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PRESSEKONFERENZ/706: Regierungspressekonferenz vom 11. Dezember 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift Pressekonferenz - Mittwoch, 11. Dezember 2013 Regierungspressekonferenz vom 11. Dezember 2013

Themen: Lage in der Ukraine, Bankenunion, Nachfolger im Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, deutsche Dschihadisten in Syrien, Schadensersatzprozess für die Opfer des Luftangriffes von Kundus, Wahl der Bundeskanzlerin, nächste Kabinettssitzung, Flughafen BER

Sprecher: SRS Streiter, Schäfer (AA), Kothé (BMF), Teschke (BMI), Westhoff (BMAS), Paris (BMVg), Moosmayer (BMVBS)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Zur Ukraine möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Das Vorgehen der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten auf dem Maidan sehen wir mit großer Sorge. Wir rufen weiterhin eindringlich zur Gewaltlosigkeit und zur Achtung des Versammlungsrechts auf. Alle Seiten tragen hierfür ihren Teil der Verantwortung.

Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen der EU-Außenbeauftragten Lady Ashton vor Ort. Für einen friedlichen Ausweg aus der jetzigen Situation bedarf es insbesondere eines ernsthaften Dialogs der ukrainischen Führung mit den Demonstranten sowie der ukrainischen Zivilgesellschaft und Opposition. Den Menschen in den Straßen Kiews geht es um eine Annäherung des Landes an europäische Werte.

Deutschland und die EU wollen das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen weiterhin unterzeichnen. Wir wollen den europäisch-ukrainischen Beziehungen eine neue Qualität verleihen, um dem ukrainischen Volk neue Chancen zu eröffnen. Es ist an Staatspräsident Janukowitsch, verantwortungsvoll mit den Wünschen einer Vielzahl ukrainischer Bürgerinnen und Bürger sowie den Angeboten der EU für sein Land umzugehen.

Frage: Die Bundesregierung fordert nicht zum ersten Mal zum Dialog auf. Der ukrainische Präsident verspricht das am Tag, und nachts rücken Sicherheitskräfte an. Wie lange wollen Sie noch warten? Sind Sie wirklich der Meinung, man kann mit diesen Forderungen noch etwas erreichen? Sind Sanktionen im Gespräch, die vielleicht doch irgendetwas bringen würden?

SRS Streiter: Ich habe eigentlich das dazu gesagt, was ich zu sagen habe. Wir rufen einfach alle beteiligten Kräfte zu Besonnenheit auf. Wir können uns dabei ja nicht aktiv einmischen.

Zusatz: Die ukrainische Regierung hat heute gesagt, das Land brauche einen Kredit über 20 Milliarden Euro; dann könne man das Assoziierungsabkommen unterschreiben.

SRS Streiter: Dazu kann ich Ihnen etwas sagen, und vielleicht möchte auch der Kollege vom Auswärtigen Amt noch etwas sagen: Mit dieser Forderung scheint die ukrainische Führung von ihrer alleinigen Verantwortung für die aktuelle politische Lage ablenken zu wollen.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Unterstützungsmöglichkeiten gilt unverändert: Die Tür zu diesem Assoziierungsabkommen ist unverändert offen. Die damit einhergehenden Reformen und die Steigerung des Handels würden der Ukraine in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage langfristig helfen. Zudem ist die Ukraine seit Jahren in Kontakt mit dem Internationalen Währungsfonds. Wenn die dort genannten Voraussetzungen - unter anderem eine Flexibilisierung des Wechselkurses und ein Abbau der Gassubventionen - endlich umgesetzt werden würden, dann könnte der IWF Hilfen ermöglichen, und die EU wäre zudem in der Lage, die Ukraine mit einer Makrofinanzhilfe in Höhe von 610 Millionen Euro zu unterstützen. Das ist das, was ich zu diesen 20 Milliarden Euro zu sagen habe. Aber der Kollege möchte auch noch etwas sagen.

