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PRESSEKONFERENZ/483: Regierungspressekonferenz vom 21. September 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 21. September 2012
Regierungspressekonferenz vom 21. September 2012

Themen waren unter anderem: Termine der Bundeskanzlerin (Festakt anlässlich des 50. Jahrestags der Rede Charles de Gaulles an die deutsche Jugend in Ludwigsburg, Tag der Deutschen Industrie des BDI, Vorstellung des Buches des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Meinungsaustausch mit EZB-Präsident Draghi, Kabinettssitzung, Festveranstaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum 70. Geburtstag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, Gorleben-Untersuchungsausschuss, Festveranstaltung "Kanzler der Einheit - Ehrenbürger Europas, 1. Oktober 1982: Beginn der Ära Kohl", Festakt zum 60. Weltkongress des Weltdachverbands der Unternehmerinnen "Femmes Chefs d'Entreprises Mondiales", Konferenz "Denk ich an Deutschland" der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft),
Weitere Themen waren: Reise des Außenministers zur Generalversammlung der Vereinten Nationen nach New York, geplante Fusion von EADS und BAE Systems, Bankenunion, Griechenland, Situation in Spanien, islamfeindliches Video, Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Wiederwahl des japanischen Premierministers Yoshihiko Noda, Energiestrategie der japanischen Regierung, Europäischer Stabilitätsmechanismus, Anstieg bei den Steuereinnahmen

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Kotthaus (BMF), Kutt (BMI), Flosdorff (BMAS), Wiegemann (BMWi)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Bevor wir zur nächsten Woche kommen, eine kleine Präzisierung, was den morgigen Samstag betrifft. Wie Sie wissen, reist die Bundeskanzlerin nach Ludwigsburg. Sie trifft sich dort mit dem französischen Präsidenten Hollande zu einem Festakt, der des 50. Jahrestags der Rede Charles de Gaulles an die Jugend in Ludwigsburg gedenkt. Nach diesem Festakt gibt es ein Arbeitsessen.

Jetzt kommt das Neue: Nach dem Arbeitsessen, gegen 15.15 Uhr, werden beide gemeinsam eine Pressekonferenz abhalten - das haben wir Ihnen bisher noch nicht erzählt; das ist also das Neue -, und zwar im Hotel "Adler", Asperg, wo auch das Arbeitsessen stattfindet.

Am Dienstag, dem 25. September, besucht die Kanzlerin hier in Berlin im Congress Center den Tag der Deutschen Industrie des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Sie hält gegen 10.40 Uhr eine Rede.

Anschließend, gegen 11.30 Uhr - noch immer am Dienstag -, nimmt sie an der Vorstellung des Buches des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber teil. Sein Buch heißt: "Weil die Welt sich ändert: Politik aus Leidenschaft - Erfahrungen und Perspektiven". Die Kanzlerin wird bei dieser Buchvorstellung eine kurze Rede halten. Anschließend wird sich Herr Stoiber äußern. Dann gibt es ein kurzes Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten a. D. und der Bundeskanzlerin.

Gegen 13.30 Uhr - wir sind noch immer am Dienstag - trifft die Kanzlerin, wie Ihnen schon bekannt ist, mit EZB-Präsident Draghi zu einem Meinungsaustausch im Kanzleramt zusammen. Es geht um einen allgemeinen Austausch zu aktuellen Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion.

Zuruf: Gibt es eine Pressekonferenz?

StS Seibert: Nein, wie bei diesen reinen Arbeitsbegegnungen üblich, gibt es da keine Pressebegegnung.

Am Mittwochmorgen, 9.30 Uhr, findet die Sitzung des Bundeskabinetts statt.

Ab 11 Uhr nimmt die Kanzlerin an der Festveranstaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum 70. Geburtstag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble teil. Das Ganze findet im Deutschen Theater statt. Das ist eine Veranstaltung der CDU/CSU-Fraktion. Auch Frau Lagarde beispielsweise wird teilnehmen. Die Kanzlerin wird bei dieser Veranstaltung eine Rede halten.

Nachmittags, ab 14 Uhr, ist die Kanzlerin im Plenum des Deutschen Bundestages. Das Debattenthema lautet: Antisemitismus in Deutschland. (Anm.: Debatte wurde abgesagt)

Am Donnerstag, dem 27. September, hat die Bundeskanzlerin einen Ihnen schon lange bekannten Termin. Sie ist ab 10 Uhr als Zeugin im Gorleben-Untersuchungsausschuss geladen.

Am Abend des Donnerstags um 18 Uhr nimmt sie an einer Festveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung teil: Kanzler der Einheit - Ehrenbürger Europas - 1. Oktober 1982: Beginn der Ära Kohl. Die Bundeskanzlerin wird bei dieser Veranstaltung zu Ehren von Helmut Kohl, die im Deutschen Historischen Museum in Berlin stattfindet, die Festrede halten.

Am Freitag um 9.30 Uhr hält die Kanzlerin beim Festakt zum 60. Weltkongress des Weltdachverbands der Unternehmerinnen, Femmes Chefs d'Entreprises Mondiales, eine Rede. Dieser Weltdachverband vernetzt Unternehmerinnen aus etwa 70 Ländern. Der diesjährige Weltkongress findet in Berlin statt. Er wird vom Verband Deutscher Unternehmerinnen organisiert, dem bundesweit 1.600 Unternehmerinnen angehören.

Freitagnachmittag um 17 Uhr besucht die Kanzlerin die Konferenz "Denk ich an Deutschland", veranstaltet von der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Das Ganze findet im Internationalen Forum der Deutschen Bank unter den Linden statt. Der Titel dieser eintägigen Konferenz lautet: "Wie wollen wir in Zukunft (nicht) leben?" Die etwaige 30-minütige Rede der Kanzlerin greift diesen Kontext auf, nämlich mit dem Titel: "Wie wollen wir leben - eine Antwort".

Damit bin ich am Ende der Woche angekommen.

