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PRESSEKONFERENZ/475: Regierungspressekonferenz vom 3. September 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 3. September 2012
Regierungspressekonferenz vom 3. September 2012

Themen: Strafbarkeit des Ankaufs und Erwerbs illegal erhobener Steuerdaten, Medienberichte über die angebliche Lieferung von zwei deutschen U-Booten nach Ägypten, deutsch-israelische Beziehungen, Vorsitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat/Syrien, europäische Finanzkrise, Polizeiausbildung in Afghanistan, Verhandlungen über Ärztehonorare, Armutsrisiko künftiger Rentner, EU-Pläne für Frauenquote in Aufsichtsräten

Sprecher: StS Seibert, Mertzlufft (BMJ), Schäfer (AA), Bauch (BMVg), Lörges (BMI), Ewald (BMG), Flosdorff (BMAS), Steegmans (BMFSFJ)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Herr Mertzlufft, vielleicht würden Sie uns noch einmal etwas erklären: Was genau will die Ministerin jetzt bei diesen Daten-CDs unter Strafe stellen? Geht es dabei nur um Hehlerei, wie es, meine ich, die Justizministerkonferenz schon im Juni verabredet hat, oder auch um den Diebstahl dieser Daten?

Vielleicht helfen Sie mir noch ein bisschen, was das Verständnis angeht: Soweit ich mich erinnern kann, ist es so, dass es schon verboten ist, solche gestohlenen Daten zu kaufen.

Merzlufft: Ich fange vielleicht mit der zweiten Frage an: Schauen Sie sich zum Beispiel die Rechtsprechung an. Ich habe mir vor dieser Sitzung noch einen Aufsatz des Vorsitzenden des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer, Herr Prof. Ignor, herausgesucht. Der argumentiert, dass die Handlung der Person, die dann solche illegal erlangten Daten ankauft, grundsätzlich auch strafbar ist. Deswegen hat die Ministerin im Interview mit der "Rheinischen Post" ja darauf hingewiesen, dass dies mindestens eine rechtliche Grauzone sei. Die wird auch nicht weniger grau oder hell, nur weil man pöbelt. Die Justizministerin hatte auch darauf hingewiesen, dass es sich unabhängig von diesem rechtlichen Graubereich um ethisch-moralische Fragen handelt, nämlich die Frage, inwieweit sich der Rechtsstaat in die Arme von Kriminellen stürzt, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Ich komme zu Ihrer ersten Frage. In dem Interview mit der "Rheinischen Post" hat sie klar zum Ausdruck gebracht: "Der Ankauf bewegt sich in einem hochproblematischen Graubereich, nicht nur ethisch-moralisch, sondern auch juristisch. [...] Ob das so bleiben kann, sollten wir schon prüfen." Wir prüfen in der Tat im Justizministerium nicht das Ob, sondern wie eine Regelung zur Strafbarkeit des Ankaufs von von Kriminellen und Datenhehlern rechtswidrig erlangten Steuerdaten aussehen kann. Daran arbeiten wir, und das überlegen wir im Moment im Ministerium.

Ich kann Ihnen noch nicht sagen, ob die Regelung an eine Regelung andocken wird, die auf der Sitzung der Justizministerkonferenz beraten wurde. Dabei geht es um die Datenhehlerei. Das liegt politisch natürlich auf der Hand oder nahe, weil es bei der Datenhehlerei einfach um das Problem geht, dass im deutschen Strafrecht zu wenig Instrumente vorhanden sind, um mit dem Problem umzugehen, dass sich Kriminalität in der digitalen Welt verändert hat, also dass Kontodaten geklaut werden, Kreditkarten geklaut werden und Passwörter von E-Mail-Postfächern geklaut werden. Die werden ja - ich sage es jetzt einmal ein bisschen umgangssprachlich - in einem Ausmaß vertickt - das sagen uns zumindest die Strafverfolger -, den wir gar nicht gekannt haben, bevor dieses Phänomen überhaupt derartig angewachsen ist. Dieser ganze Bereich des Handels mit illegal erlangten Daten ist also einfach insgesamt ein Problem für die Strafverfolgung. Nachfragen?

Zusatzfrage: Würden Sie das an einer Stelle noch weiter aufdröseln? Wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, dann findet zwar der Kauf solcher Daten zumindest in einer Grauzone statt oder ist möglicherweise sogar verboten, aber die Verwertung dieser Daten durch die Steuerfahndung und die Steuerbehörden wäre dann legal.

Merzlufft: Es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von Ende 2010. Darin ist am Rande auch die Frage der Verwertbarkeit beantwortet worden. Die war davor in der Rechtsprechung strittig. Man kann in der Tat illegal erlangte Daten, also Hehlerware, als Beweise in einem Gerichtsverfahren verwerten, auch, wie das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht hat, wenn diese rechtswidrig erlangt worden sind. Das hat aber mit der Frage der möglichen Strafbarkeit dieses Ankaufs nichts zu tun. Ich will gar nicht darüber spekulieren, weil die Ministerin in dem Interview natürlich auch diese Frage gestellt bekam, und ich habe auch nur der Presse entnommen, dass es in Nordrhein-Westfalen zwei Strafanzeigen geben soll. Das ist wirklich Sache der zuständigen Staatsanwaltschaft.

Abstrakt kann man Folgendes sagen: Eindeutig ist der Fall immer dann, wenn man anstiftet. Wenn also zum Beispiel - ich versuche, es einfach darzustellen - ein Datenträger vorliegt und man als Landesfinanzminister sagt "Das ist ja schön, aber da fehlen mir diese und jene Daten; bitte klaut die doch einmal in der Schweiz", dann gibt es keinen Graubereich. Dann ist das eine Anstiftung zu einer Straftat, was nicht geht. Das andere ist die Frage, inwieweit manche Handlungen schon eine Anstiftung darstellen. Das ist juristisch schwierig oder kompliziert. Wir bemühen uns in dieser Frage auch darum, den Gesamtkomplex ins Auge zu nehmen, nämlich die Frage, wie mit diesen illegalen gedealten Daten im Strafrecht anders umgegangen werden kann.

StS Seibert: Ich möchte vielleicht, wenn es erlaubt ist, für die Bundesregierung noch einmal das sagen, was uns politisch das Wichtigste ist: Wir alle in der Bundesregierung - das beinhaltet natürlich auch das Bundesjustizministerium - wollen doch eine bessere und vor allem eine rechtsstaatliche Grundlage hinbekommen, um dieses Problem der Steuerhinterziehung in den Griff zu bekommen. Das Steuerabkommen mit der Schweiz ist diese bessere rechtsstaatliche Grundlage. Das ist nach unserem Dafürhalten die bestmögliche Lösung. Immer wieder erneut CDs anzukaufen, ist eben nicht diese Lösung, weil uns das mit einem Nachbarn und Freund wie der Schweiz - das ist ja gerade beschrieben worden - in dauerhafte und permanente rechtliche Schwierigkeiten bringt und weil es uns im Übrigen auch nur einen eher zufälligen Zugriff auf die Steuerhinterziehung und die Täter ermöglicht. Andere Länder wie Großbritannien oder Österreich haben Steuerabkommen mit der Schweiz geschlossen. Dort stellt sich die Frage nach CD-Ankäufen gar nicht mehr. Das ist der Zustand, den wir auch erreichen wollen, und zwar mittels dieses Abkommens. Das ist das politisch Wesentliche.

Frage: Herr Mertzlufft, anknüpfend an das, was Sie eben sagten: Wird eine Gesetzesänderung in Ihrem Haus geprüft? Wenn ja, wie will man das dann durch den Bundesrat bekommen?

Merzlufft: Grundsätzlich ist es, soweit ich weiß, so: Wenn wir im Strafrecht etwas ändern würden - was ich jetzt nicht behaupte; deshalb noch einmal der Verweis auf den Konjunktiv -, wäre das nicht unbedingt zustimmungspflichtig. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wie wir eine Regelung ausgestalten werden, weil wir prüfen, wie eine Regelung aussehen kann, die - ich sage es noch einmal - diesen Gesamtkomplex des illegalen Handels und Dealens mit digitalen Daten in den Blick nimmt. Deswegen gab es auch diese Interview-Äußerung in der "Rheinischen Post" mit dem Verweis auf diesen Beschluss der Justizministerkonferenz, weil natürlich auf der Justizministerkonferenz der hessische Vorschlag diskutiert wurde, und der hat eben auch zum Gegenstand gehabt, einen neuen Straftatbestand "Datenhehlerei" einzuführen.