Schäfer: Über das hinaus, was Herr Streiter gerade gesagt hat, vielleicht nur kurz zur Philosophie dieses Assoziationsabkommens: Das Abkommen ist von der Europäischen Union über viele Jahre hinweg sehr intensiv und sehr ausführlich mit der ukrainischen Regierung verhandelt worden. Das ist ein Dokument, das viele Hundert - ich weiß es nicht -, wahrscheinlich Tausende Seiten hat. Das ist nichts anderes als ein umfassendes, weitreichendes Angebot an die Ukraine, ihr dabei behilflich zu sein, einen europäischen Weg zu gehen, den Weg wirtschaftlicher, sozialer und auch politischer Reformen, die das Land an Europa annähern.

Wir haben in vielen Nachbarstaaten der Ukraine in den letzten 20 Jahren erlebt und gesehen, welche segensreichen Folgen das hat. Man muss sich nur die wirtschaftliche Lage im Nachbarland Polen anschauen, um zu sehen, welche Folgen es hat, sozusagen den europäischen Weg der Reformen zu gehen. Das Pro-Kopf-Einkommen in Polen beträgt ein Vielfaches dessen in der Ukraine, obwohl Polen und die Ukraine vor wenig mehr als 20 Jahren das gleiche Wohlstandsniveau hatten. Daran kann man erkennen, welche mittel- und langfristig positiven Folgen ein Reformkurs hat, der sozusagen den europäischen Weg beschreitet.

Dieses Angebot steht. Die Tür ist aus Sicht der Bundesregierung und Europas weiter offen. Wir würden uns sehr freuen, wenn dieses Angebot in absehbarer Zeit angenommen werden könnte, auch weil wir davon überzeugt sind, dass dieses Angebot im besten Interesse der Ukraine ist.

Zusatzfrage: Verliert der ukrainische Staatspräsident mit diesen Gewaltaktionen in den Augen der Bundesregierung denn nicht an Legitimität?

Schäfer: Der ukrainische Präsident ist der demokratisch gewählte Präsident der Ukraine. Deshalb hat ja Herr Streiter auch gerade im Namen der Bundesregierung darauf hingewiesen, dass er und mit ihm seine Regierung Entscheidungen zu treffen haben. Es ist völlig offensichtlich, dass die Bundesregierung in Sorge über die aktuelle Lage auf dem Maidan und über die Lage in der Ukraine im Allgemeinen einschließlich der von Ihnen angesprochenen finanziellen Schwierigkeiten und des Liquiditätsengpasses ist, den das Land zurzeit zu bewältigen hat. Hier und heute ist der Appell der Bundesregierung, wirklich in aller Nachdrücklichkeit darauf hinzuweisen, dass Gewalt von welcher Seite auch immer - auch vonseiten der ukrainischen Sicherheitskräfte - sicherlich das falsche Mittel ist, sondern dass es darum geht, einen Dialog zu führen, der das Land auf den richtigen Weg führen würde, der aus unserer Sicht ein europäischer wäre.

Frage: Ich möchte auch noch einmal auf die Eingangsfrage der Kollegin zurückkommen: Dass die Bundesregierung das mit Sorge beobachtet und jetzt präventiv zur Gewaltlosigkeit aufruft oder entsprechend appelliert, zeigt ja, dass Sie die Lage beobachten. Wenn es jetzt aber mit der Gewalt so weiterginge, was wäre denn dann die nächste Eskalationsstufe? Wann würden Sie sich hier das nächste Mal wieder zu Wort melden, mit welcher weiteren Konsequenz? Die Sorge ist jetzt die eine Stufe. Welche Möglichkeit gibt es diplomatisch? Herr Schäfer, vielleicht können Sie einmal erklären, was diplomatisch die nächsten Stufen der Konsequenzen oder der Maßnahmen wären - den Botschafter einzubestellen? Was ist dann die nächste Stufe und die übernächste Stufe? Was geht?

Schäfer: Wir können hier natürlich nicht vorwegnehmen und darüber spekulieren, was womöglich in Kiew passieren könnte und was dann die Reaktion Europas, Brüssels oder Berlins wäre. Auf eine solche Debatte, glaube ich, sollten wir uns hier nicht einlassen.

