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PRESSEKONFERENZ/661: Regierungspressekonferenz vom 9. September 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 9. September 2013
Regierungspressekonferenz vom 9. September 2013

Themen: Erklärungen der G20 und der EU zu Syrien, Überflug des US-Generalkonsulats in Frankfurt am Main mit einem Hubschrauber der Bundespolizei, mögliche Überwachung des Datenverkehrs von Banken durch die NSA, Antiterroreinheit "Projekt 6", Datenschutzpolitik der EU, Finanzhilfen für Griechenland

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Kutt (BMI), Kothé (BMF)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Herr Seibert, ich wollte noch einmal im Nachgang zum G20-Gipfel fragen: Wann hat denn die Bundeskanzlerin erfahren, dass es eine Erklärung mit einer harten Reaktion zu Syrien gibt, die von den USA veranlasst worden ist, und dass sich auch andere europäische Partner an dieser Erklärung beteiligen?

StS Seibert: Danke für die Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, noch einmal grundsätzlich die deutsche Haltung zu dieser Erklärung am Rande des G20-Gipfels deutlich zu machen.

Die Bundeskanzlerin und der Außenminister hatten eine ganz klare Position, und die haben wir gegenüber unseren Freunden und Partnern erklärt und vertreten. Die Bundeskanzlerin hat über diese Position beispielsweise persönlich auch mit Präsident Obama in Sankt Petersburg gesprochen.

Diese Position hieß: Deutschland wollte alles dafür tun, dass Europa mit einer einheitlichen Haltung und Stimme zum Syrien-Konflikt auftritt. - So war es übrigens auch mit den beiden europäischen Vertretern in Sankt Petersburg, Herrn Van Rompuy und Herrn Barroso, abgesprochen.

Europas Einigkeit in dieser Frage ist für uns von sehr hohem Wert. Es ist die Lehre aus Unstimmigkeiten und immer wieder auftauchender Uneinigkeit Europas in großen außenpolitischen Fragen. Das musste natürlich jede Regierung mit sich selbst in Sankt Petersburg ausmachen. Die Bundesregierung hatte einen ganz klaren Kompass - keine Vorfestlegung in Sankt Petersburg, solange 23 von 28 EU-Staaten ihre Haltung noch nicht haben äußern können, wenn doch in Vilnius die berechtigte Hoffnung bestand, binnen 24 Stunden eine europäische Einigung zu erzielen.

Wir sind sehr froh, dass es in Vilnius zu dieser Einigung gekommen ist. Darauf hat Außenminister Westerwelle mit seinen Partnern sehr energisch hingearbeitet. Anschließend hat die Bundesregierung dann die Möglichkeit gesehen, die Erklärung von Sankt Petersburg, mit der wir ja inhaltlich nicht im Dissens standen, zu unterzeichnen, nachdem es eine europäische Einigung gegeben hatte, die es aus unserer Sicht mit einer Vorfestlegung sehr viel schwieriger hätte geben können.

Aus Sicht der Bundesregierung ist ein besonders wichtiges Ergebnis - auch der europäischen Erklärung -, dass die Inspekteure der UN, die wir ja letztlich erfolgreich an diesen Ort gebracht haben, nun auch ihren Bericht dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorlegen sollen. Entsprechend erwartet die Bundesregierung, dass der Sicherheitsrat seiner Verantwortung auch nachkommt.

Zusatzfrage: Wann hat denn die Bundeskanzlerin erfahren, dass Spanien und Italien sich an dieser Erklärung beteiligen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen das dargelegt. Die Haltung war von vornherein klar. Sie war mit Präsident Obama und unseren europäischen Partnern in Sankt Petersburg besprochen. Insofern wussten wir auch, was deren Haltung ist. Für uns war das Entscheidende, keine Vorfestlegung zu treffen, damit wir die Chancen offen halten konnten, eine Einigkeit Europas auf diesem wichtigen Gebiet hinzubekommen.

Das ist glücklicherweise gelungen. Das halten wir für eine Sache von großem Wert.

Frage: Als ich nach dem G20-Gipfel aus dem Flugzeug stieg, hatte ich den Eindruck, dass die Europäer einig sind, diese Erklärung erst einmal vor Vilnius nicht zu unterzeichnen. Von daher war ich schon sehr überrascht zu hören, dass dann die Mehrheit doch unterzeichnet hat. Wie ist denn das zu werten mit Blick auf den von Ihnen eben unterstrichenen hohen Wert der einheitlichen europäischen Position? - Also mir scheint es so, als sei das gewaltig in die Hose gegangen.

Zum Zweiten: Wenn es immer um die Frage einer harten Reaktion auf den Giftgaseinsatz in Syrien geht, ich hätte gern einmal eine Definition dessen, was diese harte Reaktion beinhaltet. Beinhaltet das auch einen Militärschlag, oder beinhaltet das alles exklusive einem Militärschlag?

StS Seibert: Ich kann weder Ihre Eindrücke noch Ihre Überraschung beurteilen. Das ist natürlich an Ihnen.

Ich habe Ihnen dargelegt, was die Haltung der Bundesregierung war, die sie auch beim G20-Gipfel in Sankt Petersburg gegenüber den Partnern aktiv vertreten hat. Aus unserer Sicht ist es keineswegs, wie Sie sagen, ein Fehlschlag. Es ist im Gegenteil ein großer Erfolg, dass es hier anders als in vielen anderen Fällen eine einheitliche Haltung und Stimme der 28 EU-Partner gibt. Das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Zusatzfrage: Ich möchte noch an die zweite Frage erinnern, die ich gestellt hatte.

Aber zu der Sache noch einmal nachgefragt, wenn Sie von einem "großen Erfolg" sprechen: Zu dem Zeitpunkt, als die Kanzlerin den Gipfel verlassen hat, war ja die Haltung offenbar alles andere als eine Einigung. Von daher verstehe ich den Terminus "großer Erfolg" nicht. Die Kanzlerin hat am Anfang nicht unterzeichnet. Die anderen Europäer haben unterzeichnet. Das ist doch kein Ausweis von großer Einigkeit, auch wenn das dann 24 Stunden später korrigiert worden ist.

StS Seibert: Eine Einigung Europas kann es logischerweise nur da geben, wo alle Europäer aufeinandertreffen und ihre Haltungen miteinander austauschen. Das war in Vilnius. Dieses Treffen in Vilnius war ja keine Überraschung, sondern es war als informelles Treffen angesetzt. Am nächsten Tag stieß auch der US-Außenminister zu den europäischen Außenministern. Dort waren der Ort und die Zeit, eine europäische Einigung zu erzielen. Darauf haben wir jetzt hingearbeitet und sind froh, dass wir sie bekommen haben.

Zusatzfrage: Ich hätte noch gern die Definition, was habe ich unter einer "harten Reaktion" zu verstehen habe.

StS Seibert: Ich definiere das jetzt nicht weiter. Es ist für uns erst einmal wichtig, die nächsten Schritte zu gehen und das weitere Vorgehen in der UN vorzunehmen. Wir haben uns auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass die Inspektoren, die wir nach Syrien geschickt haben, nun vor dem Ergreifen weiterer Maßnahmen ihren Bericht einbringen können. Das ist auch die französische Haltung. Bezug nehmend auf diese Haltung haben wir dann auch das G20-Papier unterzeichnet.

Peschke: Ich kann das nur ausdrücklich unterstreichen und ergänzen. Auch aus unserer fachspezifischen Sicht und aus Sicht des Außenministers, der ja für die Bundesregierung, für Deutschland, an dem Gymnich-Treffen in Vilnius teilgenommen hat, war es ein wichtiges Ziel, in dieser sehr schwierigen außenpolitischen Krise eine einheitliche europäische Position herzustellen. Deswegen sind wir genauso verfahren, wie wir verfahren sind.

Wir haben gesagt: Wir wollen erst einmal in der Europäischen Union diskutieren und eine gemeinsame Position herstellen, und werden uns dann in Foren, die darüber hinaus gehen, entsprechend positionieren.

Das ist eine strategische Ausrichtung unserer Aufstellung. Für uns war in dieser Frage die gemeinsame europäische Haltung ein wichtiger konstituierender Faktor. So haben wir uns verhalten.

