage der Energieunternehmen vorgetragen?

SRS Streiter: Nein.

Zusatzfrage: Was darf ich daraus schlussfolgern - dass sich das Kabinett mit der Frage befasst hat, ob 13 oder X Milliarden Euro an Schadensersatz und damit denkbarerweise auch Energiepreissteigerungen auf die Deutschen zukommen? Wenn sich das Kabinett mit dieser Frage nicht befasst hat, darf ich daraus etwa schlussfolgern?

SRS Streiter: Daraus dürfen Sie schlussfolgern, dass das Kabinett und die Bundesregierung einen anderen Denkansatz als Sie haben. Die Bundesregierung hat nämlich keinerlei Zweifel daran, dass das Atomgesetz völlig verfassungsgemäß ist. Selbstverständlich bleibt es jedem Unternehmen und jedem Betroffenen unbenommen, eine gerichtliche Überprüfung anzustreben. Die Bundesregierung wird diese Klagen und die Schadensersatzforderungen, wenn sie denn einmal eingegangen sein werden, auch prüfen.

Frage: Wie wird denn das Verfahren sein? Das Verfassungsgericht hat ja mitgeteilt, die Verfassungsbeschwerde jetzt mit der Bitte um Stellungnahme zu verschicken. Wenn die Bundesregierung eine solche Verfassungsbeschwerde dann erhalten hat, wie funktioniert die Stellungnahme? Welches Ressort wird den Entwurf dafür vorlegen? Geht das dann noch einmal durch das Kabinett, um die Stellungnahme als gemeinsame Stellungnahme der Bundesregierung abzugeben, oder macht das das federführende Ressort alleine?

SRS Streiter: Möglicherweise haben wir da einen andere Informationsstand. Ich glaube, die Klage ist erst angekündigt worden.

Zusatz: Nein, das Bundesverfassungsgericht hat laut Pressemitteilung angekündigt, die Verfassungsbeschwerde noch in dieser Woche an diverse Adressaten mit der Bitte um Stellungnahme zu verschicken.

SRS Streiter: Dann werden die diversen Adressaten Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Die Bundesregierung ist ja einer der Adressaten. Ich will nur wissen, wie die Stellungnahme dann formal funktionieren wird. Welches Ressort wird eine Stellungnahme entwerfen, und wer wird sie absegnen?

SRS Streiter: Das zuständige Ressort.

Zusatzfrage: Welches?

SRS Streiter: Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Es geht um das Ressort, das dafür zuständig ist. Es wird dann ja eine Stellungnahme der Bundesregierung geben.

Zusatzfrage: Welches Ressort ist es denn? Ist es das Energie- beziehungsweise Wirtschaftsressort oder das Umweltressort?

SRS Streiter: Ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen das jetzt nicht sagen.

Zusatzfrage: Können die Ressorts vielleicht etwas dazu sagen?

Geißler: Bis jetzt nicht. Das Bundesumweltministerium ist das Ministerium für Umweltschutz und Strahlenschutz. Wir haben intern noch nicht wirklich geklärt, wer zuständig ist. Wenn wir zuständig wären, dann würden wir Ihnen das in Kürze mitteilen, und dann würde das BMU auch eine erste Stellungnahme abgeben.

Frage: Kurze Frage an das Justizressort: Gibt es irgendwelche Erfahrungen, die Sie sagen lassen könnten, wie lange es dauern kann, bis ein solches Verfahren endgültig entschieden ist?

Albin: Zielt Ihre Frage darauf ab, wie lange eine Verfassungsbeschwerde anhängig sein kann, oder meinen Sie die Abstimmung im Ressortkreis?

Zusatz: Ich meine den Abschluss des gesamten Verfahrens der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht inklusive des Endes des Verfahrens, einen Spruch, eine Entscheidung.

