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PRESSEKONFERENZ/653: Regierungspressekonferenz vom 26. August 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 26. August 2013
Regierungspressekonferenz vom 26. August 2013

Themen: mutmaßlicher Giftgaseinsatz in Syrien, Finanzhilfen für Griechenland, Anti-Doping-Gesetz, Beschaffung des Transporthubschraubers NH90, Veröffentlichungen über Spionageaktionen der NSA/Verhandlungen über ein EU-USA-Freihandelsabkommen

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Dienst (BMVg), Kotthaus (BMF), Teschke (BMI)



VORS. DETJEN eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich würde Sie gern über Telefonate der Bundeskanzlerin in Sachen Syrien informieren:

Die Kanzlerin hat am Sonntag sowohl mit Präsident Hollande als auch mit dem britischen Premierminister Cameron über die Lage in Syrien gesprochen, insbesondere über das, was wir inzwischen wohl mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Giftgasangriff auf die Bewohner eines Vororts von Damaskus nennen müssen. Die Umstände, die Bilder, die Zeugenberichte, auch die Aussagen internationaler Hilfsorganisationen sprechen leider eine deutliche Sprache.

An diesem Ort ist ohne Zweifel ein entsetzliches Verbrechen an Männern, Frauen und Kindern begangen worden. Die Berichte, die Bilder gerade der allerjüngsten Opfer, sind erschütternd.

Der mutmaßliche großflächige Einsatz von Giftgas ist selbst in diesem an Grausamkeiten reichen Syrien-Konflikt ein Tabu-Bruch. Es ist eine schwere Verletzung der internationalen Chemiewaffenkonvention, die den Einsatz solcher Waffen kategorisch verbietet. Er muss geahndet werden. Er darf nicht folgenlos bleiben. Es ist eine sehr klare internationale Antwort darauf nötig.

Die Bundeskanzlerin war sich sowohl mit dem französischen Präsidenten als auch mit dem britischen Premierminister einig: Dass die UN-Inspektoren jetzt endlich an den Ort des Verbrechens gelangen können, um dort Untersuchungen durchzuführen, das ist zu begrüßen. Aber wir machen uns nichts vor: Die Zustimmung des Assad-Regimes dazu kam spät. Wir müssen damit rechnen, dass durch den Zeitverlust und weitere Kampfhandlungen wichtige Spuren verwischt worden sind. Trotzdem unterstützen wir unbedingt diese UN-Mission, die jetzt rasch und ungehindert ihre Arbeit durchführen soll.

Das weitere Vorgehen wird eng miteinander abzustimmen sein. Die Kanzlerin, Präsident Hollande und Premierminister Cameron werden dazu im regelmäßigen Kontakt stehen, sowohl untereinander als auch mit den USA und anderen europäischen Partnern.

Frage: Ich hätte zwei Fragen: Einmal würde ich gern wissen, woraus sich die Überzeugung speist, dass dieser Giftgasangriff dem syrischen Regime von Assad zuzuordnen ist. Welche Erkenntnisse gibt es dafür? Denn das wird ja auch in der Erklärung des britischen Premierministers ausgedrückt.

Zum Zweiten möchte ich gern wissen, wie sich die Bundesregierung zur Möglichkeit eines militärischen Vorgehens in Syrien grundsätzlich stellt. Sieht sie eine Möglichkeit, sich daran zu beteiligen?

StS Seibert: Wir werden natürlich alle Indizien prüfen. Für die behauptete Unschuld des Assad-Regimes haben wir derzeit allerdings keine Anhaltspunkte.

Was Ihre zweite Frage betrifft: Ich werde hier nicht spekulieren. Dazu ist die Lage in Syrien viel zu ernst. Die Bundesregierung hat eine klare Zielsetzung. Wir begrüßen, dass die UN-Inspektoren endlich an die Untersuchungen gehen können. Wir wollen zu einer geschlossenen und deutlichen Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft auf dieses Verbrechen beitragen, und wir werden dazu in den nächsten Tagen die sehr engen und regelmäßigen Beratungen und Konsultationen mit unseren wichtigen Partnern fortsetzen.

Zusatzfrage: Ich möchte noch einmal zu den Konsultationen und engen Abstimmungen nachfragen: Hat die Bundeskanzlerin in den letzten 48 Stunden auch mit Herrn Putin gesprochen? Hat sie möglicherweise vor, kurzfristig mit Herrn Putin auch über diese Sache zu telefonieren?

StS Seibert: Ich habe Ihnen jetzt gesagt, mit wem die Bundeskanzlerin gestern dazu international gesprochen hat. Über weitere internationale Gespräche der Bundeskanzlerin werden wir dann berichten.

Peschke: Ich wollte eine Ergänzung machen - das hatten wir ja schon mitgeteilt, aber nur der Vollständigkeit halber, um diesen Aspekt abzudecken: Der Bundesaußenminister hat am Samstag mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow telefoniert. In dem Telefonat ging es insbesondere um den Zugang der VN-Inspektoren zu dem Ort des mutmaßlichen Giftgasverbrechens.

Frage: Herr Seibert, weil es ja jetzt immer darum geht, ob das, was Sie an Konsequenzen androhen, auf Dingen basiert, die wirklich zutreffen oder nicht, möchte ich mich noch einmal auf die Formulierung kaprizieren. Sie sagten, es handele sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen Giftgasangriff. Dann sagten sie im nächsten Satz, es handele sich ohne Zweifel um ein entsetzliches Verbrechen und um einen Tabubruch usw.

Ich würde es jetzt gern aufklären: Gibt es von Ihrer Seite die Überzeugung, dass es sich um einen Giftgasanschlag handelt? Oder sitzen wir hier in einer Woche und sagen: Na ja, der Tabubruch wäre nur eingetreten, wenn es sich tatsächlich um einen Giftgasanschlag gehandelt hätte?

StS Seibert: Ich sage das, was ich auch gerade gesagt habe: Es handelt sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen Giftgasanschlag. Wir haben dafür beispielsweise Bilder, Zeugenberichte und Aussagen internationaler Ärzteorganisationen. Dennoch schicken wir die UN-Inspektoren hin, um allerletzte Gewissheit zu schaffen. So habe ich es ausgedrückt.

Ich habe auch gesagt: Der mutmaßliche großflächige Einsatz von Chemiewaffen ist - -

Zuruf: Sie sagten gleichzeitig, ohne Zweifel handele es sich um ein entsetzliches Verbrechen. Deswegen komme ich mit der Wahrscheinlichkeit, der Mutmaßlichkeit und dem "ohne Zweifel" nicht ganz klar.