Ich kann Ihnen sagen, dass das natürlich eine sehr schwierige Frage ist und dass die Diskussion innerhalb Europas, innerhalb der europäischen Außenminister, zu dieser Frage nicht einfach gewesen ist. Da ist, ohne jetzt in Einzelheiten zu gehen, ein breites Meinungsspektrum geäußert worden. Im Nachhinein fühlen wir uns in unserer Linie sehr bestätigt, dass wir gesagt haben: Wir wollen erst einmal mit den Europäern sprechen, bevor wir uns national im Rahmen der G20 endgültig positionieren. - Das ist, glaube ich, von vielen Partnern mit großem Respekt aufgenommen worden, insbesondere natürlich von Partnern, die nicht Teil des G20-Prozesses sind.

Insofern ist es wirklich ein Erfolg, dass wir zu einer gemeinsamen europäischen Position gekommen sind. Ich will noch einmal betonen: Das war nicht selbstverständlich. Das waren durchaus anspruchsvolle Gespräche, die zu führen waren. Es ist ein Erfolg, dass wir zu einer gemeinsamen Positionierung gekommen sind, die Catherine Ashton gemeinsam für alle 28 vorgetragen hat.

Jetzt muss die Auseinandersetzung mit der Krise natürlich weitergehen. Wir haben eine gemeinsame Position. Aber die schwierige Lage bleibt, und ihr werden wir uns - jeden Tag aufs Neue - mit derselben Intensität widmen.

Zusatzfrage: Ich möchte noch einmal zur Sicherheit nachfragen: Die Definition des Begriffs "harte Reaktion" wird im Moment, wenn ich das jetzt richtig verstehe, bewusst offen gelassen. Ist das so?

Peschke: Ich kann da nur sekundieren, was Herr Seibert ja schon gesagt hat, was wir die ganze Zeit sagen: Wir spekulieren hier nicht. Wir beschäftigen uns mit den Fakten, mit dem VN-Prozess, mit der Arbeit der Inspektoren.

Auf ein Detail möchte ich Sie schon aufmerksam machen. Das hat ja der Außenminister für die Bundesregierung als eine mögliche Ausbuchstabierung der Konsequenzen ins Gespräch gebracht, nämlich eine Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofs. - Das ist ja auch von den EU-Außenministern in dieser Form in der Erklärung aufgenommen worden.

Frage: Gerade weil ja auch die zeitliche Reihenfolge, die Sie beschreiben, sehr plausibel ist, möchte ich noch einmal die Frage der Kollegen aufgreifen: Wann hat die Kanzlerin erfahren, dass die vier anderen beim G20-Gipfel beteiligten Mitglieder offensichtlich zu einer anderen Entscheidung gekommen sind? War sie davon überrascht, oder hat sie das auch für plausibel gehalten? Wenn man das eine für plausibel hält, kann man nicht auch das andere für plausibel halten - "You can't have it both ways".

StS Seibert: Wenn ich Ihnen gesagt habe, dass die Bundeskanzlerin in ihren Gesprächen in Sankt Petersburg die deutsche Haltung in dieser Sache vertreten hat, dann wissen Sie, dass die anderen unsere Haltung kannten und wir die Haltung der anderen. - Das ist der Stand.

Wie gesagt: Ansonsten war für uns das Wichtigste, in Vilnius die Tür zu einer nicht leicht zu erreichenden außenpolitischen Einigung offenzuhalten, die aber glücklicherweise erreicht werden konnte - dies im Übrigen immer auch in Absprache mit Herman Van Rompuy.

Zusatzfrage: Noch zwei Nachfragen dazu: Wenn die Kanzlerin, die sich ja, glaube ich, bis Sonntagnachmittag zu dem Thema nicht geäußert hat, dann am Sonntagnachmittag nach der groß erzielten Einigung in Vilnius sagt "Ich finde es nicht in Ordnung, wenn fünf große Länder ohne die 23, die nicht dabei sein können, schon einmal eine gemeinsame Position verabschieden", dann sagt sie ja, sie findet es nicht in Ordnung, dass die vier anderen das gemacht haben. Warum dann das Nachkarten?

Und als Zusatzfrage: Hat sie da auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung mit Gogo-Girls und sonst etwas als CDU-Vorsitzende geredet, oder hat sie da als Kanzlerin geredet? Gäbe es für so eine Kritik an europäischen Partnern nicht ein geeigneteres Forum?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gesagt, dass die Bundeskanzlerin und auch der Außenminister bei G20 natürlich unsere Position vertreten haben - mit allen unseren Argumenten.

Im Inhalt haben wir keinen Dissens. - Wir haben immer gesagt: Wir halten dieses nicht für das richtige Vorgehen, weil wir glauben, dass es erschwert, eine europäische Einigung in Vilnius hinzubekommen, und die ist für uns im Moment der hohe Wert.

Das ist die Haltung gewesen. Sie wurde vertreten. Im Übrigen gab es am Freitag und Samstag Presseerklärungen zu diesem Thema. Die Bundeskanzlerin hat sich dann persönlich am Sonntag dazu geäußert. Richtig.

Zuruf: Auf einer Wahlkampfkundgebung?

StS Seibert: Richtig, das war ihr öffentlicher Auftritt. Wenn sie über G20 spricht, dann spricht sie sicherlich darüber, dass sie als Bundeskanzlerin bei G20 im Interesse der deutschen Außenpolitik Entscheidungen zu treffen hatte.

Frage: Ich hätte zwei Fragen, Herr Seibert:

War bei Abreise der Kanzlerin aus Sankt Petersburg dieses Thema schon durch oder wurden noch Gespräche und Verhandlungen geführt, als die Kanzlerin schon weg war? - Dies war die erste Frage.

Die zweite Frage: Soll es jetzt zur Regel werden, dass sich Deutschland zu wichtigen außenpolitischen Fragen nur noch äußert, wenn man sich mit allen Europäern geeinigt hat, oder war das jetzt doch eher ein Ausnahmefall, der einfach ganz gelegen kam?

StS Seibert: Wenn eine einheitliche europäische Haltung zur Regel würde, wäre das mit Sicherheit gut.

Im Übrigen fällt mir gerade noch etwas ein, weil es heißt, die Kanzlerin habe sich erst am Sonntag in Düsseldorf geäußert: Sie hat sich zu dem gleichen Thema bereits am Samstag bei einer Veranstaltung in Oranienburg geäußert und hat das vorgetragen, was ich hier gerade als unsere Maxime in dieser Sache vorgetragen habe.

Vorsitzender Leifert: Da war noch die Frage, ob weiter verhandelt wurde.

Zusatzfrage: Als die Kanzlerin abgereist war, war das Thema durch oder wurde da noch verhandelt und gesprochen?

StS Seibert: Ich glaube, das jetzt eine Minute-für-Minute-Chronologie der ganzen Veranstaltung nicht sehr sinnvoll ist.

Zuruf: Darum geht es mir nicht, Herr Seibert.

StS Seibert: Die deutsche Position wurde in Sankt Petersburg von der Bundeskanzlerin und ihren Mitarbeitern klar vertreten. Wir wussten, was die anderen für eine Position vertreten. Sie wussten, welche Position wir vertreten. Damit sind wir dann aufgebrochen und haben in Vilnius in Person des Bundesaußenministers weitergearbeitet, und zwar erfolgreich.

Frage: Herr Seibert, Sie haben gewusst, wie die Position der anderen europäischen Länder war, haben aber gehofft, dass sie auf die gemeinsame europäische Einigung warten würden. Waren Sie dann enttäuscht, dass das nicht geschehen ist?

Zweitens. Ich weiß nicht, ob Sie schon gehört haben, dass der US-Außenminister Kerry heute Morgen gesagt hat, dass Assad eine Woche habe, um seine chemischen Waffen der internationalen Gemeinschaft herauszurücken. - Ich wollte fragen, ob Sie darauf eine Reaktion haben, zumal ja die Bundesregierung darauf gedrängt hat, dass keine weiteren Schritte unternommen werden, bis der Bericht der Waffeninspektoren vorliegt.

StS Seibert: Da ich die Äußerungen von Herrn Kerry jetzt noch nicht kenne, kann ich darauf - sozusagen aus der Hüfte - nicht reagieren.

Zu Ihrer ersten Frage: Für uns war es das Wichtige, diese einheitliche europäische Haltung hinzubekommen. Darauf haben wir zugearbeitet. Das haben wir allen erklärt. Wir sind froh - insofern sind wir nicht enttäuscht, sondern froh -, dass es in Vilnius gelungen ist, das zu schaffen.

Frage: Herr Seibert, wenn Ihnen diese europäische einheitliche Haltung so wichtig ist, wieso konnte die Bundesregierung sich vor zwei Wochen schon festlegen, dass sich Deutschland an keinem Militärschlag gegen Syrien beteiligt? Denn zu dem Zeitpunkt wussten sie ja noch nicht, wie die anderen europäischen Partner reagieren.