Schäfer: Ich würde Ihnen gerne in aller Kürze die Reise des Außenministers zur jetzt beginnenden Generalversammlung der Vereinten Nationen nach New York ankündigen. Die Reise geht heute Abend los. Bereits am Wochenende wird sich der Außenminister in New York mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Präsidenten der diesjährigen, der 67. Generalversammlung in New York treffen.

Am Montag wird der Außenminister auch den Anfang des Monats ernannten Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für die Syrien-Frage, Herrn Brahimi, treffen. Er wird im Sicherheitsrat auch über seine jüngste Reise in die Region berichten.

Am Mittwoch, dem 26. September, leitet der Außenminister eine hochrangige Sitzung des Sicherheitsrates zum Thema "Frieden und Sicherheit im Nahen Osten". Sie wissen vielleicht, dass Deutschland in diesem Monat den Vorsitz als nicht ständiges Mitglied im VN-Sicherheitsrat innehat.

Voraussichtlich am Freitagmorgen wird Außenminister Westerwelle als Vertreter Deutschlands vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprechen.

Im Laufe der gesamten Woche stehen zahlreiche bilaterale und multilaterale Treffen und Termine auf dem Programm. Inhaltlich kann man vorhersehen, dass in der kommenden Woche nicht nur für uns, sondern für die gesamte Generalversammlung der Konflikt und die schreckliche Lage in Syrien wie auch der Streit um das iranische Atomprogramm ganz besonders wichtige Themen der Debatten in New York sein werden.

Frage: Herr Seibert, sind die Vorgespräche zwischen Deutschland und Frankreich in Sachen Fusion EADS und BAE schon so weit fortgeschritten, dass wir bereits am Samstag zumindest die Chance haben, abschließende Meinungsbildungen von den beiden zu hören?

StS Seibert: Das Thema EADS/BAE wird bei dem Arbeitsessen mit Präsident Hollande sicherlich ein Thema sein. An diesem Samstag wird es sicherlich keine Entscheidungen geben. Mit dieser Erwartung sollten Sie auch nicht in die Pressekonferenz gehen.

Frage: Gibt es vielleicht die Hoffnung, dass Angela Merkel und François Hollande am Samstag bei der Frage der Bankenunion wiederum eine gemeinsame Position finden?

StS Seibert: Auch das wird ein Thema sein. Aber der Samstag beinhaltet ein Arbeitsmittagessen und ist kein Moment, Beschlüsse zu fassen. Wir sind in einem Prozess der Erarbeitung des richtigen Weges, wie man in Europa beispielsweise eine unabhängige Bankenaufsicht etabliert. Darüber werden Deutschland und Frankreich miteinander sprechen. Wir sind, wie gesagt, in einem Prozess. Der Samstag ist kein Tag, an dem Sie Entscheidungen verkündet bekommen oder erwarten sollten.

Frage: Herr Seibert und Herr Schäfer, sind alle aus dem Zweiten Weltkrieg resultierenden Wiedergutmachungszahlungen an Griechenland abgeschlossen? Sieht die Bundesregierung das so?

Jetzt gibt es Historiker und auch etliche Politiker in Griechenland, die immer wieder auf den Zwangskredit rekurrieren, den die Nazis den Griechen in der Besatzungszeit aufgezwungen haben und der noch nicht zurückgezahlt sei. Man hat wohl noch während des Kriegs angefangen, ihn von deutscher Seite zurückzuzahlen. Jetzt wird das als Begründung von dem einen oder anderen angeführt, dass Deutschland da noch eine Bringschuld habe.

Schäfer: Wir blicken - das ist für die Bundesregierung ein Grund zu Freude - auf Jahrzehnte enger und vertrauensvoller Partnerschaft mit dem Partnerland Griechenland zurück. Griechenland ist nicht nur ein enger bilateraler Partner Deutschlands, sondern auch in Gremien und Bündnissen wie der Nato und der Europäischen Union eng mit uns verbunden. Auch im Zuge der aktuellen Schuldenkrise gibt es mit Griechenland eine enge Zusammenarbeit, Partnerschaft und Solidarität.

Deutschland bekennt sich zu seiner nationalsozialistischen Vergangenheit. Das hat es in den letzten Jahrzehnten immer getan. Es hat in vielfacher Weise unter Beweis gestellt, dass wir dieses Bekenntnis zu unserer Vergangenheit sehr ernst nehmen. Das gilt auch für die nationalsozialistische Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg.

Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten im Rahmen verschiedener mehrere bilateraler Abkommen gegenüber Griechenland in erheblichem Maße Leistungen erbracht. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Frage von Reparationen nach vielen Jahrzehnten ihre Bedeutung verloren hat. Für uns stellt sich diese Frage gegenüber Griechenland nicht.

Ich möchte hinzufügen: Mir ist kein einziges Gespräch, kein einziger offizieller Kontakt zwischen Deutschland und Griechenland bekannt, in dem das Thema in den letzten Jahren jemals zur Sprache gekommen wäre.

Frage: Herr Schäfer, Sie haben gesagt, von griechischer Seite sei bis jetzt keine offizielle Forderung erhoben worden. Aber es ist bekannt, dass das griechische Finanzministerium angekündigt hat, bis Ende des Jahres alle Daten sammeln zu wollen, um diese Forderung gründlich darzustellen und dann an Deutschland zu richten. Die eine Sache ist die Frage, was man mit den Reparationszahlungen gemacht hat. Sie haben gesagt, dass dieses Kapitel abgeschlossen ist. Aber das Kapitel der Zwangsanleihe ist nach griechischer Lesart nicht abgeschlossen und gehört nicht zu dem Thema der Kriegsreparationen. Das ist eine ganz andere Geschichte. Sehen Sie das auch so, oder gehört das auch dazu?