Zusatzfrage: Sie drücken sich ein bisschen um die Frage "Gesetz oder nicht Gesetz", weil der hessische Vorschlag ja gerade das wieder ausschließt. Geht es also um einen Gesetzentwurf, der bei Ihnen diskutiert wird, oder nicht um einen Gesetzentwurf?

Merzlufft: Ich wüsste jetzt nicht, wie eine Regelung ohne eine gesetzliche Regelung in diesem Bereich aussehen sollte. Die Antwort lautet also Ja. Aber der Punkt ist: Ich kann Ihnen einfach nicht sagen, wie die Regelung am Ende aussehen wird. Mir ist es wichtig - deswegen sage ich es zum dritten Mal -, noch einmal darauf hinzuweisen, dass im Rahmen dieses Gesamtkomplexes des Umgangs mit illegalen Daten von Kriminellen in einem Schwarz- und Graumarkt in Deutschland Daten in einem Ausmaß gedealt werden, das man sich kaum vorstellen kann.

Zusatzfrage: Dass sich Ihre Ministerin dem Vorstoß von Herrn Hahn anschließt, kann ja nicht sein, weil der Ankauf von Steuerdaten darin ausdrücklich ausgenommen ist. Es wird also nicht der Vorstoß von Herrn Hahn sein, den sie unterstützen wird, oder?

Merzlufft: Ich habe diesen Vorwurf der SPD und am Wochenende auch den Hintergrunddreh vernommen. Das ist natürlich nicht richtig. Ich habe mir auch die "Tagesschau" angeschaut; am Samstag wurde gut darüber berichtet. Schauen Sie sich den Wortlaut an. Im Wortlaut wird erstens klar, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger den Vorschlag für einen eigenen Straftatbestand "Datenhehlerei" unterstützt. Zweitens sagt sie, und das machen wir auch: Man muss prüfen, ob der Rechtszustand des Graubereichs beziehungsweise der Strafbarkeit in Bezug auf den Ankauf von illegalen Daten von Kriminellen so bleiben kann oder nicht. Ich kann Ihnen noch einmal sagen: Wir prüfen ganz konkret, wie eine solche Regelung gesetzlich ausgestaltet werden kann.

Frage: Herr Seibert, mich würde nach Ihren Ausführungen noch einmal etwas interessieren: Heißt das, dass sich auch die Bundeskanzlerin den Aussagen des Bundesfinanzministers anschließt, dass dies ein Nebenkriegsschauplatz sei und dass es in der Prioritätenliste nicht weit oben stehe, diesen Datenankauf gesetzlich zu regeln, oder was bedeutet das genau?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin schließt sich dem an, was der Finanzminister in dem Interview gesagt hat. Es kommt in erster Linie tatsächlich auf unsere politische Überzeugung an, dass wir dieses Problem der Steuerhinterziehung mit der Schweiz in den Griff bekommen wollen, und zwar auf eine rechtsstaatliche Art und Weise und auf eine Weise, die uns nicht immer in die gerade hier beschriebenen Grauzonen führt, wie es eigentlich zwischen zwei Ländern wie Deutschland und der Schweiz, die einander Nachbarn und Freunde sind, auch üblich sein sollte und anzustreben ist. Deswegen ist das unsere wesentliche Absicht. Das Bundesjustizministerium prüft das, wie Herr Mertzlufft gerade gesagt hat. Dem habe ich jetzt nichts mehr hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Heißt das, die Kanzlerin würde sich einem eigenen Gesetz nicht verschließen, oder was bedeutet das?

StS Seibert: Sie greifen jetzt weit voraus. Das Bundesjustizministerium prüft - Herr Mertzlufft hat das, glaube ich, ziemlich ausführlich dargestellt -, und diese Prüfung läuft.

Merzlufft: Ich würde das gerne ergänzen. Ich will es Ihnen nicht unterstellen, aber man könnte fast die Absicht herauslesen, hier solle jetzt ein Dissens offenkundig werden. Die Justizministerin hat seit Wochen und vor kurzem auch im Interview mit dem "Handelsblatt" deutlich gemacht: Dieses Steuerabkommen ist der einzig gangbare rechtsstaatliche Weg, um Steuerhinterziehung effektiv zu bekämpfen. Sie hat auch mit deutlichen und harschen Worten das Verhalten der SPD-geführten Länder im Bundesrat kritisiert. Es geht politisch um das Signal, dass sich der Rechtsstaat nicht in die Arme von Kriminellen und windigen Datenhehlern begeben darf, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen - egal ob in der Schweiz oder woanders.

Frage: Ich wundere mich ein bisschen, dass Sie ausschließlich auf die Schweiz und das Steuerabkommen mit der Schweiz abheben. Es gibt doch wohl auch noch andere, der Schweiz benachbarte Länder, die ebenfalls die eine oder andere Million an Schwarzgeld aus Deutschland in ihren Reihen haben, sprich Liechtenstein. Strebt die Bundesregierung denn an, ein Gesetz zu machen, in dem es heißt, bitte keine Steuer-CDs aus der befreundeten Schweiz anzukaufen, weil es ein Steuerabkommen geben wird, aber in Liechtenstein wohl? Wollen Sie auch mit Liechtenstein ein solches Steuerabkommen abschließen, oder wie wollen Sie dabei vorgehen? Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage, Herr Mertzlufft: Das mit dem Graubereich habe ich nicht ganz verstanden. Wenn Ihre Ministerin der Auffassung ist, dass das verfassungswidrig ist - wie es ja dieses Gutachten, das Sie eben erwähnt haben, nahelegt -, und wenn ein nordrhein-westfälische Finanzminister einer anderen Auffassung ist, dann müsste sie doch schon tätig werden und sagen: Dann muss man die Gerichte anrufen, wenn der verfassungswidrig handelt. Jetzt haben Sie gleichzeitig eine Verfassungsgerichtsentscheidung angeführt, wonach das Verfassungsgericht sagt: Der Kauf ist illegal, aber die Nutzung ist okay. Wo liegt denn da jetzt der Graubereich oder das Problem?

StS Seibert: Die Antwort auf Ihre erste Frage ist einfach: Die Ministerin hat einen Vorschlag gemacht. Der wird nun innerhalb der Bundesregierung geprüft und diskutiert. Das hat auch der Bundesfinanzminister gesagt. Dem habe ich jetzt nichts hinzuzufügen, und ich habe auch nicht dem Ergebnis der Prüfung oder Diskussion vorzugreifen.

Politisch steht für uns der besondere Fall des Steuerabkommens mit der Schweiz als ein wirklich dringlich zu lösendes Problem im Vordergrund. Wir wollen noch einmal darauf hinweisen, dass alle Argumente - die rechtsstaatlichen wie auch die fiskalischen - für dieses Steuerabkommen sprechen.

Merzlufft: Ich kann gerne auch noch einmal klar zwischen der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Daten und der Strafbarkeit unterscheiden. Die Strafbarkeit - das wissen alle handelnden Personen in Nordrhein-Westfalen - steht dort selbstverständlich im Raum. Ich spekuliere aber nicht darüber, ob strafbare Handlungen dahinterstecken. Das hängt - das habe ich eben bei dem Beispiel der Anstiftung auch angedeutet - immer vom konkreten Einzelfall ab. Es gibt jetzt zwei Strafanzeigen, und über deren Ausgang spekuliere ich auch nicht. Natürlich wird sich die Justizministerin hüten, der unabhängigen Justiz den Ratschlag zu geben, wenn strafbare Handlungen vorgenommen worden sein sollten, dort tätig zu werden. Das ist natürlich nicht Sache der Bundesregierung als Institution.

Zum Zweiten geht es um eine Regelung, die sich jetzt nicht auf die Steuer-CDs aus Liechtenstein bezieht, sondern sich insgesamt mit der Frage befasst, wie wir mit illegal gehandelten Daten auf dem Schwarz- und Graumarkt umgehen. Dazu gibt es einen konkreten Vorschlag. Wir prüfen, wie eine Regelung aussehen könnte. Ich habe gesagt: Es ist theoretisch vorstellbar, an diese Regelung anzudocken, es muss aber nicht so sein. Wir sind aber im Moment nicht weiter, als dass wir im Ministerium konkret überlegen, wie diese Regelung ausgestaltet werden kann. Alles andere wird selbstverständlich dann, wenn eine Regelung auf dem Tisch liegen wird, innerhalb der Bundesregierung im Rahmen der geübten Ressortabstimmung beraten werden.