Aber dass Europa handelt und dass Europa auch bereit ist, einen Beitrag dazu zu leisten, dass es friedlich ausgeht und es einen vernünftigen politischen Kompromiss gibt, mögen Sie daran ermessen, dass sich Frau Ashton, die Hohe Beauftragte für die europäische Außenpolitik, seit gestern in Kiew aufhält, dass sie lange Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten geführt hat und dass sich darüber hinaus auch der Generalsekretär des Europarats, Herr Jagland, angeboten hat, die guten Dienste des Europarats bei der Vermittlung von Kontakten und eines Dialogs zwischen den Parteien in Kiew zu leisten. Es ist selbstverständlich, dass die Bundesregierung diese Bemühungen nicht nur unterstützt, sondern ihre Botschaften, die Herr Streiter ja gerade schon vorgetragen hat, auch selbst über die Botschaft und alle dafür existierenden Gesprächskanäle nach Kiew trägt. Der Außenminister ist, wie Sie wissen, letzte Woche in Kiew gewesen, und die Gesprächskanäle, die es gegenüber allen Seiten gibt, werden wir natürlich nutzen.

SRS Streiter: Wenn ich das noch ergänzen darf: Es geht nicht um Eskalationsstufen, sondern um Deeskalationsstufen.

Frage: Herr Streiter, Sie hatten eben auf die Frage der Kollegin nach möglichen Sanktionen ausweichend geantwortet. Können Sie die also nicht ausschließen?

SRS Streiter: Nein, ich meine, die ganze Botschaft, die wir hier auszusenden versuchen, lautet, dass sich alle Seiten um Deeskalation bemühen sollten, nicht um Eskalation. Wir wollen über eine möglichst friedliche Regelung sprechen, nicht über Sanktionen.

Zusatz: Wenn Sie etwas ausschließen würden, würde das ja deeskalierend wirken.

SRS Streiter: Über das Thema "Können Sie etwas ausschließen?" haben wir hier schon mehrfach gesprochen. Solche Fragen kann ich nicht seriös beantworten.

Schäfer: Das ist so ähnlich wie mit "Niemand hat die Absicht".

Zusatzfrage: Also ist die Frage noch nicht gestellt worden. Oder ist die Antwort noch offen?

Schäfer: Diese Frage stellt sich zurzeit nicht.

Zusatz: Ich stelle Ihnen diese Frage!

Schäfer: Für uns stellt sie sich nicht.

Zusatz: Ich stelle Ihnen die Frage. Wollen Sie sie nicht beantworten?

SRS Streiter: Genau.

Frage: Polen hat ja schon den ukrainischen Botschafter einberufen. Kommt so etwas für Sie infrage?

Noch eine Frage: Sind in nächster Zeit Reisen deutscher Regierungsvertreter in die Ukraine geplant?

Schäfer: Die Reisepläne - jedenfalls im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes - werden angekündigt, wenn sie anstehen. Auch alle Entscheidungen der Bundesregierung darüber, in welcher Weise man auf die Ereignisse in Kiew reagiert, machen wir dann bekannt, wenn sie gefallen sind.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium: Was sagen Sie zu den Verhandlungen der EU-Finanzminister in der letzten Nacht? Dabei reden einige von einem Durchbruch und andere von einer Schlappe für Schäuble. Wie kann man das jetzt bewerten? Wie geht es jetzt eigentlich weiter? Ist der Finanzminister zuversichtlich, dass bis zum EU-Gipfel in der nächsten Woche eine Einigung in Sachen Bankenunion feststehen wird?

Kothé: Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis von gestern Nacht, und wir sind zuversichtlich, dass wir - wie es auch beabsichtigt und verabredet war - bis Ende des Jahres und noch unter der jetzigen Präsidentschaft insgesamt zu einem Abschluss kommen werden. Man hat sich aber gestern noch nicht auf ein Gesamtpaket verständigt, sondern man hat in wichtigen Punkten eine Einigung erzielt. Entschieden wird aber letztlich über das Gesamtpaket.

