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PRESSEKONFERENZ/515: Regierungspressekonferenz vom 19. November 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 19. November 2012
Regierungspressekonferenz vom 19. November 2012

Themen: Reise des Bundesaußenministers nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete, mögliche Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei, Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, Reise des Bundesinnenministers zum G6-Treffen nach London, Treffen der Eurogruppe zu Griechenland, Nebeneinkünfte von öffentlich-rechtlichen Journalisten, Bürgerbeteiligung beim Ausbau von Stromtrassen, EU-Haushalt, Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle, deutsch-russische Regierungskonsultationen

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Dienst (BMVg), Kutt (BMI), Kothé (BMF), Stamer (BMU), Wiegemann (BMWi)



Vorsitzender Hebestreit eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Peschke: Ich möchte Sie darüber informieren, dass Außenminister Westerwelle heute im Anschluss an den Außen- und Verteidigungsministerrat der EU in Brüssel nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete reisen wird. Er wird noch heute Abend in Jerusalem mit seinem israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman zusammentreffen. Morgen sind Gespräche mit Premierminister Netanjahu, mit Staatspräsident Peres und mit Verteidigungsminister Barak geplant. Außerdem sind ein Besuch in den palästinensischen Autonomiegebieten und ein Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplant.

Die Reise findet vor dem Hintergrund einer äußerst angespannten Lage in der Region statt. Es muss jetzt alles getan werden, um eine Deeskalation zu bewirken und die Voraussetzungen für einen Waffenstillstand zu schaffen. Die Bundesregierung unterstützt auch die diesbezüglichen Bemühungen des Uno-Generalsekretärs Ban Ki-moon, der sich heute nach Kairo begibt. Für Außenminister Westerwelle geht es darum, sich in direkten Gesprächen vor Ort gemeinsam mit den Beteiligten vor Ort ein Bild von der Lage zu verschaffen und auf eine Deeskalation hinzuwirken. So weit zur Ankündigung der Reise.

Frage: Herr Peschke, wenn sich der Außenminister ein Bild von der Lage machen will, wieso besucht er nicht Gaza?

Peschke: Ich hatte ja darauf hingewiesen, dass er die palästinensischen Autonomiegebiete besuchen und in Ramallah ein Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas führen wird. Mahmud Abbas ist für uns der legitime Repräsentant der Palästinenser und unser Ansprechpartner. Sie wissen, dass für die Bundesregierung und für die gesamte EU im Umgang mit der Hamas Restriktionen bestehen. An die müssen wir uns selbstverständlich auch halten. Es gibt festgelegt Kriterien, an denen wir nicht vorbei kommen, und es liegt letztendlich in der Verantwortung der Hamas, sie aufzulösen. Wir sprechen mit Palästinenserpräsident Abbas.

Wir haben wegen dieser Restriktionen auch immer wieder darauf hingewiesen, dass wir eine besonders wichtige Rolle Ägyptens und auch der Arabischen Liga für die Beruhigung der aktuellen Eskalation sehen. Denn es ist ja bekannt, dass insbesondere Ägypten über einen großen Einfluss im Gazastreifen verfügt - auch auf die dortige Führung - und sich deswegen zurecht im Moment auch vermittelnd betätigt.

StS Seibert: Ich möchte vielleicht in völliger Übereinstimmung mit dem Außenministerium auch noch einmal für die Bundeskanzlerin die Sicht der Dinge darlegen: Die Sorge der Bundeskanzlerin ist groß, und das hat sie ihren beiden telefonischen Gesprächspartnern am Wochenende - Israels Ministerpräsident Netanjahu und Ägyptens Präsident Mursi - mitgeteilt. Die Sorge ist groß, weil in dieser Region, der Nahost-Region, jedes Blutvergießen, jede Eskalation der Gewalt die Lage noch instabiler und noch gefährlicher macht.

Der fortwährende Raketenbeschuss Israels aus dem Gazastreifen ist die Ursache dieser neuesten Eskalation, und dieser Beschluss ist durch nichts - auch nicht durch die schwierige Lage im Gazastreifen - zu rechtfertigen. Israel hat nach Überzeugung der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung die Pflicht und das Recht, seine Bevölkerung mit angemessenen Maßnahmen vor diesen Geschossen zu schützen.

Unser Mitgefühl gilt den leidgeprüften Menschen in dieser Region. Es gilt den Menschen in Israel, die schon so lange mit der ständigen Gefahr palästinensischen Raketenbeschusses leben müssen und nun auch noch zusätzlich mit der Angst, dass noch leistungsfähigere Raketen noch weitere Teile Israels erreichen können. Das Mitgefühl der Bundesregierung gilt auch den Unschuldigen im Gazastreifen, die in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Auch sie sind Opfer der fanatischen Raketenbauer und Gewalttäter inmitten ihrer Wohngebiete, die in Wirklichkeit gar keine friedliche Einigung mit Israel wollen.

Deswegen ist es jetzt so wichtig, schnellstmöglich einen vollständigen Waffenstillstand zu erreichen. Die Bundesregierung schließt sich, wie Herr Peschke gerade für das Auswärtige Amt gesagt hat, ganz und gar dem Aufruf des UN-Generalsekretärs Ban an - auch, was die Hoffnung betrifft, dass Ägypten seine Rolle spielen möge, um mäßigend auf die palästinensischen Kräfte einzuwirken und eine Vermittlerrolle ausüben zu können.

Zusatzfrage: Sie haben jetzt wiederholt das Recht Israels auf Selbstverteidigung angesprochen. Gestehen Sie auch den Palästinensern das Recht auf Widerstand gegen die israelische Besatzung und die Belagerung von Gaza zu?

StS Seibert: Ich habe das gesagt, was ich dazu zu sagen habe: Es gibt kein Recht auf fortwährenden, monatelangen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen.

Frage: Herr Peschke, wie passt zu dem von Ihnen beschriebenen Szenario der äußerst angespannten Lage die Überlegung der Bundesregierung, sich aktiv am türkisch-syrischen Konflikt zu beteiligen?