Die zweite Frage: Ich weiß jetzt nicht, ob der Terminus "harte Reaktion" oder "harte Haltung" ist. Sie wollen das nicht definieren. Für mich als Laie beinhaltet das schon, dass es eventuell auch ein Militärschlag sein kann. - Also Sie haben da eine Erklärung unterschrieben, von der Sie gar nicht wissen, welche Möglichkeiten dabei herauskommen?

StS Seibert: Erstens. Deutschland hat frühzeitig gesagt, dass man weder auf uns zugekommen ist mit der Bitte nach einer militärischen Beteiligung noch hätten wir eine solche militärische Beteiligung in Betracht gezogen. Die Bundeskanzlerin und auch andere Vertreter der Bundesregierung haben da schlicht die Rechtslage vorgelegt. Die Rechtslage bindet uns insoweit, dass wir nur im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme Auslandseinsätze der Bundeswehr in Erwägung ziehen können. Das ist ja hier bisher nicht gegeben. - Deswegen war das einfach die Rechtslage.

Was war die zweite Frage?

Zusatz: Der Begriff "harte Reaktion". - Sie wollten es nicht definieren. Aber es muss ja irgendwie eine Vorstellung geben, was das bedeutet.

StS Seibert: Nun gehen wir erst einmal Schritt für Schritt. Die nächsten Schritte finden außer in den USA vor allem bei der UN statt. Wir setzen darauf, dass die UN-Inspektoren ihren Bericht noch vorlegen können, dass das dann ordentlich debattiert wird und daraus die Schlüsse gezogen werden. Dem werde ich hier nicht hypothetisch vorgreifen.

Im Übrigen hat die deutsche Seite ja sehr stark ins Gespräch gebracht, dass auch der Internationale Strafgerichtshof mit dieser Frage befasst wird. Das fordert ja auch die EU-Erklärung.

Frage: Herr Seibert, noch einmal zur Meinungsfindung in der EU: Sie sagen, Deutschland hat diese Position vertreten. Haben Sie denn auch versucht, die anderen EU-Partner auf dem Gipfel von dieser Position zu überzeugen?

Eine Zusatzfrage, auch an Herrn Peschke: Der Außenminister war ja auch vor Ort. Er war nicht nur in Vilnius, er war auch in Sankt Petersburg. Hat er denn auch in dieser Sache Gespräche geführt?

StS Seibert: Wenn ich sage, die Bundeskanzlerin hat die deutsche Haltung und die deutsche Argumentation vertreten, dann heißt das natürlich auch, dass wir unsere Argumente vorgelegt haben und darum werben, dass andere diese Argumente verstehen. - Aber über die Meinungsbildung in anderen Ländern kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

Peschke: Das kann ich auch nicht.

Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass der Außenminister in der Tat in Sankt Petersburg war und er dort am Donnerstag Gespräche mit dem russischen Außenminister, mit dem französischen Außenminister und mit dem türkischen Außenminister geführt hat. Er hat am Freitagmorgen an bilateralen Gesprächen der Bundeskanzlerin teilgenommen. Natürlich war die zeitliche Abfolge auch immer ein Thema in den Gesprächen, die der Außenminister geführt hat.

Aber ich kann Ihnen nur noch einmal unsere Sicht darlegen: Eine EU-Abstimmung hat natürlich insbesondere auch im EU-Kreis zu erfolgen, nämlich in der Diskussion mit den 27 anderen Mitgliedstaaten unter Führung der Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik.

Für uns war von vornherein klar, dass wir - sozusagen für die Diskussion - als Forum das informelle Außenministertreffen der Europäischen Union in Vilnius anpeilen. Es war ja auch absehbar und geplant, dass der amerikanische Außenminister John Kerry an diesem Treffen in Vilnius teilnimmt. Es war geplant, dass es da eine umfassende Aussprache zu den Krisen in Nahost und natürlich auch zu Syrien geben würde.

Insofern war für uns das Forum für eine Abstimmung innerhalb der Europäischen Union ganz klar das Treffen in Vilnius. So haben wir uns auch verhalten. So haben wir agiert. Ich glaube, es ist gerade von europäischen Mitgliedstaaten, die nicht Teil der G20 sind, sehr respektiert worden, dass wir gesagt haben: Wir möchten das erst in der Europäischen Union besprochen. Unser Ziel ist vor allem eine geeinigte Haltung in der Europäischen Union.

Das ist gelungen. Ich denke, man muss im Nachhinein wirklich positiv würdigen, dass die Europäische Union - Herr Seibert hat das auch schon mehrfach gesagt - in so einer wichtigen Frage zu einer einigenden Position gekommen ist.

Wie gesagt: Das war nicht leicht. Es ist trotzdem gelungen. Das ist, obwohl die Lage in Syrien unverändert sehr unbefriedigend und sehr schwierig ist, auf jeden Fall von Seiten Europas für Europa ... (akustisch unverständlich)

Frage: Einmal eine Lernfrage: Hat denn jetzt Deutschland auch gleich im Namen aller EU-Länder mit unterschrieben? - Denn wenn ich das richtig verstanden habe, war das ja eine Erklärung, die Obama in Sankt Petersburg im G20-Kreis vorgelegt hat und die sich an die Mitgliedsländer in der G20 richtete.

Hat man sozusagen jetzt nachholend gleich für alle anderen mit gesprochen und gesagt: Für die gilt das jetzt auch? - Oder welchen Stellenwert hat jetzt diese Unterschrift Deutschlands?

StS Seibert: Deutschland kann immer nur für Deutschland unterschreiben, und genauso ist es.

Aber wenn Sie beide Texte vergleichen - die Erklärung, die bei G20 herumging, mit der Erklärung der 28 EU-Außenminister und der Hohen Beauftragten -, dann werden Sie sehen, dass es allergrößtenteils eine Übereinstimmung gibt - nicht immer im "wording", aber immer im Geist - und dass die EU-Erklärung in zwei Punkten über die von G20 hinausgeht.

Der eine Punkt ist: Wir möchten, dass der Bericht der Inspektoren vorgelegt wird, bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden. - Der zweite Punkt ist: Wir möchten, dass der Internationale Strafgerichtshof ebenfalls mit der Sache befasst wird.

Aber eine deutsche Unterschrift gilt für die Bundesrepublik Deutschland.

Zusatzfrage: Man hat jetzt sozusagen beides unterschrieben? Man hat die EU-Erklärung unterschrieben und auch das, was Obama in Sankt Petersburg vorgelegt hat?

StS Seibert: Richtig.

Zusatzfrage: Was aber dann eigentlich mit der EU nichts mehr zu tun hatte, weil die EU-Position, wie Sie gerade gesagt haben, sich offenbar doch unterscheidet - zumindest in den beiden Punkten?

StS Seibert: Aber unsere Unterschrift unter das G20-Dokument - so nenne ich es jetzt einmal - nimmt ausdrücklich Bezug auf den Punkt, der in der europäischen Erklärung enthalten ist, nämlich die Vorlage des Berichts der UN-Inspektoren. - Dies ist im Übrigen ein deutsch-französischer Punkt.

Peschke: Wenn ich noch einmal kurz auf die Frage nach der Unterschrift ergänzen darf: Ich bitte Sie, diese Begriffe nicht zu überhöhen. Wir müssen auch da ein bisschen die Kirche im Dorf lassen.

Ich will nur noch einmal ganz kurz nachzeichnen: Das war ein informelles Treffen der EU-Außenminister in Vilnius. Das Kennzeichen von informellen Außenministertreffen ist, dass es eigentlich keine Beschlüsse gibt, zumindest keine formalen Beschlüsse.

Demzufolge war die Diskussion über Syrien in Vilnius eine sehr substanzielle Diskussion, die aber in ein Ergebnis gemündet hat, nämlich in eine Erklärung der Hohen Beauftragten für die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik, Lady Ashton, nach Abschluss des Treffens. Diese Erklärung hat sie im Namen aller 28 Mitgliedsstaaten abgegeben.

Aber das ist immer noch eine Erklärung von Lady Ashton, die von niemandem unterschrieben worden ist. Ihr ging eine Diskussion voraus, in der alle gesagt haben: Ja, wir bitten dich, Lady Ashton, diesen Text im Namen von uns allen vorzutragen. - So ist der formale Status dieser Erklärung.

Insofern hat es eine Unterschrift im formalen Sinne natürlich nicht gegeben, sondern in der Diskussion wurde ein gemeinsames Verständnis hergestellt, das dann Lady Ashton für alle zusammen vortragen konnte. - Das ist der eine Punkt.