Zusatzfrage: Hält die Justizministerin das Verhalten der nordrhein-westfälischen Landesregierung jetzt für verfassungswidrig oder strafwürdig, oder tut sie es nicht? Sie schwurbeln jetzt so ein bisschen herum, und man könnte Ihnen auch unterstellen, was wir natürlich nicht tun, dass Sie einen Graubereich wunderbar bedienen, um ihn in die Nähe der Straffälligkeit zu rücken. Deshalb bitte ich um eine klare Antwort: Hält sie das für strafwürdig?

Merzlufft: Das kann ich Ihnen auch ganz klar beantworten: Ich kenne den Fall nicht konkret, weiß also sozusagen nicht, wer wie, wann und unter welchen Umständen konkret was gekauft hat. Bekommt jemand eine CD geschenkt, dann ist das ein anderer Fall, als wenn jemand etwas für eine CD bezahlt. Bestellt jemand nach und stiftet dadurch zu einer neuen Straftat an, dann gibt es wieder eine ganz andere Fallkonstellation. Ich kann das abstrakt nicht beurteilen. Ich werde mich auch hüten, hier eine Bewertung als Sprecher eines Ministeriums abzugeben.

Entscheidend ist: Die Justizministerin hat immer davor gewarnt, dass der Handel mit illegalen Daten von Kriminellen auch einen eigenen Markt kreiert, und sie hat seit Jahren in Interviews immer davor gewarnt - das können Sie überall nachlesen; vor ein paar Wochen stand es wieder im "Handelsblatt" -, dass der Handel mit diesen illegalen Daten natürlich auch Nachfrage generiert. Dieser Handel heizt an, und zwar permanent, und er schafft Probleme in diesem ganzen Gesamtkomplex der Kriminalität von illegal gedealten Daten.

Frage: Herr Mertzlufft, wissen Sie, ob der Bundestag so eine Gesetzesänderung, also eine Verschärfung oder Änderung des Strafrechts, allein beschließen könnte, oder braucht man dafür auch den Bundesrat?

Merzlufft: Das hängt ja davon ab, wie so eine Ausgestaltung aussehen würde. Wir prüfen, wie eine Regelung aussehen kann.

Zusatzfrage: Aber gibt es nicht generell für Strafrechtsänderungen - - -

Merzlufft: Ich habe eben schon einmal angedeutet, aber will mich dabei jetzt nicht festlegen, wenn man zum Beispiel - - - Lassen Sie es. Ich will nicht spekulieren. Dann müsste ich ja über die mögliche Ausgestaltung von Regelungen spekulieren, und das kann ich jetzt hier nicht machen.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage, und zwar nicht, weil ich etwas unterstellen will, sondern weil ich es nicht verstehe. Heißt das also, Herr Mertzlufft, es ist nicht so gedacht, dass diese gesetzliche Regelung an die Stelle eines Abkommens treten soll, sondern so, dass das Steuerabkommen und diese gesetzliche Regelung zur Einschränkung des Datenhandels dann parallel ablaufen sollten? Oder wie habe ich mir das vorzustellen?

Merzlufft: Das Damoklesschwert der Strafbarkeit schwebt über diesen Ankäufen von Steuer-CDs, und zwar überall. Das ist - darauf hat die Justizministerin hingewiesen - mit vielen rechtlichen Fragezeichen versehen. Sie hat jetzt vorgeschlagen, zu prüfen, wie eine Regelung aussehen kann, die hierbei Klarheit schafft.

Zur anderen Frage: Natürlich geht es jetzt darum, durch dieses Steuerabkommen mit der Schweiz auch einen rechtsstaatlichen Weg einzuschlagen. Es geht also mitnichten darum, diesen ganzen Fragenkomplex des Umgangs mit illegal gedealten Daten jetzt mit dem Steuerabkommen zu vermengen. Politisch geht es darum, dass dieses Steuerabkommen der einzige rechtsstaatliche Weg ist, um die Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Ich möchte noch an eines anknüpfen, was der Regierungssprecher gerade gesagt hat, und ich muss es leider an dieser Stelle auch sagen: Das SPD-Finanzministerium hat ja kein Steuerabkommen verhandelt bekommen. Es gab bekanntlich kein Ergebnis der Vorgängerregierung. Jetzt gibt es dieses Ergebnis. Die Justizministerin hat bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, dass sie es für unverantwortlich hält, dass dieses Steuerabkommen jetzt im Bundesrat blockiert wird. Es ist der beste rechtsstaatlich gangbare Weg, mit der Schweiz die Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Zusatzfrage: Heißt das, es geht dann auch um Kontodaten, Kreditkartendaten etc., die man damit erfasst? Was fällt dann unter "Datenhandel"?

Merzlufft: Es geht um Datenhehlerei. Das ist der Vorschlag des hessischen Justizministeriums, der hessischen Regierung. Sie schlagen vor, dass es einen eigenen Straftatbestand "Datenhehlerei" im Strafgesetzbuch geben soll, wenn also zum Beispiel Kreditkarten geklaut und verkauft werden. Ich erkläre es einmal so: Wenn man einen Laptop klaut, sich darauf Daten befinden und man ihn verkauft, dann wird das strafrechtlich anders bewertet, als wenn man nur Daten klaut und diese verkauft. Das ist das Problem. Daraufhin hat das FDP-geführte hessische Justizressort einen eigenen Straftatbestand "Datenhehlerei" vorgeschlagen und dies auch auf der Justizministerkonferenz eingebracht. Es kann sein, es muss aber nicht sein, dass wir eben am Ende unserer Überlegungen im Justizministerium in Berlin auch an diese Regelung andocken werden.

Frage: Herr Seibert, was ist dran an den Berichten über die Lieferung von zwei deutschen U-Booten nach Ägypten?

StS Seibert: Wir behandeln das so, wie alle Themen behandelt werden, die Sachverhalte behandeln, für die der Bundessicherheitsrat zuständig ist, und wie auch alle Vorgängerregierungen diese Themen behandelt haben. Wir halten uns an die vorgeschriebene Geheimhaltung, und die betrifft die Tagesordnung, die Beschlüsse und sogar auch das Abstimmungsverhalten. Im Übrigen handeln wir auch, was das generelle Gesamtthema der Rüstungsexporte angeht, entsprechend der Verfahren, die auch für die Vorgängerregierungen gegolten haben. Wir handeln aufgrund der gleichen Grundsätze. Das sind im Wesentlichen die Grundsätze für den Export von Rüstungsgütern und Kriegswaffen aus dem Jahr 2000 sowie die europäischen Grundsätze, die, glaube ich, 2008 vom Rat der Europäischen Union formuliert wurden. Insofern werde ich mich zu diesen aktuellen Spekulationen über solche Lieferungen an Ägypten nicht äußern.

Ich würde aber bei dieser Gelegenheit völlig unabhängig von Ihrer Frage doch sagen, dass ich Berichte über angebliche Störungen im deutsch-israelischen Verhältnis in keiner Weise nachvollziehen kann. Es hat sich nichts an der deutschen Haltung zu Israel und an der Verpflichtung geändert, die die Bundesregierung für die israelische Sicherheit empfindet.

Zusatzfrage: Das wollte ich gerne auch noch Herrn Schäfer fragen. Israelische Zeitungen berichten heute von einer drastischen Verschlechterung im deutsch-israelischen Verhältnis. Ist Ihnen, Herr Schäfer, irgendein Protest aus Israel bekannt?

