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PRESSEKONFERENZ/727: Regierungspressekonferenz vom 29. Januar 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. Januar 2014
Regierungspressekonferenz vom 29. Januar 2014

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Empfang des polnischen Ministerpräsidenten, Empfang des amerikanischen Außenministers, Empfang des türkischen Ministerpräsidenten), Kabinettssitzung (Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, BAföG-Bericht), Überprüfung des Schienennetzes der Deutschen Bahn durch den Bund, Ausbau von WLAN in Bahnhöfen und Zügen, Ukraine, NSA-Affäre, geplantes EU-Trennbanken-Gesetz, Münchner Sicherheitskonferenz

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Kothé (BMF), Daldrup (BMAS), Moosmayer (BMVI)



Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Bevor ich zum Bericht aus dem Kabinett komme, würde ich Sie gerne noch über drei Termine der Bundeskanzlerin in den kommenden Tagen informieren.

Das betrifft zunächst den Freitag, also diesen 31. Januar: Sie wird um 11 Uhr im Kanzleramt den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zu einem Gespräch empfangen. Im Mittelpunkt des Gesprächs stehen die Situation in der Ukraine und natürlich auch anstehende europapolitische Fragen. Es wird im Anschluss an das Gespräch gegen 11:45 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung im Infosaal des Kanzleramts geben.

Weiterhin am Freitag wird die Bundeskanzlerin den amerikanischen Außenminister John Kerry empfangen, voraussichtlich gegen 14 Uhr. Bei der Ankunft werden beide Politiker vor den Kameras kurze Statements abgeben. Im sich anschließenden Gespräch wird es dann natürlich um das transatlantische Verhältnis und um die weltpolitischen Fragen gehen, die uns und unsere amerikanischen Partner derzeit bewegen.

Ein weiterer Hinweis auf den kommenden Dienstag, den 4. Februar: Da wird die Bundeskanzlerin den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan empfangen, und zwar um 12 Uhr. Gegen 13:15 Uhr ist dann eine gemeinsame Pressekonferenz vorgesehen, ebenfalls im Infosaal. - Das wollte ich Ihnen nur zu den Terminen sagen.

Jetzt kommen wir kurz zum Kabinett: Von den beiden wesentlichen Themen des Kabinetts ist Ihnen, glaube ich, vor allem das Thema "Rentenpaket" von der Ministerin heute auch schon vorgestellt worden; sie hat darüber bereits berichtet. Deshalb gebe ich nur einen kurzen Überblick:

Das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung wird für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die besonders lange gearbeitet haben, für Mütter und für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen sehr zügig spürbare Leistungsverbesserungen erbringen. Den entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett heute beschlossen.

Der Reihe nach: Es wurde vereinbart, wie es auch schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, dass die Erziehung von Kindern, die vor 1992 geboren wurden, stärker bei der Rente angerechnet werden soll. Mütter oder auch Väter erhalten für diese Kinder einen zusätzlichen Rentenpunkt. Ab dem 1. Juli dieses Jahres wird die Rente für diejenigen, die heute schon im Ruhestand sind, automatisch um diesen Zuschlag erhöht. Die technische Umsetzung wird zwar noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, aber die Nachzahlungen können noch in diesem Jahr veranlasst werden.

Ab dem 1. Juli 2014 wird auch für Neurentner mit einer Erwerbsminderung eine Verbesserung eintreten: Sie werden besser abgesichert. Sie werden so gestellt, als ob sie zwei Jahre länger als bisher weitergearbeitet hätten. Das ist die sogenannte Zurechnungszeit. Das bringt eine Erhöhung um etwa 5 Prozent mit sich.

Das Budget der Rentenversicherung für Leistungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation wird an die demografischen Herausforderungen angepasst. Das ist ein dieser Bundesregierung sehr wichtiger und in der Berichterstattung gelegentlich etwas beiseite gelassener Punkt. Was sind die demografischen Herausforderungen in diesem Zusammenhang? Es ist schlicht so, dass die geburtenstarken Jahrgänge jetzt in das Alter kommen, in dem Rehabilitationsmaßnahmen eben verstärkt notwendig werden. Dem wollen wir Rechnung tragen, indem wir rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres das Budget für das laufende Jahr um 100 Millionen Euro und in den folgenden Jahren um 200 Millionen Euro erhöhen. Dabei geht es also, wie gesagt, um die Rehabilitationsmaßnahmen.