Albin: Da kann ich Ihnen jetzt keine genaue Zahl nennen. Wir haben sozusagen Erfahrungs- und Durchschnittswerte. Die sind aber, glaube ich, nicht statistisch valide belegt. Man müsste wohl, davon ausgehend, erst einmal das Verfahren prüfen. Ist es ein Eilverfahren? - Nein, ich glaube, es ist eine allgemeine Verfassungsbeschwerde. Dann wären wohl bis zu zwei Jahren möglich. Aber ich müsste jetzt einmal nachprüfen, wie wir in dieser Hinsicht ansonsten Erfahrungen gesammelt haben. Das kann ich Ihnen gerne noch nachreichen.

Frage: Herr Streiter, erste Frage: Welches ist eigentlich in der Bundesregierung das Atomausstiegsministerium?

SRS Streiter: Wir haben kein Atomausstiegsministerium.

Zusatzfrage: Wer koordiniert den Atomausstieg?

SRS Streiter: Wir haben zwei zuständige Ministerien das wissen Sie ja , nämlich das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium. Da es sich hier um eine rechtliche Frage handelt, nehme ich an, dass das Justizministerium eine sehr große Rolle spielen wird.

Zusatzfrage: Die zweite Frage richtet sich, wenn ich darf, an Herrn Albin. Das heißt, mit einer Schadensersatzklage, sollte sie denn Erfolg haben, ist erst nach der nächsten Bundestagswahl zu rechnen?

Albin: Sie wollen von mir eine Aussage, die ich so nicht treffen kann. Die Frage war: Wie sind die Erfahrungswerte, wie lange Verfassungsbeschwerden andauern. Das Gericht ist natürlich völlig autonom, zu entscheiden, wann es meint, dass der Fall entscheidungsreif ist. Das ist für jeden Fall individuell festzulegen. Ich könnte hier nur Erfahrungswerte wiedergeben. Ich bin gerade noch dabei, diese zu überprüfen.

Frage: Zwei Fragen, weil ich kein Jurist bin. Herr Albin, eine Lernfrage; vielleicht können Sie aus Ihrer Kenntnis heraus sagen. Wenn das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich feststellt, dass der Ausstieg verfassungswidrig oder das Gesetz sozusagen nicht in Ordnung ist oder nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, müsste dann das Unternehmen noch einmal auf anderem Klagewege die Schadenshöhe feststellen lassen, also eine erneute Klage einreichen? Das Bundesverfassungsgericht entscheidet ja nicht über den Schadensersatz, sondern nur, ob es verfassungsgemäß war.

Albin: Um diese Frage beantworten zu können, müsste ich erst einmal den Schriftsatz sehen und würde ihn bei uns auf Fachebene prüfen lassen. Die Frage würde ich so nur ungern beantworten, weil sie sozusagen einen hypothetischen Kern hat. Wie der genaue Tenor des Bundesverfassungsgerichts am Ende aussehen wird, weiß ich nicht. Abstrakt und generell kann man sagen: Wenn eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz ergeht, das Bundesverfassungsgericht diese Sache zur Entscheidung annimmt und durchentscheidet, gibt es eine Rechtsfolge. Die Rechtsfolge ist in der Regel Nichtigkeit.

Zusatzfrage: Bitte was? Das habe ich nicht verstanden.

Albin: Nichtigkeit.

Zusatzfrage: Das heißt?

Albin: Wie gesagt: Das Bundesverfassungsgericht hat die Autorität es kommt darauf an, wie das Gericht entscheidet; wir gehen einmal davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde abgewiesen wird , ein Gesetz für nichtig zu erklären. Nichtig heißt, dass es sozusagen keinen Bestand hätte. Das ist jetzt aber, wie gesagt, Konjunktiv.

Zusatzfrage: Wenn ich die Frage noch anschließen darf: Für den Fall, dass die Verfassungsbeschwerde Recht bekäme und der Atomausstieg nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, müsste die Bundesregierung dann, Herr Streiter, finanzielle Vorkehrungen treffen? Eine solche Summe hat man ja nicht in der Portokasse. Diese müsste in den Haushalt eingestellt werden.