Peschke: Ich muss erst einmal Ihrer Frage nachhorchen. Die Prämisse Ihrer Frage ist natürlich falsch. Worum es erstens geht, ist, dass die Türkei möglicherweise eine Anfrage bei der Nato auf die Stationierung von Patriot-Abwehrsystemen auf ihrem Staatsgebiet stellen wird, um sich gegen eine äußere Bedrohung zu schützen. Das ist eine Anfrage die, wenn sie gestellt werden würde, im Nato-Kontext zu bearbeiten sein würde. Das wäre keine Anfrage hinsichtlich des Einsatzes von Abwehrsystemen außerhalb des Bündnisgebiets, sondern eine Anfrage in Bezug darauf, Abwehrsysteme innerhalb des Bündnisgebiets zum Schutz des Territoriums eines Bündnispartners aufzustellen. Diese Anfrage, wenn sie gestellt werden würde, würde selbstverständlich von der Nato und auch von uns - so haben es heute Morgen der Verteidigungsminister und auch der Außenminister deutlich gemacht - gemäß der Bündnisregularien geprüft werden. Aber wie das dann weitergehen würde, kann man Ihnen erst sagen, wenn die Anfrage tatsächlich offiziell gestellt worden ist.

Klar ist aber - das will ich noch einmal unterstreichen -, dass es sich um eine Maßnahme zum Schutz des Territoriums eines Bündnispartners gegenüber einer äußeren Bedrohung handeln würde, nicht um den Einsatz von Nato-Systemen außerhalb des Bündnisgebietes.

Frage: In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage an Herrn Seibert und eine Frage an Herrn Dienst. Herr Seibert, da man unterstellt, dass es eine Anfrage der Türkei geben wird: Welche Haltung vertritt die Bundesregierung, was die Einschaltung des Bundestags angeht? Ist es grundsätzlich politisch opportun, dass man in einem solchen Fall ein Meinungsbild des Bundestages herstellt, oder genügt es, wenn man den Bundestag über die Pläne informiert? Dazu würde mich aus politischer Sicht Ihre Antwort interessieren.

Herr Dienst, welche Funktion haben die Patriot-Abwehrraketen gegen einen Mörserbeschuss aus Syrien? Können Sie mir das erklären? Sind Patriot-Abwehrraketen ein adäquates Mittel, um Mörsergranaten abzuwehren?

StS Seibert: So pauschal ist die Antwort leider nicht zu geben. Es hängt sehr davon ab, wie die Anfrage aussehen wird, wenn die Anfrage kommen wird. Wenn die Anfrage kommen wird, dann werden wir sie sehr ernsthaft prüfen und beantworten. Wir wissen nämlich, welche Verpflichtungen eine Nato-Mitgliedschaft mit sich bringt, und wir haben lange genug und jahrzehntelang selbst von der Solidarität im Bündnis profitiert.

Natürlich wird es eine Beteiligung des Bundestages geben, eine Information, eine Unterrichtung. Sollte sich herausstellen, dass dies auch ein Mandatsfall ist, wird die Frage dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden.

Zusatz: Das ist klar, das ist ja das Pflichtprogramm. Wenn Sie sagen "Wir brauchen dafür ein Mandat", dann ist klar, dass Sie es sich nicht selbst geben, sondern dazu natürlich den Bundestag befragen.

StS Seibert: Das ist aber erst zu klären, wenn die Anfrage vorliegt und wenn die genaue Natur dessen, was die Türkei von ihren Partnern erhofft, definiert ist. Natürlich wird es eine Unterrichtung des Bundestages geben, dies auch, bevor klar ist, ob dies ein Mandatsfall ist.

Zusatzfrage: Meine Frage war, ob Sie es politisch für opportun halten, dass der Bundestag ein Meinungsbild dazu herstellt, unabhängig davon, ob das formell ein Mandatsfall oder kein Mandatsfall ist, weil die Lage so sensibel ist, wie sie ist, und weil es um eine nicht ganz unbedeutende Entscheidung geht.

StS Seibert: Ich habe ja gesagt: Unabhängig davon, ob das ein Mandatsfall ist oder nicht, wird der Bundestag beteiligt werden. Ich glaube, dass es in Deutschland nicht nur sehr weise Gesetze hinsichtlich der Bundestagsbeteiligung, sondern auch eine sehr gute Tradition gibt. Genau in diesem Sinne wird gehandelt.

Zusatzfrage: Heißt "Beteiligung" nun "Abstimmung, um ein politisches Meinungsbild herzustellen", oder heißt das nur "Ich zeige euch den Text, und den könnt ihr zur Kenntnis nehmen"?

StS Seibert: Wenn ein Mandat nötig ist, dann wird es natürlich eine Abstimmung geben. Lassen Sie uns abwarten, wie die türkische Anfrage aussieht und was sie von uns verlangt. Der Bundestag wird beteiligt sein.

Dienst: Das in Rede stehende System Patriot ist nicht dazu geeignet, den Angriff durch Mörser oder mit Mörsern abzuwehren, sondern es richtet sich in erster Linie gegen Luftfahrzeuge beziehungsweise anfliegende Flugkörper oder Raketen.

Zusatzfrage: Das habe ich mir gedacht. Deswegen stelle ich die Frage: Wenn aus Syrien bisher ausschließlich Mörsergranaten angekommen sind, gibt es dann eine Begründung dafür, zur Abwehr und zum Schutz der türkisch-syrischen Grenze Patriot-Raketen dorthin zu verlegen, obwohl es noch keine Bedrohung durch Flugobjekte gegeben hat? Es geht um die militärischer Sicht, denn aus politischer Sicht sollen, wollen und dürfen Sie ja nicht antworten.