Schäfer: Sie haben über Informationen berichtet, die Sie aus dem griechischen Finanzministerium haben. Die kann ich weder dementieren noch bestätigen. Diese Frage sollten Sie an die griechischen Behörden in Athen richten. Ich kann über das hinaus, was ich Ihnen gesagt habe, gar nichts sagen.

Uns ist - das möchte ich gerne wiederholen und bekräftigen - von griechischer Seite nichts darüber bekannt, dass es von griechischer Seite wie auch immer geartete Ansprüche an die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit Ereignissen gäbe, die während des Zweiten Weltkriegs vorgefallen sind.

Zusatzfrage: Ich möchte aber eine Grundsatzposition der deutschen Regierung hören. Wie steht sie zu dieser Zwangsanleihe? Gehört das zu dem Kapitel "Reparationszahlungen", oder ist das eine ganz andere Geschichte? Das ist eine Zwangsanleihe, bei der die Tilgung während des Dritten Reichs schon begonnen hat. Aber gleich danach ist das gestoppt worden. Seitdem hängt dieses Thema da.

Schäfer: Ich kann Ihnen über das hinaus, was ich gerade gesagt habe, gar nichts sagen.

Frage: Hat die Bundesregierung jemals erörtert, ob diese Zwangsanleihen stattgefunden haben und ob sie zurückgezahlt wurden?

Schäfer: Ich kann Ihnen dazu keine Antwort geben; das weiß ich nicht.

Zusatzfrage: Das Finanzministerium?

Kotthaus: Auch ich kann das momentan nicht beantworten.

Frage: Zur aktuellen Situation in Griechenland hätte ich gerne vom Bundesfinanzministerium eine Lernfrage beantwortet bekommen. Wenn es zu einem neuen Schuldenschnitt käme, der öffentliche Schulden beinhalten würde - sprich: der das erste Griechenland-Paket beträfe, bei dem Deutschland auch auf bilateraler Ebene Leistungen an Griechenland gegeben hat -: Wäre in einem solchen Fall wie bei allen Entscheidungen zu Schulden wieder der Bundestag zu hören, oder könnte das die Bundesregierung im Rahmen internationaler Vereinbarungen autonom entscheiden?

Kotthaus: Die Frage stellt sich nicht.

Zusatz: Mir schon. Das ist, wie gesagt, ein Lernbegehren.

Kotthaus: Wir sind dabei, in der Troika zu evaluieren: Wo ist der gegenwärtige Stand der Umsetzung des griechischen Programms im Rahmen der Frage, ob wir die nächste Tranche auszahlen können oder nicht? Die Troika ist vor Ort in Griechenland. Sie evaluiert, was Griechenland erreicht und nicht erreicht hat. Sie diskutiert mit Griechenland, wie eventuelle Lücken gefüllt werden können, wie Sie auch über die Presse intensiv verfolgen können. Ehrlich gesagt: Sorry, man muss nicht jeder Spekulation nachrennen. Deswegen: Diese Frage stellt sich nicht.

Vorsitzender Mayntz: Dann stellt sich eine andere Frage.

Zusatzfrage: Ja, in der Erwartung, jetzt weiter Erhellendes von Ihnen zu hören: Ist Ihnen schon bedeutet worden, dass der Bericht der Troika möglicherweise erst Mitte November vorliegen wird?

Kotthaus: Ich kann nicht genau sagen, wann der Bericht vorliegen wird. Die Troika arbeitet intensiv. Sie sehen, dass die Diskussionen in Griechenland auch intensiv sind. Wir hoffen, dass der Bericht so schnell wie möglich kommt. Aber ich kann Ihnen - da ich es schlicht und ergreifend nicht weiß, da ich keine klare Vorgabe habe und da ich auch keine klaren Erkenntnisse durch die Troika habe gewinnen können, auch nicht in Nikosia - nicht klar sagen, wann der Bericht kommt. Wir hoffen, so schnell wie möglich. Dass er übermorgen da ist, ist unwahrscheinlich. Wann genau, müssen wir einfach abwarten, wann die Gespräche in Griechenland beendet sind.

Frage: "Die Frage stellt sich nicht" - haben Sie das auf die etwas komplizierte Frage oder auf die Frage, wie wahrscheinlich ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland ist, geantwortet?

Dann habe ich noch eine Frage zu Spanien. Aber das können wir danach machen.

Kotthaus: Wie Sie wissen, haben wir in Griechenland einen sehr beeindruckenden Schuldenschnitt durchgeführt, wodurch die griechische Schuldenlast bedeutend reduziert werden konnte. Gleichzeitig wurde die Fälligkeit der Anleihen deutlich nach hinten verschoben. Wie gesagt: Wir haben ein umfassendes zweites Griechenland-Programm mit allen diesen Elementen aufgelegt, also Schuldenschnitt, Fälligkeit der Anleihen nach hinten schieben, neue Programmvorgaben mit dem Ziel, den griechischen Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent zu reduzieren. Das ist der Stand der Dinge. Darüber hinaus gibt es für mich keinerlei Anlass, mich an irgendwelchen Spekulationen über irgendwelche weiteren Schuldenschnitte oder Ähnliches mehr zu beteiligen.

Wir reden zurzeit darüber, wie das zweite Programm umgesetzt wird, wie es implementiert wird, wo es Lücken gegeben hat, unter anderem aufgrund der Wahlen in Griechenland, wodurch es zu Verzögerungen gekommen ist. Wir reden darüber, wie wir das zweite Programm sozusagen wieder "on track" bringen. Das ist die Aufgabe der Troika. Es ist das Ziel der Troika zu schauen: Wo stehen wir, und was müssen wir tun? Darüber hinaus gibt es nichts zu sagen.

Frage (zu Spanien): Es gibt Berichte, dass die spanische Regierung versuchen möchte, Gelder, die eigentlich für die Banken vorgesehen sind, vielleicht auch noch für andere Dinge zu benutzen, zum Beispiel zur Senkung von Zinsen. Wäre das eine Möglichkeit, oder wird das vom Bundesfinanzministerium rundweg abgelehnt?