Dann will ich noch einmal den Punkt aufgreifen, ob Deutschland jetzt für alle 28 Mitgliedsstaaten spricht: Nein, natürlich nicht. Wir sprechen nicht für alle 28 Mitgliedsstaaten - das ist ja auch gar nicht unsere Aufgabe -, wir vertreten unsere nationalen Positionen.

Aber für uns ist es einfach wichtig, unsere nationale Position möglichst eng mit einer gemeinsamen europäischen Position zu verzahnen und zu harmonisieren. Das ist eine grundsätzliche Ausrichtung der deutschen Außenpolitik, der wir konsistent folgen und der wir auch in dieser Frage gefolgt sind. Insofern war es uns einfach wichtig, auch in dieser wichtigen Frage das, was wir national sagen, möglichst eng mit dem zu verzahnen, was wir europäisch sagen.

Im Übrigen ist es für uns wichtig, dass die Europäische Union nach Möglichkeit immer gemeinsame außenpolitische Positionen findet. - Das ist leider nicht immer möglich. Wir würden uns wünschen, dass es noch öfter möglich wäre. In dem Fall war es möglich. Das ist aus unserer Sicht ein positiver Schritt.

Zusatzfrage: Ich muss dann doch noch einmal fragen: Wenn die EU jetzt etwas anderes beschlossen hat beziehungsweise etwas beschlossen hat, was über das hinausgeht, was Obama vorgelegt hat, und wenn das für die Bundesregierung eigentlich der zentrale Punkt war, dann verstehe ich nicht, warum man den Text von Obama dann doch noch verspätet unterschrieben hat, wobei der doch sozusagen weniger weit geht.

Peschke: Ja, das hat sie aber nicht!

Zuruf: Ach, das hat sie nicht?

Peschke: Wir sind in die europäische Diskussion mit einem Text von der G20 gegangen, den wir kannten. Das, was die EU beschlossen hat, widerspricht in keinem Punkt dem, was die G20 beschlossen hat. Es geht in zwei Punkten darüber hinaus, aber das entspricht ja der Logik. Wenn etwas detaillierter ist als etwas anderes, aber es einer anderen Sache nicht widerspricht, dann kann man die weniger detaillierte Sache auch mittragen.

Frage: Herr Seibert, ich habe zwei Fragen, wenn Sie gestatten: Würden Sie im Rückblick auf das Wochenende beziehungsweise den Freitag aus Sicht der Bundesregierung mit Blick auf Syrien von einem optimalen Ablauf sprechen?

Zur zweiten Frage: In Washington ist man über das Vorgehen der Bundesregierung im Hinblick auf Syrien offensichtlich ziemlich irritiert und macht sich natürlich Gedanken über die Motivation des Verhaltens der Kanzlerin. Was sagen Sie denn zu dem Vorwurf, die Kanzlerin würde sich aus innenpolitischen Gründen im Moment schlicht nicht für die Syrien-Krise interessieren?

StS Seibert: Den zweiten Teil kann ich schnell beantworten: Das ist Unsinn. Wir haben es hier schon mehrfach gesagt: Unsere Haltung zu diesem Großkonflikt in Syrien ist nicht von einem Bundestagswahltermin abhängig und kann es nicht sein, sondern in dieser Haltung drücken sich unsere außenpolitischen Überzeugungen und außenpolitischen Interessen sowie auch der Bündnisse, in denen wir uns bewegen, aus.

Zur ersten Frage: Man muss den Freitag und Samstag zusammen betrachten. Genau das ist es, was die Bundeskanzlerin auf dem G20-Gipfel ja auch vertreten hat: Jetzt keine Vorfestlegung, weil wir einen Tag später, 24 Stunden später, auf eine erstmalig einheitliche europäische Haltung hoffen und glauben, die besser erreichen zu können, wenn wir dort erst einmal mit 28 Außenministern und Herrn Kerry und Frau Ashton diskutieren! Das war die Haltung. Wenn man Freitag und Samstag zusammen betrachtet, haben wir ein ausgesprochen gutes Ergebnis erreicht, zu dem wir, wie wir glauben, auch dass Unsere beigetragen haben.

Frage: Die Kanzlerin hat in Sankt Petersburg ja auch mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gesprochen. Der französische Präsident hat offenbar konkrete Informationen darüber erhalten, bis wann der Bericht der UN-Experten vorliegen soll, Ende der Woche. Meine Frage: Deckt sich das, dass das jetzt so schnell passieren wird, mit den Informationen und Eindrücken, die die Bundesregierung beziehungsweise die Kanzlerin aus dem Gespräch mit Ban Ki-moon gewonnen hatte?

Eine zweite Frage noch: Hat sich eigentlich in Bezug auf eine Reaktion auf den Giftgasanschlag in Syrien irgendetwas an der Analyse und vielleicht auch an der Haltung geändert, nämlich durch diese Information aus deutschen Geheimdienstkreisen, dass Assad selbst, also persönlich, letztendlich zumindest nicht verantwortlich zu machen ist, sondern dass dieser Schlag womöglich eher aus seinem Umkreis beziehungsweise vom Militär befohlen worden sei? Ändert das irgendetwas?

StS Seibert: Zunächst einmal werde ich Ihnen jetzt hier nicht aus dem vertraulichen Gespräch der Bundeskanzlerin mit UN-Generalsekretär Ban zitieren. Aber die Bundeskanzlerin hat in diesem Gespräch sehr klargemacht, dass uns viel daran liegt, dass ein Bericht der Inspektoren sobald wie möglich vorgelegt werden kann, weswegen Deutschland ja auch logistisch das eine oder andere tut, um das zu beschleunigen. Dieses Interesse daran, möglichst schnell einen Bericht vorzulegen - bei all den Schwierigkeiten, die man dabei hat, das so schnell zu schaffen, wie man es gerne hätte -, hat auch der UN-Generalsekretär ausgesprochen. Ich kann jetzt hier keine Termine bekannt geben.

Zur zweiten Frage: Ich kann hier keine Erkenntnisse oder behauptete Erkenntnisse kommentieren. Wir warten auf den Bericht der UN-Inspektoren. Im Übrigen ist es weiterhin so, dass wir keinerlei Ansatz sehen, der für eine Unschuld des Assad-Regimes in dieser Sache spricht. Ich kann hier keine individuelle Schuldzuteilung vornehmen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und dann eine an Herrn Peschke.

Herr Seibert, ich versuche immer noch, diese drei Phasen als Gesamterfolg zu verstehen. In Sankt Petersburg legt die Kanzlerin ihre Haltung so dar, wie Sie es beschrieben haben, und die vier anderen EU-Partner verhalten sich absolut diametral dazu. Am Tag darauf kommt es zu einer Einigung, die Sie jetzt sehr würdigen. Am Sonntag, anstatt diese Einigung ins Zentrum zu rücken, kommt dieser doch sehr deutliche Satz "Ich finde es nicht in Ordnung, was die vier anderen gemacht haben", dieses Nachkarten. Warum will man europäische Einigung demonstrieren, um sie dann einen Tag nach den Vilnius-Verabredungen gleich wieder zu zerreden?

Die Frage an Herrn Peschke ist sehr viel konkreter. Es geht um diese Formulierung mit den harten Maßnahmen. Bei aller Freude darüber, dass man sich mit dem UN-Sicherheitsrat über das Prozedere verständigt hat, erinnert das ja sehr an die Formulierung "all necessary means". Die Frage: Gibt es jetzt eine konkrete Verabredung, dass sich die EU-Außenminister im Lichte der UN-Beratungen dann noch einmal darüber verständigen, was diese konkrete Maßnahmen bedeuten, oder ist es dann mit der Einigung vorbei, und jeder interpretiert diese harten Maßnahmen so, wie er es möglicherweise national schon immer für sich entschieden hatte?

StS Seibert: Die Worte der Kanzlerin in Düsseldorf werde ich jetzt hier nicht kommentieren. Die stehen ja für sich. Es gab zwischen Deutschland und seinen Partnern immer eine inhaltliche Übereinstimmung über das, was nötig ist. Wir hatten eine andere Vorstellung vom richtigen Prozedere, und die haben wir vertreten. Das war aber kein inhaltlicher Dissens, sondern betraf eine prozedurale Frage. In dieser prozeduralen Frage glaubten wir und glauben wir weiterhin, das Richtige getan zu haben, indem wir die Tür für eine Einigung der 28 europäischen Mitgliedstaaten offengehalten haben. Insofern kann ich Ihre Wertung jetzt nicht teilen, und die Worte der Bundeskanzlerin stehen für sich.