SRS Streiter: Da muss ich jetzt einmal um Verständnis bitten. Wir reden jetzt davon, was eventuell wann wäre, wenn es so wäre. Dafür ist es nun wirklich zu früh.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich noch nicht einmal richtig mit der Sache befasst. Es werden jetzt erst einmal 63 Stellungnahmen eingeholt. Warum sollen wir heute darüber spekulieren, was wäre, wenn das so wäre? Die Bundesregierung geht davon aus, dass dieses Gesetz absolut verfassungsgemäß ist. Sie hat es auch vor der Verabschiedung geprüft, wie sie jedes Gesetz geprüft hat. Gehen wir einmal davon aus, dass es verfassungsgemäß ist. Sich jetzt damit zu beschäftigen, was wäre, wenn das anders wäre, ist wirklich angesichts der anderen Probleme, die so anstehen, ein bisschen obsolet.

Frage: Herr Streiter, eine Frage zum Thema Euro-Krise. Italien ist in diesen Tagen wieder stark im Fokus. Ich möchte gerne wissen, ob die deutsche Regierung und besonders die Bundeskanzlerin sehr besorgt sind, was die Entwicklung der Lage in Italien angeht. Denkt die Bundeskanzlerin, dass Italien allein die Krise überwinden kann?

Meine zweite Frage bezieht sich auf einen Appell von Giorgio Napolitano. Er hat in den letzten Stunden gesagt, dass er europäische Antworten in Bezug auf die Krise erwartet. Es ist zurzeit die Linie in Italien, dass bereits viel gemacht worden ist. Man erwartet in Rom mehr in Europa. Was denkt die Bundesregierung darüber?

SRS Streiter: Ich glaube, daran, dass die gesamte Europäische Union sich schon seit mehreren Jahren damit beschäftigt, den Euro stabil zu halten, kann ja kein Zweifel bestehen. Es wäre übertrieben, zu sagen, dass man sich ganz speziell nur um Italien große Sorgen macht. Die gesamte Europäische Union alle Regierungen und auch die Bundeskanzlerin ist bemüht, den Euro zu stabilisieren.

Zusatz: Die deutsche Regierung ist also besonders besorgt, was die Entwicklung in Italien angeht.

SRS Streiter: Das habe ich nicht gesagt. Das werde ich Ihnen auch nicht sagen.

Vorsitzender Mayntz: Wollen Sie ergänzen, Herr Kotthaus?

Kotthaus: Eventuell kann ich darauf verweisen, dass der Minister der Zeitung "La Stampa" ein großes Interview gegeben hat, was Sie sicherlich gelesen haben. Ich kann das beim besten Willen nicht auf Italienisch aussprechen, aber die Headline lautet, glaube ich: "l'Italia non e' in pericolo". Auf gut Deutsch: Die Bundesregierung und auch der Bundesfinanzminister sind fest davon überzeugt: Wenn Italien seinen erfolgreichen Reformkurs, den es unter dem Premierminister Mario Monti eingeschlagen hat wofür er, glaube ich, heute in Berlin einen Preis bekommt , konsequent fortgeführt, wird Italien vollkommen in der Lage sein, alle Herausforderungen zu meistern.

Italien hat das sehr erfolgreich gemacht. Sie kennen die Entwicklungen an den Märkten in den letzten Monaten. Es wurden viele schwierige Reformen angegangen. Ja, wenn man den Zeitungsberichten folgt, gibt es ab und zu auch einmal Widerstände in Italien. Das muss in den Diskussionen überwunden werden. Ich glaube, der Weg, den Italien unter Mario Monti eingeschlagen hat, ist genau der richtige, der dazu führen wird, das Land langfristig zu stabilisieren. Ich kann gerne noch einmal zu Ihrer Erheiterung die Überschrift des Interviews vorlesen. Es ist ganz klar: Wir finden, dass Italien auf dem richtigen Kurs ist und das auch richtig macht.