Schäfer: Mir sind natürlich genau wie Ihnen auch die Zeitungsberichte bekannt. Darüber hinaus kann ich nur dem beipflichten, was Staatssekretär Seibert gerade gesagt hat: Es gibt keine Verstimmungen im deutsch-israelischen Verhältnis. Die Beziehungen sind hervorragend. Im Übrigen gibt es einen sehr fließenden und regelmäßigen Austausch - auf hoher politischer Ebene sowieso, aber selbstverständlich auch auf der Ebene der Ministerien, in diesem Fall der Außenministerien. Geplant ist obendrein schon in nächster Zeit eine Begegnung der beiden Regierungen.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie natürlich nichts über den Bundessicherheitsrat, seine Tagesordnung und seine Beschlusslage berichten können, dann würde das ja nur in dem Moment ziehen, in dem dieses Thema den Bundessicherheitsrat beschäftigt hat. Hätten Sie nicht auch sagen können "Der Bundessicherheitsrat hat sich mit dem Thema überhaupt nicht befasst, und deswegen können wir diese Berichte nicht nachvollziehen"? Dann wären Sie genauso gut aus der Nummer herausgekommen. Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage geht an Herrn Schäfer: In den Berichten über das angeblich belastete Verhältnis wird unter anderem die angeblich mehrfach von deutscher Seite angeregte Verschiebung der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen genannt, die jetzt im Dezember und damit knapp zwei Jahre nach dem letzten Mal stattfinden sollen. Ursprünglich sei vereinbart gewesen, so etwas jedes Jahr zu machen. Haben Sie eine Erklärung dafür, jetzt auf diesen zweijährigen Turnus umzuschwenken?

StS Seibert: Ich hatte ja extra erwähnt, dass es Usus ist und von der Rechtslage auch verlangt wird, dass auch die Tagesordnung des Bundessicherheitsrats dieser Geheimhaltung unterliegt. So ist es auch immer von dieser Regierung und den Vorgängerregierungen gehandhabt worden. Das betrifft das, was dort behandelt worden sein mag oder auch nicht behandelt worden sein mag. Insofern habe ich keine Aussage über die Tagesordnung der Sitzung des Bundessicherheitsrats getroffen.

Schäfer: Zu den Regierungskonsultationen kann ich nur sagen: Das ist ein Instrument, das die Bundesregierung sehr sorgfältig und nur dann einsetzt, wenn es sich wirklich um Partnerschaften mit Länder handelt, die uns wichtig sind und zu denen wir engste Beziehungen unterhalten. Das haben wir in den letzten Tagen im Verhältnis zu China gesehen, und das gilt für einige andere Staaten, zu denen auch Israel gehört.

Auch mir ist nichts darüber bekannt, dass es im Zusammenhang mit diesen Regierungskonsultationen und den Planungen für die nächste Runde irgendwelche Unstimmigkeiten zwischen der Bundesregierung und der israelischen Regierung gibt. Ich gehe ganz im Gegenteil sicher davon aus, und für die Bundesregierung kann ich das bestätigen, dass wir uns sehr auf die nächste Runde der Regierungskonsultationen mit der israelischen Regierung und auf den breiten Dialog freuen, den wir ohnehin immer mit Israel führen und der dann in den Regierungskonsultationen sozusagen regelmäßig auf allerhöchster Ebene weitergeführt werden wird.

Zusatzfrage: Die Frage ging eigentlich in die Richtung, ob es zutrifft, dass die Konsultationen auf Wunsch der Deutschen mehrfach verschoben worden sind und man sich inzwischen in einem Zweijahresturnus befindet.

Schäfer: Das kann ich Ihnen nicht bestätigen.

Frage: Herr Schäfer, Deutschland übernimmt jetzt für einen Monat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Können Sie sagen, ob es besondere Akzente gibt, die Sie dort setzen wollen?

Zur zweiten Frage, der schwierigen Lage in Syrien: Wird man irgendetwas unternehmen, um den Sicherheitsrat wieder stärker in das diplomatische Spiel zurückzubringen

Schäfer: Der Sicherheitsrat ist und bleibt ein ganz wichtiges Gremium für Frieden und Sicherheit in der Welt. Das gilt ganz besonders für Syrien. Selbstverständlich wird sich die Bundesregierung als Vorsitz im Sicherheitsrat für den Monat September genau so, wie es das vorher als einfaches Mitglied im Sicherheitsrat getan hat, mit großer Anstrengung darum bemühen, das, was den Sicherheitsrat bislang davon abhält, tätig zu werden, zu überwinden. Die Wahrheit und die Ehrlichkeit gebieten es allerdings, festzuhalten, dass mir derzeit keine Anhaltspunkte dafür bekannt wären, dass sich die Blockade, die wir dort seit einigen Monaten erleben, auflösen würde. Das schließt nicht aus, dass wir an dieser wichtigen Schaltstelle - nämlich als Präsidentschaft im September und dies obendrein parallel zur dann auch beginnenden neuen Generalversammlung der Vereinten Nationen - selbstverständlich weiter alles in unserer Macht Stehende tun werden, um uns darum zu bemühen, dass dieses Dossier, das Thema Syrien, im Sicherheitsrat auf der Tagesordnung bleibt und dann hoffentlich mit einem Einlenken derjenigen, die bisher noch nicht mitziehen, einem tatkräftigen Ergebnis zugeführt werden kann.

Im Übrigen hat sich ja der Sondergesandte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Herr Brahimi, am Wochenende auch dazu eingelassen und aus seiner Position in seiner neuen Funktion, die er erst seit Samstag, den 1. September, innehat, mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass auch die Ausübung seiner Funktion außerordentlich schwierig ist, wenn ihm die einhellige Unterstützung des Sicherheitsrats nicht sicher ist.

Im Sicherheitsrat - damit komme ich dann zu Ihrer ersten Frage - steht selbstverständlich das Thema Syrien ganz oben auf der Tagesordnung, dies mit der Tonlage, wie ich sie Ihnen eben zu beschreiben versucht habe. Darüber hinaus - das ist Ihnen und in einigen Agenturen ja auch am Wochenende berichtet worden - wird es darum gehen, dass wir einige Themen, die wir bereits in der Vergangenheit im Sicherheitsrat verfolgt haben, weiter forcieren wollen. Dazu gehört das Thema "Kinder in bewaffneten Konflikten". Ansonsten schauen wir, wie die aktuelle internationale Lage ist und welche Themen der Sicherheitsrat dann aufnehmen wird.

Bundesaußenminister Westerwelle wird Ende des Monats für einige Zeit nach New York reisen und für Deutschland in der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprechen. Er wird mindestens an einer Sicherheitsratssitzung unter deutschem Vorsitz teilnehmen.

Frage: Es gab vor den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen ein wenig Hoffnung, dass man China ein wenig bewegen könnte. Gab es irgendwelche Signale dafür? Oder hat sich da nichts verändert?

Schäfer: Es gab zwischen der Bundeskanzlerin und dem chinesischen Ministerpräsidenten im Plenum wie auch unter den Außenministern intensive Gespräche über die aktuelle internationale Agenda. Dazu gehörte auch das Thema Syrien. Das war oben auf der Agenda, die besprochen worden ist. Ich habe aber nichts, was ich Ihnen mitteilen könnte, das im Kontext der Fragen zu Syrien und Sicherheitsrat unmittelbar Anlass zu großer Hoffnung gäbe.

Die Diskussionen waren wichtig. Sie waren intensiv. Aber sie sind noch nicht so weit gediehen, dass wir der Meinung wären, dass eine größere Chance als vorher bestünde, im Sicherheitsrat beim Syrien-Dossier Schritte voranzukommen.

Frage: Eine Lernfrage an das Finanzministerium. Um welche Uhrzeit kommt morgen der griechische Finanzminister nach Berlin? Wird es eine Pressekonferenz geben?

Kothé: Das Gespräch findet morgen Vormittag statt. Es ist kein Pressetermin vorgesehen. Wir werden Sie schriftlich informieren, wie wir das meistens bei solchen bilateralen Gesprächen machen.

Zusatzfrage: Können Sie uns bitte die Uhrzeit sagen, wann der Finanzminister eintreffen wird?

Kothé: Die genaue Uhrzeit sage ich Ihnen auch nicht, weil es kein presseöffentlicher Termin ist.

Frage: Wie sieht die Agenda dieses Treffens aus?

Kothé: Es ist ein für uns übliches bilaterales Gespräch zwischen den zwei Finanzministern, wo es natürlich schwerpunktmäßig um die aktuelle Situation und die Lage in Griechenland gehen wird. Beide Minister sind übereingekommen, sich regelmäßig auszutauschen. Dieser Termin dient dazu.

Zusatzfrage: Das Sparpaket in Griechenland ist fertig. Es umfasst knapp 12 Milliarden Euro. Wird das ein Thema sein?

Kothé: Ich möchte dem Gespräch nicht vorgreifen. Ich denke, dass das ein wichtiger Punkt ist und die Minister sich über die Lage in Griechenland austauschen werden. Das wird sicherlich auch zur Sprache kommen.

Frage: Herr Seibert, weiß die Regierung, wie lange Herr Weidmann noch auf seinem Posten bleibt?