Dienst: Letztendlich - da kann ich nur das wiederholen, was Minister de Maizière heute Morgen in Brüssel gesagt hat - geht es hierbei einfach um eine Schwerpunktverlagerung im Rahmen des Luftabwehrkonzepts der Nato, und zwar letztendlich zum Schutz und zur Verteidigung des Bündnisgebiets beziehungsweise des entsprechenden Landesteils des Bündnisgebiets. Nichts anderes, wenn überhaupt, steht im Moment auf der Arbeitsebene in Brüssel zur Diskussion. Dem folgend müssen wir dann die Anfrage der Türken an die Nato abwarten, und da kann ich auch nur auf die Worte von Nato-Generalsekretär Rasmussen von heute Morgen hinweisen: Wenn die Türkei fragt, dann wird das als dringliche Angelegenheit geprüft werden.

Frage: Sie alle betonen strikt die Begrenzung auf das Bündnisgebiet. Nun können diese Raketen ja 100 Kilometer weit fliegen, und nun will die Türkei gerne eine Flugverbotszone im Norden Syriens durchsetzen und hat dies mehrfach gefordert. Wäre der offensive Einsatz dieser Waffen gegen Maschinen Syriens im Bereich des Nordens durch das abgedeckt, was Sie als den Auftrag dieses Einsatzes betrachten, Herr Peschke?

Peschke: Noch einmal: Erst einmal warten wir die Anfrage ab. Zum Zweiten: Es kann in der Tat nur darum gehen, das Gebiet eines Bündnispartners gegen äußere Bedrohungen zu schützen. Das beantwortet die Frage, wo diese Systeme dann gegebenenfalls eingesetzt werden könnten. Aber das ist natürlich eine Sache, die auch militärisch bewertet werden muss und jetzt sehr abhängig von dieser Frage ist. Aber noch einmal: Es geht darum, das Bündnisgebiet zu schützen, und nicht um einen Einsatz außerhalb des Bündnisgebiets.

Zusatzfrage: Herr Seibert, würden Sie auch ausschließen wollen, dass diese Waffen zur Durchsetzung einer Flugverbotszone im Norden Syriens eingesetzt werden?

StS Seibert: Ich glaube, Herr Peschke hat wirklich die korrekte Antwort gegeben. Der habe ich nichts hinzuzufügen.

Peschke: Wenn ich das sozusagen noch erweitern darf: Für die Nato ist doch klar, dass ein Einsatz außerhalb der Grenzen des Bündnisgebiets beziehungsweise außerhalb der Zwecke der Selbstverteidigung natürlich einer internationalen Mandatierung zum Beispiel durch den Uno-Sicherheitsrat bedürfen würde. Eine Flugsicherheitszone in Syrien, so problematisch dieses Konzept ist, würde einer Mandatierung durch den Uno-Sicherheitsrat bedürfen. Davon sind wir weit entfernt.

Frage: Herr Dienst, wenn man im Sinne einer Schwerpunktverlagerung zwei Patriot-Einheiten an die Nato-Grenze verlegen würde, von wie vielen Bundeswehrsoldaten reden wir dann, ungefähr über den Daumen gepeilt? Es geht ja nicht nur um die Leute, die auf dem System selbst sitzen, sondern die brauchen auch immer Unterstützung, Sicherung usw. darum herum.

Dienst: Es ist in dieser Phase viel zu früh, um über Zahlen zu spekulieren. Es gibt mehr als ein Beispiel aus der Vergangenheit dafür, dass es im Nachhinein eigentlich gar nicht gut war, dass überhaupt vorher Zahlen genannt worden sind. Fakt ist: Es gibt immer sozusagen eine Friedensstärke von militärischen Einheiten, und wenn diese Einheiten dann in den Einsatz gehen, dann gibt es zusätzlich zu dieser Friedensstärke immer noch den Bedarf an Unterstützungs- und Schutzkräften, also das, was wir als Peripherie bezeichnen. Genau diese Frage, wie viel Peripherie man braucht, ist abhängig davon, was in dem betreffenden Land überhaupt gestellt wird und was nicht gestellt wird. Um es einmal auf eine ganz profane Ebene zu bringen: Muss man sich sein Dixi-Klo selbst mitbringen, oder wird das gestellt?

Der Minimum-Einsatz für eine Patriot-Einheit umfasst 85 Soldaten. Dann kommt eben noch die entsprechende Peripherie hinzu. Im Fall des Falles geht es auch darum, wie viele Feuereinheiten verlegt werden. Nehmen Sie also meine Message mit, dass es keinen Sinn hat, über Zahlen zu spekulieren.

Frage: Herr Dienst, ganz einfach gefragt: Wie gefährlich wäre ein solcher Einsatz für unsere Soldaten, die an die türkisch-syrische Grenze verlegt werden würden?

Zweite, etwas technische Frage: Müsste man sich vorstellen, dass es aufgrund militärischer Erwägungen sinnvoll wäre, diese Patriot-Systeme direkt an die syrisch-türkische Grenze zu verlegen? Ist da ein gewisser Abstand probat? Ich weiß nicht, wie diese Systeme eingesetzt werden müssen.

Die dritte Frage bezieht sich noch einmal auf das Bundestagsmandat. Sie, Herr Seibert, wollten sich nicht über politische Opportunität äußern. Aber vielleicht kann die Bundesregierung ganz abstrakt und grundsätzlich erläutern, wo die Grenze zwischen einem mandatsfreiem Einsatz von Bundeswehrtruppen innerhalb des Bündnisgebiets und einem mandatspflichten Einsatz verläuft.

Dienst: Hinsichtlich der Risikoabschätzung: Ich kann Ihnen hier keine Risikoanalyse ausrollen. Selbst wenn ich es könnte, wäre sie sicherlich eingestuft, wie wir es so schön im militärischen Sprachgebrauch sagen. Letztendlich kann man nur sagen: Es wird für die Einheit eine Risikoabschätzung hinsichtlich des Gebiets, in dem sie dann stehen wird, geben, was Angriffe vom Boden aus angeht, und es wird eine Risikoanalyse hinsichtlich des Gebiets geben, in dem sie stehen wird, was Angriffe aus der Luft angeht. Alles zusammen ist dann die gesamte Risikoanalyse. Darauf wird man sich aber im Gesamtrahmen, also im Nato-Rahmen, im Fall des Falles einstellen.