Vielleicht noch einmal zum Verfahren: Diese politische Einigung muss jetzt in Rechtstexte gegossen werden, und hinsichtlich der einen oder anderen Detailfrage sind sicherlich auch noch Gespräche beziehungsweise Verhandlungen notwendig. Die Entscheidung soll dann hoffentlich nächste Woche in der nächsten Sitzung des Ecofin-Rats fallen oder - sagen wir es so - finalisiert werden.

Zusatzfrage: Können Sie kurz erläutern, hinsichtlich welcher Punkte jetzt noch Gesprächsbedarf besteht?

Kothé: Es ist eine Reihe von Punkten. Man hat sich, wie gesagt, gestern auf Eckpunkte, auf "terms of references" verständigt. (Jetzt geht es darum,) wie das juristisch ausgestaltet wird. Ich nenne - daran kann ich das vielleicht ganz gut verdeutlichen - noch einmal den wichtigsten Punkt aus unserer Sicht, nämlich dass wir sagen: Wir wollen Rechtssicherheit dieses neuen Instruments. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Dabei hat man sich jetzt auf eine Kombilösung verständigt - jetzt geht es hier in die Feinheiten -, und zwar darauf, dass nicht nur dieser Artikel 114 zur Anwendung kommen wird, sondern es noch eine zusätzliche intergouvernementale Vereinbarung geben wird. Wie all diese Elemente im Einzelnen ausgestaltet werden, wird jetzt eben, wie gesagt, in den nächsten Tagen in Rechtstexte zu gießen und zu finalisieren sein.

Ein anderer wichtiger Punkt ist für uns auch, dass wir gesagt haben: Die EU-Kommission kann aus unserer Sicht nicht das Letztentscheidungsrecht haben. Auch dabei zeichnet sich ein guter Weg ab, nämlich dass das neue Gremium, das entstehen soll, ein Board sein wird, dem die Kommission zwar angehören wird, aber dass dieses Board in den Substanzentscheidungen das Entscheidungsrecht hat. Sollte die Kommission den Entscheidungen des Boards oder einer Entscheidung im Einzelfall widersprechen, dann entscheidet abschließend der Rat. Das ist das Verfahren, wie es gestern in groben Zügen vereinbart worden ist. Aber auch hierbei gibt es natürlich noch viele Einzelfragen, die jetzt noch ausgestaltet und verabredet werden müssen.

Um das vielleicht noch zu komplettieren: Die Haushaltssouveränität der Mitgliedstaaten - das ist aus deutscher Sicht auch ein wichtiger Punkt - ist weiterhin gewährleistet. Es wird keine haushaltsrelevanten Entscheidungen gegen einzelne Mitgliedstaaten geben. Auch darauf hat man sich gestern verständigt. - Das sind, glaube ich, einmal im Groben die wichtigsten Punkte.

Frage: Reichen denn aus Ihrer Sicht die 55 Milliarden Euro aus, die für den Abwicklungsfonds im Gespräch sind? Im Moment werden, glaube ich, ja schon Billionen für die Bankenrettung ausgegeben.

Kothé: Ja, das ist die Größenordnung, die jetzt im Gespräch ist. Alles, was ich jetzt hier sage, gilt, wie gesagt, unter Vorbehalt; die abschließende Einigung steht noch aus. Ja, wir denken, dass das eine angemessene Größenordnung ist.

Zusatzfrage: Kann man davon ausgehen, dass sich die Abgabe für die deutschen Banken auf jeden Fall erhöhen wird?

Kothé: Die Abgabe wird sich voraussichtlich verändern. Zur genauen Berechnung und dazu, wie sich das ausgestalten wird, kann ich Ihnen im Augenblick leider auch noch nichts sagen. Aber es ist davon auszugehen, dass sie sich verändern wird.

Zusatzfrage: Gilt dieser neue Abwicklungsmechanismus jetzt für die 130 größten Banken oder für alle Banken? Können Sie das noch einmal sagen?

Kothé: Ja. Auch dabei, haben wir gesagt, streben wir eine Parallelität zu der europäischen Bankenaufsicht an, und auch darauf hat man sich im Groben verständigt.