Frage: Nur zur Sicherheit gefragt: In Bezug auf Spanien steht noch eine ganze Reihe von Entscheidungen aus. Insbesondere steht noch der angekündigte spanische Antrag aus. Gibt es inzwischen irgendwelche Anzeichen, wann Spanien diesen Antrag stellt? Gibt es irgendwelche Anzeichen, welches Volumen ein solcher Antrag umfassen könnte?

Kotthaus: Lieber Herr Heller, ich glaube, die Diskussion haben wir mehr oder weniger eins zu eins schon am Montag geführt. Es ist immer wieder schön, mit Ihnen darüber zu reden.

Die Spanier haben gesagt, dass sie gerne die weiteren externen Bewertungen des Kapitalbedarfs abwarten möchten. Das ist noch nicht der Fall gewesen. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Die Spanier haben genauso klar gesagt: Sie werden einen Antrag stellen. Sie wissen, dass in dem Kommuniqué der Eurogruppe die Summe von 100 Milliarden Euro genannt wird, und zwar im Sinne von: Das ist das Volumen, das wir dementsprechend werden einsetzen können und wollen. Ich glaube, wir müssen schlicht und ergreifend darauf warten, dass die Spanier auch ihre Entscheidungsketten so abarbeiten, wie sie es angekündigt haben. Das tun sie sicherlich.

Frage: Eine Frage an Herrn Streiter zum Thema Betreuungsgeld: Gestern gab es in den Fraktionen Probeabstimmungen. Wenn ich richtig informiert bin, gab es in der Union 23 Nein-Stimmen und Enthaltungen, in der FDP 18. Wie bewertet die Bundesregierung diese Probeabstimmungen? Wie will die Kanzlerin auf die Kritiker einwirken, um sie vielleicht doch noch von der gegenteiligen Position zu überzeugen?

SRS Streiter: Ich glaube, wir haben unterschiedliche Informationen. Es handelte sich nicht um Probeabstimmungen, sondern es wurde einfach darüber abgestimmt, ob das jetzt in dieses Verfahren, wie es vorgesehen ist, eingebracht werden soll. Es wurde nicht inhaltlich über das Betreuungsgesetz abgestimmt, sondern es wurde darüber abgestimmt, ob man das einbringt. Das hat in beiden Fraktionen eine breite Mehrheit gefunden. Ich glaube, das Stimmenzählen wird erst dann interessant, wenn es im Bundestag zur Abstimmung kommt.

Zusatzfrage: Sehen Sie das nicht als Indikator dafür, dass es doch noch große Bedenken gegen das Projekt gibt?

SRS Streiter: Nein. Es gibt die bekannten Bedenken von einzelnen Abgeordneten. Es steht mir jetzt auch nicht an, die politische Lage in den einzelnen Fraktionen zu beurteilen. Tatsache ist, dass mit Mehrheit in den beiden Fraktionen beschlossen wurde, das in den Bundestag einzubringen. Die Bundesregierung geht davon aus und wird alles dafür tun , dass es im Bundestag eine Mehrheit dafür geben wird.

Zusatzfrage: Was genau wird sie tun?

SRS Streiter: Informieren und Fragen beantworten. Die Bundesregierung ist aber auch nicht dafür zuständig, die Mehrheiten in den Fraktionen zu organisieren, das machen ja die Fraktionen. Die Bundesregierung steht da mit Rat und Tat zur Seite.

Frage: Meine Frage geht möglicherweise an das Bundesgesundheitsministerium: Eine Studie der WHO hat gestern die Abgase von Dieselmotoren von dem Stand "möglicherweise krebserregend" auf "krebserregend" hochgestuft. Was folgt daraus? Wie gehen Sie damit um?

Jopp: Das ist eine Frage, die sich an das BMU richtet.

Zusatzfrage: Aha. Gesundheitliche Schäden tangieren Sie nicht?