Peschke: Zu der Frage, die Sie an mich gerichtet hatten: Ich möchte Sie bitten, sich den Text, den Frau Ashton vorgetragen hat, auch noch einmal im Detail anzusehen. Sie hat für alle 28 nach der Diskussion, die wir geführt hatten, gesagt: Im Angesicht dieser zynischen Nutzung von chemischen Waffen kann die internationale Gemeinschaft nicht tatenlos bleiben. Eine klare und starke Antwort ist notwendig, um deutlich zu machen, dass solche Verbrechen nicht akzeptabel sind. - Das klang jetzt etwas holprig, weil ich das aus dem Englischen übersetzt habe. Das ist die gemeinsame europäische Haltung. Ich denke, das ist - bis hin zur einzelnen Formulierung - geradezu identisch mit der Haltung, die die Bundesregierung hier und ja auch vorher, bei anderer Gelegenheit, vorgetragen hat. Das ist der jetzige Stand.

Ich denke, es ist doch selbstverständlich, dass sich dann, wenn sich die Dinge weiter entwickeln, wenn sich neue Entwicklungen auf Seiten der VN ergeben und wenn der Bericht der Inspektoren vorgelegt worden sein wird, notwendigerweise wieder eine europäische Verständigung anschließen muss. Es ist doch klar, dass man sich in einer solchen Lage auch immer wieder erneut im Kreis der Europäischen Union und in anderen Kreisen austauschen muss, und das wird auch geschehen.

Es ist ja auch nicht so, dass die EU im Rahmen der 28 Außenminister jetzt zum ersten Mal über das Thema gesprochen hat. Wir haben natürlich auch ständig auf Arbeitsebene und im Rahmen der politischen Botschafter in Brüssel Diskussionen geführt, und das wird sich fortführen. Sie können ganz fest davon ausgehen: Sobald sich auf dem internationalen Tableau neue Aspekte ergeben, zum Beispiel durch die Arbeit der Inspektoren, wird sich die Europäische Union auch wieder zusammensetzen und eine neue Verständigung suchen

Frage: Unabhängig davon, was Syrien und dem Volk in Syrien möglicherweise noch bevorsteht, hat der UN-Flüchtlingskommissar angesichts der jetzt schon herrschenden Zustände Europa dazu aufgerufen, Flüchtlinge aus Syrien in unbegrenzter Zahl aufzunehmen. Wird Deutschland das tun? Wenn nicht, was werden die Auswahlkriterien sein?

Kutt: Der UNHCR hat Deutschland ja ausdrücklich dafür gelobt, dieses Aufnahmeprogramm für 5.000 Syrer durchzuführen. Deutschland ist damit Vorreiter in Europa. Es gibt außer Schweden und Österreich kein EU-Land, das derzeit vergleichbare Programme angekündigt hat. Bundesinnenminister Friedrich hat den Ländern zudem die Möglichkeit eingeräumt, über dieses sogenannte Kontingent hinaus Flüchtlinge aufzunehmen.

Zusatzfrage: Verändert sich die deutsche Haltung durch die Bitte also nicht?

Kutt: Derzeit bleibt es bei den 5.000, die Bundesinnenminister Friedrich im März angekündigt hat. Er hat den Ländern aber gleichwohl auch die Möglichkeit eröffnet, zusätzlich Flüchtlinge aufzunehmen.

Frage: Auf der Abschlusspressekonferenz des russischen Präsidenten wurde Deutschland neben China und anderen Schwellenländern wie Russland als das Land aufgeführt, das eine harte Reaktion ablehne. So hat es der russische Präsident in Sankt Petersburg dargestellt. Sind Sie jetzt mit diesem Eindruck zufrieden?

StS Seibert: Ich kann nicht die Stellungnahmen der russischen Regierung verantworten. Da die Bundesregierung auf eine Einigung in Vilnius hingewirkt hat, die ausdrücklich eine klare und starke Reaktion der Weltgemeinschaft auf die C-Waffen-Angriffe verlangt, kann man, glaube ich, dieser Behauptung sicherlich widersprechen. Wir stehen auf dem Standpunkt, der sich in der EU-Erklärung ausdrückt, und wir haben uns dann, wie wir es ja nun ausführlich erklärt haben, auch der Erklärung am Rande des G20-Gipfels angeschlossen, und darin steht anderes. Insofern, glaube ich, ist dieser Eindruck nicht richtig.

Zusatzfrage: Der Eindruck des russischen Präsidenten?

StS Seibert: Ich bin nicht für die russischen Stellungnahmen zuständig. Ich kann zur Haltung der Bundesregierung - ich glaube, wir haben sie hier jetzt sehr ausführlich dargelegt - nur erklären: Sie mündet in die Texte, zu denen wir uns jetzt bekennen. Dann nehme ich zuerst einmal den europäischen Text, und in dem ist von einer klaren und starken Reaktion die Rede. Das ist die Haltung, hinter der die Bundesregierung steht.

Frage: Da jetzt auch immer mehr Agenturen vermelden, dass Kerry tatsächlich dieses Ultimatum gegenüber Assad ins Gespräch gebracht habe: Ist das innerhalb dieser Woche, in der er die Gelegenheit gehabt hätte, die Chemiewaffen international zu sichern, überhaupt nicht mit den europäischen Partnern abgestimmt worden, Herr Peschke?

Peschke: Ich sehe so wie Sie, dass etwas über die Agenturen läuft, aber auch nur in der verkürzten Fassung. Ich kann Ihnen hier keine substanzielle Reaktion darauf bieten. Was ich Ihnen natürlich sagen kann, ist, dass es den breiten Konsens innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft gibt, dass es sehr wünschenswert wäre und sehr dringlich ist, die in Syrien herumvagabundierenden Chemiewaffen nachdrücklich zu sichern. Das ist übrigens ein Anliegen, das die Bundesregierung auch schon bei früherer Gelegenheit mit großem Nachdruck vertreten hat. Wenn Schritte in diese Richtung gefordert werden und wenn Schritte in diese Richtung passieren, dann ist das natürlich eine Sache, die wir sehr begrüßen würden. Zu den konkreten Äußerungen kann ich Ihnen jedoch nicht mehr sagen.

Frage: Ich wollte noch einmal auf die Meldung der "Bild am Sonntag" zu den Erkenntnissen dieses Bundesmarineschiffs "Oker" zurückkommen. Die Meldung steht ja jetzt im Raum. Durch diese Meldung werden jetzt einige Leute daran zweifeln, ob Herr Assad wirklich endgültig den Befehl für diesen angeblichen C-Waffen-Einsatz gegeben hat. Wollen Sie die Meldung nicht kommentieren, oder wollen Sie die im Raum stehen lassen? Die Leute denken, dass es vielleicht Zweifel an der Verantwortung Assads gibt, obwohl Sie vielleicht andere Informationen haben.

StS Seibert: Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Jordans, dass es seit Langem bekannt ist, dass das Assad-Regime über einen erheblichen Vorrat an Chemiewaffen verfügt. Es hat auch in der Vergangenheit immer wieder begrenzte Einsätze von Chemiewaffen gegeben, ohne dass man sie ganz klar und eindeutig dem Regime zurechnen konnte. In diesem Zusammenhang haben sich dann auch die UN-Inspektoren in Syrien aufgehalten, um solche Vorgänge zu untersuchen. Die abstrakte Gefahr eines Chemiewaffeneinsatzes in Syrien durch das Regime war also allen Beteiligten bewusst. Konkreter Einsatzplanungen waren dem BND nicht bekannt.

Zu dem, was in diesen Meldungen berichtet wird, muss man sagen: Sofern Gespräche erfasst wurden, stammen sie aus der allgemeinen Auslandsaufklärung, und über die findet natürlich ein intensiver Austausch mit den Partnerdiensten statt.

Frage: Ich möchte einmal nach einer Geschichte fragen, die in der letzten Woche schon kurz in der "FAZ" stand und heute größer im "Focus" steht, nämlich nach diesem Tiefflug eines Eurocopter-Hubschraubers Ende August über das US-Konsulat in Frankfurt, wobei es angeblich beziehungsweise offensichtlich - Sie können mich gerne korrigieren - darum ging, zu schauen, ob dort wirklich eine Lauschstation eingerichtet worden ist, wie es die Snowden-Dokumente nahelegen. Ich würde gerne noch einmal erklärt bekommen, was dort passiert ist und wie das zu bewerten ist, am liebsten von drei Stellen: Angeblich kam das ja von Herrn Pofalla - Herr Seibert, vielleicht wollen Sie sich dazu äußern -, angeblich auch mit Billigung der Kanzlerin, das Innenministerium hat das ja wohl praktisch durchgeführt, und das Außenministerium soll angeblich gar nicht besonders begeistert darüber gewesen sein.