Kotthaus: Vielleicht bleiben wir einfach bei dem, was gesichert ist, und gehen ein bisschen weg von dem, was man angeblich irgendwo munkeln hört.

Die Spanier gingen schon unter der alten Regierung und gehen unter der Regierung von Herrn Rajoy noch verstärkt sehr entschieden die erforderlichen Reformen an. Sie sind viele Bereiche sehr massiv angegangen, angefangen von der Frage der Finanzstrukturen zwischen Regionen und endend beim Arbeitsmarkt. Die Spanier haben in dem Programm zur Bankenrekapitalisierung, das genehmigt worden ist, obendrein auf sich genommen, weitere makroökonomische Anpassungen über die Bereiche hinaus zu machen, die im Finanzmarktbereich erforderlich sind, wie die Restrukturierung der Banken und Ähnliches mehr. Sie gehen auch das entschlossen an.

Der spanische Finanzminister hat in Nikosia beim informellen Ecofin-Rat angekündigt, dass Spanien noch weitere Programme auflegen und das mit einem konkreten Zeitplan versehen wird. Gleichzeitig haben die Spanier sehr erfolgreich Anleihen am Markt platzieren können.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist mir schleierhaft, woher diese Geschichten über weitere spanische Programme kommen. Die Spanier werden als Nächstes bekannt geben können - das ist sicherlich richtig -, welche Summe die spanischen Banken tatsächlich brauchen. Das soll Ende September passieren, wenn ich es richtig verstanden habe - aber da müssen Sie die Spanier fragen -, weil dann eine Evaluierung des Finanzbedarfs, die Ministerpräsident Rajoy in Auftrag gegeben hat, von externen Prüfern vorliegen und verkündet werden wird. Dann wissen wir, wie viel Geld von den 100 Milliarden Euro, die maximal genehmigt worden sind, benötigt wird, und das ist es. Das ist der Stand der Dinge. Das sind die Fakten.

Zusatzfrage: Wenn von den 100 Milliarden Euro beispielsweise nur 60 Millionen Euro für die Banken benötigt werden, ist dann ausgeschlossen, dass die verbleibenden 40 Millionen Euro noch für andere Dinge genutzt werden können?

Kotthaus: Das Bankenrekapitalisierungsprogramm sieht 100 Milliarden Euro für den Bereich der Rekapitalisierung von Banken vor. Das ist ein Spezialprogramm des EFSF, das Sie kennen. Dafür ist das Geld vorgesehen. Ich habe jetzt Schwierigkeiten, darüber zu spekulieren, wie viel Geld davon in diesem Zusammenhang wofür benötigt wird, weil ich die Ergebnisse dieses Tests noch nicht kenne, den die Spanier wohl Ende September vorlegen wollen. Dann wissen wir konkret: Was wird benötigt? Wie viel Geld von den 100 Milliarden Euro muss abgerufen werden? Wie werden die Maßnahmen konkret aussehen? Darauf warten wir.

Frage: Herr Kotthaus, das heißt, es hat in Nikosia keine Gespräche zwischen Herrn Schäuble und seinem spanischen Amtskollegen darüber gegeben, ob man möglicherweise einen Teil der 100 Milliarden Euro, die man von spanischer Seite nicht für die Banken benötigen würde, umwidmen könnte?

Kotthaus: Ich bin sicher, dass sich die Finanzminister in Nikosia getroffen und miteinander gesprochen haben; denn sie waren im gleichen Raum. Der Finanzminister von Spanien hat in der Eurogruppe den Status quo vorgestellt, wo die Spanier stehen und welche Reformen sie gemacht haben. Er hat angekündigt, wie ich es gerade schon gesagt habe, dass sie weitere Reformen auf Kiel legen und vorstellen werden. In dem Zusammenhang hat er breite Unterstützung für dieses Vorgehen erhalten. Mehr kann ich Ihnen nicht berichten.

Frage: Herr Seibert, Frau Kutt, im Zusammenhang mit dem islamfeindlichen Video sind für heute und morgen Proteste nicht nur im arabischen Raum angekündigt, sondern auch mehrere Proteste in kleineren deutschen Städten, allerdings nicht in Berlin, was mich ein bisschen wundert. Sind Sie vom Innenministerium in irgendeiner Weise mit Islamverbänden im Gespräch, um über diese Proteste und wie man das organisieren könnte zu reden?

Herr Seibert, welche Erwartungen hat die Bundesregierung im Hinblick auf die zu erwartenden Proteste in Deutschland?

Kutt: Die Sicherheitslage ist unverändert. Wir haben derzeit keine konkreten Hinweise auf Gefährdungen deutscher Interessen im Inland. Wir gehen davon aus, dass die Demonstrationen friedlich und besonnen verlaufen, und werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Provokationen und Ausschreitungen jeder Art vorgehen.

StS Seibert: Damit ist die Antwort zum Teil schon gegeben. Die Erwartung ist ganz klar, dass sich diejenigen, die an diesen Protesten teilnehmen, friedlich, gewaltfrei und besonnen verhalten. Es ist ihr Recht zu protestieren. Wir haben die Demonstrationsfreiheit, die Meinungsfreiheit als ein hohes Gut, das die Verfassung schützt und dem sich diese Regierung uneingeschränkt verpflichtet fühlt.

Nichtsdestotrotz darf es keine Gewalt geben. Gewalt kann nie ein Mittel der Auseinandersetzung über solche Themen sein. Wir haben in Deutschland glücklicherweise ein friedliches Zusammenleben von Menschen ganz unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Dafür, dass das so bleibt, dass das in der Zukunft sogar noch besser wird, tragen wir alle Verantwortung. Das sollte jeder wissen, der heute auf die Straße geht.

Zusatzfrage: Da ich in der vorbereiteten Antwort keine Antwort auf meine Frage erhalten habe, eine Zusatzfrage: Ist man derzeit mit den Islamverbänden bezüglich der Proteste gegen das Mohammed-Video im Gespräch?