Stimmt es, dass Frau Merkel mit ihm letzte Woche gesprochen hat? Wenn ja, was war der Inhalt dieses Gesprächs? Hat Frau Merkel ihn überzeugt, dass er weitermachen sollte?

Wie ist die Beziehung zwischen Herrn Asmussen und Herrn Weidmann?

StS Seibert: Ich fange einmal von hinten an. Die Beziehung zwischen Herrn Asmussen, der die EZB vertritt, und Herrn Weidmann, der die Bundesbank vertritt, muss vom Sprecher der Bundesregierung ganz sicherlich nicht eingeschätzt oder qualifiziert werden.

Zweitens ist zu den Meldungen des Wochenendes in Sachen Weidmann zu sagen, was Herr Weidmann selber dem "Spiegel" gesagt hat. Er hat gesagt: Er bleibt im Amt. Es gibt überhaupt keinen Grund, dass wir uns auf weitere Spekulationen einlassen. Das steht für uns, und das gilt für uns.

Drittens hat die Bundesregierung - und zwar die Bundeskanzlerin, ganz sicher auch der Finanzminister und wahrscheinlich auch andere Minister - vom Amts wegen immer wieder mit dem Chef der Bundesbank zu tun. Deswegen gibt es nicht seltene Gespräche. Diese sind aber immer vertraulich.

Zusatzfrage: Es wurde nicht über seine Zukunft gesprochen?

StS Seibert: Ich glaube, ich habe die Frage deutlich beantwortet. Herr Weidmann hat selber dem "Spiegel" seine Zukunft in der Bundesbank ganz klar dargelegt. Wir haben das weder zu kommentieren noch einzuschätzen. An Spekulationen nehme ich nicht teil.

Frage: Um das Thema noch ein klein wenig auszuweiten und ein bisschen auf die Gespräche der Kanzlerin mit Herrn Rajoy in Spanien zu kommen: Herr Rajoy hat vorgeschlagen, die Fiskalunion in drei Schritten anzugehen und dabei schon für 2015/16 die Möglichkeit von Eurobonds angedeutet. Wie steht die Bundeskanzlerin zu den Vorschlägen von Herrn Rajoy?

StS Seibert: Zunächst einmal stimmt es, dass die Bundeskanzlerin Herrn Rajoy an diesem Donnerstag in Madrid treffen wird. Es wird ein bilaterales Treffen sowie eine Teilnahme an einer Wirtschaftsrunde geben, die deutsch-spanisch besetzt ist. Das ist für uns ein Treffen, dem wir große Bedeutung beimessen. Diese deutsch-spanische Wirtschaftskonferenz kann, so hoffen wir, Impulse setzen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit unserer beiden Länder noch zu intensivieren und zu verstärken. Deutsche und spanische Unternehmen können - so hoffen wir ebenfalls - Maßnahmen treffen, die den Reformkurs der Regierung Rajoy wirksam unterstützen. Ein Reformkurs, den ich hier bei vielen Regierungspressekonferenzen schon als sehr beachtenswert, sehr respektabel und unterstützenswert dargestellt habe.

Nun hat sich der spanische Ministerpräsident Rajoy mit Vorstellungen über die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion an die Öffentlichkeit gewandt. Sie wissen, dass der Europäische Rat Ende Juni den Auftrag erteilt hat, im Herbst die Arbeiten an dieser Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion unter der Federführung von Herman Van Rompuy, dem Ratspräsidenten, voranzutreiben. Dieser konsultiert natürlich auch die Mitgliedstaaten. Nun melden sich immer mehr Mitgliedstaaten - das hat Präsident Hollande bereits für Frankreich getan - mit ihren Vorstellungen zu Wort. Auch Deutschland wird das tun. Ich denke, wir werden in den nächsten kommenden Wochen und Monaten sehr intensiv im Kreis der Staats- und Regierungschefs diskutieren, welches der richtige Weg, das richtige Tempo, vor allem aber die richtigen Inhalte der Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion sind. Dem möchte ich hier nicht durch die Bewertung einzelner Vorschläge, die schon aus einzelnen Staaten vorliegen, vorgreifen.

Frage: Ministerpräsident Rajoy hat auch erklärt, dass er auf eine Aktion der Europäischen Zentralbank hofft. Glauben Sie, dass er am Donnerstag enttäuscht wird?

StS Seibert: Da die Europäische Zentralbank unabhängig handelt, sind wir weder an den Vorbereitungen ihrer Aktionen beteiligt noch äußern wir vorher schon Vermutungen, wie diese Aktionen ausgehen werden. Wir warten ab, was die Europäische Zentralbank in Erfüllung ihres Mandats am Donnerstag bekannt gibt.

Zusatzfrage: Glauben Sie, dass wir dann mehr Informationen über die Situation der spanischen Banken erfahren? Sie haben vor ein oder zwei Wochen gesagt, dass es gut wäre, wenn mehr detaillierte Informationen über die Situation der spanischen Banken vorlägen.

StS Seibert: Das ist richtig. Ich würde auch weiterhin sagen, dass das richtig ist. Darauf warten viele in Europa. Ich kenne leider nicht den Zeitplan, wann die spanische Regierung diese Informationen zusammen hat.

Zusatz: Wahrscheinlich Ende September.

StS Seibert: Möglicherweise werden wir alle am Donnerstag in Madrid bei der Pressekonferenz ein bisschen mehr erfahren. Ich weiß es nicht.

Zusatzfrage: Werden Verträge unterzeichnet? Oder wird nur diskutiert und es werden keine Verträge unterzeichnet?

StS Seibert: Zwischen den beiden Regierungen werden nach meinen Informationen keine Verträge unterzeichnet. Es ist erst ein bilaterales Treffen. Dann findet die deutsch-spanische Wirtschaftskonferenz statt, aus der - das ist doch zu hoffen - positive Impulse hervorgehen werden. Ich kann Ihnen noch nicht genau sagen, wie das ausgeht. Sie ist jedenfalls auf beiden Seiten sehr gut, sehr hochrangig besetzt, was auch das Interesse der deutschen Unternehmen zeigt, sich in Spanien zu engagieren und mit dazu beizutragen, dass Spanien diesen Reformweg gut gehen kann.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundesregierung die Analyse des spanischen Ministerpräsidenten, dass die Zinsdifferenzen in der Eurozone viel zu hoch sind und dass sich das nicht auf Dauer durchhalten lässt?

StS Seibert: Auch dazu haben wir uns doch hier schon sehr oft geäußert. Es ist niemandem damit gedient, wenn wir politisch festlegen, wo Zinsen zu stehen hätten. Diese Zinsen drücken auch real existierende Probleme in den Ländern aus: Rückstände an Wettbewerbsfähigkeit, noch vorzunehmende Reformen.

Nun haben wir zum spanischen Fall mehrfach gesagt - das wiederhole ich gerne noch einmal -, dass es ganz bemerkenswert ist, welchen Weg Spanien in der letzten Zeit eingeschlagen hat. Wenn, wie die Bundeskanzlerin sagt, die Hausaufgaben gemacht sind, die Strukturen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes verbessert sind - auch in anderen Ländern -, dann wird das auch dazu führen, dass sich das in den Zinsen niederschlägt. Es ist aber kein Grund, politisch Zinsen festzulegen. Man kann verstehen, dass die Spanier sich wünschen, die Zinsen lägen schon niedriger. Man kann ohnehin verstehen, dass die Spanier sich wünschen, die Märkte würden ihre massiven Bemühungen schon stärker belohnen.

Frage: Eine ganz konkrete Nachfrage an Herrn Seibert. Hält die Kanzlerin es für möglich, dass man innerhalb von drei Jahren - also 2015 und 2016, wie Herr Rajoy sagt - auf europäischer Ebene schon so weit ist, dass Eurobonds ausgegeben werden könnten? Oder schließt sie das wie bisher aus?

StS Seibert: Ich glaube, Sie wissen, dass Eurobonds nicht das Ziel der Bundesregierung sind und dass die Bundesregierung überhaupt nichts an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Eurobonds als ein Mittel zur Bewältigung der derzeitigen Probleme verändert hat. Wir möchten und werden uns sehr intensiv, sehr konstruktiv an diesem gemeinsamen Nachdenken darüber beteiligen, wie man die Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Stabilitätsunion weiterentwickeln kann, wie man mehr Zusammenhalt, mehr Verbindlichkeit, mehr Gemeinsamkeit auf entscheidenden wirtschafts- und finanzpolitischen Feldern herstellen kann. Für uns zählen jetzt diese Inhalte. Wir werden mit unseren eigenen Vorstellungen sicherlich sehr intensiv an der Debatte beteiligt sein.