Frage: Herr Teschke, ich wüsste gerne, wer denn ab der nächsten Woche öffentliche Erklärungen für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz abgeben kann, falls uns die nächste oder übernächste NSA-Welle oder sonstige Informationen erreichen.

Teschke: Ich nehme an, Sie spielen auf die Nachfolge von Herrn Schaar an. Es ist ja nicht so, dass der Datenschutz in Deutschland nur in der Person von Herrn Schaar stattfindet, sondern ihn unterstützt eine ganze Behörde von 80 Mitarbeitern. Es gibt einen leitenden Beamten, der intern als Vertreter von Herrn Schaar fungiert. Auch das Bundesinnenministerium beschäftigt sich intensiv mit dem Datenschutz. Insofern ist der Datenschutz nach dem 17. Dezember in Deutschland nicht in Gefahr, und er liegt nicht brach. Sie können davon ausgehen, dass sich die neue Bundesregierung sehr schnell auf einen Nachfolger von Herrn Schaar verständigen wird.

Zusatzfrage: Befugt zur öffentlichen Äußerung ist ausschließlich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Meine Frage: Wer wird ab dem 17. Dezember befugt sein, für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz öffentlich Stellung zu nehmen und beispielsweise auch den Minister zu kritisieren, wenn der zu windelweich reagiert?

Teschke: Der Datenschutz ist, wie gesagt, in guten Händen, auch im Bundesinnenministerium. Die zukünftige Regierung oder der zukünftige Innenminister, für den ich jetzt noch nicht sprechen kann, werden sich sicherlich sehr schnell auf einen Nachfolger von Herrn Schaar verständigen.

Zusatzfrage: Noch einmal die Frage; es ist doch nicht so schwer: Wer darf sich ab dem 17. als Bundesbeauftragter für den Datenschutz öffentlich äußern?

Teschke: Ich kann dem jetzt noch nicht vorgreifen. Vielleicht wird es schon am 18. einen Nachfolger geben; das kann ich auch nicht ausschließen.

Zusatzfrage: Wieso hat der Bundesinnenminister darauf verzichtet, Herrn Schaar solange im Amt zu lassen, bis diese Leerstelle oder diese Neubesetzung geregelt ist? Gibt es dafür einen sachlichen oder fachlichen Grund?

Teschke: Er kann den amtierenden Bundesdatenschutzbeauftragten um eine Verlängerung ersuchen beziehungsweise dessen Zeit verlängern, er muss es aber nicht, und er hat beschlossen, sie nicht zu verlängern.

Frage: Eine Frage an Herrn Teschke oder Herrn Streiter: Es hat ja in den letzten paar Tagen und Wochen wieder vermehrt Berichte über deutschstämmige Dschihadisten gegeben, die nach Syrien gereist sind und womöglich dort umgekommen sind. Für Rechtsextreme gibt es in Deutschland ja sogenannte Aussteigerprogramme. Gibt es etwas Ähnliches für gewaltbereite Islamisten, die sich jetzt vielleicht eines anderen besinnen?

Teschke: Ich kann vor allen Dingen noch einmal darauf hinweisen, dass wir natürlich in erster Linie im präventiven Bereich zuständig sind und dort sehr aktiv sind. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass das Bundesinnenministerium seinerzeit eine vielfach kritisierte Kampagne unter dem Titel "Vermisst" gefahren hat. Diese Kampagne ist heftig kritisiert worden, unter anderem auch von den islamischen Verbänden. Wir sehen allerdings, wie nötig diese damals beworbene Hotline ist. Sie freut sich auch großen Zuspruchs. Das ist eine Hotline, bei der Angehörige, Eltern, Verwandte oder Freunde von Menschen, die sich offensichtlich radikalisieren, die sich vielleicht auf den Weg nach Syrien machen, anrufen können. Dort kann dann Rat eingeholt werden, wie man eventuell die weitere Radikalisierung verhindern kann.

Aktuelle Aussteigerprogramme sind mir nicht bekannt, das muss ich einmal eruieren.