Kutt: Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass wir gestern aufgrund einer aktuellen Gefährdungsbewertung des BKA die Plakataktion vorerst zurückgestellt haben. Diese Gefährdungsbewertung bezog sich auf die angespannte Sicherheitslage in Teilen Nordafrikas.

Im Rahmen dieser Anzeigenkampagne waren wir mit unterschiedlichen muslimischen Verbänden im Gespräch. Im Augenblick liegt die Partnerschaft etwas auf Eis. Wir sind jetzt, was die konkreten Demonstrationen am Wochenende angeht, soweit ich weiß, nicht mit einzelnen Verbandsvertretern im Gespräch.

Frage: Ich habe zwei Fragen: Erstens. Können Sie erklären, weshalb diese Anzeigenaktion im Zusammenhang mit den Demonstrationen jetzt zurückgezogen wird? Man würde eigentlich denken, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt für eine solche Aktion.

Zweitens. Es hieß einmal, der Anmelder der Demonstration in Freiburg stehe der Hisbollah nahe. Ist das bestätigt? Ist die Hisbollah in Deutschland verboten?

Kutt: Zu Ihrer zweiten Frage: Das kann ich Ihnen nicht bestätigen.

Zu Ihrer ersten Frage: Wie gesagt, aufgrund einer Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamts wurde diese Plakataktion vorerst zurückgestellt. Die Anzeigenkampagne läuft weiterhin wie geplant in Onlinemedien, in sozialen Netzwerken und in ausgewählten Printmedien. Wir halten sie weiterhin für richtig und sinnvoll, weil sie, anders als vielfach behauptet, keine islamfeindliche oder gegen Muslime gerichtete Kampagne ist und weder stigmatisieren noch Teile unserer Bevölkerung unter Generalverdacht stellen soll. Im Gegenteil: Sie bewirbt eine Beratungsstelle beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Hilfe für all diejenigen anbietet, die Rat suchen, weil sich jemand in ihrem Umfeld radikalisiert, das heißt, sich beispielsweise islamistischen Netzwerken anschließt oder radikale Ideologien vertritt. Diese Anzeigenkampagne ist entwickelt und gestartet worden, um der zunehmenden Radikalisierung von jungen Menschen und Jugendlichen entgegenzutreten. An dieser Initiative halten wir auch weiterhin fest.

Aufgrund der aktuellen Gefährdungsbewertung haben wir zurückgestellt, die Plakate aufzuhängen. Ich kann Ihnen heute noch keinen Zeitpunkt nennen, wann die Plakate aufgehängt werden.

Frage : Herr Seibert, das Satiremagazin "Titanic" plant, in seiner nächsten Ausgabe neue Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen. Gibt es eine Reaktion der deutschen Bundesregierung dazu?

StS Seibert: Zunächst einmal weiß man noch nicht, wie dieses Magazin dann an die Öffentlichkeit geht, mit welchen Karikaturen und welchem Inhalt. Deswegen werde ich mich dazu nicht äußern. Ganz grundsätzlich gilt: Die Pressefreiheit ist in Deutschland geschützt, und sie ist sehr weit ausgelegt.

Zusatzfrage: Befürchten Sie nach der Veröffentlichung dieser Bilder neue antideutsche Proteste in der islamischen Welt?

StS Seibert: Ich will überhaupt nichts herbeireden. Wir haben in der islamischen Welt schon viel zu viele Proteste, schon viel zu viel Gewalttätigkeit aufgrund eines Videos, das eigentlich keine große Rolle spielen sollte. Deswegen werde ich ganz sicherlich nicht über weitere Befürchtungen sprechen. Besonnenheit ist der Aufruf, der nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in der arabischen Welt, in der muslimischen Welt gilt. Wir sind froh darüber, dass sich auch eine ganze Reihe von muslimischen Führern, von arabischen Staatschefs in diese Richtung geäußert hat. Das sollte überall das Gebot der Stunde sein.

Kutt: Lassen Sie mich noch kurz ergänzen, dass wir im Rahmen der Initiative Sicherheitspartnerschaft selbstverständlich grundsätzlich auch weiterhin mit den muslimischen Verbänden im Gespräch sind, auch im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz. Die Aussage bezieht sich hauptsächlich nur auf die Plakataktion, die vorerst zurückgestellt ist.

Frage: In welchen Magazinen werden diese Motive gezeigt? Sie haben von Printmedien gesprochen.

Kutt: In sozialen Netzwerken und ausgewählten Printmedien.

Zusatzfrage: In welchen Printmedien?

Kutt: Das müsste ich Ihnen nachreichen.

Vorsitzender Mayntz: Das bekommen wir dann heute Mittag.

Frage: Eine Frage an Herrn Flosdorff: In dem noch nicht abgestimmten Armutsbericht schreibt die Ministerin mit Blick auf die Altersarmut, dass die Zuschussrente neu eingeführt werden soll. Geht die Ministerin tatsächlich davon aus, dass sich das auch in der Endfassung des Armutsberichtes wiederfindet?

In diesem Zusammenhang habe ich auch noch eine Frage an Herrn Seibert. Da ich davon ausgehe, dass die Ministerin keinen Unsinn in ihren Entwurf schreibt: Darf die Ministerin tatsächlich davon ausgehen, dass die Bundesregierung die Zuschussrente einführen will?

Flosdorff: Danke, für die Frage. Das gibt mir noch einmal Gelegenheit, das alles in den Rahmen zu rücken.