Frage: Die Bundesregierung will sich nicht in das einmischen, was die EZB macht. Sie hat aber doch eine Meinung, ob es richtig oder falsch ist, Staatsanleihen zu kaufen. Wahrscheinlich haben Sie das auch schon zig Mal gesagt.

StS Seibert: Keine Regierung in Europa sollte sich in das einmischen, was die EZB tut, denn das wäre ein relativ eklatanter Verstoß gegen die Unabhängigkeit der EZB.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung keine Meinung dazu, ob es richtig ist, Staatsanleihen zu kaufen? Das kann eine Regierung doch sagen. Oder nicht?

StS Seibert: Ich glaube, man könnte auf der ganz theoretischen Ebene argumentieren, dass man, wenn man Kritik oder Zustimmung äußert, bereits eine politische Einflussnahme vorgenommen hat. Deswegen würde ich mich dem enthalten. Die Bundeskanzlerin hat immer wieder ausgedrückt, dass sie absolutes Zutrauen hat, dass die EZB im Rahmen ihres Mandats und im Rahmen ihrer Aufgabenstellung das Notwendige tut. Von uns wird das nicht von außen beeinflusst.

Frage: Herr Seibert, hat die Bundeskanzlerin die Absicht, Griechenland zu besuchen?

StS Seibert: Aktuell kann ich Ihnen nicht von solchen Plänen berichten.

Frage : Herr Seibert, Sie beziehungsweise das Finanzministerium haben an dieser Stelle immer wieder betont, dass man sich schon auf alle Eventualitäten vorbereitet. In ein paar Tagen steht eine wichtige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Gibt es eigentlich so etwas wie einen Plan B? Ist man sozusagen auf alle Eventualitäten vorbereitet?

StS Seibert: Wir warten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Bewusstsein ab, dass wir glauben, mit sehr guten Argumenten vor dem Bundesverfassungsgericht aufgetreten zu sein.

Zusatzfrage : Einen Plan B gibt es nicht? Man hofft, dass man einfach mit den Argumenten durchdringt?

StS Seibert: Die Bundesregierung ist mit guten Argumenten in Karlsruhe aufgetreten. Jetzt warten wir die Entscheidung des Gerichts ab.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. Nachdem die Amerikaner die Ausbildung von afghanischen Rekruten für die lokale Polizei eingestellt haben, wie sieht es denn im Verantwortungsbereich der Bundeswehr aus?

Bauch: Wie Sie richtig dargestellt haben - dafür bin ich dankbar, weil es am Wochenende durchaus die eine oder andere Irritation in der Pressedarstellung gab -, haben die US-Forces die Ausbildung eines Teils der Afghan Local Police, also auch nur einen Teil der Polizei-Forces in Afghanistan, ausgesetzt, um noch einmal eine detailliertere Personenüberprüfung im gesamten "vetting process" durchzuführen. Ich kann für den Bereich der Bundeswehr sagen, dass wir weiterhin die ANA- und die ANP-Ausbildungen fortsetzen und nicht eingestellt haben.

Zusatzfrage: Welche Maßnahmen hat die Bundeswehr eingeleitet, um solche Vorfälle, die auch im Bereich der Bundeswehr vorgekommen sind, zu verhindern? Oder gab es schon eine Nachüberprüfung oder ist sie geplant?

Bauch: Hier muss man die Gesamtlage betrachten. Es gibt derzeit vermehrt Anschläge von Innentätern; das ist richtig. Es ist aber auch schon vermeldet worden, dass die Ursachen für Innentäter im Großteil nicht auf Insurgents, Infiltration oder Unterwanderung zurückzuführen sind. Es ist auch vermeldet worden, dass COMISAF als Gesamtverantwortlicher für den ISAF-Einsatz für alle Bereiche schon im März dieses Jahres eine sogenannte "green-on-blue directive" mit entsprechenden Maßnahmen herausgegeben hat. Diese werden natürlich in allen Bereichen, so auch bei der Bundeswehr, umgesetzt.

Zusatzfrage: Letzte Nachfrage. Haben Sie konkrete Zahlen zu den Angriffen im Norden, die im Zusammenhang mit der Polizeiausbildung stehen?

Bauch: Ich bitte, die Zahlen bei ISAF nachzuschauen. Wir wissen, dass es leider einen sehr tragischen Fall im Februar 2011 gab, wo drei Soldaten gefallen sind. Ansonsten gibt es bei uns keine Vorfälle.

Lörges: Auch in unserem Geschäftsbereich werden Polizisten in Afghanistan ausgebildet. Da gibt es auch noch einmal die klare Trennung, dass sich die Maßnahme der Amerikaner auf die Afghan Local Police bezog. Unsere Ausbildungsmaßnahmen betreffen die Afghan National Police. Diese Maßnahme der Amerikaner, die auch vorläufig ist, hat keine Auswirkungen auf die derzeitige Ausbildung durch deutsche Polizisten. Die Sicherheit der deutschen Polizisten ist insofern gewährleistet, als die Ausbildung in gesicherten Einrichtungen stattfindet. Die afghanischen Staatsangehörigen werden auch beim Betreten des gesicherten Bereichs nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsucht. Jeder muss seine Waffe abgeben. Auch die Deutschen sind natürlich entsprechend sensibilisiert. Das zur Ergänzung.

Zusatzfrage: Hat man denn bei diesen Überprüfungen schon Waffen gefunden?

Lörges: Ich habe keine konkreten Erkenntnisse. Das sind afghanische Polizisten. Sie werden Waffen haben. Diese müssen sie eben am Eingang abgeben.

Zusatzfrage: Ich meinte natürlich in dem Fall, ob jemand versucht hat, eine Waffe hineinzuschmuggeln.

Lörges: Wir stellen am Eingang sicher, dass keine Waffe hineinkommt.

Schäfer: Ich habe noch zwei Nachträge.

Erstens. Ich erlaube mir, im Zusammenhang mit der Frage zu Syrien und den Schwerpunkten der deutschen Präsidentschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im September darauf hinzuweisen, dass nach jetzigen Planungen am 26. September eine Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen unter deutscher Präsidentschaft stattfinden wird. Sie wird aller Voraussicht nach von Außenminister Westerwelle geleitet. Es geht um das Thema Frieden und Sicherheit im Nahen Osten. Da geht es ganz wesentlich etwa um die Beziehungen zwischen den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga. Gerade am schrecklichen Fall Syrien hat sich ja die Zusammenarbeit zwischen der Regionalorganisation Arabische Liga und den Vereinten Nationen intensiviert. Es ist ja kein Zufall - und wird von uns auch sehr positiv bewertet -, dass erst Kofi Annan und jetzt Herr Brahimi Sonderbeauftragte sowohl der Vereinten Nationen wie auch der Arabischen Liga sind. In diesem Kontext geht es selbstverständlich auch - je nach aktueller Lage - um den Fall Syrien.

Meine zweite Anmerkung - ich denke, dazu haben viele von Ihnen schon Informationen von uns erhalten -: Morgen tagt im Auswärtigen Amt im Rahmen der Zusammenarbeit der Freunde des syrischen Volkes die von uns und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführte Arbeitsgruppe "Wirtschaftlicher Wiederaufbau". Wir erwarten dazu mindestens 50 Delegationen von befreundeten Partnerstaaten und internationalen Organisationen. Es werden viele Vertreter der syrischen Opposition hier bei uns in Berlin sein. Es geht darum, jetzt gewissermaßen schon für die "Stunde null" zu planen, nämlich für den Fall, dass irgendwann - hoffentlich in naher Zukunft - das Assad-Regime nicht mehr das Land anführt und die Gewalt zu einem Ende gekommen ist. Es geht darum, möglichst schnell und möglichst effizient bereits jetzt im Rahmen der internationalen Gemeinschaft und mit unseren Partnern der Opposition in Syrien Konzepte zu entwickeln, wie es dann auch schnell zu einer wirtschaftlichen und sozialen Dividende beim Wiederaufbau in Syrien kommen kann.