Vorsitzende Sirleschtov: Das würde uns, glaube ich, alle interessieren.

Teschke: Das machen wir doch gern.

Vorsitzende Sirleschtov: Danke schön!

Zusatzfrage : Wenn Sie sagen, diese Hotline erfreue sich regen Zuspruchs: Können Sie das quantifizieren?

Teschke: Auch das würde ich noch einmal nachreichen. Ich weiß, dass es dort eine stetig ansteigende Zahl von Anrufern gibt. Die aktuellen Zahlen reiche ich dann aber genauso nach wie das andere.

Frage: Sie sprachen jetzt über die Aussteigerprogramme, es ging aber doch um die Intensiveinsteiger - um es einmal so zu sagen -, die als Islamisten nach Syrien gegangen sind, dort in den Kämpfen offenkundig sehr gut ausgebildet werden und jetzt zurückkommen. Inwieweit beobachten Sie die denn beziehungsweise können Sie die hier in Deutschland nach ihrer Rückkehr beobachten?

Teschke: Vielleicht ein paar Zahlen dazu: Uns ist bekannt, dass mittlerweile über 200 Deutsche - ungefähr 230, aber das ist eine flexible Zahl - mit stetig ansteigender Tendenz nach Syrien gegangen sind. Die Rückkehrerzahl liegt derzeit bei 50. Von diesen 50 waren 17 aktuell in Kämpfen beteiligt. Die haben wir auf dem Schirm, die beobachten wir. Wir haben allerdings derzeit keine Anzeichen dafür, dass sie so radikalisiert sind, dass sie zu irgendwelchen Plänen neigen, hier Anschläge auszuüben.

Zusatzfrage: Gibt es eine bestimmte geografische Konzentration dieser Leute hier in Deutschland?

Teschke: Ist mir nicht bekannt.

Frage: Was wissen Sie über diese 17 Rückkehrer, die an Kämpfen beteiligt sind? Leben die hier als Arbeitnehmer und haben sich dafür beurlauben lassen, oder wie muss ich mir die vorstellen?

Teschke: Das sind teilweise Konvertiten, also Deutsche, die zum Islam konvertiert sind. Zu den genauen beruflichen Tätigkeiten liegen mir jetzt keine Informationen vor, aber das sind Menschen, die eben dorthin gegangen sind, sich aktiv an Kämpfen beteiligt haben und dann wieder zurückgekehrt sind. Inwieweit die jetzt ein völlig normales Leben hier führen, weiß ich nicht. Aber wie gesagt, wir haben sie über die Landesverfassungsschutzämter beziehungsweise über den Bundesverfassungsschutz im Blick und wissen, welchen Aktivitäten sie nachgehen.

Zusatzfrage: Dahinter stecken ja auch arbeitsrechtliche Fragen. Ich weiß nicht, inwieweit man sich als Arbeitnehmer sozusagen einfach in einen Krieg verabschieden kann. Da gibt es ja vielleicht auch versicherungstechnische Fragen oder so. Stehen Sie dazu in Verbindung mit anderen Ressorts?

Teschke: Nein. Ich weiß nicht, ob das Gesundheitsministerium oder das Arbeitsministerium dazu etwas sagen möchten.

Westhoff: Wir haben keine Aufschlüsse, wann sich wer aus welchen Gründen hat beurlauben lassen oder die Pflege kranker Kinder oder Eltern vorgeschoben hat, um dann in den Krieg zu ziehen. Im Arbeitsrecht gibt es natürlich Möglichkeiten, sich beurlauben zu lassen, und nicht in jedem Fall muss man dafür einen Grund angeben. Ich glaube aber, arbeitsrechtliche Aspekte spielen hier nicht an vorderster Front eine Rolle. Das wird durch die entsprechenden Behörden sicherlich beobachtet, und ich glaube, man macht an anderen Dingen fest, ob das, was da passiert, rechtens ist oder nicht.

Frage: Herr Teschke, Sie sagten eben, es seien auch Konvertiten darunter. Wie ist das Zahlenverhältnis von Konvertiten zu ursprünglichen Muslimen?