StS Seibert: Jetzt überlege ich, wie ich Ihnen da Klarheit verschaffen könnte, weil ich es eigentlich sehr offensichtlich finde, dass dort ein entsetzliches Verbrechen stattgefunden hat.

Wir und unsere internationalen Partner haben überwältigende Hinweise, dass es sich um einen C-Waffen-Einsatz handelt. Aber ich kann hier nicht die letzte Gewissheit verbreiten. Dazu schicken wir ja die UN-Inspektoren dahin. Aber es spricht sehr viel dafür.

Zusatzfrage: An das Verteidigungsministerium: Gibt es von Seiten des Verteidigungsministeriums, von Seiten der Bundeswehr, irgendwelche Vorbereitungen, Prüfungen oder Maßnahmen, die jetzt im Rahmen eines militärischen Einsatzes oder der Vorbereitung eines militärischen Einsatzes von Ihrer Seite getroffen werden?

Dienst: Wie ich in solchen Situationen immer ausführe, nehme ich auch hier mein Lieblingsbild: Das Verteidigungsministerium ist letztendlich der militärische Werkzeugkasten. Welche Werkzeuge (Verwendung finden) und ob sie überhaupt bedient werden, das ist die Domäne der Sicherheitspolitik und die liegt in bewährten Händen des Auswärtigen Amtes.

Zusatzfrage: Listen Sie jetzt gerade irgendwelche Werkzeuge auf, die Sie dann den Kollegen vom Auswärtigen Amt zuleiten?

Dienst: Sie werden mich jetzt hier an dieser Stelle nicht nötigen können, irgendwelche spekulativen Szenarien in der Hinsicht aufzumachen, auf die Ihre Frage abzielt.

Wie gesagt: Wir gehen hier Schritt für Schritt vor. Die Schritte sind über den Regierungssprecher und das Auswärtige Amt an das Verteidigungsministerium.

Zuruf: Nötigung ist etwas anderes - nur als Ergänzung.

Dienst: Ich kann Ihnen doch mein Empfinden wiedergeben.

Zuruf: Es tut mir Leid, wenn Sie sich genötigt gefühlt haben.

Frage: Sie sagten gerade: Dieses Verbrechen muss geahndet werden. - Was verstehen Sie unter "ahnden"? Würde es ausreichen, dass zum Beispiel der UN-Sicherheitsrat eine harsche Protestnote verabschiedet, oder hieße das - schlicht und ergreifend - auch, dass die Verantwortlichen in irgendeiner Form ergriffen und vor ein internationales Tribunal gestellt würden?

StS Seibert: Jetzt sind wir genau da, wo ich eigentlich mit Ihnen nicht hingehen möchte, also in das Abfragen von Möglichkeiten.

Es ist klar: Wenn sich letztendlich bestätigt, dass die internationale Chemiewaffenkonvention derart verletzt worden ist, dann wäre dieses eine sehr schwere Verletzung, die mit einer internationalen klaren und möglichst geschlossenen Reaktion geahndet werden müsste. Darauf arbeitet die Bundesregierung mit ihren Partnern hin. Die nächsten Tage werden uns dieser Reaktion näherbringen.

Frage: Direkt anknüpfend: Sie sagten, (eine solche schwere Verletzung müsste) mit einer international klaren und möglichst geschlossenen Reaktion (geahndet werden). Jetzt haben Sie am Sonnabend gesagt: Wir verfolgen nicht den Weg einer militärischen Lösung. Wir glauben nicht, dass das von außen militärisch zu lösen ist, sondern wir glauben, dass eine politische Lösung in Syrien organisiert werden muss.

Das klingt - Sie wollten ja nicht die Möglichkeiten durchgehen, die Sie haben -, dass Sie eine Möglichkeit ausschließen - Sie haben sie zumindest am Sonnabend ausgeschlossen -, nämlich eine militärische Reaktion. Sind Sie inzwischen auf einem anderen Stand, oder ist das weiterhin die Position der Bundesregierung?

StS Seibert: Dass eine Situation wie die syrische - ein Bürgerkrieg oder ein Aufstand gegen das Regime, der bereits 100.000 Menschen das Leben gekostet hat und jetzt auch zu solchen entsetzlichen Verbrechen führt -, nicht militärisch gelöst werden kann, das, glaube ich, kann man weiterhin aufrecht erhalten. Da hat sich an meiner Überzeugung und der der Bundesregierung nichts geändert. Es wird am Ende immer eine politische Lösung stehen müssen.

Zusatzfrage: Dann versuche ich meiner Verwirrung ein bisschen Ausdruck zu verleihen: Sie waren am Sonnabend so zu verstehen - ich glaube, auch die Bundeskanzlerin im Laufe der letzten Tage -, dass Sie einen Militärschlag für nicht sinnvoll halten.

Jetzt sagen Sie: Wir haben gesagt, dass die Lösung am Ende nicht militärisch sein kann - so wie wir das in Afghanistan, im Irak und anderswo gehört haben. Das schließt aber nichts aus. Zu welcher meiner Interpretationen würden Sie mir denn jetzt raten?

StS Seibert: Über einen Militärschlag bin ich am Samstag nicht befragt worden und würde darüber auch nicht spekulieren. - Die Grundüberzeugung der Bundesregierung ist diese: Wir wollen alles, was wir können, dazu beitragen, dass es eine politische Lösung gibt.

Nun haben wir eine Situation mit einem mutmaßlich sehr schweren Verbrechen gegen viele hundert Menschen. Schon die Chemiewaffenkonvention, die alle unterschrieben haben und die wir alle ernst nehmen müssen, verlangt, dass darauf eine sehr deutliche Antwort gegeben wird und das nicht folgenlos bleibt. Dass wir darüber in Konsultationen mit unseren Verbündeten und engsten Partnern sind, habe ich Ihnen dargestellt.

Frage: Herr Dienst, ich möchte gern noch einmal zu dem Werkzeugkasten nachfragen. Ich möchte Sie aber um Gottes willen nicht nötigen, sondern nur um eine Erklärung bitten.

Es geistert immer einmal aus US-Kreisen der Vorschlag durch den Raum, eine Flugverbotszone einzurichten. Meine Frage ist: Wären die Truppenteile der Bundeswehr, die zur Raketenabwehr in der Türkei stationiert sind, theoretisch und praktisch in der Lage, beispielsweise an der Einhaltung einer Flugverbotszone mitzuwirken?

Dienst: Jetzt nötigen Sie mich nicht. Denn es handelt sich um eine altbekannte Fragestellung, die wir vor Monaten immer wieder erörtert haben, als der Türkei-Einsatz begonnen hat.