Wir reden hier über den Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts, der seit Beginn dieser Woche in der Ressortabstimmung ist. Ziel ist ein Kabinettsbeschluss Mitte November; es sind also zwei Monate Zeit für intensive Prüfungen und Diskussionen. Das Werk hat 530 Seiten, und wir erleben hier jetzt seit drei Tagen eine Gespensterdebatte über einen herausgegriffenen Satz. Wer sich die Mühe macht, den Berichtsentwurf zu lesen, der findet diesen kritisierten Satz in der Zusammenfassung, genauer gesagt im Unterkapitel "Stiftungen und Stiftungszwecke". Wer in den korrespondierenden ausführlichen Berichtsteilen hinten auch noch einmal nachschlägt, der wird dort auf 530 Seiten keinerlei Überlegungen zum Thema weitergehende Umverteilung über das Steuersystem finden. Das heißt, es geht bei dieser Prüfaussage in dem Bericht ausschließlich um das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung und des Engagements im Rahmen der freiwilligen Spenden- und Stiftertätigkeit. Die Prüfaussage in Kenntnis dieses Kontextes in andere Zusammenhänge zu stellen, ist aus Sicht des BMAS nicht nachvollziehbar.

Noch einmal zu Ihrer Frage: Dieser Bericht ist kein reiner Statusbericht, sondern er hat einen Analyseteil und hat Ausblicke, was zu tun ist. Natürlich geht es in diesem Armuts- und Reichtumsbericht auch um die Frage der Altersarmut. Da spielt auch die Gerechtigkeitslücke für Geringverdiener eine Rolle, die auch schon im Koalitionsvertrag angesprochen ist. Es wäre im Gegenteil ja geradezu schräg, wenn die Vorstellungen der Rentenministerin dort nicht Niederschlag finden würden, nachdem wir anderthalb Jahre lang einen Rentendialog geführt haben. Insofern ist es klar, dass die Vorstellungen dort skizziert sind. Die Ressortabstimmung, in der alle Ressorts bis zum 14. November, wenn das ins Kabinett kommt, ausführlich dazu Stellung nehmen, eigene Vorstellungen einbringen und sich dann auf eine gemeinsame Fassung einigen können, steht ja noch aus.

Zusatzfrage: War das die Antwort?

Flosdorff: Ja.

StS Seibert: Ich will zum Armuts- und Reichtumsbericht zunächst auch noch einmal ganz kurz sagen und für alle festhalten: Wir sind wirklich in der ersten Runde der Ressortabstimmung dieses Berichts; es wird noch viele Gespräche geben, bis er das Kabinett erreicht und bis er vom Kabinett beschlossen wird. Der Bericht zählt durchaus positive Entwicklungen der letzten fünf Jahre auf, und er stellt auch sinnvolle Fragen für die zukünftige Politik. Wir können ihn nun in aller Ruhe beraten, und das werden wir tun.

Was Ihre Frage nach der Zuschussrente betrifft, so wissen Sie, dass die Bundesregierung beziehungsweise die Bundesministerin einen Rentendialog über längere Zeit geführt hat. Aus diesem Dialog heraus hat sie ihre Gedanken über eine möglicherweise drohende Altersarmut formuliert und einen Entwurf gemacht, wie dem begegnet werden könnte. Wir haben gesagt - und genau in diesem Prozess sind wir jetzt -, dass wir in der Bundesregierung unter den drei Parteien, den Partnern, die diese Bundesregierung tragen, darüber Einigkeit herstellen werden, wie man tatsächlich dem Thema der künftig drohenden Altersarmut begegnen kann. Das wird geschehen, in diesem Prozess sind wir, und ich werde dem jetzt nicht vorausgreifen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ich will Ihnen jetzt nicht den ganzen Satz vorlesen, der in dem Entwurf steht, denn der ist etwas länger - aber verstehe ich es richtig, dass Sie es für möglich halten, dass die Bundesregierung sich auf eine Formulierung beziehungsweise auf eine Position festlegt, die darin gipfelt, dass die Zuschussrente neu eingeführt werden soll? Sie schließen also als Regierung nicht aus, dass es dazu kommen kann?

StS Seibert: Ich hatte Ihnen gesagt, dass dieser Bericht in der ersten Runde der Ressortabstimmung ist und dass es noch viele Gespräche geben wird, bis er das Kabinett erreicht. Wir werden sehen, in genau welcher Form er das Kabinett erreicht. Unabhängig davon ist die Koalition im Gespräch miteinander - alle Partner untereinander -, wie wir dem Thema drohende Altersarmut begegnen. Es gibt einen Vorschlag der Arbeitsministerin, nämlich die Zuschussrente, es gibt andere Gedanken, und es wird auf jeden Fall Maßnahmen geben, mit denen wir uns dieses Themas annehmen. Ich sage jetzt nicht, welche Maßnahmen das sind; denn damit würde ich den notwendigen, eingehenden Diskussionen vorgreifen.

Zusatzfrage: Nur noch eine kleine abschließende Nachfrage an das Wirtschaftsministerium: Ihr Ressortchef hat ja erklärt, die Zuschussrente komme definitiv nicht - zumindest nicht mit der Zustimmung der FDP. Stimmt das noch oder stimmt das nicht mehr?

Wiegemann: Die Meinung des Ministers zur Zuschussrente ist bekannt. Er hat sich auch zu dem vorliegenden Bericht geäußert und gesagt, dass er weitere Umverteilung ablehnt. Dass diese Kritik auf offene Ohren gestoßen ist, begrüßen wir sehr, und wir gehen davon aus, dass sich das jetzt auch in den laufenden Ressortgesprächen widerspiegeln wird.

Zusatzfrage: Zur Zuschussrente wollten Sie jetzt nichts antworten?

Wiegemann: Da ist die Position des Ministers ja bekannt.

Zusatzfrage: Sie kommt also nicht?

Wiegemann: Die Position des Ministers zur Zuschussrente ist bekannt.

Vorsitzender Mayntz: Aus aktuellem Anlass kommen wir nun zum Thema Pflegereform. Herr Seibert, Sie können uns dazu etwas sagen?