StS Seibert: Ich schlage vor, dass sich das Innenministerium dazu äußert.

Kutt: Ich kann Ihnen bestätigen, dass ein Bundespolizeihubschrauber im Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz über das US-Generalkonsulat in Frankfurt am Main geflogen ist. Grundsätzlich ist es so, dass einzelne Liegenschaften ausländischer Staaten vom Verfassungsschutz im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags routinemäßig, aber auch anlassbezogen aus der Luft begutachtet werden. Zu diesem speziellen Einsatz kann ich Ihnen keine weiteren Auskünfte geben, und bewerten kann ich ihn auch nicht.

Zusatzfrage: Vielleicht war ich zu lange aus Deutschland weg, aber mir war es nicht so klar, dass das sozusagen andauernd passiert. Dann wissen das die Staaten ja offensichtlich auch. Muss also jede ausländische Botschaft damit rechnen, dass in einer Höhe von 60 Metern, wie es hieß, ein deutscher Hubschrauber über das Gelände fliegt, Bilder macht und sich einmal genauer anschaut, was dort passiert?

Kutt: Das war, wie gesagt, ein routinemäßiger Einsatz im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten.

Zusatzfrage: Herr Peschke, wenn das alles so normal ist, warum gab es dann ein Gespräch zwischen dem Auswärtigen Amt und der US-Botschaft? Ich gehe einmal davon aus, dass es auf Betreiben der US-Botschaft hin zustande gekommen ist.

Peschke: Ich kann Ihnen zu der ganzen Sache erst einmal drei Dinge sagen:

Erstens liegt das zuständigkeitshalber in fachkundiger Hand; das BMI hat ja gerade auch dazu Stellung genommen.

Zweitens, zum Gespräch mit der US-Botschaft: Es ist in der Tat richtig, dass es ein Telefonat zwischen dem stellvertretenden US-Botschafter und dem zuständigen Beauftragten bei uns im Hause gab. Es geisterte irgendwo in den Medien - ich weiß gar nicht mehr genau, wo - das Wort "Protest" herum. Wenn dieses Telefonat damit gemeint sein soll: Das war im Wesentlichen ein Informationsaustausch zwischen beiden Seiten über diesen Fall.

Der dritte Punkt, den ich noch erwähnen möchte, weil Sie das ganz zu Beginn erwähnt hatten, vermutlich vor dem Hintergrund eines Zitats, das im "Focus" zur Haltung des Auswärtigen Amtes auftauchte: Dieses Zitat kann ich nicht bestätigen.

Vorsitzender Leifert: Es war noch der Name Pofalla gefallen. Herr Seibert, wollen Sie das kurz ergänzen?

StS Seibert: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Vielleicht darf ich es noch einmal bei Ihnen probieren, Herr Seibert: Wenn das alles Routine ist, dann kann das ja eigentlich nichts gewesen sein, was aus dem Bundeskanzleramt noch einmal speziell angefragt wurde. Wurde also nicht speziell aus dem Bundeskanzleramt angefragt, sodass diese Geschichte dort stattgefunden hat?

StS Seibert: Ich glaube, Frau Kutt hat das für das Bundesinnenministerium gerade schon genau richtig eingeordnet.

Frage: Herr Seibert, könnten Sie das für die Bundesregierung und für das Kanzleramt noch einmal genauer einordnen? War der Kanzleramtsminister, der ja auch Geheimdienstkoordinator ist, in diesen konkreten Fall involviert?

Falls es Routine war, Frau Kutt: Wie oft wurden denn amerikanische oder auch britische Liegenschaften in der Vergangenheit einer derartigen Beobachtung unterzogen?

Herr Seibert, hat damals auch jedes Mal jemand aus dem Bundeskanzleramt - vielleicht auch nur der Abteilungsleiter 6 - zugestimmt?

StS Seibert: Ich glaube, es ist durch die Ausführungen des Innenministeriums deutlich geworden, dass der Überflug im Rahmen der Zuständigkeiten und der Gesetze, die den Bundesverfassungsschutz leiten, geschehen ist. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Die Regierung geht allen Anhaltspunkten nach. Wenn es Hinweise oder einen Verdacht auf Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland gibt, dann gehen wir dem nach. Das ist geschehen, und zwar im Rahmen der Gesetze, die einschlägig sind. Berichtet wird so etwas den entsprechenden Gremien, also dem Parlamentarischen Kontrollgremium.

Zusatzfrage: Es bleibt die Frage: Wie oft wurde das vorher bei amerikanischen und britischen Liegenschaften gemacht?

Herr Seibert, ich habe ja nicht nach der Rechtsgrundlage gefragt, sondern danach, ob das Kanzleramt vorher darin involviert war.

Kutt: Sie wissen ja, dass ich Ihnen leider keine Zahlen dazu nennen kann.

Zusatzfrage: Ist die Zahl also größer als Null?

Kutt: Keine Angabe.

StS Seibert: Der Verfassungsschutz hat im Rahmen seiner Zuständigkeit und im Rahmen der Gesetze, die ihn leiten, gehandelt.

Zusatz: Das betrifft jetzt aber wieder die Rechtsgrundlage.

StS Seibert: Richtig.

Zusatzfrage: Die Pofalla-Frage?

StS Seibert: Ich habe dazu jetzt alles gesagt. Alles Weitere ist in den entsprechenden Gremien zu behandeln, und wenn es etwas zu berichten gibt, dann wird das auch dort berichtet.

Frage: Falls die Frage schon gestellt worden ist, entschuldigen Sie; ich war zu spät. Aber habe ich es gerade richtig verstanden, Herr Seibert, dass Sie gesagt haben, dass der Bundesverfassungsschutz auf Verdacht hin handelt und deswegen diesen Überflug gemacht hat? Wenn das so ist, welcher Verdacht hat diesen Überflug denn ausgelöst?

StS Seibert: Ich habe ganz allgemein davon gesprochen, dass der Bundesverfassungsschutz allen Anhaltspunkten nachgeht, wenn es Anhaltspunkte, Berichterstattungen oder Hinweise gibt.

Zusatzfrage: Handelt der Bundesverfassungsschutz, wenn er so einen Überflug macht, nur auf Anhaltspunkte beziehungsweise auf Verdacht hin oder prophylaktisch?

StS Seibert: Darüber, ob es auch routinemäßige Flüge gibt, könnte wiederum das BMI Auskunft geben.

Kutt: Deshalb hatte ich vorhin die Unterscheidung zwischen "routinemäßig" und "anlassbezogen" getroffen. Beides ist möglich.

Zusatzfrage: War es in diesem Fall ein routinemäßiger oder ein anlassbezogener Überflug?

Kutt: Ich habe es Ihnen ja schon gesagt: Einzelheiten dazu kann ich Ihnen nicht nennen; es tut mir leid.

Zusatzfrage: Können oder wollen Sie es nicht?

Kutt: Ich kann und will es nicht.

Frage: Sie haben gesagt: "Wir gehen solchen Verdachtspunkten oder Anhaltspunkten immer nach". Man könnte ja auf die Idee kommen, dass die Regierung das mit unterschiedlicher Verve tut. Wir haben in den letzten Wochen oft gehört, dass die Regierung keine Anhaltspunkte dafür habe, dass die Vorwürfe von Edward Snowden stimmen. Dann hat man vielleicht einem Brief geschickt, es kam nichts, und es hieß: Das stimmt alles nicht. Wenn das, was man davon weiß, wie sich das dort abgespielt hat, tatsächlich so stimmt - auch wenn Sie es nicht bestätigen wollen -, dann scheint das doch ein etwas hartes Vorgehen oder ein sehr deutliches Vorgehen gewesen zu sein, das möglicherweise auch ein Zeichen setzen sollte. Geht die Bundesregierung also allen Anhaltspunkten mit der gleichen Gründlichkeit nach?