Es ist klar, dass die in der Türkei stationierten Patriot-Einheiten der Bundeswehr ihr Mandat dergestalt ausüben, dass die Stadt Kahramanmaras mit mehreren Hunderttausend Einwohnern vor syrischen Übergriffen geschützt werden soll. Nicht mehr und nicht weniger.

Dass das durchaus Sinn macht, sehen wir an den jetzt vermuteten Kurzschlussreaktionen oder wie auch immer einzustufenden Reaktionen. Also der Schutz des türkischen Hoheitsgebietes ist der einzige Auftrag, den diese Kräfte haben.

Zusatzfrage: Als militärischer Laie wollte ich ja nur wissen, ob es praktisch möglich wäre, das Mandat, wenn es denn eine Mandatsänderung geben würde, zu erweitern und es auch auf diesen syrischen Luftraum zu beziehen.

Dienst: Es sind zum Zeitpunkt der Diskussion des Türkei-Mandates hier alle Optionen schon mehrfach durchgegangen worden. Ich will diese Diskussion nicht wieder aufnehmen. Das ist alles in den entsprechenden Protokollen nachzulesen.

Frage: Bedarf es nach Ansicht der Bundesregierung - bei welcher Reaktion auch immer - eines UN-Mandats?

Peschke: Ich kann gern auch noch Stellung dazu nehmen.

Herr Seibert hat ganz klar umrissen, welche Ziele und welche Strategie wir dazu verfolgen, nämlich eine sehr enge Abstimmung mit den Vereinten Nationen und unseren Verbündeten und Partnern.

Eines unserer Ziele ist eine möglichst geschlossene Reaktion der Weltgemeinschaft. Das hat ja der Regierungssprecher eben gesagt. Der Außenminister hat es heute Morgen auf der Botschafterkonferenz auch gesagt.

Unsere Hoffnung wäre, dass die Weltgemeinschaft angesichts dieser schrecklichen Berichte zu einer geschlossenen Haltung findet. Was wäre, wenn dies erneut nicht möglich sein sollte, das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Das wäre dann eine neue Lage, mit der man auch umgehen müsste. Aber darüber kann ich im Moment nicht spekulieren.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten eben, es gebe keine Indizien für die behauptete Unschuld des Regimes. Kann ich da noch einmal nachfragen? Gibt es denn Indizien für die Schuld des Regimes, oder gibt es Indizien für die Unschuld der Rebellen? - Es steht ja ein bisschen Aussage gegen Aussage, was die Verantwortung für diese Tat angeht; deshalb diese Frage an Sie.

Ich hätte noch eine Frage an Herrn Peschke: Es ist ja nicht das erste Mal, dass es Hinweise auf einen Giftgaseinsatz in Syrien gibt. Bisher war Ihre Linie immer, zu sagen: Wir haben keine eigenen Erkenntnisse dazu. Das hat der Minister ja auch oft gesagt. Haben Sie in diesem Fall eigene Erkenntnisse, oder sind es nur Erkenntnisse von befreundeten Diensten - von wem auch immer?

StS Seibert: Ich will nur kurz dazu sagen: Wir werden, wie ich es gesagt habe, selbstverständlich alle Indizien prüfen. Nach Kenntnissen der Dienste ist zu einem derart großflächigen Einsatz von C-Waffen derzeit nur das Regime in der Lage. Aber wir werden alle Indizien prüfen und hoffen, dass die Mission der UN-Inspektoren uns in der Beurteilung des Sachverhalts ein wenig weiterbringt.

Zusatzfrage: Ich hatte noch eine Frage an Herrn Peschke nach eigenen Erkenntnissen gestellt.

Peschke: Auch dazu - das hat Herr Seibert ja schon eingangs für den jetzigen Zeitpunkt erschöpfend beantwortet - liegen Indizien vor, Bilder und Nachrichten. Das ist das, von dem wir ausgehen. Es gibt keine letztendliche Gewissheit. Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit. Das ist die Lage, mit der wir uns befassen müssen. Deswegen haben wir auch darauf gedrängt, dass die VN-Inspektoren Zugang zu dem Ort des Verbrechens des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes erhalten. Das ist der Fall. Herr Seibert hat aber auch schon darauf hingewiesen, dass dies natürlich zu einem Zeitpunkt erfolgt, der schon sehr spät ist. Das ist wiederum ein Problem an sich.

Wir werden es jetzt sehen. Die Inspektoren werden ihre Arbeit machen, und dann werden wir die Ergebnisse prüfen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben ja gesagt, dass es sich offensichtlich um ein schreckliches Verbrechen handelt, ob nun C-Waffen benutzt wurden oder nicht. Können Sie denn sagen, welchen Unterschied es für die Reaktion der Bundesregierung beziehungsweise der internationalen Gemeinschaft ausmacht, ob C-Waffen genutzt wurden oder nicht, um mehrere Hunderttausend Zivilisten umzubringen?

StS Seibert: Mehrere Hundert.

Zusatz: Entschuldigung, mehrere Hundert bis Tausend.

StS Seibert: Es macht menschlich, und was unsere Empörung und unser Entsetzen angesichts dieser Bilder und Berichte betrifft, natürlich keinen Unterschied. Es macht politisch, und was die internationalen Normen betrifft, einen erheblichen Unterschied. Deswegen habe ich auf die internationale Chemiewaffenkonvention hingewiesen, in der sich die Unterzeichnerstaaten allesamt dazu verpflichten, den Einsatz solcher Waffen kategorisch zu unterlassen. Dies ist etwas, das geprüft werden muss und, wenn es einen solch eklatanten Verstoß gäbe, auch geahndet werden müsste.

Zusatzfrage: Wenn sich herausstellen sollte, dass sich dieser C-Waffen-Einsatz nicht so abgespielt hat, wie man zurzeit vermutet, beziehungsweise dass gar keine eingesetzt wurden, würde dann keine besondere Reaktion auf dieses Massaker stattfinden?

StS Seibert: Wir und nicht nur wir haben, wie ich das gesagt habe und wie es ja auch im Moment aus vielen internationalen Hauptstädten zu hören ist, sehr klare Hinweise darauf, dass es sich um einen C-Waffen-Einsatz gehandelt hat. Wir behandeln das entsprechend der Chemiewaffenkonvention. Über weitere Wenn-dann-Fragen möchte ich jetzt hier nicht spekulieren.

Frage: Können Sie bitte zusammenfassend erklären, ob es auf dem Weg zu einer politischen Lösung, die die meisterwünschte ist, zu einem militärischen Eingreifen kommen wird oder nicht, und zwar sowohl der Verbündeten als auch der Bundesregierung?