Teschke: Habe ich derzeit nicht vorliegen.

Frage: Wenn Sie jetzt so genau sagen können, dass es von 50 Rückkehrern 17 sind, die sich aktiv an Kämpfen beteiligt haben: Woher wissen Sie denn, dass das aktive Kämpfer waren? Haben Sie die sozusagen in Empfang genommen und gefragt "Hast du gekämpft?", und die haben darüber von sich aus Angaben gemacht, oder sind das sozusagen geheimdienstliche Erkenntnisse? Wie muss man sich das vorstellen? Sind die 33 anderen unter den 50 möglicherweise auch Kämpfer gewesen, oder sind das Leute, von denen man weiß, dass sie nicht gekämpft haben?

Teschke: Das sind teilweise eben geheimdienstliche Erkenntnisse, zu denen ich hier keine nähere Stellungnahme abgeben kann. Die anderen sind teilweise - und da wird die Grenze in der Tat fließend - Menschen, die zu Hilfsbesuchen dorthin gegangen sind, die dort also sogenannte Hilfstransporte veranstaltet haben. Die können dann teilweise in Kampfhandlungen involviert gewesen sein, können aber auch nur an einem Ort gewesen sein, wo sie tatsächlich ihre Hilfspakete abgegeben haben. Insofern waren sie dann nicht aktiv an Kämpfen beteiligt.

Zusatzfrage: Werden die Rückkehrer denn befragt, oder lässt man die zurückkehren und beobachtet sie dann? Werden die in irgendeiner Weise registriert, sagt jemand "Wir wissen, wo du herkommst, wir wissen, was du gemacht hast, wir haben dich jetzt auf dem Schirm"? Gibt es also irgendeine Kommunikation mit denen oder findet das alles verdeckt statt?

Teschke: Von offiziellen Befragungen ist mir nichts bekannt. Wie gesagt, wie der Geheimdienst beziehungsweise der Verfassungsschutz mit diesen Beobachtungen umgeht, kann ich auch nicht näher ausführen.

Frage: Es gibt ja ein Gesetz, das verbietet, in Ausbildungslager zu gehen - damals nach Afghanistan - und dann zurückzukehren; das ist also strafbar. Gilt dieses Gesetz für diese Menschen nicht?

Teschke: Es wird sicherlich eine Aufgabe für die neue Bundesregierung sein, sich das Gesetz gegebenenfalls noch einmal näher unter diesem Gesichtspunkt anzuschauen.

Frage: Die Frage ist doch: Ist dieses Gesetz auf diese Fälle anwendbar oder nicht? Sie sagen also: Nein?

Teschke: Das Gesetz gilt, wie Sie es richtig ausgeführt haben, explizit für die Ausbildung in Terrorlagern.

Frage: Zu denjenigen, von denen sich die Behörden relativ sicher sind, dass sie an Kampfhandlungen teilgenommen haben: Sind solche Kampfhandlungen nicht per se verboten? Oder kann sich jemand aus Deutschland beziehungsweise ein deutscher Staatsbürger einfach so an einem Krieg beteiligen?

Teschke: Na ja, er gibt ja nirgendwo an, dass er jetzt mal eben in den Dschihad zieht - außer vielleicht in Propagandavideos. Insofern reist er aus, und er reist meistens noch nicht einmal mit einem Reisepass aus, sondern mit einem Personalausweis, den die Bundesregierung auch nicht einziehen kann. Insofern haben wir da keine Handhabe, jemandem vorweg zu verbieten, nach Syrien zu fahren.

Zusatzfrage: Ich meinte im Nachhinein. Gibt es, wenn Sie im Nachhinein sehen, dass 17 von denen, die zurückkommen, an Kampfhandlungen teilgenommen haben, keinen Anlass für strafrechtliche Ermittlungen? Oder warten Sie da auf eine Anzeige aus Syrien?

Teschke: Nein, wir beobachten diejenigen, von denen wir wissen, dass sie an Kriegshandlungen teilgenommen haben. Es gibt meines Wissens aber keine Grundlage für Verhaftungen oder so etwas.