Was die Dislozierung im Hinblick auf die Grenze anbelangt, so gibt es natürlich auch dafür Einsatzparameter, wie es so schön heißt. Jedes militärische System hat bestimmte Einsatzparameter, innerhalb der es verwendet wird. Hinsichtlich der Stationierung von Luftabwehrraketen haben wir nun aus den Zeiten des Kalten Krieges hinlänglich Erfahrung. Wenn Sie sich die Stationierungsorte von damals im Verhältnis zur deutsch-deutschen Grenze ansehen, dann haben Sie vielleicht schon einmal einen Anhaltspunkt, der aber im Einzelfall sicherlich nicht der heute zeitgemäße Anhaltspunkt sein muss. Das wird eben anhand der Rahmenbedingungen festgelegt, unter denen es letztendlich zum Einsatz kommt. Wie gesagt: Wir befinden uns im Moment, wenn überhaupt, erst einmal im Prüfverfahren.

Peschke: Zur Frage der Mandatierungspflicht: Es ist so, dass das ganz klar im Parlamentsbeteiligungsgesetz geregelt ist. Es gibt also eine gesetzliche Regelung. Sobald eine entscheidungsreife, prüffähige Anfrage vorliegt, wird das nach den Parametern des Parlamentsbeteiligungsgesetzes geprüft, und dann wird entschieden, ob einer Mandatierung erforderlich ist oder nicht. In jedem Falle wird es eine enge Einbindung und Beteiligung des Deutschen Bundestages geben, wie der Regierungssprecher gesagt hat.

Frage: Herr Dienst, laufen bereits Vorbereitungen zur Verlegung von deutschen Patriot-Staffeln? Wenn ja, seit wann?

In diesem Zusammenhang habe ich folgende grundsätzliche Frage zum Umgang mit dem Raketenabwehrsystem: Gibt es eine Nachdenk-, Überlegungs- oder Entscheidungsphase beim Einsatz eines solchen Systems, oder wird automatisch geschossen, wenn ein Objekt in der zu beobachtenden Zonen visiert wird? Wie ist das vom praktischen Betrieb her? In Kreta wird ja zurzeit mit diesen Raketen geübt.

Verfügt der Bundesverteidigungsminister über Erkenntnisse über eine veränderte Luftraumbedrohung entlang der türkisch-syrischen Grenze, oder gilt nach wie vor die Tatsache, dass bisher ausschließlich Mörsergranaten das Grenzgebiet überschritten haben? Wieso geht es dann um Patriot-Raketen, wenn das so ist?

Dienst: Das ist eine ganze Menge an Fragen, die Sie mir gestellt haben. Ich versuche, das einmal einzusortieren.

Vielleicht fange ich einmal mit dem Zitat von Minister de Maizière dazu an, in welchem Rahmen, wenn überhaupt, das System zum Einsatz kommen wird: "Es handelt sich dabei um eine Anfrage an den Nato-Oberbefehlshaber im Rahmen eines bestehenden Konzepts, das im Jahr 2006 entwickelt worden ist, um den Nato-Oberbefehlshaber in den Stand zu versetzen, aus seiner Befugnis heraus über die Dislozierung militärischer Fähigkeiten innerhalb des Nato-Gebiets zu entscheiden. Es geht dabei um Patriot-Raketen. Deutschland, die Niederlande und die USA verfügen als einzige Nationen über dieses System." Ich füge hinzu: in der modernsten Ausbaustufe! Das heißt also: Wenn die Türkei die Anfrage stellen wird, dann wird es am Nato-Oberbefehlshaber sein, im Rahmen seiner Möglichkeiten Systeme, die ihm zur Verfügung stehen - die ihm, im Fachjargon, assigniert sind -, zu rochieren.

Insofern erübrigt sich auch in gewisser Weise Ihre Frage danach, ob schon Vorbereitungen getroffen werden. Da dies ein ständiges System nach einem Konzept ist, wie der Minister selbst ausführte, ist es auch so, dass diese Systeme, die betroffen sind, natürlich grundsätzlich und generell in Vorbereitung, in einem Bereitschaftszustand beziehungsweise in einem Ausbildungszustand sind, um im Rahmen dieses Systems zu wirken. Einen konkreten Marschbefehl von X nach Y kann es noch gar nicht geben, da es noch nicht einmal eine Anfrage der Türkei an die Nato gibt. Grundsätzlich wird auch die Risikoanalyse, die Sie ansprechen, in erster Linie immer im Nato-Rahmen abzuhalten sein. Dann fügen wir uns in dieser Risikoanalyse sinnig mit ein, wie man so schön sagt.

Zur Vorbereitungszeit und dazu, ob man nun ein System abwehrt oder nicht: Da gibt es sogenannte "Rules of Engagement" - dieses Wort kennen wir auch aus anderen Zusammenhängen -, und diese "Rules of Engagement" legen dann fest, welches Luftfahrzeug oder welcher Flugkörper zu bekämpfen ist, oder im Zweifelsfall auch nicht.

Zusatzfrage: Aber die Frage war, ob dann noch einmal geprüft wird, ob das nun ein unbemanntes Drohnenobjekt oder ein Passagierflugzeug ist. Wie funktioniert das dann in der Praxis?

Dienst: Das hängt von den "Rules of Engagement" ab. Ich könnte hier nun Kraft der Uniform, die ich trage, ein Fachseminar abhalten, aber ich glaube, das interessiert relativ wenige. Die Bedingungsparameter, um die "Rules of Engagement" einhalten zu können, sind im Fachjargon sogenannte "identification criteria". Anhand dieser Identifikationskriterien wird festgelegt, welche Ziele bekämpft werden und nicht bekämpft werden dürfen. Identifikation bedeutet, dass man die Identifikation irgendwie - mit Mitteln - herstellen muss. Aber wie gesagt: Das wäre ein Fachseminar, und das interessiert nicht so viele.

Zusatzfrage: Ich habe nur noch eine letzte Nachfrage. Nach dem, was Sie zu dem gesagt haben, was der Nato Oberbefehlshaber mit Blick auf die Patriot-Raketen und die Verlegung zu entscheiden hat, habe ich den Eindruck: So, wie Sie das vorgetragen haben, stellt sich die Frage nach einem Bundestagsmandat für die Türkei definitiv nicht.