Dann komme ich zu der schon angesprochenen Verbesserung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die besonders lange gearbeitet haben. Durch eine Sonderregelung wird die Altersrente für besonders langjährig Versicherte vorübergehend ausgeweitet. Sie bekommen die Möglichkeit, schon mit 63 Jahren in Rente zu gehen. Ab dem 1. Juli 2014 kann damit jeder ohne Kürzungen in die Rente gehen, der 45 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt hat. Die bestehende Regelung über die Pflichtzeiten aus Beschäftigung, der Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten wurde erweitert. Zeiten, in denen Lohnersatzleistungen bezogen wurden, zählen nun mit. Die Altersgrenze für die vorgezogene Rente wird, wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, stufenweise von 63 auf dann 65 Jahre angehoben. Sie steigt um zwei Monate pro Jahr, sodass die volle Anpassung - also 65 zum Zieldatum - im Jahre 2019 erreicht sein wird.

Die rentenpolitischen Maßnahmen in dieser Legislaturperiode, von denen ich hier berichtet habe, sollen aus zur Verfügung stehenden Mitteln der Rentenkasse finanziert werden und können aus zur Verfügung stehenden Mitteln der Rentenkasse finanziert werden. Die gesetzliche Rentenversicherung ist dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre und vor allem auch der guten Entwicklung der Erwerbstätigkeit gut aufgestellt. Die Beitragssätze sind so niedrig wie seit Mitte der 90er-Jahre nicht mehr. Es ist der Bundesregierung aber auch absolut klar, dass auf lange Sicht die junge Generation nicht überfordert werden darf. Deswegen wird sich der Bund ab 2019 bis 2022 mit zusätzlichen Mitteln beteiligen. Die sollen jährlich um 400 Millionen Euro auf rund 2 Milliarden Euro jährlich steigen. Somit werden dann also in diesen Jahren erhebliche Mittel für die Rentenreform aus Steuermitteln aufgebracht. Das ist auch ein Beitrag dazu, die Generationengerechtigkeit zu stärken.

Das zweite Thema war der zwanzigste Bericht zum Bundesausbildungsförderungsgesetz, also zum BAföG, den die Bundesbildungs- und Forschungsministerin vorgelegt hat. 1971 wurde übrigens zum ersten Mal ein solcher Bericht vorgelegt. Das BAföG - das ist für uns, die wir als Bundesregierung die Bildungsgerechtigkeit als ein zentrales Ziel unserer Arbeit ansehen, besonders klar - ist eben auch ein zentrales Instrument.

2012 war die Zahl der BAföG-Empfänger - dieser Bericht geht bis zum Jahr 2012 - so hoch wie seit 30 Jahren nicht. 2012 waren im Jahresdurchschnitt 630.000 junge Menschen in der BAföG-Förderung, also 45.000 mehr als zum letzten Berichtszeitpunkt im Jahr 2010. Die durchschnittlichen monatlichen Förderbeiträge pro Student sind von 436 Euro im Jahr 2010 auf 448 Euro im Jahr 2012 gestiegen. Das ist eine Steigerung von 2,8 Prozent. Auch die durchschnittlichen Förderbeträge für Schüler haben sich im gleichen Zeitraum erhöht, und zwar sogar um mehr als 12 Prozent. Die Ausgaben von Bund und Ländern für die Ausbildungsförderung sind ebenso angestiegen. 2012 lagen sie bei 3,34 Milliarden Euro. Das sind 18 Prozent mehr als im letzten Berichtszeitraum 2010.