StS Seibert: Das kann ich nicht, und zwar aus den vielen Gründen, die ich hier schon genannt habe. Wir spekulieren jetzt nicht. Wir prüfen den Sachverhalt. Wir gehen im internationalen Konzert vor - das heißt, wir sprechen mit all unseren Partnern -, und dann werden wir Schritt für Schritt die richtige Haltung dazu entwickeln.

Zusatzfrage: Aber können Sie nicht ausschließen, dass die Bundesrepublik an einem solchen militärischen Eingreifen teilnehmen wird?

StS Seibert: Ich habe es vorhin schon gesagt: Ich spekuliere hier nicht, und ich werde jetzt auch nicht die diversen Möglichkeiten einer internationalen Reaktion mit Ihnen durchspielen.

Zusatzfrage: (Beginn der Frage ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) Das ist offensichtlich eine neue Situation, was die Haltung der Bundesregierung anbetrifft.

StS Seibert: Sie versuchen, mich zu einer Spekulation zu treiben, die ich nicht anstellen möchte. Wir haben unsere Politik und unsere Reaktion auf dieses entsetzliche Verbrechen dargelegt. Wir müssen uns darüber international abstimmen und werden natürlich weiterhin informieren. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in Kenntnis dieser Lage irgendetwas ausgeschlossen hätte.

Frage: Herr Kotthaus, ich würde Sie bitten, ein paar Aussagen zu bewerten, die der griechische Finanzminister in einem Interview gemacht hat, und zwar zum einen, dass er die Frage nach der Notwendigkeit eines Schuldenschnitts für Griechenland mit Nein beantwortet hat, und zum anderen, dass er die Möglichkeit angesprochen hat, dass Bankenhilfen quasi rückwirkend umgewidmet werden und dem ESM, dem Schutzschirm, angelagert werden.

Drittens würde mich interessieren, weil ich jetzt etwas konfus bin: Ist jetzt eigentlich der geeignete Zeitpunkt dafür, über das Thema Griechenland zu diskutieren, oder nicht? Ihr Minister hat vor Kurzem gesagt, dass er sehr froh sei, dass jetzt so breit darüber gesprochen werde und dass quasi alles klar auf den Tisch komme. Ich habe viele Stimmen vom Wochenende im Ohr, die sagen, das sei eigentlich ein schlechter Zeitpunkt, ein falscher Zeitpunkt dafür, zum Beispiel von Herrn Asmussen. Auch die Kanzlerin scheint die Diskussion zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sonderlich toll zu finden. Wie ist das nun mit dem Zeitpunkt? Sollte man aufhören, jetzt darüber zu sprechen, oder sollte man weiter diskutieren?

Kotthaus: Wenn ich es richtig wahrnehme, tragen Sie gerade dazu bei, weiter zu diskutieren. Also tun wir es natürlich, weil Sie gefragt haben. Ich hätte das Thema heute von mir aus nicht noch einmal angesprochen, aber ich tue es gerne.

Ich glaube, was dem Minister wichtig war - das hat der Minister in verschiedenen Interviews klargemacht, auch hier, als er gestern vor mehr als 300 Bürgern hier war -, war, dass eines ganz klar ist, nämlich dass es keinen zweiten Schuldenschnitt in Griechenland geben wird. Es gab eine Diskussion, und die hat er auch mehrfach geschildert, nach dem Motto: Das wird schon irgendwie kommen. Er hat ganz klar gesagt, dass beim ersten Schuldenschnitt in Griechenland, für den er sich sicherlich sehr stark eingesetzt hat, um auch das Thema der Schuldentragfähigkeit mittelfristig darstellen zu können, ganz klar vonseiten der Staats- und Regierungschefs, aber auch vonseiten der Finanzminister gesagt worden ist: Das war es! Es gab einmal einen Schuldenschnitt. - Das Wichtige an dieser klaren Aussage war der Satz "damit die Investoren wieder Vertrauen in die Eurozone fassen können". Dafür ist es wichtig, dass sie wissen, dass Staatsanleihen in Europa sicher sind.

Ich glaube, das Ergebnis der Politik ist auch positiv, ist vielversprechend. Die Zinsen für die verschiedenen Staaten sind in den letzten Monaten deutlich gesunken. Wir liegen heute bei Spanien und Italien etwas über 4 Prozent, und in Portugal liegen wir etwas über 6 Prozent. Das ist natürlich deutlich. Selbst bei Griechenland sind wir weit von den Maximalständen entfernt. Deswegen gilt: Die Politik hat sich bewahrheitet und bewährt. Wir haben es eben geschafft, dass die Investoren wieder Vertrauen in die Eurozone gewonnen haben. Ihm schien es so, dass in letzter Zeit ein bisschen viele Leute über einen zweiten Schuldenschnitt reden. Er wollte ganz klarmachen: Das ist nicht der Fall!

Er hat in diesem Zusammenhang noch einmal klargemacht, was die Sachlage in Griechenland ist. Er hat einfach das wiederholt, was im November 2012 von der Eurogruppe gesagt worden ist. Das war, und ich kann es gerne zum x-ten Mal wiederholen: Wenn wir 2014 am Ende des Programms angekommen sein werden, wenn Griechenland das Programm absolviert haben wird, wenn es einen Primärüberschuss geben und wenn noch ein Bedarf bestehen sollte, dann werden wir das tun, was die Eurogruppe gesagt hat, nämlich schauen, welche weiteren Erleichterungen für Griechenland möglich sind.

Da man diese Dinge ganz gerne zusammenwirft - ich bin, um Gottes Willen, weit davon entfernt, irgendwelchen Journalisten etwas vorzuwerfen -, muss man zugeben: Diese verschiedenen Fragen - also die Frage, was nach 2014 passieren wird, wenn das Programm zu seinem Ende gekommen sein wird - werden in der Berichterstattung zum Teil mit dem Thema eines zweiten Schuldenschnitts in einen Topf geworfen. Sie werden im Mixer durchgemischt, und heraus kommt Verunsicherung. Da war es dem Minister ein Anliegen, noch einmal ganz klarzumachen, wie die Sachlage ist. So gesehen ist es sicherlich kein Fehler, das noch einmal klargezogen zu haben.

Was die verschiedenen Zahlen betrifft, die jetzt hier herumgeistern: Ich kann dazu nichts Produktives beitragen. Die Verabredung ist, dass wir 2014 schauen werden: Wo stehen wir? Wie sieht es aus? Sind diese verschiedenen Voraussetzungen gegeben? Gibt es einen weiteren Finanzbedarf für Griechenland? Wenn das so ist, was macht man damit, wie kann man damit umgehen? - Wir haben jetzt immer noch August 2013, und wir sind sehr bemüht, alles, was wir wissen, zu sagen, aber auch ganz klar nicht irgendwelche Zahlen in die Welt zu pumpen und darüber zu spekulieren, für die wir keine solide Grundlage haben. Deswegen tue ich das auch weiterhin nicht. Wir werden vielmehr dann, also Mitte 2014 auf dem Weg zum Ende des Programms, schauen, was weiter erforderlich ist oder auch nicht erforderlich ist.