Dienst: Ich haben Ihnen das nicht vorgetragen. Ich habe Ihnen die Äußerung von Minister de Maizière vorgetragen, die er heute Morgen beim Eintreffen am Ratsgebäude in Brüssel gemacht hat.

Zusatz: Aber daraus schlussfolgere ich, dass es gar kein Mandat geben kann, weil das ja zum üblichen Nato-Zirkus gehört.

Dienst: Auch Ihre Schlussfolgerung mache ich mir nicht zu eigen, sondern antworte einfach wieder mit den Worten, die Minister de Maizière selbst gegenüber Ihren Kollegen in Brüssel auf die Frage nach der Mandatierung hin gewählt hat: "Das hängt dann von der Anfrage im Einzelnen ab. Es spricht sehr viel dafür, dass wir ein solches Bundestagsmandat brauchen. Dann werden wir es anstreben. Unabhängig davon werden wir selbstverständlich den Deutschen Bundestag beteiligen." Das ist in seinen Worten nichts anderes als das, was Staatssekretär Seibert hier vor ein paar Minuten auch ausgeführt hat.

Frage: Es hieß in Medienberichten, dass de Maizière vor zwei Wochen den Bundestag informiert habe. Wann, wie und wo?

Zweitens hieß es, dass auch über eine niederländische Beteiligung nachgedacht werde. Man fragt sich ja, warum automatisch deutsche Patriot-Raketen infrage kommen, nicht niederländische. Wird da an eine gemeinsame Mission gedacht? Ist schon entschieden worden oder wird noch entschieden, welches Land die Patriot-Raketen liefert?

Die dritte Frage: Sind schon einmal Patriot-Raketen in der Türkei von deutscher Seite aus stationiert worden?

Dienst: Zu der ersten Frage: Minister de Maizière ist nicht dafür bekannt, dass er seine Gespräche mit Politikern gleich welcher Couleur auf dem Marktplatz ausbreitet. Insofern kann ich Ihnen nicht sagen, worauf sich die Pressemeldungen in dieser Hinsicht beziehen. Aber mit Sicherheit pflegt Minister de Maizière - das hat er gerade im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Mandat in der letzten Woche noch einmal ausgeführt - einen engen Schulterschluss auch mit den wesentlichen Oppositionskräften. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass das hierbei anders sein sollte.

Zum zweiten Teil der Frage, habe ich eben ausgeführt, dass es das System Patriot in der modernsten Ausbaustufe nur in den drei Nationen USA, Niederlande und Deutschland gibt. Jetzt sage ich einfach einmal: Wenn man auf Bündnissolidarität abhebt, dann meint man mit Bündnis eigentlich immer mehr als einen. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

Zur dritten Frage: Soweit ich weiß, haben die Niederlande dort 2003 im Rahmen des Irak-Konflikts etwas stationiert und haben sich deutscher Geräte bedient. Aber ich glaube, das ist noch dem Transitionsprozess Deutschlands in der damaligen Zeit geschuldet gewesen und dürfte heute in der Bewertung leicht anders aussehen.

Frage: Ich würde gerne vom Finanzministerium wissen, ob Herr Schäuble in den letzten Tagen Kontakt mit Kollegen auf der Länderseite hatte beziehungsweise ob er plant, Kontakt aufzunehmen, um doch noch das deutsch-schweizerische Steuerabkommen zu sichern.

Ich möchte zweitens gerne wissen, ob es eine Bereitschaft des Bundes gibt, noch einmal über die Aufteilung von Einnahmen aus diesem Abkommen zu sprechen.

Kothé: Ich fange einmal von hinten an: Wie mehrfach dargelegt, setzen wir uns natürlich nach wie vor, weil wir von dem Abkommen sehr überzeugt sind, für dessen Realisierung ein.

Was Gespräche betrifft: Am Freitag ist das im Bundesrat, und im Vorfeld laufen jetzt die ganz normalen Bund-Länder-Koordinierungsgespräche. Offizielle Treffen oder sonstige Gespräche zu dem Abkommen sind mir nicht bekannt. Das schließt aber nicht aus, dass der Minister in den letzten Tagen den einen oder anderen Ministerpräsidenten getroffen hat oder mit ihm darüber gesprochen hat.

Zusatzfrage: Und was sagen Sie zu der Frage nach der Bereitschaft, über die Aufteilung der erwarteten Einnahmen zu sprechen? Gibt es diese Bereitschaft?

Kothé: Sie spielen vermutlich auf das an, was gestern im "Spiegel" stand. Das haben wir gestern schon beantwortet: Diese Frage stellt sich im Augenblick nicht. Den entsprechenden Bericht haben wir gestern schon als spekulativ bewertet.

Zusatz: Was kein Dementi ist.

Vorsitzender Hebestreit: Stimmt. - Es gibt noch eine Reiseankündigung vom BMI.

Kutt: Genau, auch wir haben eine kurze Reiseankündigung: Bundesinnenminister Friedrich wird morgen zum G6-Treffen nach London reisen. Er wird dort unter anderem bilaterale Gespräche mit seiner britischen Amtskollegin May und seinem polnischen Amtskollegen Cichocki führen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem Maßnahmen zur Bekämpfung von Radikalisierung sowie die Verbesserung des Informationsaustausches der Sicherheitsbehörden. Das Treffen wird bis einschließlich Mittwoch dauern.

Frage (zum bevorstehenden Eurogruppen-Treffen): Frau Kothé, gibt es heute ein Zusammentreffen von Herrn Schäuble und Herrn Moscovici?

Kothé: Der Minister hat gestern gesagt: Wir arbeiten mit Hochdruck an der Vorbereitung des morgigen Treffens der Eurogruppe. Es finden laufend Gespräche statt.