BAföG trägt zu einer auch international verstärkten Mobilität der Geförderten bei. Die Förderung von Auslandsaufenthalten deutscher BAföG-Empfänger und auch die Förderung von Ausländern in Deutschland hat stark zugenommen. Auch das ist für uns integrationspolitisch eine erfreuliche Tatsache. - Das vielleicht dazu. Damit bin ich am Ende meines Berichts aus dem Kabinett angelangt.

Schäfer: Herr Seibert hat ja gerade schon vom Besuch des amerikanischen Außenministers in Berlin und in Deutschland gesprochen. Das möchte ich einfach nur der Vollständigkeit halber ergänzen. Die Planungen sehen zurzeit vor, dass auch der deutsche Außenminister den amerikanischen Außenminister in Berlin begrüßen wird, mit ihm sprechen wird und voraussichtlich auch gemeinsam mit ihm vor die Presse treten wird. Wo und wie das genau passieren wird, steht noch nicht fest. Das liegt daran, dass die Zeitpläne relativ schwer in Einklang zu bringen sind. Beide sind auf dem Weg zur Münchner Sicherheitskonferenz, die ja über das Wochenende hinweg stattfinden wird. Der amerikanische Außenminister kommt, glaube ich, aus den USA und muss über den Teich fliegen. Insofern sind die Planungen noch nicht ganz abgeschlossen. Darüber werden wir Sie dann noch informieren.

Frage: Zum Besuch des türkischen Ministerpräsidenten: Gibt es über dieses Pressestatement oder diese Presseinformation hinaus noch Termine des türkischen Ministerpräsidenten in Deutschland? Hat dieser Besuch einen besonderen Charakter, den Sie vielleicht beschreiben könnten, oder ist das ein reines Arbeitstreffen?

StS Seibert: Es ist zunächst einmal eine Pressekonferenz, die da vorgesehen ist. Insofern freuen sich die Kanzlerin und der Ministerpräsident sicherlich auch auf Ihre Fragen.

Hinsichtlich der weiteren Termine müsste ich Sie wirklich bitten, die türkische Seite anzusprechen. Ich kann hier im Moment nur den Termin mit der Bundeskanzlerin verkünden.

Zusatzfrage: Zum weiteren Charakter: Ist das ein reines Arbeitstreffen?

StS Seibert: Es gibt zahlreiche internationale Fragen, die sowohl für die Türkei als auch für uns von großer Bedeutung sind. Ich glaube, das erste Thema, das man da nennen muss, ist Syrien. Die Türkei als Nachbar Syriens trägt eine große Last und trägt diese Last im Umgang mit Hunderttausenden von Flüchtlingen auch bewundernswert. Es gibt andere Themen, die uns bilateral verbinden. Ich denke, das ganze Spektrum wird angesprochen werden.

Frage: Ist in die Gespräche mit dem türkischen Ministerpräsidenten in irgendeiner Weise Finanzminister Schäuble eingebunden?

Direkt das Finanzministerium gefragt: Hat die Bundesregierung - nach dem, was in der Türkei im Moment wirtschaftlich los ist, nach den Turbulenzen, die es da gibt, nach einer mehr als Verdoppelung des Leitzinses und angesichts der Tatsache, dass die Türkei ja ein wichtiges Schwellenland ist - Befürchtungen oder Ängste, dass durch solche Turbulenzen möglicherweise weiterreichende Schwierigkeiten beziehungsweise wirtschaftliche Probleme ausgelöst werden? Ist das im Zweifelsfall auch ein Thema für das Gespräch zwischen Erdogan und der Kanzlerin?

StS Seibert: Fragen Sie jetzt mich oder die Kollegin?

Zusatz: Die erste Frage ging an Sie, die andere an Frau Kothé.

StS Seibert: Ich glaube, man muss sich bei den Problemen der Schwellenländer, die derzeit aktuell sind, ein bisschen davor hüten, sie alle über einen Kamm zu scheren. Diese Probleme haben in den unterschiedlichen Ländern natürlich auch sehr unterschiedliche Ursachen. Die Bundeskanzlerin ist - vermutlich genauso wie der deutsche Finanzminister - der Auffassung, dass die Türkei die notwendigen Anpassungen vornehmen wird und auch ihre wirtschaftlichen Probleme überwinden kann. Es ist gut vorstellbar, dass auch die aktuelle Situation ein Thema im Gespräch der Kanzlerin mit Herrn Erdogan werden wird, aber ich möchte hier keine Themen vorwegnehmen, weil wir dann gerne danach darüber berichten werden, was wirklich gesagt wurde.