Frage: An das Verteidigungsministerium: Herr Paris, in diesen Minuten will das Landgericht in Bonn entscheiden, ob der Schadensersatzprozess für die Opfer des Luftangriffes von Kundus fortgesetzt wird. Wie bewerten Sie diese jetzt erfolgende Entscheidung? Würden Sie sagen, die Einstellung des Verfahrens wäre für Sie ein Erfolg?

Paris: Jetzt sollten wir erst einmal die Richter ihren Job machen lassen, und dann fragen Sie mich noch einmal, wenn wir das Urteil kennen.

Zusatzfrage: Ja, aber Sie - -

Paris: Was soll ich denn dazu sagen? Die haben das auf 12 Uhr terminiert, die rufen jetzt wahrscheinlich zur Sache auf, und dann warten wir es einmal ab.

Zusatzfrage: Mir geht es weniger um die Bewertung des Urteils; das können Sie ja noch nicht bewerten, weil es noch nicht erfolgt ist. Aber Sie lassen sich ja anwaltlich vertreten - wahrscheinlich mit dem Ziel, dass es keine Fortsetzung des Prozesses gibt?

Paris: Ich habe hier noch nie ein laufendes Gerichtsverfahren - und das Gerichtsverfahren läuft noch - in irgendeiner Art und Weise kommentiert. Das gehört hier nicht hin, sondern das gehört in den Gerichtssaal. Warten wir es ab.

Frage: Herr Streiter, hat die Bundeskanzlerin jetzt eigentlich den 17. Dezember für ihre wahrscheinliche Vereidigung als Bundeskanzlerin geblockt?

SRS Streiter: Dazu kann ich Ihnen gar nichts sagen. Auch ich lese die Meldungen der Nachrichtenagenturen, und ich habe auch kaum Zweifel daran. Ich glaube, die Bundeskanzlerin würde für den Fall, dass sie erneut zur Bundeskanzlerin gewählt wird, terminlich zur Verfügung stehen.

Zusatzfrage: Aber es muss doch irgendeine Planung für den Fall geben, dass der SPD-Mitgliederentscheid jetzt positiv ausgeht?

SRS Streiter: Sie können davon ausgehen, dass die Bundeskanzlerin anwesend ist, wenn sie zur Bundeskanzlerin gewählt wird.

Zusatz: Toll!

Frage: Ist für nächsten Mittwoch eine Kabinettssitzung in Vorbereitung, Herr Regierungssprecher?

SRS Streiter: Darüber kann ich Ihnen im Moment keine Auskunft geben. Ich weiß es schlicht nicht.

Zusatzfrage: Wer, wenn nicht der Regierungssprecher, weiß so etwas?

SRS Streiter: Sagen wir es einmal so: Der Regierungssprecher sollte immer wahrhaftig Auskunft geben. Wenn Sie mich fragen, ob für nächsten Mittwoch eine Kabinettssitzung terminiert ist, kann ich Ihnen sagen: Darüber ist mir jetzt, heute um 12.03 Uhr, nichts bekannt.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium zum Großflughafen BER: Frau Moosmayer, heute wird erstens berichtet, dass am 13. Dezember eine Aufsichtsratssitzung stattfindet, in der ein neuer Aufsichtsratschef gewählt wird, und zweitens wird berichtet, dass sich der Bund mit dem Land Berlin darauf verständigt hat, dass Herr Wowereit Aufsichtsratschef werden soll. Können Sie den Termin bestätigen und können Sie zweitens sagen, ob es so eine Absprache gibt oder ob allgemein Herr Wowereit für Sie ein Wunschkandidat für diesen Job ist?

Moosmayer: Der Termin steht meines Wissens - obwohl wir den natürlich nicht einberufen.

Zur zweiten Frage: Das kann ich verneinen. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die Nachbesetzung von Herrn Platzeck, der ja aus dem Gremium ausgeschieden ist, auch vom Land Brandenburg vorgeschlagen wird. Alles andere sind reine Spekulationen, die man zurückweisen muss.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 11. Dezember 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/12/2013-12-11-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2013