Frage: Frau Kothé, der niederländische Finanzminister sagt, dass man beim morgigen Eurogruppen-Treffen zu Griechenland vielleicht nicht mit einem endgültigen Deal rechnen kann. Rechnet Deutschland damit, dass morgen ein endgültiges Abkommen mit dem IWF getroffen wird?

Zweitens. Herr Asmussen hat über das Wochenende gesagt, dass man mit einem dritten Bail-out für Griechenland ab 2015 rechnen könnte. Wie steht das Bundesfinanzministerium dazu?

Kothé: Ich habe eben schon gesagt und unser Minister hat gestern auch noch einmal darauf hingewiesen - und dabei möchte es jetzt auch bewenden lassen - : Wir arbeiten daran, dass morgen eine gemeinsame Linie gefunden werden kann. Eine abschließende Einigung kann es morgen allein aus verfahrenstechnischen Gründen - das haben wir ja schon mehrfach erläutert - nicht geben; denn dazu muss unter anderem auch der Bundestag eingebunden werden.

Zu Ihrer Frage bezüglich der Äußerung von Herrn Asmussen vom Wochenende: Es geht im Augenblick darum, das zweite Paket wieder ans Laufen zu bringen. Das ist das, was im Augenblick zur Entscheidung ansteht.

StS Seibert: Wenn ich kurz etwas hinzufügen darf: Herr Asmussen hat mit Sicherheit nicht - obwohl ich die genauen Äußerungen nicht kenne - von einem dritten Bail-out gesprochen, denn wir haben es natürlich nicht mit Bail-outs von Griechenland, sondern mit Hilfsprogrammen zu tun - wir sind nun beim zweiten Hilfsprogramm -, die mit sehr strengen Auflagen und mit Maßnahmen, die das Land durchführen muss, um selber seine Stabilität wiederherzustellen, verknüpft sind. Das fundiert natürlich auf der Annahme und der Überzeugung, dass die geleisteten Hilfen zurückgezahlt werden.

Frage: Frau Kothé, hat das Bundesfinanzministerium den Bericht der Troika bekommen beziehungsweise wo stehen wir jetzt hinsichtlich dieses Berichts der Troika? Erwarten wir den heute noch? Wird es morgen soweit sein, dass der Bericht der Troika vorgelegt wird?

Zweitens. Sie haben gesagt, es werde an einer gemeinsamen Linie gearbeitet. Wenn diese gemeinsame Linie morgen gefunden wird, heißt das dann, dass grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Tranche an Griechenland gegeben wird?

Kothé: "Gemeinsame Linie" bedeutet, was das Wort sagt, nämlich dass wir eine politische Einigung anstreben. Sie kennen die Verfahrensschritte, die bis dahin noch gegangen werden müssen. Dazu gehört eben auch die Zustimmung einer Reihe von nationalen Parlamenten in den Mitgliedstaaten. Insofern wäre diese gemeinsame Linie ein erster wichtiger politischer Schritt, um dann die Parlamente befassen zu können und in einem nächsten Schritt zu einer endgültigen Entscheidung kommen zu können. Das sind also die gleichen Verfahrensabläufe, wie es sie vor jeder Auszahlung einer Tranche aus dem Hilfspaket gab.

Zusatzfrage: Wenn diese gemeinsame Linie morgen gefunden wird, besteht dann Bedarf für ein weiteres Eurogruppen-Treffen, bevor die nächste Tranche an Griechenland ausgezahlt werden kann?

Kothé: Ja. Eine endgültige Abstimmung kann immer nur dann stattfinden, wenn bei uns - in anderen Ländern ist das ähnlich - das Parlament zugestimmt hat.

Zusatzfrage: Und was ist Ihre Antwort auf meine Frage zu dem Bericht der Troika?

Kothé: Ob die Unterlagen und der Bericht jetzt vollständig vorliegen, kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Aber wie gesagt - auch das fällt unter das, was ich gesagt habe -, alle Beteiligten arbeiten mit Hochdruck daran. Dazu gehört natürlich die Auffüllung der ganzen Unterlagen, die für eine Entscheidungsfindung notwendig sind.

Frage: Erstens. Gibt es schon eine Planung, für wann dieses Eurogruppen-Treffen, bei dem dann eine endgültige Entscheidung fallen könnte, angesetzt werden kann? Von der Opposition hört man, die Entscheidung im Bundestag könnte eigentlich Anfang nächster Woche laufen. Daraus könnte man folgen, dass vielleicht Ende der nächsten Woche schon eine endgültige Entscheidung fallen könnte.

Zweitens würde ich gerne wissen: Geht es dann um die Auszahlung nur dieser einen Tranche von gut 30 Milliarden Euro oder geht es inzwischen ganz offiziell um die Zusammenziehung verschiedener Tranchen mit einem Gesamtbetrag von etwa 44 Milliarden Euro?

Drittens. Ich weiß, dass die Regierung den Schuldenschnitt zulasten öffentlicher Gläubiger immer abgelehnt hat, aber ist die Variante, in der Herr Weidmann diesen Vorschlag jetzt geäußert hat, nämlich quasi als eine Prämie ganz am Ende eines Prozesses für die erfolgreiche Umsetzung von Reformen, eine Variante, zu der die Bundesregierung eine positivere Meinung hat?

Kothé: Auch da fange ich vielleicht von hinten an: Unsere Haltung zum Thema Schuldenschnitt hat sich nicht verändert.

Zu Ihrer ersten Frage: Zu Zeitplänen kann ich im Augenblick auch nicht mehr sagen. Lassen Sie erst einmal das morgige Treffen der Eurogruppe hoffentlich erfolgreich ausgehen. Dann, denke ich, können wir Ihnen Einzelheiten zu Zeitplänen, nachfolgenden Sitzungen, Befassungen usw. mitteilen.

Zu Ihrer zweiten Frage: In dem Programm sind jetzt ja nach den ursprünglichen Planungen schon bestimmte Zahlungen aufgelaufen. Inwieweit da etwas zusammengefasst werden kann, ist auch Gegenstand der derzeit laufenden Gespräche.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, in Sachen Schuldenschnitt gelte die altbekannte Position der Bundesregierung. Das heißt, diese altbekannte Position der Ablehnung erstreckt sich auch auf die Variante Weidmann?