Kothé: Dieser Bewertung kann ich inhaltlich nichts hinzufügen. Sie wissen, dass sich der Finanzminister gestern auch in Brüssel auf entsprechende Fragen eingelassen hat.

Zu Ihrer ersten Frage: Da muss ich im Augenblick passen; das müsste ich Ihnen nachreichen. Dazu liegen mir im Augenblick keine Informationen vor.

Frage: Herr Seibert, sind die jüngsten Entwicklungen in der Türkei der Anlass für diesen Besuch, oder ist Syrien der einzige Anlass dafür?

StS Seibert: Der Anlass für den Besuch ist schlicht und einfach die Tatsache, dass es zwischen Deutschland und der Türkei - zwei Ländern, die einander durch eine besondere Bindung und auch durch unzählige Menschen verbunden sind - zu regelmäßigen Besuchen und Meinungsaustauschen kommt. Deswegen wird der Ministerpräsident hier sein, und die Kanzlerin wird ihn gerne empfangen, weil sie diesen Dialog schätzt.

Frage: Ich habe eine Frage zur Frühverrentung. Laut Bundesministerin Nahles wird nach einer verfassungskonformen Lösung gesucht. Ich wollte wissen: An welchen Lösungen wird konkret gearbeitet?

Daldrup: Ich kann mich nur auf das beziehen, was die Ministerin persönlich heute Vormittag hier gesagt hat, nämlich genau, dass wir im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens Lösungen prüfen werden, wir aber bisher tatsächlich keine konkrete verfassungskonforme Lösung auf dem Tisch liegen haben.

Frage: Eine Frage an das Bundesverkehrsministerium. Frau Moosmayer, was hat denn Ihr Ministerium dazu bewogen, die Kontrolle dem Vertrauen bei der Deutschen Bahn vorzuziehen, jetzt Messfahrten bei der Bahn durchführen zu lassen und zu gucken, ob das Geld des Bundes auch zielgerichtet eingesetzt wird?

Moosmayer: Ich muss kurz ein bisschen für diejenigen ausholen, denen der Sachverhalt vielleicht noch nicht bekannt ist: Der Bund gibt der Bahn jährlich 2,5 Milliarden Euro. Diese Mittel sind für den Erhalt des Schienennetzes gedacht. Diese Mittel sind an bestimmte Qualitätskriterien gebunden, die in der sogenannten Leistungs- und Finanzierungsverordnung festgelegt sind. Diese wird momentan neu verhandelt. Das heißt, aufgrund der jetzigen Daten, die es gibt, wird eine neue Verordnung zwischen der Bahn und uns ausgehandelt.

Um dafür die Zahlen zu verifizieren, haben wir uns entschieden, die Zahlen, die von der Bahn erhoben werden - Messdaten geologischer Art, also Daten, die die Geometrie der Gleise betreffen -, gegenzuprüfen. Dafür haben wir ein unabhängiges Büro beauftragt. Es werden jetzt 5.000 Kilometer der Gleise abgefahren und geschaut, ob die Zahlen, die wir erheben, mit denen, die die Bahn erhoben hat und in einem Datensystem hinterlegt hat, gleich sind. Falls das nicht der Fall sein sollte, wird gegebenenfalls nachgesteuert. Falls die Zahlen alle so sind, wie wir sie auch erheben, kann man diese später als Datengrundlage für die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung nutzen.

Diese Messfahrten beginnen erstmals ab Februar. Dabei machen wir von einer in dem Vertrag mit der Bahn festgelegten Möglichkeit Gebrauch, auch selber zu kontrollieren.