StS Seibert: Ich würde gerne noch einmal auf das eingehen, was Sie eben über die aus Ihrer Sicht vermeintliche Haltung der Bundesregierung zu den Vorwürfen von Herrn Snowden gesagt haben. Lassen Sie mich noch einmal ganz klar sagen, was von Anfang an unsere Maxime in der NSA-Diskussion war: Wir nehmen alle Berichte und alle Behauptungen ernst, und wir nehmen sie zum Anlass, Nachforschungen und Überprüfungen anzustellen und Gespräche mit den Diensten befreundeter Länder zu führen. Minister Pofalla hat mehrfach das Parlamentarische Kontrollgremium über seine Erkenntnisse und über die Ergebnisse dieser Nachforschungen und Gespräche informiert. Wenn neue Fragen auftauchen, dann werden die auch ernst genommen, und wir werden auch erneut nachforschen und informieren. Klar festzuhalten ist also bisher: Sowohl der britische als auch der amerikanische Geheimdienst haben uns schriftlich erklärt, dass sie in Deutschland Recht und Gesetz einhalten, und wir haben keinen Grund, an dieser Bestätigung zu zweifeln.

Gleichwohl ist damit auch klar, dass die Arbeit im Interesse der Bürger und ihrer Datensicherheit noch nicht vollkommen getan ist. Deshalb hat die Kanzlerin ja bereits vor den Sommerferien - ich werde jetzt etwas ausführlicher, weil Sie von mangelnder Verve sprachen - einen 8-Punkte-Plan vorgelegt, und darin gibt es mehrere Punkte, die natürlich in die Zukunft weisen und hinsichtlich der wir uns ganz klar internationale Aufgaben setzen.

So gehen die Gespräche auf Expertenebene mit Briten und Amerikanern weiter, so wollen wir uns auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass es einheitliche Standards für die Arbeit der europäischen Auslandsgeheimdienste gibt, so wollen wir uns auf EU-Ebene für eine Datenschutzgrundverordnung einsetzen und so wollen wir uns auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der UN noch ein Zusatzprotokoll über Datenschutz beigegeben wird.

Wir haben also wesentliche Vorwürfe klären können. Wir wissen aber: International bleibt viel zu tun, wenn wir wirklich unserer Vorstellung von Datenschutz und Schutz der Privatsphäre, die wir hier in Deutschland haben und die wir auch gesetzlich gesichert haben, international mehr Durchsetzung verschaffen wollen.

Frage: Wenn Sie davon sprechen, dass, wenn neue Fragen auftauchen, diese ernst genommen werden und denen nachgegangen wird: Hat die Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse, dass US-Geheimdienste auch den Interbanken-Informationsaustausch ausspähen, also den Datentransfer zwischen Banken auf Grundlage des SWIFT-Abkommens? Wenn die Bundesregierung Informationen dazu hat: Gibt es da möglicherweise Überlegungen, dass man Konsequenzen aus solchen Dingen ziehen muss? Denn der Bankenverkehr ist ja ein auf der Wirtschaftsebene essenzieller Datenaustausch.

StS Seibert: Ich kann Ihnen dazu im Moment keine Auskunft geben, da müsste ich etwas nachreichen.

Kutt: Ich kann das vielleicht ergänzen beziehungsweise dazu etwas beitragen, weil es beim BMI auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gibt. Dazu möchte ich sagen, dass es nach dessen Erkenntnissen, selbst wenn ausländische Nachrichtendienste einen Wissensvorsprung auf dem Gebiet der sogenannten mathematischen Kryptoanalyse hätten, äußerst (un)wahrscheinlich ist, dass dieser Wissensvorsprung ausreicht, um eine großflächige Entzifferung von Internetverkehren zu ermöglichen.

Wenn Sie auch darauf anspielen, ob verschlüsselte Daten von Blackberrys, iPhones usw. geknackt werden, ist es also so, dass dies bislang nicht belegt ist und dass die Bundesregierung auch davon ausgeht, dass sorgfältig implementierte Verschlüsselungsverfahren und die entsprechende Hard- und Software - eben unter anderem vom BSI zertifizierte Produkte - einen größtmöglichen Schutz vor Missbrauch und Manipulation der elektronischen Kommunikation bieten.

Bundesinnenminister Friedrich hat auch vielfach und regelmäßig an die Internetnutzer appelliert, Sicherheitsprogramme zu installieren und auch durch aktuelle technische Standards den Grad der Verschlüsselung zu erhöhen. Wie Herr Seibert gerade schon ansprach, ist auch die Datenschutzverordnung in Europa eine Möglichkeit, mit der man versucht, diese Datenschutzstandards verbindlich für alle zu erweitern.

Zusatzfrage: Ich bin vielleicht etwas begriffsstutzig, aber was sagt mir das jetzt? Sagt mir das, dass meine Blackberry-Informationen vom technischen Standard her an sich ohne große Schwierigkeiten ausgespäht werden können, dass ich aber etwas dafür tun kann, dass sie nicht ausgespäht werden, oder was sagt mir das jetzt?

Um auf den Bankenverkehr zu kommen: Ich gehe davon aus, dass gerade Informationen zwischen Banken besonders gut verschlüsselt sind. Heißt das, dass vom Grundsatz her, von der technologischen Kompetenz her, solche Sachen ohne große Probleme abgegriffen werden können? Oder ist der Standard inzwischen so, dass man das auch unmöglich machen kann?

Kutt: Das sagt, dass bislang nicht belegt ist, dass die NSA verschlüsselte Daten von Blackberrys und iPhones tatsächlich geknackt hat. Das sind bislang Berichte, die aber nicht belegt wurden und die auch in gewisser Weise nicht überprüfbar sind.

Zum Thema Onlinebanking: Der Branchenverband hat sich, glaube ich, dahingehend geäußert, dass er davon ausgeht, dass Onlinebanking in Deutschland weiterhin sicher ist. Wie gesagt, das BSI geht davon aus, dass es äußert unwahrscheinlich ist, dass großflächig Blackberry-/iPhone-Daten durch die NSA entschlüsselt werden können.

Frage: Genau darauf zielt meine Nachfrage: Diese etwas kryptische Erklärung des Bankenverbandes unterscheidet ja zwischen der Datensicherheit von Konteninformationen - und verweist auf die Verschlüsselungstechniken, die ja nun nach der Berichterstattung von Freitag als entschlüsselbar gelten - und dem eigentlichen Banking, also den Kontenbewegungen, Abhebungen, Abbuchungen usw., für die es ja noch zusätzliche Verschlüsselung gibt - TAN usw. Insofern lese ich die Presseerklärung des Bankenverbandes daher so: Das Banking, also die Nutzung des Kontos, ist weiter sicher, aber die Daten, die Konteninformationen, sind es nicht. Haben Sie da weitergehende Informationen?

Kutt: Dazu leider nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, dass das BSI eben zertifizierte Produkte anbietet und dass diese auch weiterhin als sicher gelten.

Frage: Noch einmal zum Thema Begriffsstutzigkeit: Ich würde gerne noch einmal zu dem Hubschraubereinsatz zurückkommen. Herr Seibert, würde denn ein derartiger Überflug und eine Beobachtung einer diplomatischen Vertretung in Deutschland Ihrer Auffassung nach zu dem gehören, worüber die Bundesregierung im Parlamentarischen Kontrollgremium routinemäßig berichten würde?

StS Seibert: Wenn es den Wunsch des Parlamentarischen Kontrollgremiums gibt, darüber einen Bericht zu bekommen, dann wird diesem Wunsch mit Sicherheit entsprochen werden. Das ist die Grundherangehensweise. Ansonsten, glaube ich, haben wir zu dieser Frage auch genügend gesagt.

Zusatzfrage: Ich frage das einfach nur, weil es ständig die Kritik gibt - gerade im Rahmen dieser Affäre -, die Bundesregierung informiere nur über die Dinge, die im Parlamentarischen Kontrollgremium gefragt würden, fragen könne man wiederum nur, weil in den Medien bestimmte Sachverhalte erwähnt würden, und es gebe eben keine aktive Information der Bundesregierung. Daher wollte ich einmal unabhängig von der ganzen NSA-Problematik fragen, ob denn Überflüge diplomatischer Vertretungen grundsätzlich zu dem Bereich gehören, bezüglich dessen die Bundesregierung der Ansicht ist, darüber routinemäßig dem Gremium berichten zu sollen?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier nicht sagen, was da die routinemäßige Praxis ist. Da werde ich mich kundig machen müssen.

Frage: Wir springen jetzt zwischen den beiden Themen hin und her. Ich würde gern noch einmal zum Thema Sicherheit im Onlinebanking nachfragen: Wenn Sie als Verweis für die Sicherheit die Zertifizierungen erwähnen, muss man ja dazusagen, dass die alle erfolgt sind, bevor wir neue Informationen bekommen haben. Insofern müsste doch - wenn Sie das tatsächlich so ernst nehmen, wie Herr Seibert es gerade beschrieben hat - erst einmal zumindest ein Fragezeichen hinter der Validität dieser Zertifizierungen stehen?