Zusatzfrage: Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen. Es ist ja nicht irgendjemand gewesen, der Zahlen genannt hat, sondern es ist der griechische Finanzminister gewesen, der in, wenn ich mich richtig erinnere, zwei oder drei Interviews hintereinander von dem Betrag in Höhe von 10 Milliarden Euro gesprochen hat, der 2014/2015 erst einmal von Griechenland benötigt werde.

Mich würde zum Zweiten noch einmal interessieren: Ist diese Möglichkeit, nämlich die, die Bankenhilfen, die schon aus den Hilfen der internationalen Partner von Griechenland gegenüber seinen Banken geleistet wurden, auf den ESM zu übertragen, und zwar rückwirkend, um damit den Schuldenstand zu senken, eine Möglichkeit, die mitzugehen Sie sich unter allen Optionen auch vorstellen könnten?

Kotthaus: In dem zweiten Griechenland-Paket gibt es auch Programmteile, die dafür gedacht sind und waren, die Banken zu rekapitalisieren; das ist richtig. Soweit mir bekannt sind, wurden dieses Geld auch an den griechischen Bankenfonds überwiesen.

Aber dazu, was wann, wo und wie passiert: Sorry, ich weigere mich, darüber zu spekulieren. Es hat keinen Sinn! Es war nämlich gerade die Troika dort unten, und die hat gesagt: Das Programm läuft. Auf dieser Basis konnten wir die aktuelle Tranche auszahlen. Die Troika wird im vierteljährlichen Rhythmus - Ende September - wieder nach Griechenland reisen. Sie wird schauen: Was hat sich in den letzten Monaten getan? Liegen die Voraussetzungen dafür vor, dass wir die nächste Tranche ausschütten können, oder nicht? Wenn nicht, was für Voraussetzungen müssen erfüllt werden? - Bis jetzt haben wir mehrfach Situationen gehabt, in denen durch die griechische Regierung nachgesteuert werden musste, und gegebenenfalls, wenn das wieder erforderlich sein wird, wird man das dann auch wieder tun und sagen müssen.

Noch einmal: Um Gottes Willen, Herr Stournaras ist der griechische Finanzminister. Das ist, finde ich, keine Frage. Nur habe ich trotzdem Schwierigkeiten damit, heute, im August 2013, zu sagen, welchen Finanzbedarf wir nach 2014 haben werden. Dafür müssen wir schauen, wie sich die gesamtvolkswirtschaftliche Lage entwickelt. Es gibt bestimmte Vorgaben aus den Programmen, die auch sicherlich bislang absolviert werden. Aber ich kann Ihnen heute nicht sagen, was dann Mitte 2014 oder Ende 2014 für ein Finanzbedarf gegeben sein kann.

Frage: Im August 2013 sind die griechischen Schulden auf 321 Milliarden Euro oder etwa 180 Prozent gestiegen. Also sind sie sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen größer denn je. Ist das nicht ein Indiz oder ein Beweis dafür, dass etwas nicht stimmt, dass die ganze Politik, die die Troika und auch Berlin verfolgen, nicht klappt? Ist das nicht ein Hinweis darauf, dass die Alarmglocken schrillen sollten, oder lässt Sie das vollkommen indifferent?

Kotthaus: Wir führen hier so einen lustigen Dialog, den wir alle paar Tage wiederholen. Ich kann es auch gerne noch einmal wiederholen: In dem Programm ist vorgesehen, und das ist auch programmgemäß, dass das Verhältnis zwischen Bruttoinlandsprodukt und Schuldenstand zunächst steigt. Das ist auch normal. Es gibt einen Anpassungsprozess in Griechenland, und dieser Anpassungsprozess hat dazu geführt, dass es einen Rückgang des Wirtschaftswachstums gab. Zusätzlich gab es einen Einbruch, eine Rezession. Daher entwickelt sich der Schuldenstand, das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt, automatisch negativ. Das ist im Programm auch so vorgesehen. Es geht erst hoch, und dann geht es wieder herunter. Das können Sie in dem Programm selbst ablesen.

Ich habe kein Bauchgefühl oder sonst etwas. Ich verlasse mich auf das, was die Troika sagt. Die Troika ist vor Ort in Griechenland. Sie bespricht die Fragen mit der griechischen Regierung. Sie bewertet diese Ergebnisse alle drei Monate abschließend. Sie berichtet an die Eurogruppe. Die Troika hat zuletzt vor wenigen Wochen festgestellt, dass sich das Programm in Griechenland so entwickelt, dass wir die nächste Tranche ausschütten können. Das ist mein Maßstab. Ich mache nicht "Pi mal dicken Daumen", ich lese nicht links, ich lese nicht rechts, sondern ich schaue: Was sagt uns die Troika? Was ist die Bewertung von EZB, IWF und der Kommission? Das ist der Maßstab, den wir alle gemeinsam verabredet haben. Ich halte ihn weiterhin für richtig. Die Troika hat gesagt: Wir laufen im Rahmen des Programms.

Frage: Herr Seibert, ein Stockwerk tiefer war gerade eine Pressekonferenz der "Alternative für Deutschland". Dort hat der Vorsitzende, Prof. Lucke, berichtet, er habe sich am 12. Juni an das Kanzleramt mit der Bitte um Auskunft darüber gewendet, welche Alternativszenarien es bei der Fertigstellung der Griechenland-Rettungspakete gegeben habe, also beispielsweise einen Austritt Griechenlands aus dem Euro. Er hat sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen und moniert, dass diese Anfrage vom 12. Juni noch nicht beantwortet sei. Meine Frage: Wann wird diese Anfrage beantwortet?

StS Seibert: Ich kenne den Vorgang nicht. Ich muss mich kundig machen. Im Übrigen sind Herrn Lucke hinsichtlich der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung natürlich zahlreiche Antworten gegeben worden. Aber ich muss hinsichtlich dieses konkreten Vorgangs nachfragen.