Jopp: Selbstverständlich tangieren uns gesundheitliche Schäden, da haben Sie sehr Recht; nur, die Zuständigkeit ist so geregelt, dass für Umweltgifte das BMU zuständig ist.

Zusatzfrage: Wie geht dann das BMU damit um?

Geißler: Dazu müssen die zuständigen untergeordneten Behörden eine Stellungnahme abgeben, so wie ich das jetzt sehe. Ich kann Ihnen dazu jetzt ansonsten keine Einzelheiten sagen.

Frage: Herr Kotthaus und Frau Kraus, es gibt einen Vorschlag aus der französischen Regierung, dass man Deutsche Telekom und France Telecom in irgendeiner Weise zusammenführen sollte so ungefähr nach dem Modell von EADS. Meine Frage an die Bundesregierung als Aktionär: Ist das etwas, was Sie befürworten würden, ist das ein Diskussionsthema zwischen den beiden Regierungen, oder wird das von Deutschland abgelehnt?

Kotthaus: Hätten wir uns hier schon am Montag gesehen, dann hätten Sie sich die Antwort schon aufschreiben können, denn ich habe sie schon gegeben. Es wäre höchst ungewöhnlich, wenn sich die Bundesregierung neuerdings in Unternehmensstrategien einmischen würde. Daher ist das kein Thema, das wir diskutieren.

Zusatzfrage: Selbst bei Unternehmen, wo die Bundesregierung Aktionär ist?

Kotthaus: Ja, die Bundesregierung ist hier Aktionär, aber es sind Unternehmen, die selbstständig sind und die zum Teil sogar börsennotiert sind, wie man immer wieder hört. Deswegen bleibt es dabei.

Kraus: Keine Ergänzungen meinerseits.

Frage: Der französische Industrieminister hat angekündigt, dass die Regierung die Reaktivierung staatlicher Hilfen für den Autosektor prüfe. Ich würde gerne vom Wirtschaftsministerium wissen, wie Sie einer solchen Überlegung gegenüberstehen; denn auch für Deutschland ist die Autoindustrie ja eine nicht ganz unwichtige Industrie.

Kraus: Sie wissen ja, dass unser Haus grundsätzlich Subventionen eher kritisch gegenübersteht. Die Automobilbranche kann ja im Großen und Ganzen positive Zahlen vorweisen, insofern sehen wir hier keinen Reaktionsbedarf.

Frage: Ich habe noch eine unternehmensbezogene Frage, und zwar die Deutsche Bahn betreffend: Es gibt in Brüssel Zweifel am wettbewerbsgerechten Verhalten der Deutschen Bahn im Hinblick auf den Bahnstrombereich. Kommt das für die Bundesregierung als Hauptaktionär der Deutschen Bahn überraschend oder gab es schon vorher Anzeichen dafür, dass es hier ein Problem gab?

Kraus: Dazu liegen mir keine neuen Erkenntnisse vor, das müsste ich Ihnen gegebenenfalls nachreichen, Herr Heller.

Frage: Das Thema Syrien hat sich in den letzten zwei Tagen ja noch einmal deutlich entwickelt, auch was Warnungen vor einem Bürgerkrieg beziehungsweise die Bekanntgabe, dass es sich dort inzwischen um einen Bürgerkrieg handelt, angeht. Gibt es dazu seitens des Auswärtigen Amtes oder seitens der Bundesregierung nach der heutigen Kabinettssitzung etwas Neues zu berichten? Wie blickt man das, wie schätzt man die Lage ein?