StS Seibert: Ja, ich würde gerne etwas dazu sagen, dass der Bundesrat heute - man könnte sagen, gerade - dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz zugestimmt hat. Das bringt für viele Pflegebedürftige und für viele Angehörige von Pflegebedürftigen ab Januar 2013 sehr deutliche Verbesserungen. Insbesondere für Menschen mit Demenzerkrankungen, deren spezieller Bedarf bisher durch die Pflegeversicherung nicht wirklich geeignet berücksichtigt war, wird es sehr konkrete Verbesserungen geben.

Die Pflegebedürftigen bekommen eine größere Wahlfreiheit, in welcher Form sie die Leistungen aus der Pflegeversicherung wahrnehmen wollen, ob durch Pflegeleistungen, durch Betreuungsleistungen oder - auch das ist möglich - durch die Wahl von Zeitkontingenten. Dies schafft mehr Freiheit, mehr Flexibilität, und kommt den Interessen vieler Menschen, die sich in dieser schwierigen Situation befinden - ob selber als zu Pflegende oder als Angehörige von Pflegebedürftigen - sehr entgegen.

Wir stärken - was wichtig ist - weiter den Grundsatz "Ambulant geht vor stationär". Viele Menschen wollen möglichst lange in der eigenen Wohnung wohnen, im eigenen häuslichen Umfeld betreut werden. Deswegen fördern wir dieses Gesetz Wohngruppen, zum Beispiel durch Investitionskostenzuschüsse bei der Gründung solcher Wohngruppen.

Wichtig ist auch, dass pflegende Angehörige, die oft eine enorme Leistung vollbringen, mehr Unterstützung bekommen. Sie bekommen leichter als bisher die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen. Wenn sie Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen, dann bekommen sie 50 Prozent des Pflegegeldes weiter gezahlt. Das schafft für sie natürlich eine Planbarkeit ihrer Lebenssituation.

Das alles geschieht zu einer Anhebung des Beitragssatzes ab dem ersten Januar um 0,1 Prozentpunkte.

Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir froh sind, dass der Bundesrat diesem Paket den Weg frei gemacht hat, das im Leben von Hunderttausenden von Menschen sehr greifbare, fühlbare Verbesserungen bringen wird.

Frage: Der japanische Premierminister Noda ist jetzt wiedergewählt beziehungsweise im Amt bestätigt worden. Herr Seibert, was sind Ihre Erwartungen für die künftige beziehungsweise fortdauernde Zusammenarbeit?

Meine zweite Frage: In der letzten Woche gab es viel Aufhebens um eine neue Energiestrategie der japanischen Regierung. Da ist anscheinend wieder umgeschwenkt worden, und man ist sich jetzt nicht sicher, ob man das tatsächlich bestätigt beziehungsweise überhaupt schon im Kabinett beschlossen hat. Braucht die japanische Regierung da aus deutscher Sicht noch ein bisschen mehr Schützenhilfe, um auf den klimapolitisch richtigen Weg zu kommen?

StS Seibert: Ich möchte hier nun ganz sicherlich nicht in innerjapanische Angelegenheiten eingreifen. Japan ist für Deutschland ein Freund und ein Partner - beispielsweise ein Partner in der G20, und ein Freund, mit dem wir auch in ganz vielen grundsätzlichen Werten übereinstimmen. Wie Japan seine Energiepolitik organisiert und welche Energiezukunft Japan anstrebt, das ist eine Entscheidung und wird immer eine Entscheidung bleiben, die in Tokio gefällt wird; da greifen wir nicht ein. Wir sind natürlich auch auf dem Gebiet der Energie zu jeder Form von Zusammenarbeit, auch enger Zusammenarbeit, gerne bereit.

Zusatzfrage: Und was sind Ihre Erwartungen für die zukünftige Zusammenarbeit mit Premierminister Noda?

StS Seibert: Ich kommentiere nicht Regierungsbildungen in befreundeten Ländern. Die Zusammenarbeit mit Japan ist eng und vertrauensvoll, und das soll sie natürlich bleiben.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Erklärung Deutschlands in Sachen ESM. Man hört und liest, die Erklärung sei fertig und sie sei auch in Brüssel auf Ebene der Ständigen Vertreter abgestimmt. Können Sie sagen, was da der Stand der Dinge ist?

Kotthaus: Sie gucken gerade Herrn Seibert an, aber meinen vielleicht mich?

Zusatz: "Whom it may concern".

Kotthaus: "To whom it may concern", gut.

StS Seibert: Und jetzt gucken wir uns an. - Es "concernt" uns alle!

Wir begrüßen es, dass mit allen ESM-Partnern Einigkeit erzielt worden ist über eine Erklärung, die dem entspricht, was das Bundesverfassungsgericht auch verlangt hat. Diese Erklärung ist nun formal angenommen worden, und nun steht der deutschen Ratifizierung damit nichts mehr im Wege. - Ja, Herr Kotthaus?

Kotthaus: Es gibt eine Einigung in Brüssel über eine Erklärung. Sie wird gerade finalisiert und wird dann nächste Woche formell unterschrieben und gezeichnet werden. - Sorry, das wollte ich nur anmerken.

StS Seibert: Genau, in der kommenden Woche wird sie durch die EU-Botschafter der beteiligten ESM-Staaten formal angenommen werden, und damit steht dann der deutschen Ratifizierung nichts mehr im Wege. Das Ziel war ja immer, dass am 8. Oktober die konstituierende Sitzung der ESM-Gouverneure stattfinden kann. So dies nun alles so abläuft wie geplant und wie auch mit allen Partnern besprochen, wird das auch zu halten sein.

Kotthaus: Ich darf vielleicht noch ergänzen: Der Vorlauf ist ja verbal schon in Nikosia bei dem informellen Treffen der Finanzminister geschehen. Da herrschte Einigkeit darüber, dass Einigkeit herrschte, dass Einigkeit herrschte. Insofern ist es doch schön, dass sie das jetzt auch noch formell finalisiert haben. Ich glaube, da sind wir jetzt wirklich ganz klar und eindeutig auf der sicheren Seite.