Frage: Ich habe noch eine Frage zu einem ganz anderen Thema an das Gesundheitsministerium. Herr Ewald, nachdem die Spitzenvertreter der Ärzte vor nicht allzu langer Zeit die Verhandlungen mit den Krankenkassen abgebrochen haben: Steht Deutschland jetzt vor einem massiven flächendeckenden Ärztestreik?

Ewald: Lassen Sie mich, so wie es der Minister am Wochenende und auch heute noch getan hat, vielleicht zunächst noch einmal kurz die aktuelle Gemengelage darstellen.

Die Vergütungen sind Sache der Ärzte und der Kassen. Es ist originäre Aufgabe der Selbstverwaltung, hier zu einem Kompromiss zu kommen. Aus guten Gründen wurde ja immer wieder verlangt, dass sich die Politik aus diesen Vereinbarungen heraushalten soll. Es kommen ja gelegentlich Rufe, dass Herr Bahr dort politisch aktiv werden soll. Das wäre in etwa so, als wenn die jetzt streikenden Flugbegleiter Herrn Ramsauer bitten würden, den aktuellen Tarifkonflikt zu lösen. Das Gesundheitsministerium hat nur die Rechtsaufsicht, das heißt, wir werden formalrechtlich prüfen, ob Verfahrensfehler vorliegen. Das ist unsere Möglichkeit, diesen Prozess zu begleiten, und so werden wir das auch machen.

Wenn es zu Praxisschließungen kommt, dann liegt das damit in der Verantwortung der Ärzte und der Krankenkassen. Sie wissen aber auch - dazu finden heute weitere Verhandlungen zwischen Ärzten und den Kassen statt -, dass das Gesamtergebnis über das Honorarvolumen insgesamt noch gar nicht feststeht. Bisher gibt es eine Vereinbarung über den sogenannten Punktwert, es kommen aber noch einzelne Komponenten dazu. Insofern wurde da noch nicht über Mengenfaktoren geredet. Das wird heute Gegenstand der Besprechung in der Selbstverwaltung sein, sodass davon auszugehen ist, dass die Steigerungen noch höher ausfallen.

So viel zu der aktuellen Gemengelage. Wir warten jetzt die Verhandlungen ab und gehen davon aus, dass Ärzte und Kassen da zu einem guten Ergebnis kommen werden. Dem Minister ist natürlich wichtig, dass die gute medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland weiterhin gewährleistet ist. Die Ärzte haben Streiks angedroht. Wie gesagt, es finden heute noch Verhandlungen dazu statt. Den Ausgang muss man abwarten.

Das war im Wesentlichen das, was ich Ihnen dazu zu sagen habe.

Frage: Herr Ewald, während wir hier in der Regierungspressekonferenz zusammensitzen, kam die Meldung, dass die Ärzte die Verhandlungen abgebrochen und verlassen haben; insofern wird es da heute wohl keine Einigung mehr geben. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage: Ist das jetzt ein erneuter Anlass, über die hohen Kassenüberschüsse zu sprechen? Herr Bahr hat darüber in der Vergangenheit ja schon öfter gesprochen. Die Begehrlichkeiten, an die Überschüsse der Kassen heranzukommen, sind ja auch klar; denn die Ärzte wissen ja, dass bei den Kassen Geld ist. Gibt es da eine Möglichkeit für den Minister, auf dieser Ebene einen erneuten Vorstoß zu wagen?

Ewald: Wir werden ja - das wird noch in dieser Woche stattfinden - die Halbjahres-Finanzergebnisse der gesetzlichen Krankenversicherung veröffentlichen. Die liegen noch nicht in Gänze vor, sind also sozusagen noch zusammenzuführen. Das betrifft die Rechnungslegung für den Gesundheitsfonds als auch für die Krankenkassen. In der Tat deutet sich aber an, dass sich die Finanzreserven in der gesetzlichen Krankenversicherung - das hat der Minister auch in dem "Spiegel"-Gespräch noch einmal deutlich gemacht - weiterhin verbessern werden. Das heißt, wir haben es mit wachsenden Überschüssen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tun. Der Minister hat immer wieder deutlich gemacht, dass er es für sachgerecht hält, dass auch die Patienten und Versicherten von diesen Überschüssen partizipieren. Wir haben ja aktuell die Diskussion beziehungsweise die Forderung an einzelne Krankenkassen, dass sie Prämien ausschütten sollen. Die Möglichkeit dazu besteht, es gibt aber keinen gesetzgeberischen Reflex dafür, dass Krankenkassen diese Prämien auszuschütten haben. Noch einmal im Rekurs auf das "Spiegel"-Gespräch: Der Minister hat angesichts der sich andeutenden weiter verbessernden Finanzlage der Krankenversicherung ja gesagt, dass, wenn dort nicht Bewegung hineinkommt, auch zu prüfen ist, inwieweit man einzelne Krankenkassen beziehungsweise diejenigen Krankenkassen, die übe r entsprechende Finanzreserven verfügen, dann möglicherweise auch qua Gesetz zur Ausschüttung von Prämien bewegen kann.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Flosdorff vom Arbeitsministerium: Mich würde interessieren, ob Sie eine Rückmeldung auf Ihren Brief an die "Junge Gruppe" im Bundestag in Sachen Rente bekommen haben. Herr Mißfelder hat sich heute Morgen ja noch einmal geäußert und hat seine Kritik noch einmal bekräftigt. Kam bei Ihnen darüber hinaus noch einmal eine Reaktion an? Was erhoffen Sie sich von dem Gespräch am Mittwoch? Wird es in irgendeiner Form eine Presseunterrichtung geben?

Eine Anschlussfrage: Es sind ja verschiedene Zahlen im Umlauf. Jetzt war immer die Rede davon, dass ein Bruttogehalt von 2.500 Euro die Grenze darstellen würde, unterhalb derer die Rentner dann später unter die Grenze von 688 Euro fallen würden. Ich habe jetzt aber auch noch einmal gelesen, dass es 2.100 Euro wären. Es wäre nett, wenn Sie das noch einmal konkretisieren könnten.

Flosdorff: Dann fange ich einmal bei der Frage nach der "Jungen Gruppe" an: Soweit ich weiß, ist das Gesprächsangebot angenommen worden. Es waren ja Vertreter der "Jungen Gruppe" und nicht die Junge Gruppe selber, die der Ministerin am letzten Wochenende einen Brief geschrieben hatten, in dem sie die Zuschussrente kritisiert hatten. In diesem Brief wurde auch Kritik laut, dass das ein Projekt sei, das zulasten der jungen Generation gehen würde. In der weiteren Diskussion war auch von "verzichtbaren Wohltaten" und "überflüssigen Sozialleistungen" die Rede.

In ihrem Antwortschreiben hat die Ministerin klar gemacht - auch mit Modellrechnungen -, dass wir nicht über Randgruppen des Arbeitsmarktes reden, sondern dass es, gerade was die jetzige junge Generation angeht, um Menschen geht, die jahrzehntelang Vollzeit und ohne Erwerbsunterbrechung arbeiten und trotzdem Probleme haben werden, ohne zusätzliche Altersvorsorge eine auskömmliche Rente zu erwirtschaften.

Das Gesprächsangebot der Ministerin ist, soweit ich weiß, angenommen worden. Wer genau an diesem Gespräch teilnehmen wird, weiß ich nicht. Am Mittwoch wird das Gespräch stattfinden, und wenn es dort konkrete Ergebnisse gibt, dann wird man sicherlich darüber unterrichten - das kann ich mir gut vorstellen. Solche Absprachen sind heute aber noch nicht getroffen worden.

Was die 2.500 Euro Grenzeinkommen angeht: Die berechnen sich so, dass Sie, ausgehend von der geltenden Rechtslage, 35 Jahre lang einfach geradeaus arbeiten, sodass die Fragestellung lautet: Was müssen Sie heute verdienen, damit Sie am Ende dieser 35 Jahre mit der gesetzlich vorgesehenen Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent auf den heutigen Grundsicherungsbetrag von 688 Euro kommen können. Dabei kommt man auf 2.500 Euro. Wir haben dann noch einmal anhand der Fragestellung gerechnet: Was für ein Einkommen muss man haben, wenn man 40 Jahre lang arbeitet, um am Ende nicht in die Grundsicherung zu fallen? Das sind 2.200 Euro. Wenn jetzt irgendwo die Zahl 2.100 Euro herumgeistert, dann erklärt sich das wahrscheinlich ausgehend davon, dass man annimmt, dass es keine Rentenniveauabsenkung gibt; denn wenn man davon ausgeht, dass es - entgegen der heutigen Gesetzlage - bei einem Rentenniveau von 51 Prozent bleibt, dann kommt man ungefähr bei dieser Grenze heraus.