Kothé: Das erstreckt sich auf einen Schuldenschnitt. Ein Schuldenschnitt ist für uns nach wie vor nicht vorstellbar.

Frage: Minister Schäuble hat vor etwa zwei Wochen gemeinsam mit Herrn Moscovici von einer Dauerlösung gesprochen. Nun ist der Begriff "Dauer" ja ziemlich dehnbar. Wie ist das genau gemeint? Geht das ins Unendliche, über ein paar Dutzend Jahre oder bis zu den nächsten Wahlen in der Bundesrepublik?

Kothé: Natürlich streben alle eine dauerhaft Lösung an. "Dauerhaft" heißt ja gerade nicht "ins Unendliche", sondern, dass Griechenland seine Schuldentragfähigkeit wieder herstellt und wieder Zugang zum Kapitalmarkt bekommt. Was jetzt aktuell beraten wird und zur Entscheidung vorliegt, ist aber das beschlossene zweite Hilfsprogramm, das wir wieder ans Laufen bringen möchten.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundeskanzlerin den Appell beziehungsweise die Aufforderung des CSU-Chefs und seitens der SPD, dass Moderatoren von ZDF und ARD ihre Nebeneinkünfte transparent auf Euro und Cent aufdecken sollten? Gäbe es da aus Ihrer Kenntnis heraus interessante Ergebnisse zu erwarten, soweit Sie sich noch erinnern können, oder gibt es nichts?

StS Seibert: Das ist ein Thema, mit dem sich die Bundeskanzlerin in der letzten Zeit nicht befasst hat. Es hat wirklich nicht die Wichtigkeit der Themen, mit denen sich die Bundeskanzlerin im Moment befasst. Das heißt nicht, dass es nicht ein Vorstoß ist, über den man vielleicht nachdenken könnte; es ist aber kein Thema der Bundesregierung. Sie hören hier ja, mit welchen Themen wir zu tun haben - zwischen Themen wie Patriots für die Türkei, Gazastreifen und Eurokrise ist dieses Thema in den letzten Tagen nicht von der Bundeskanzlerin bedacht worden.

Zusatzfrage: Es gibt ja immer wieder einmal - auch in letzter Zeit - heftige Debatten über die Verwicklung von öffentlich-rechtlichen Journalisten in die Politik oder umgekehrt. Ihnen ist auch keine Meinungsäußerung der Kanzlerin - so war die Frage gedacht - zu diesem Thema bekannt, die Sie jetzt recyceln könnten oder wollten?

StS Seibert: Ich habe hier keine Meinungsäußerungen zu recyceln. Ich bin dafür hier, über die Politik der Bundesregierung zu informieren und sie gegebenenfalls zu erklären. Das will ich gerne tun. Recycling von Meinungsäußerungen ist nicht mein Geschäft.

Frage: Eine Frage an das Umweltministerium: Herr Altmaier hatte ja noch für diese Legislaturperiode ein Gesetz angekündigt, mit dem Netzbetreiber verpflichtet werden sollen, bis zu 15 Prozent der Anteile bei Stromtrassen-Bauprojekten für Anleihen der Anwohner zu reservieren. Jetzt erklärt das federführende Wirtschaftsministerium, dass die Netzbetreiber darüber selbst zu entscheiden haben sollen. Ist die Idee damit vom Tisch?

Stamer: Zunächst einmal ist es zutreffend, wie Sie das heute ja auch berichtet haben, dass der Minister einen Vorschlag gemacht hat, die Bürgerinnen und Bürger bei der Wertschöpfung, die sich aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien ergibt, zu beteiligen. Über diesen Vorschlag gibt es eine ganze Reihe positiver Rückmeldungen, unter anderem auch von den Netzbetreibern, und es wird über diesen Vorschlag weitere Gespräche geben - mit allen Beteiligten.

Zusatzfrage: Mit dem Ziel, eine gesetzliche Verpflichtung daraus zu machen?

Stamer: Es wird über diesen Vorschlag weitere Gespräche geben. Das ist das, was ich Ihnen heute dazu sagen kann. Details der Ausgestaltung - da bitte im um Verständnis - kann ich Ihnen heute nicht mitteilen.

Zusatzfrage: Kann vielleicht das Wirtschaftsministerium eine denkbare Kompromisslinie andeuten?

Wiegemann: Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich ja bereits dazu geäußert. Eine finanzielle Beteiligung der unmittelbar betroffenen Bürgerinnen und Bürger kann die lokale Akzeptanz des Netzausbaus erhöhen und damit die Umsetzung der Energiewende fördern. Es bestehen derzeit auch Möglichkeiten, dass sich die Bürger über Finanzprodukte an Netzbetreibern und damit auch an Netzausbauvorhaben beteiligen. Darüber hinaus unterstützt das BMWi grundsätzlich auch Initiativen von Netzbetreibern, die Kapitalbeteiligungen von Bürgern an konkreten Leitungsausbauvorhaben vorsehen. Die Entscheidung über die Art der Finanzierung von Netzausbauprojekten liegt letztendlich aber beim zuständigen Netzbetreiber.

Zusatzfrage: Eine gesetzliche Vorgabe wünschen Sie sich dazu also nicht?

Wiegemann: Wie gesagt, die Entscheidung über die Art der Finanzierung von Netzausbauprojekten liegt beim betroffenen Netzbetreiber.

Frage: Ich habe noch eine Frage zum EU-Haushalt: Könnte man sich vorstellen, dass es eine legale Lösung geben könnte, um einen EU-Haushalt nur zwischen 26 Mitgliedern zu vereinbaren, oder steht das außer Frage?