Peschke: Dazu kann ich gern etwas sagen. Aus unserer Sicht ist die Lage äußerst besorgniserregend. Es gibt einen unablässigen Strom von völlig inakzeptabler Gewalt, die größtenteils von dem Regime in Syrien ausgeht. Deswegen unterstützt die Bundesregierung und unterstützt der Außenminister alle Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, ein Ende dieser Gewalt zu bewirken und den diesbezüglichen Vermittlungsbemühungen von Kofi Annan größtmögliche Nachdrücklichkeit zu gewähren. Da gibt es verschiedene Dinge, die im Raum stehen. Außenminister Westerwelle hat ja vor dem Hintergrund der eskalierenden Lage vorgeschlagen, dass sich der Sicherheitsrat noch einmal mit der Situation befasst und nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII Art. 41 gegen Syrien verhängt. Es gibt darüber hinaus Vorschläge von Kofi Annan zur Einrichtung weiterer Formate, zum Beispiel einer Kontaktgruppe, um der Spirale der Gewalt in Syrien Herr zu werden. Die Bundesregierung und der Außenminister unterstützen alle Formate, die hilfreich sein können, um ein Ende der Gewalt in Syrien zu bewirken.

Unter dem Strich bleibt es aber dabei, dass die Lage so kommt es ja auch aus Ihrer Schilderung hervor eine äußerst besorgniserregende Lage ist und alle Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft gefragt sind, um in dieser Situation ein Ende der Gewalt zu bewirken. Der Bundesaußenminister wird dazu in allernächster Zeit auch noch einmal ein persönliches Gespräch mit dem russischen Außenminister Lawrow führen.

Zusatzfrage: Weil ich Kapitel VII Art. 41 gerade nicht ganz präsent habe: Was sind nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen, auf die es dann hinauslaufen könnte?

Zweite Frage: Es gibt ja von russischer Seite sozusagen den Vorschlag einer Betroffenenkonferenz zu Syrien. Sie sagten, die Bundesregierung unterstütze alle Formate, die helfen könnten. Erachten Sie ein solches Format ebenfalls als hilfreich?

Peschke: Zu Ihrer ersten Frage: Kapitel VII Art. 41 sieht genau nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen vor. Das können zum Beispiel Sanktionen sein, so wie sie die Bundesregierung, so wie sie die Europäische Union und auch die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Syrien verhängt haben. Die Bundesregierung hat ja immer wieder betont, dass es aus unserer Sicht wünschenswert wäre, solchen Sanktions-Zwangsmaßnahmen gegen Syrien möglichst universelle Geltung zu verschaffen. Das einzige Gremium weltweit, das universell gültige Sanktionen verhängen kann, ist natürlich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Zum zweiten Punkt, der Konferenz in Moskau: Der Bundesaußenminister hat wiederholt deutlich gemacht, dass jeder Schritt begrüßenswert wäre, der uns auf den Weg zu einer politischen Lösung bringt. Es ist so, dass wir diese Vorschläge aus Russland sehr genau verfolgt haben. Es kommt jetzt darauf an, dass dieser Vorschlag konkret unterlegt und ausgefüllt wird, damit man ihn genau prüfen kann und damit er auch durch die internationale Staatengemeinschaft genau geprüft werden kann. Wenn es ein Vorschlag ist, der den Weg einer politischen Lösung beschreiben kann, dann unterstützen wir ihn. Es ist aus unserer Sicht ja so auch das hat der Bundesaußenminister immer wieder deutlich gemacht , dass wir es für sehr notwendig erachten, dass Russland in die Konfliktlösung in Syrien einbezogen wird.

Frage: Herr Peschke, Außenminister Lawrow und auch Kofi Annan haben vorgeschlagen, dass auch Iran Teil dieser Kontaktgruppe wird. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Peschke: Da ist es so, dass man abwarten muss, welche Vorschläge Kofi Annan zu dieser Kontaktgruppe konkret vorlegt. Kofi Annan hat sich zur letztendlichen Zusammensetzung der Teilnehmer dieser Gruppe, einer solchen möglichen Gruppe, noch nicht geäußert. Er hat, soweit ich weiß, nur deutlich gemacht, dass die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und wichtige Akteure der Region auf jeden Fall Teil dieser Gruppe sein könnten. Um wen es da im Einzelnen geht, muss weiter spezifiziert werden. Insofern kann ich Ihre Frage zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 13. Juni 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/06/2012-06-13-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2012