Ich möchte, wenn wir diese Diskussion schon angestoßen haben, noch einmal die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen zu sagen: Die Ministerin ist nicht für eine (Rücknahme der) Absenkung des Rentenniveaus. Sie hält es für richtig und für sinnvoll, dass man das damals, im Jahr 2003, getan hat. Dem liegt ja die demografische Entwicklung zugrunde; denn man weiß ja heute schon, wer im Jahr 2030 noch als Beitragszahler und als Steuerzahler da ist, und wir wissen auch, wer dann auf der Rentenseite die Leistungen bezieht. Es wäre jetzt nicht möglich, das zurückzudrehen, ohne dadurch der jungen Generation zu viele Lasten aufzubürden. Es geht eher darum, dass eine zusätzliche, weitere Altersvorsorge getroffen werden muss. Das muss die junge Generation heute wissen. Das ist notwendig, und Riestern kann auch jeder. Es ist nicht so, wie draußen berichtet wird, dass das den Geringverdienern nicht möglich wäre. Einen Riester-Vertrag kann jeder ab 5 Euro im Monat abschließen, mit einer massiven staatlichen Förderung. Da gibt es eine Geldzulage für jeden Einzelnen von 13 Euro, und es gibt für jedes Kind noch einmal 25 oder 26 Euro dazu. So ist der Einstieg. 5 Euro können auch die Bezieher von kleinen Einkommen beiseitelegen - aber sie müssen es auch tun. Wir wissen durch eine aktuelle Umfrage für den Alterssicherungsbericht der Bundesregierung auch - das hat die Ministerin in dem Brief auch dargelegt -, dass 40 Prozent der Niedrigverdiener - das sind die, die 1.500 Euro und weniger verdienen - heute über keine zusätzliche Altersvorsorge verfügen, also weder über eine Betriebsrente noch über einen Riester-Vertrag. Da besteht also dringend Handlungsbedarf.

Zusatzfrage: Sie haben jetzt aber noch keine dezidierte Reaktion auf den Brief bekommen, habe ich das richtig verstanden?

Flosdorff: Soweit ich weiß, laufen da Termingespräche. Wir sind also in Kontakt, und das angebotene Gespräch wird stattfinden - ich glaube, das steht schon fest. Das ist die Reaktion, die wir jetzt hier haben. Was darüber hinausgehend die inhaltlichen Äußerungen betrifft, so ist ja nicht richtig klar, was denn das Alternativkonzept sein soll.

StS Seibert: Ich würde gerne, wenn ich darf, auch noch etwas dazu sagen. - Es ist ganz richtig, dass die Arbeits- und Sozialministerin den Blick auf das Problem der Altersarmut wirft. Dieses Problem ist jetzt noch nicht akut, aber es zeichnet sich doch ab. Ich habe extra noch einmal nachgeschaut, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten ist. Da steht: "Wir verschließen die Augen nicht davor, dass durch veränderte wirtschaftliche und demografische Strukturen in Zukunft die Gefahr einer ansteigenden Altersarmut besteht". Das ist offensichtlich. Ich denke, die Zahlen und die Problembeschreibung, die die Ministerin vorgelegt hat, machen das auch noch einmal klar. Dieses Thema muss sehr umfassend betrachtet werden; da muss man sich alle Aspekte anschauen, und dann muss darüber reden, was die richtige - nicht nur punktuelle, sondern systematische - Antwort auf dieses sich abzeichnende Problem ist. Das wird die Bundesregierung tun.

Zusatzfrage: Herr Seibert, heißt das, dass die Kanzlerin den Weg der Arbeitsministerin und auch das Konzept der Zuschussrente unterstützt?

StS Seibert: Nein, das heißt das, was ich Ihnen gerade gesagt habe: Dass wir das in allen Aspekten prüfen müssen und dass dieses Problem, so wie es sich abzeichnet, durchaus systematische Antworten verlangt. Nun muss man darüber reden - und wird man in aller Ruhe darüber reden - , ob die angedachte Zuschussrente diese systematische Antwort sein kann. Das ist das, was ich sage.

Frage: Damit Steegmans nicht umsonst hier war, habe ich noch eine Frage an das Familienministerium. Am Wochenende hat EU-Kommissarin Viviane Reding erklärt, dass sie eine EU-Richtlinie erlassen will, die in Aufsichtsräten bis zum Jahr 2020 eine Quote von 40 Prozent anlegt. Das ist ja leicht über dem, was Ihre Ministerin bislang anstrebt. Was ist Ihre Reaktion darauf?

Steegmans: Vielen Dank, dass Sie sich so um mich kümmern; das finde ich rührend.

Interessant ist - ich glaube, das muss man sich einmal anschauen -, dass allein von den in 2012 bislang frei gewordenen Aufsichtsratsmandaten der DAX-30-Unternehmen bereits 40 Prozent in diesem Jahr mit Frauen nachbesetzt worden sind. Wir bewegen uns derzeit also in einer Dynamik, angesichts der man konstatieren muss: Die Unternehmen sind aufgewacht; die Unternehmen machen bereits die Neubesetzung frei werdender Stellen mit Frauen zu ihrem eigenen Anliegen.

Die Bundesregierung hatte sich bereits im Februar auf Staatssekretärsebene Gedanken darüber gemacht, ob Brüssel für eine solche Regelung überhaupt zuständig wäre. Das Ergebnis, zu dem die Bundesregierung damals gekommen war, war: Brüssel hat in diesem Bereich keine Kompetenzen, hier gibt es einen Vorrang für die nationale Gesetzgebung.

Wenn wir die Ideen von Frau Reding - so sie denn in den Zeitungen richtig kolportiert werden - einmal näher in den Blick nehmen, so finden wir dort die Vorstellung, dass Brüssel selber sagt: Für die Vorstände wollen sie keine Regelung, weil das zu stark in das operative Geschäft der Unternehmen eingriffe. Der einzige Grund, warum man aber sagen kann, dass man Quoten für Aufsichtsräte macht, ist ja - so wird es von den Befürwortern starrer Quoten auch immer vorgetragen - , dass von dort aus das operative Geschäft beeinflusst werden soll. Wenn also Brüssel selber sagt, dass man in das operative Geschäft nicht zugunsten von mehr Frauen in Führungspositionen eingreifen darf, dann ist das ja ein Grund mehr, aus dem starre Quoten kein adäquates Mittel sind, das von Brüssel vorgegeben werden dürfte.

Wir glauben, dass hier jedes Land seinen eigenen Weg gehen sollte, und wir glauben auch, dass Deutschland mit der Dynamik, die derzeit bei den Aufsichtsratsmandaten zu erkennen ist, sehr gut aufgestellt ist. Die Unternehmen müssen es zu ihrem eigenen Anliegen machen. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmöglichkeiten, familienfreundliche Unternehmenskulturen: Das hilft Frauen, die normal arbeiten, viel, viel mehr, als wenn es irgendwo starre Aufsichtsratsquoten gibt; denn die wenigsten Frauen, die in Deutschland arbeiten, stehen konkret vor der Frage: Schaffst du es in den Aufsichtsrat?

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, dass es bei den Nachbesetzungen gut aussieht: Haben Sie zufällig die aktuelle Quote der DAX-30-Unternehmen?

Steegmans: Je nachdem, wie man rechnet - es gibt verschiedene Modelle. Wenn man die Unternehmen betrachtet, die sich bereits konkrete Vorgaben gegeben haben, wie sie ihre Aufsichtsräte künftig verändern wollen: Da liegen wir beim weiblichen Anteil in einer Größenordnung von 25 bis 26 Prozent. Wenn man die Unternehmen dazunimmt, die sich bislang eigenen Zielsetzungen verweigern, dann ist man, glaube ich, in einer Größenordnung von 20 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten. Das Interessante ist aber natürlich die Dynamik, und da ist feststellbar - und die Ministerin selbst hat in den vergangenen Wochen und Monaten auch mit vielen Aufsichtsräten gesprochen -, dass gerade bei der jetzt anstehenden Besetzungsrunde 2012/2013 die Unternehmen sagen: Wir setzen auf mehr weibliche Präsenz in unseren Aufsichtsräten. Das muss man stärken.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 3. September 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/09/2012-09-03-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2012