Frage: Herr Kotthaus, ich würde gerne an das anschließen, was der Kollege gerade gefragt hat. Sowohl der irische als auch der griechische Finanzminister haben mehrfach in Interviews gesagt, dass sie es gerne hätten, dass ein Teil der schon gewährten Hilfen zur Bankenrekapitalisierung rückwirkend als direkte Bankenrekapitalisierung gekennzeichnet werden und damit sozusagen nicht nur auf den Schuldenstand des Staates angerechnet würden. Wenn man das im Fall von Griechenland machen würde, würde der Schuldenstand sofort in einen zweistelligen Bereich sinken. Ist das aus Sicht der Bundesregierung eine Möglichkeit oder ist das keine?

Kotthaus: Ich bin mir relativ sicher, dass Sie die Diskussion zur Bankenrekapitalisierung so gut kennen wie ich sie kenne. Es gibt in Brüssel eine Diskussion, dem ESM ein weiteres Instrument hinzuzufügen, nämlich das der direkten Bankenrekapitalisierung. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde das Thema zuletzt beim Treffen der Eurogruppe im Juni oder Juli besprochen. Damals wurden Grundsätze besprochen und von den Finanzministern verabschiedet, auf deren Basis weiter diskutiert werden soll. Dazu gehört zum Beispiel das Thema: Bevor es eine direkte Bankenrekapitalisierung geben kann, muss diese Haftungskaskade abgearbeitet sein. Soll heißen, dass zunächst die Eigentümer, die Banken und dann der jeweilige Staat in die Haftung genommen werden müssen. Dann muss geguckt werden, was mit indirekten Hilfen ist. Am Ende wäre eine direkte Bankenrekapitalisierung für den Fall denkbar, dass alle anderen Maßnahmen nicht möglich sind. Es wurde auch gesagt: Wir müssen davor das Thema eines Bail-in abgeschlossen haben, also die Frage, inwieweit sich die Gläubiger an der Rettung einer Bank gegebenenfalls beteiligen, und zwar zu einem erklecklichen Zustand. Das sind die allgemeinen Grundsätze.

Die Frage, die damit zusammenhängt, ist auch vorher klargemacht worden: Wir müssen vorher die Bankenabwicklungsrichtlinie abgeschlossen haben. Alles hängt sozusagen mit allem zusammen. Das ist die Diskussion.

Stand heute ist: Wir haben dieses Instrument nicht. Ich kann Ihnen momentan auch nicht genau sagen, wann wir es haben werden, weil vorher, wie gesagt, verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein müssen, inklusive die verschiedenen Richtlinien, die es in Brüssel gibt, die zum Teil im Europäischen Parlament hängen.

Hinzukommt die Frage einer rückwirkenden direkten Bankenrekapitalisierung. In dem Dokument der Eurogruppe, das Sie kennen, ist diese Möglichkeit nicht kategorisch ausgeschlossen worden, sondern es ist gesagt worden: Wir müssen mal gucken, ob das irgendwie geht. Wie weit sich das mit der Frage eines Bail-in und anderen Fragen mehr vereinbaren lässt, kann ich Ihnen momentan nicht sagen. Diese Diskussion wird sicherlich angeschlossen werden.

Langer Rede, kurzer Sinn: Das Instrument einer direkten Bankenrekapitalisierung gibt es zurzeit nicht. Die Frage einer rückwirkenden direkten Bankenrekapitalisierung ist obendrein noch schwieriger. Sie ist nicht kategorisch ausgeschlossen. Man muss gucken, was überhaupt machbar ist. Daher - das muss ich hier und heute sagen - stellt sich für mich diese Frage im Augenblick nicht, weil ich das Instrument noch nicht einmal habe. Selbst wenn wir es irgendwann einmal hätten, würden die Voraussetzungen gelten: Das muss einstimmig in der Eurogruppe verabschiedet werden und die verschiedenen Parlamente müssen zustimmen. Es ist relativ viel, was noch passieren müsste.

Zusatzfrage: Sie haben das schon mehrfach vorgetragen. Ich frage deshalb, weil offenbar einige der Finanzminister, die ja dabei waren, als das beschlossen wurde, das entweder anders interpretieren, geschlafen haben oder etwas anderes mit nach Hause genommen haben. Jedenfalls geben Herr Noonan und Herr Stournaras Interviews, in denen sie genau das, was Ihrer Aussage nach gar nicht geht, fordern. Ich versuche nur, das in Übereinstimmung zu bringen.

Kotthaus: Ich kann nur versuchen, die Situation so zu schildern, wie sie ist. Ich bin kein Psychologe. Ich bin auch kein Sprecher für andere Finanzministerien. Ich bin klein und bescheiden nur Sprecher für dieses Ministerium. Für dieses kann ich Ihnen die Sachlage nur so schildern, wie sie ist.

Frage: Herr Kotthaus, Ihr Minister spricht immer vom Finanzbedarf ab 2015, wenn ich das richtig verstehe. Jetzt sagt der griechische Finanzminister, der Finanzbedarf entstehe schon 2014. Ist das nur ein Übersetzungsfehler? Anders gefragt: Ist ausgeschlossen, dass für 2014 noch ein zusätzlicher Bedarf auftritt?

Kotthaus: Ich gebe zu, dass dieses Griechenland-Programm beziehungsweise die gesamten Rettungsprogramme nicht die leichteste Übung auf diesem Planeten darstellen. Es gibt drei verschiedene Sachverhalte. Ich habe vorhin versucht zu schildern, dass es dem Minister wichtig war, noch einmal klarzumachen: Einen zweiten Schuldenschnitt gibt es nicht. Punkt.

Es gibt, wenn das europäische Programm für Griechenland Ende 2014 ausgelaufen ist, bis zur Erlangung der Schuldentragfähigkeit, die 2020, 2022 mit ca. 120 beziehungsweise 113 Prozent des BIP erreicht sein wird, eine Zeit, in der Griechenland weiter die Reformen umsetzen und weiter daran arbeiten muss, diese Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen. Dann muss man prüfen, ob weiterer Geldbedarf gegeben ist. Diese Frage stellt sich Mitte/Ende 2014.

Dazu kommt die Frage, die sich alle drei Monate stellt und die sich dann wieder stellt, wenn die Troika das nächste Mal nach Griechenland reist: Wo liegen wir bei der Programmerfüllung? Ist für das laufende Programm alles gut? Haben wir da noch einen zusätzlichen Bedarf? Sie erinnern sich, Herr Pichler, dass es in der Vergangenheit zwei Fälle gab, wo die Frage aufkam, ob es noch irgendwelche neuen Finanzlücken gibt, die sich aufgetan haben, und die von der griechischen Regierung jedes Mal durch zusätzliche Maßnahmen gestopft wurden. Wir müssen zwei verschiedene Sachen unterscheiden: Ist das gegenwärtige Programm durchfinanziert? Was passiert nach 2014?