Zusatzfrage: Gibt es dazu auch inhaltliche Äußerungen? Können Sie also sagen, was in der Erklärung steht, oder gibt es die Erklärung sogar schon, sodass wir sie haben können?

Kotthaus: Die letztendgültige europäische Variante dieser Erklärung wird gerade von den sogenannten "Juristes-linguistes" in feinstes Deutsch und die anderen 24 Amtssprachen übersetzt. Sie können aber davon ausgehen, dass sich die Erklärung sehr stark an dem orientiert, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vorgegeben hat. Sie werden da also eine hohe sprachliche Gleichartigkeit feststellen können.

Frage: Ich wollte es nur konkretisiert haben: In der nächsten Woche wäre wann? Wenn das zu Wochenbeginn wäre, könnte dann der Bundestag noch in der kommenden Woche die Ratifizierung vornehmen?

Kotthaus: Der Bundestag wird beteiligt. Die Ratifizierung geschieht ja, indem eine Urkunde in Brüssel hinterlegt wird; der Bundestag selber muss da nicht noch einmal - - Die Ratifizierung erfolgt, indem die vom Bundespräsidenten unterzeichnete Ratifizierungsurkunde in Brüssel hinterlegt wird. Am Rande der Sitzung des AStV - ich weiß momentan nicht, ob er nächste Woche am Mittwoch oder am Donnerstag tagt -, also des regulären Treffens der Botschafter, würden diese das dann unterzeichnen.

StS Seibert: Und vorher wird am Mittwoch das Bundeskabinett diesen Text noch zur Kenntnis nehmen.

Zusatzfrage: Genau das wollte ich fragen: Ob dieser Text in seiner Entstehung auch mit Vertretern des Bundestages, des Finanzausschusses etc. abgesprochen worden ist, also ob das Parlament schon informell beteiligt worden ist.

Kotthaus: Ja, der Bundestag ist von uns über den Inhalt des Textes informiert worden; das konnten Sie gestern auch schon in der Presse verfolgen. Die Art und der Inhalt der Erklärung sind dem Bundestag bekannt.

Frage: Gilt diese Erklärung dann auch für die anderen ESM-Staaten, sehen also auch die dann ihre Haftungsgrenzen bei ihren Anteilen am ESM bestätigt?

Kotthaus: Deswegen habe ich gerade ja gesagt - wenn ich das wiederholen darf -: Wir waren uns einig, dass wir uns einig waren, dass wir uns einig sind. Denn durch diese Erklärung wird der Inhalt des Vertrages, der Inhalt der Durchführungserklärung, nicht geändert. Das, was darin steht, ist, dass jeder Staat auf seine Obergrenzen beschränkt ist. Um das noch einmal ganz klar festzuhalten und jeglichen Zweifel an dieser Auslegung zu konterkarieren, haben wir diese Erklärung jetzt noch einmal allgemein so verabschiedet, wie es uns das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat. So wird es nächste Woche ja auch durch die Botschafter finalisiert werden. An dem Status quo ändert sich aber nichts: Die Obergrenzen war definiert, ist definiert und bleibt definiert.

Zusatzfrage: Die Frage ist nur: Ist das eine deutsche Erklärung, eine Erklärung speziell für Deutschland, oder ist das eine Erklärung aller ESM-Staaten, die das alle so sehen?

Kotthaus: Natürlich, das ist eine Erklärung, dass das alle so sehen. Aber wie gesagt: Das haben alle schon vorher so gesehen. Jetzt ist einfach noch einmal ganz klar festgelegt worden, dass es wirklich alle so sehen.

Frage: Herr Kotthaus, ich möchte gerne wissen, was Sie in Ihrem Ministerium mit den so fröhlich sprudelnden Steuerquellen tun; denn Sie haben im letzten Monat einen Anstieg von 13 Prozent bei den Steuereinnahmen erzielt. Sorgt das innerhalb der EU angesichts der sehr divergierenden Entwicklung vielleicht für Befremden? Was machen Sie mit dem vielen Geld?

Kotthaus: Die Haushaltsplanungen sind Ihnen wohlbekannt. Die Steuereinnahmen sind jetzt ungefähr im Rahmen dessen, was aufgrund der langfristen Effekte durch Wirtschaftswachstum zu erwarten war. Es ist sicherlich erfreulich, dass sich unsere Vorhersagen so bestätigen. Innerhalb der EU sind wir weiterhin das, was wir all die Monate und Jahre waren und sind: Wir sind gleichzeitig Wachstumslokomotive und Stabilitätsanker. Das wird sicherlich auch weiterhin positiv wahrgenommen werden. Der Minister hat es ja ausgiebig und mehrfach erklärt: Dass wir diese beiden Rollen wahrnehmen, spiegelt sich auch in unserer Haushaltsplanung immer wider.

Zusatzfrage: Nur damit ich das richtig verstehe: Heißt das letztendlich, dass die Aussichten, bei der Nettokreditaufnahme in diesem Jahr besser abzuschneiden, als man es vorhatte, durch diese Entwicklungen bestärkt werden beziehungsweise sich vielleicht sogar noch erheblich verbessert haben?

Kotthaus: Ich werde Ihnen jetzt nicht vorhersagen - hellseherische Fähigkeiten fehlen mir einfach -, wo wir am Ende des Jahres stehen werden. Dass wir immer ambitioniert sind, ist Ihnen wohlbekannt. Schauen wir einmal, wo wir am Ende des Jahres ankommen werden. Bis jetzt sind wir, wie gesagt, ungefähr im Rahmen dessen, was wir projiziert haben. Der Minister hat im Bundestag ja auch dazu gesprochen und hat auch darauf hingewiesen, dass wir wegen der Forderungen, die damit einhergehen, einen zweiten Nachtragshaushalt machen müssen, dass wir aber ambitioniert sind, was die Nettokreditaufnahme angeht. Das können Sie alles eins zu eins in der Rede, die der Minister letzte Woche im Bundestag gehalten hat, nachlesen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 21. September 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/09/2012-09-21-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2012