Kutt: Ich kann nur wiederholen, was ich schon gesagt habe: Wir gehen davon aus, dass die Produkte, die unter anderem das BSI anbietet, ausreichend sind, um sicherzustellen, dass damit kein Missbrauch betrieben wird.

Zusatzfrage: Da hat sich nichts geändert?

Kutt: Da hat sich jetzt nichts geändert.

Frage: Herr Seibert, Sie haben gesagt, dass Sie grundsätzlich den Beteuerungen der USA und der Briten glauben, wenn diese sagen: Wir haben nicht in Deutschland spioniert. Dennoch wurde dieser Hubschrauber geschickt, nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist manchmal besser. Wird die Bundesregierung jetzt auch die Sicherheit ihrer Bundeshandys, die ja auf dem Blackberry-System basieren, noch einmal einer genaueren Untersuchung unterziehen?

StS Seibert: Ich gebe hier grundsätzlich keine Auskunft über die Kommunikationswege und Kommunikationsmittel der Bundesregierung. Seien Sie versichert, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik uns hilft, immer so auf dem neuesten Stand zu sein, dass wir auch in unsere Kommunikation Vertrauen haben können - und das haben wir in der Tat auch.

Frage: Zum Stichwort Vertrauen noch eine Frage an Frau Kothé: Es gibt ja doch eine Reihe von Hinweisen darauf, dass das Vertrauen der Internetnutzer in das Onlinebanking jetzt schon erschüttert ist. Ist das, was es an Zertifizierungen gibt, so unerschütterlich gegen das, was jetzt an neuen Informationen kommt, dass Sie sagen: Der Onlinebanking-Nutzer kann hundertprozentig darauf vertrauen, dass das alles okay ist? Oder gibt es nicht doch eine Situation, in der man sagen muss: Im Lichte der neuen Enthüllungen muss man dieses ganze Feld des Onlinebankings noch einmal durchdenken, um das Vertrauen der Verbraucher zumindest zu festigen, wenn nicht sogar wiederherzustellen? Oder werden Sie möglicherweise an einem bestimmten Punkt davon abraten, das Onlinebanking überhaupt zu nutzen, und sagen: "Geht lieber wieder zum Schalter und füllt euer Formular aus, das ist sicher"?

Kothé: Das sicherlich nicht. Ich kann mich da eigentlich auch nur den Kollegen anschließen. Wir, die Bundesregierung, tun natürlich alles, um die Sicherheitsstandards laufend zu verbessern. Zu dem, was Sie vorhin zitiert haben, kann ich jetzt leider nichts hinzufügen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium zur Antiterroreinheit "Projekt 6", über die ja am Wochenende berichtet wurden ist. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat mitgeteilt, dass das Parlamentarische Kontrollgremium über diese Einheit informiert worden ist. Können Sie sagen, wann das der Fall war und warum der Bundesdatenschutzbeauftragte nicht über diese Einheit in Kenntnis gesetzt worden ist, wie es ja, glaube ich, die Rechtslage vorsieht?

Kutt: Ich kann Ihnen bestätigen, dass das Parlamentarische Kontrollgremium von dem "Projekt 6" unterrichtet wurde. Den Zeitpunkt kann ich Ihnen nicht nennen. Ich kann Ihnen im Hinblick auf die Anmerkung von Herrn Schaar sagen, dass alle Datenübermittlungsvorschriften eingehalten wurden und dass dieses Projekt von 2005 bis 2010 ging.

Zusatzfrage: Jetzt ist es ja so, dass auch ein deutscher Journalist, ein NDR-Journalist, in den Fokus dieser Einheit geraten ist. Kann denn ausgeschlossen werden, dass deutsche Dienste Informationen über diesen Journalisten an die Amerikaner weitergeleitet haben?

Kutt: Dazu kann ich Ihnen sagen: Wenn jemand in dem entsprechenden Umfeld recherchiert, ist natürlich niemals ausgeschlossen, dass (akustisch unverständlich) Daten erfasst werden. Was den konkreten Fall betrifft, wird das BfV prüfen, inwieweit Daten der Person vorliegen.

Zusatzfrage: Letzte Nachfrage: Können Sie etwas über die Größe der Datenbank sagen? Wie viele Deutsche waren in dieser Datenbank drin?

Kutt: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.

Frage: Herr Seibert, letzte Woche hat sich ja nicht nur der Datenschutzbeauftragte, sondern hat sich auch die EU-Kommissarin Reding sehr ausführlich zum Datenschutz geäußert. Herr Schaar hat sehr deutliche Kritik am BMI geäußert, aber Frau Reding hat doch sehr unverblümt zum Ausdruck gebracht, dass die Mitwirkung des Bundesinnenministers in der EU-Justizministerkonferenz ein erhebliches Problem für die Datenschutzpolitik der EU darstelle - das ist ja deutlich geworden. Können Sie diese Kritik kommentieren? Sie hat davon gesprochen, dass es dem Innenminister an der Sensibilität für Individualrechte und für den Datenschutz fehle und dass das die Abstimmung doch recht schwierig mache.

StS Seibert: Ich habe vor allem in Erinnerung, dass Frau Reding sehr begrüßt hat, dass sich die Bundesregierung an die Spitze der Bewegung für eine Datenschutzgrundverordnung einheitlicher Art in Europa gestellt hat. Das ist mir vor allem in Erinnerung geblieben. Für uns bleibt, dass unsere Dienste grundsätzlich auf der Basis des deutschen Rechts und der Gesetze, die sie leiten, arbeiten. Das ist beim Bundesverfassungsschutz und beim BND so, und das leitet auch unsere Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten. Insofern ist da, glaube ich, geklärt, dass die Gesetze in Deutschland den Schutz der Bürger auch vorsehen.

Zusatzfrage: Frau Reding hat ja sehr dafür geworben, dass genau aus dem Grund, den sie als Kritik beschrieben hat - und diese Kritik war ja doch sehr deutlich -, die Kanzlerin das Thema Datenschutz zur Chefsache macht. Ist es sinnvoll, dass in einem Gremium, in dem 27 Justizminister sitzen, ein Innenminister die Interessen des deutschen Datenschutzes vertritt?

StS Seibert: Hinter dem, was ich Ihnen vorhin noch einmal als die acht Punkte vorgetragen habe - ich habe jedenfalls einige dieser Punkte herausgehoben -, steht die gesamte Bundesregierung: Bundeskanzlerin, Bundesinnenminister, Bundesjustizministerin und alle anderen Ressorts. Diese acht Punkte sind es, die unsere Arbeit in dieser Sache leiten und zu denen alle Ressorts hier stehen.

Frage (zur Antiterroreinheit "Projekt 6"): Frau Kutt, Sie haben eben gesagt, sämtliche Datenübermittlungsvorschriften seien eingehalten worden. Jetzt hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz nicht nur das kritisiert, sondern auch den Umstand kritisiert, dass man ihm vorher quasi routinemäßig hätte Bescheid geben müssen und das nicht getan hat. Stimmt das?

Kutt: Ich kann nur den Satz wiederholen, dass die Übermittlungsvorschriften eingehalten wurden. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, Premierminister Samaras hat gestern gesagt, nach 2014 werde Griechenland kein neues Memorandum und keine neuen Zwangssparmaßnahmen akzeptieren. Griechenland mache seine Hausarbeiten und erwarte von seinen Partnern, dass sie ihren Versprechen treu bleiben. Was sagen Sie dazu?

StS Seibert: Da ich nicht die ganze Rede kenne, möchte ich hier keine Auszüge oder einige wenige Zitate kommentieren. Für uns ist die Basis der Zusammenarbeit das Programm, das zwischen Griechenland und seinen europäischen Partnern, vertreten durch die Troika, erarbeitet wurde. Daran halten wir uns und haben wir uns bisher immer gehalten, und wir erwarten dies natürlich auch von der griechischen Seite. Jetzt sollten wir uns darauf konzentrieren, dass aus den einzelnen positiven Zeichen, die sich in Griechenland zeigen, eine noch deutlichere Dynamik hin zu einer Verbesserung an allen Fronten wird.

Frage: Noch einmal kurz zurück zum Thema Antiterroreinheit "Projekt 6": Frau Kutt, wie lauten denn die Vorschriften, die Sie angeblich eingehalten haben und die speziell diesen Fall betreffen?

Kutt: Auch die sind leider nicht öffentlich zu kommunizieren.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 9. September 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/09/2013-09-09-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2013