Was das gegenwärtige Programm betrifft, kann ich momentan nur sagen, dass die Troika gerade vor wenigen Wochen gesagt hat: Ja, zurzeit ist es durchfinanziert. Ich kann keine Prognose abgeben, was das gegenwärtige Programm betrifft, was die Troika sagen wird, wenn sie im September/Oktober zurückkommt.

Die einzige Erklärung, die ich habe, ist, dass Herr Stournaras darauf hinweist, dass da ein Bedarf ist. Das weiß ich aber nicht. Ich bin nicht sein Interpret. Wie gesagt, wir müssen zwischen dem laufenden Programm und der Frage nach 2014 unterscheiden. Was das laufende Programm angeht, gab es schon mehrfach "hickups". Es gab den Fall, dass irgendwelche Maßnahmen nicht durchgeführt worden sind. Die wurden dann umgesetzt, wie zum Beispiel die Entlassungen aus dem öffentlichen Sektor, das Gesetz im Parlament. Auch Fragen der Finanzierung wurden, was das laufende Programm betrifft, durch Maßnahmen geklärt. Das sind die verschiedenen Elemente, die man versuchen muss zu unterscheiden.

Frage: Herr Kotthaus, Sie verweisen dauernd auf eine Art auf die Troika, als ob sie der Ausbund der Wahrheit und der Objektivität wäre. Dabei ist sie parteiisch. Sie ist das Instrument der Gläubiger. Sie verfolgt die Eigeninteressen der Gläubiger. Wäre es in dem Zusammenhang nicht viel fairer, eine unabhängige internationale Kommission einzuberufen, die über all diese Fragen, die dauernd umstritten sind, befindet?

Eine zweite Frage: Die britische Zeitung "Daily Mail" hat gestern eine Reportage veröffentlicht, nach der in den Jahren 2011 und 2012 regelmäßig Geldtransporte mit Militärmaschinen von Frankfurt nach Griechenland erfolgt sind. Das war die Zeit, als die Krise in Griechenland ihren Höhepunkt erreicht hatte und die Troika nicht bereit war, Griechenland die damals fällige Tranche zu gewähren. Zugleich hat es, was die griechischen Sparer angeht, Bewegung gegeben. Sie haben ihr Geld von den Banken abgehoben. Es hat Milliardentransaktionen von der Zentralbank in Frankfurt nach Athen gegeben.

Ist es nicht eine Irreführung der Öffentlichkeit, einerseits so zu tun, als ob man Druck gegen die griechische Regierung aufbaut, damit sie sich den Bedingungen der Troika anpasst, und auf der anderen Seite heimlich Gelder zuführt, damit das Euro-Geschäft doch aufrechterhalten werden kann?

Kotthaus: Was Ihre zweite Frage angeht, muss ich sagen: Ich weiß nicht, von was Sie reden. Ich kann das nicht beurteilen. Was Sie schildern, kann vielleicht etwas mit der EZB zu tun haben. Ich kenne es nicht. Ich weiß es nicht. Dazu kann ich nichts sagen.

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Es gibt eine internationale Organisation. Es gibt eine internationale Gemeinschaft, die zusammenarbeitet. Es gibt den IWF, es gibt die EZB, es gibt die Kommission, die im Konsens mit der griechischen Regierung die verschiedenen Schritte abstimmt, diskutiert. Das griechische Programm wurde einstimmig durch die Eurogruppe inklusive der griechischen Regierung bestimmt. Die Griechen haben in einer Wahl gesagt: Ja, wir wollen diesen Kurs fortführen. Wir wollen im Euroraum bleiben. Wir wollen diese Maßnahmen durchführen. - Ich kann Ihre Meinung beim besten Willen einfach nicht teilen.

Zusatz: Ich hoffe, dass Sie beim nächsten Mal darauf antworten können. Die griechische Regierung hat inzwischen die Meldung des "Daily Mail" bestätigt.

Kotthaus: Ich kenne die Geschichte nicht. Das sagt mir nichts.

Zuruf: Die erste Frage noch!

VORS. DETJEN: Das war die Frage nach einer unabhängigen Kommission.

Kotthaus: Die habe ich ja schon beantwortet. Ich kann meine Antwort noch einmal wiederholen, aber ich habe die Frage gerade schon beantwortet.

Frage: Ein Seitenaspekt nur: Herr Seibert, schadet es der deutschen Reputation in Griechenland, wenn in einem solchen Moment plötzlich Staatsanwaltschaften deutsche Rüstungsunternehmen aufgrund von Vorwürfen durchsuchen, dass sie in Griechenland Schmiergelder gezahlt haben sollen? Erschüttert das nicht die ganze deutsche Glaubwürdigkeit?

StS Seibert: Ich kann dazu nur sagen, dass, wenn es Vorwürfe gibt, sie nach Recht und Gesetz aufgeklärt werden müssen. Diese Aufklärung wird dann immer die Unterstützung der Bundesregierung haben. Die Justiz handelt unabhängig. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

Frage: Meine Frage geht an das Bundesinnenministerium: Herr Friedrich hat im "Spiegel" noch einmal bekräftigt, dass er ein Anti-Doping-Gesetz befürwortet. Können Sie das noch einmal erläutern? Was ist zu erwarten, wenn er dazu nächste Woche vor dem Sportausschuss sprechen wird?

Teschke: Im Sportausschuss wird es ja vor allen Dingen noch einmal um den Anti-Doping-Bericht gehen - Sie erinnern sich: Es war ein bisschen umstritten, ob das BMI die vollständige Veröffentlichung verhindert hatte oder ob es nicht eher an den Universitäten lag. Der Minister wird aber sicherlich auch zu dem Gesamtthema Dopingbekämpfung sprechen. Es geht ihm darum, dass natürlich noch einmal über ein solches Gesetz nachgedacht wird; allerdings ist er da noch nicht festgelegt. Er hat das im "Spiegel" etwas präzisiert, indem er gesagt hat: Für die Berufssportler - also Sportler, die damit tatsächlich ihren Lebensunterhalt bestreiten - ist das vorstellbar; das ist aber nicht für Leistungssportler generell und schon gar nicht für den Breitensport der Fall. Wir haben auch immer gesagt, dass die Maßnahmen sowohl in der Sportgerichtsbarkeit als auch in den normalen Strafgesetzen - beim Apothekengesetz und beim Arzneimittelgesetz hatten wir ja Verschärfungen vorgenommen - derzeit im Grunde ausreichend sind. Im Laufe des Monats September werden sich noch einmal Experten im Haus zusammensetzen und auch dort noch einmal über ein solches Gesetz nachdenken und beraten.