StS Seibert: Es sind sehr schwierige Gespräche und sehr komplizierte Verhandlungen zwischen 27 Ländern und den EU-Institutionen. Deutschland will dabei eine konstruktive Rolle spielen, damit eine gute Lösung gefunden werden kann. Aus unserer Sicht wäre eine Einigung nicht nur ein wirklich gutes europäisches Signal, das zeigen würde, dass Europa die Handlungsfähigkeit und die Entschlusskraft hat; vielmehr wäre es gerade auch für die Länder, die jetzt in sehr schwierigen Anpassungsprogrammen stecken, in sehr schwierigen Reformphasen stecken, unheimlich wichtig, eine verlässliche Übersicht über die Mittel, mit denen sie über die nächsten Jahren rechnen können, zu bekommen, damit sie mehrjährig und nicht bloß von Jahr zu Jahr für Maßnahmen, die bei ihnen Wachstum und Beschäftigung fördern könnten, planen können. Deutschland wird beim Rat in dieser Woche also mit aller Kraft auf ein vertretbares Ergebnis hinarbeiten. Wenn das gelingt, dann wäre das, wie gesagt, sehr gut. Sollte sich herausstellen, dass Europa noch ein bisschen mehr Zeit zur Beratung braucht, dann wäre das auch nicht schlimm.

Zusatzfrage: Aber könnte man sich vorstellen, ohne Großbritannien einen EU-Haushalt zu beschließen? Oder ist das nach den EU-Verträgen überhaupt nicht machbar?

StS Seibert: Ich habe Ihnen jetzt gerade von sehr schwierigen und komplizierten Verhandlungen unter 27 Ländern berichtet. Das ist die Phase, in der wir sind.

Frage: Frau Kothé, das Bundesfinanzministerium hat vor einiger Zeit mitgeteilt, dass es eine Einigung auf den Verkauf der Immobiliengesellschaft TLG WOHNEN gibt. Mich würde zweierlei interessieren: Erstens. Fließt das eigentlich in den Haushalt dieses Jahres ein? Zweitens. Was ist denn mit dem Gewerbeteil dieses Unternehmens? Kann man erwarten, dass auch der Gewerbeteil noch in diesem Jahr verkauft wird?

Kothé: Es ist richtig, der Verkauf eines Teils der TLG, nämlich des Wohnimmobilienteils, ist vereinbart. Wir denken, wir haben sowohl für den Staatshaushalt als auch für die Mieter eine gute Lösung gefunden. Wir haben Sie auch zu einer Pressekonferenz um 14.30 Uhr mit Herrn Kampeter eingeladen, wo es um die Einzelheiten dieser Transaktion gehen wird.

Bezüglich der Frage, wann da Haushaltsmittel fließen werden: Das ist erst einmal eine Einigung auf den Verkauf, und der Minister hat das jetzt gebilligt. Was Verträge, Grundbucheintragung usw. angeht, so wird das erst im nächsten Jahr der Fall sein.

Zusatzfrage: Können Sie etwas zum Gewerbeteil sagen?

Kothé: Da laufen die Verhandlungen noch. Wir sind auch da auf einem guten Weg und zuversichtlich, das bald abschließen zu können.

Frage: Eine Frage an das Umweltministerium: Herr Altmaier hat ja schon den Parteitagsbeschluss der Grünen gelobt, dass Gorleben nicht mehr von vornherein aus der Endlagersuche ausgeschlossen werden soll. Wie geht es jetzt formal weiter mit der Suche nach dem Kompromiss im Gesetz?

Stamer: Es ist zutreffen, der Minister hat kurz die Beschlüsse bewertet und hat gesagt, dass sich mit diesen Beschlüssen die Tür für einen Kompromiss einen Spalt weiter öffnet. Es gilt nach wie vor, dass der Minister an einem breiten Konsens in der Frage der Standortsuche für ein Endlager interessiert ist. Er strebt an, dass es weitere Gespräche gibt.

Zusatzfrage: Gibt es schon Einladungen?

Stamer: Ich kann Ihnen heute über einen konkreten Gesprächstermin nichts mitteilen.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium im Nachklang zu den deutsch-russischen Regierungskonsultationen: Da spielte ja auch ein anstehender Beteiligungstausch zwischen BASF und Gazprom eine Rolle. Ist das eigentlich ein Vorgang, den Ihr Haus nach dem Außenwirtschaftsgesetz routinemäßig prüft? Wenn dem so geschehen ist: Ist das von Ihnen inzwischen durchgewunken worden oder gibt es da irgendwelche Bedenken?

Wiegemann: Sie wissen ja, dass Deutschland dem Engagement ausländischer Investoren grundsätzlich offen gegenübersteht, sofern die relevanten deutschen und europäischen Vorschriften eingehalten werden. Eine Möglichkeit, dies zu überprüfen, besteht eben im Rahmen der kartellrechtlichen und außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen. Sobald ein solches unternehmerisches Vorhaben den notwendigen Konkretisierungsstand erreicht hat, wird das BMWi diesen auch sorgfältig prüfen.

Zusatzfrage: Haben Sie in diesem Falle geprüft? Das scheint ja relativ konkret zu sein. Haben Sie da schon eine Entscheidung getroffen?

Wiegemann: Wie gesagt, sobald da die Vorhaben konkret genug sind, werden wir sorgfältig prüfen.

Zusatzfrage: Es ist also noch nicht soweit?

Wiegemann: Nach meinen Informationen nicht.

Frage: Auch an das Wirtschaftsministerium: Nachdem der röslersche Begriff von der "Anschlussverwendung" ganz oben auf der Liste für die Wahl des Unworts des Jahres gekommen ist, würde mich interessieren, ob Sie wissen, ob Herr Rösler derzeit noch ein unbefangenes Verhältnis zu dem Begriff der "Anschlussverwendung" hat. Er bezog das damals ja auf Schlecker; in der FDP wird es jetzt auf seine eigene berufliche Zukunft angewendet. Gehört das Wort "Anschlussverwendung" noch zum Sprachgebrauch des Bundeswirtschaftsministers?

Wiegemann: Dazu liegen mir keine Informationen vor.

Zusatzfrage: Sie wissen auch nicht, ob er das noch verwendet? Sie sind ja näher dran.

Wiegemann: Das kann ich Ihnen nicht sagen, das weiß ich nicht.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 19. November 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/11/2012-11-19-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2012