Zusatzfrage: Nur um sicherzustellen, dass ich es richtig verstanden habe: Entschieden ist noch nichts?

Teschke: Entschieden ist noch nichts.

Frage: Ich würde gern das Verteidigungsministerium nach einem großen "FAZ"-Bericht von heute zur Beschaffung des Transporthubschraubers NH90 befragen. Gibt es irgendwelche Fehlentwicklungen, irgendwelche Mängel oder Fehler, die man seitens des Bundesverteidigungsministeriums bei diesem Thema einräumen müsste?

Dienst: Wir haben zu diesem Thema vor einer Stunde eine dreiseitige Pressemitteilung herausgegeben. ich denke, darin sind alle Fragen beantwortet beziehungsweise ist auch unsere Stellung überhaupt zu dem Artikel in der "FAZ" wiedergegeben.

Zusatz: Gut, das wusste ich nicht.

VORS. DETJEN: Die Mitteilung kam dann offenbar unmittelbar vor Beginn dieser Regierungspressekonferenz.

Frage: Ich möchte die Bundesregierung noch zu den jüngsten Veröffentlichungen, die es zum Thema NSA gegeben hat, befragen. Was hält die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die bilateralen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen auszusetzen, ehe die US-Regierung nicht Klarheit zu allen Punkten geschaffen hat?

StS Seibert: Die Bundesregierung unterstützt die Absicht, ein solches Freihandelsabkommen mit den USA zu schließen, denn das hat für Europa enorme Bedeutung - wie auch für die USA, aber eben auch für uns. Deswegen haben wir es sehr begrüßt, dass diese Verhandlungen aufgenommen worden sind. Die Verhandlungsführung liegt auf der europäischen Seite, bei der EU-Kommission. Parallel dazu sind ja Gespräche zwischen EU und USA wie auch zwischen uns und den Amerikanern über Datenschutz, Schutz von Privatheit im Netz und die Art der Zusammenarbeit der Geheimdienste in Gang gekommen. Das heißt, diese Gespräche laufen.

Zusatzfrage: Und sollten auch weiterlaufen?

StS Seibert: Das ist eine Sache der EU-Kommission. Die Bundesregierung unterstützt die EU-Kommission dabei, diese Gespräche zu führen.

Zusatzfrage: Sieht die Bundesregierung in den jüngsten Vorwürfen, in denen es ja unter anderem um die angebliche Verwanzung von Büros der Vereinten Nationen in New York geht, eine neue Qualität, die für sie neuen Fragebedarf an die USA ergeben hat?

StS Seibert: Was angebliche Ausspähungsversuche gegen UN-Gebäude in New York betrifft, haben wir keine eigenen Erkenntnisse. Das ist dann auch keine bilaterale Sache zwischen Deutschland und den USA.

Was uns betrifft, so haben wir immer nach der Haltung gehandelt, dass wir alle Behauptungen, alle Vorwürfe sehr gründlich überprüfen und nachforschen, und so werden wir es halten. Wir werden auch weiterhin dem, was uns in unserem Verhältnis mit den Amerikanern - und damit auch die Rechte deutscher Bürger - betrifft, sehr gründlich nachgehen, und werden alle weiteren Erkenntnisse wie auch bisher dem Parlamentarischen Kontrollgremium zeitnah zur Verfügung stellen.

Frage: Herr Seibert, gibt es eine politische Anweisung an den Bundesnachrichtendienst, dass UN-Gebäude oder die UN-Zentrale in New York vom Bundesnachrichtendienst nicht ausgespäht werden darf oder soll?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier jetzt keine konkreten Anweisungen vorlegen. Der Bundesnachrichtendienst handelt selbstverständlich auf der Grundlage der Gesetze, die sein Handeln bestimmen, und das hält er durch, daran hält er sich durchwegs.

Zusatzfrage: In dem Gesetz, das sein Handeln bestimmt, heißt es nur: Er ist dafür da, Informationen, die für die Bundesregierung wichtig sind, zu sammeln. Deshalb stellt sich ja die Frage, ob es darüber hinaus Einschränkungen gibt, wie zum Beispiel, dass man sagt: Von der UN-Zentrale - auch, wenn es vielleicht interessant wäre, zu wissen, was dort geredet wird - halten wir uns fern.

StS Seibert: Wir handeln nach der Maßgabe, die wir auch zu Beginn dieser Diskussion schon genannt haben: Unter Freunden späht man sich nicht aus und bespitzelt man einander nicht.

Zusatzfrage: Und die UN sind ein Freund?

StS Seibert: Ich habe dazu alles gesagt.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten, es sei sicher, dass die Rechte deutscher Bürger durch das Vorgehen der Dienste in Deutschland nicht angetastet werde. Können Sie mir denn sagen - und ich habe diese Frage jetzt schon mehrfach an Ihr Büro und an den BND gestellt -, ob auch ausländische Bürger in Deutschland vor Eingriffen in die Privatsphäre geschützt sind?

StS Seibert: Der BND hält sich an die Gesetze, die sein Handeln bestimmen, also das G-10-Gesetz usw. Darin ist alles nachzulesen. Die Gesetze sind ja nicht geheim, sondern können nachgelesen werden. An diese Gesetze halten sich der Bundesnachrichtendienst wie auch die anderen Dienste - sie halten sich an Recht und Gesetz in Deutschland.

Zusatzfrage: Die Gesetze sind zwar nicht geheim, aber sie sind in vielen Fällen nicht ganz eindeutig. Deshalb habe ich mehrfach nachgefragt, ob man das erklären kann.

Es gibt jetzt den speziellen Fall einer amerikanischen Journalistin, die von Berlin aus in dem Fall Snowden recherchiert. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Würde die Bundesregierung beziehungsweise würden der Bundesnachrichtendienst oder der Verfassungsschutz auf Anfrage ausländischer Dienste Verbindungsdaten oder Ähnliches von ausländischen Staatsbürgern in Deutschland weiterreichen oder auch nur sammeln?

StS Seibert: Ich kann hier, wie Sie sicherlich verstehen werden, über einzelne Fälle nicht sprechen. Ich kann über die Gesetzgebundenheit des Bundesnachrichtendienstes und auch der anderen Dienste sprechen. Für den Verfassungsschutz wird das Herr Teschke ebenso sehen.

Teschke: Ja, auch der Bundesverfassungsschutz arbeitet natürlich auf gesetzlicher Basis, und das sind die G-10-Gesetze.

StS Seibert: Und kontrolliert - das sollte man noch hinzufügen - durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages. Dort können gegebenenfalls auch einzelne Fälle besprochen werden, aber nicht in einer Regierungspressekonferenz.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 26. August 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-26-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2013