Frage: Wie hat die Deutsche Bahn auf Ihren Vorstoß reagiert, jetzt eigene Kontrollfahrten vorzunehmen, nachdem fast fünf Jahre lang keine eigenen Fahrten unternommen wurden?

Moosmayer: Ich habe keine negativen Reaktionen erfahren. Das wird jetzt sachlich abgefahren und geprüft. Dann werden diese beiden Datensysteme übereinandergelegt. Meines Wissens hat es keine negative Reaktion gegeben.

Frage: Herr Dobrindt will in allen Zügen und auf allen Bahnhöfen WLAN haben und die Züge leiser machen. Stellt er dafür Geld zur Verfügung?

Moosmayer: Erst einmal geht es nicht um Geld, sondern die Bahn macht das ja schon. Er hat ausgedrückt, dass er es sehr begrüßt, dass die Bahn diese Vorstöße unterstützt. Er hat gestern auf einem Festakt wiederholt, dass diese Anstrengungen der Bahn sehr unterstützt werden. Jetzt muss man gucken, wie man das gemeinsam machen kann. Das läuft ja schon und ist auch etwas, was betriebswirtschaftlich funktionieren muss. Von daher ist erst einmal nicht mehr Geld notwendig, sondern es ist notwendig, dass man es einfach bei der Planung neuer Züge anlegt.

Zusatzfrage: Hat er also etwas gefordert, was die Bahn längst macht?

Moosmayer: Er unterstützt, was die Bahn macht. Das muss eben noch weitergehen. Bislang sind noch nicht alle Bahnhöfe und auch noch nicht alle Züge - natürlich schon viele der ICEs - mit WLAN ausgestattet. Das kann man noch weiter ausweiten und das unterstützen wir sehr.

Frage: Ich habe heute Morgen die Debatte im Bundestag nicht verfolgen können. Ich wollte das Thema Ukraine noch einmal ansprechen. Es gab heute vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft die Forderung an die Bundesregierung, dass sie sich in einer Vermittlerrolle einschalten sollte, um trilaterale Gespräche - EU-Ukraine-Russland - mit dem Ziel auf den Weg zu bringen, letztendlich nicht den inneren Konflikt in der Ukraine, sondern den, in den auch Russland und die EU eingebunden sind, einer Lösung zuzuführen. Gibt es irgendwelche Gedanken, irgendwelche Pläne oder auch nur Prüfungen, eine solche Vermittlerrolle Deutschlands zu starten, zuzulassen?

Schäfer: Die Frage ist ja nicht zum ersten Mal an dieser Stelle gestellt worden. Die Antwort ist auch heute die, dass die Bundesregierung die Bemühungen der Hohen Beauftragten für die europäische Außenpolitik, Lady Ashton, die heute in Kiew ist, mit allem Nachdruck unterstützt. Sie hält sich in Kiew auf, um mit allen Beteiligten auf allen Seiten mit dem Ziel zu sprechen, einen Beitrag dazu zu leisten, das, was in den letzten Tagen tatsächlich geschehen ist, dass nämlich in der Rada, im Parlament der Ukraine, Bewegung entstanden ist, mit Nachdruck zu unterstützen.

Darüber hinaus ist der Außenminister - auch das habe ich vor einigen Tagen schon gesagt, das gilt auch weiter - im Kontakt mit den handelnden Personen auf beiden Seiten. Ich denke, dass die Münchner Sicherheitskonferenz Gelegenheit bieten wird, mit denjenigen aus Kiew, die anzureisen planen - wir müssen einmal schauen, ob sie tatsächlich kommen -, von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Was dann daraus wird, das werden wir sehen.

Immerhin kann man beobachten, dass gestern Bewegung eingetreten ist. Der Außenminister hat das gestern bereits als ein richtiges Signal begrüßt, und das gilt auch heute. Auch heute Nachmittag soll die Rada wieder tagen. Es stehen einige wichtige Punkte auf der Tagesordnung, unter anderem die Amnestie und die Freilassung von festgenommenen Protestierenden. Da gilt weiter, dass wir uns sehr eindringlich wünschen würden, dass es dabei eine Lösung gibt, die die legitimen Wünsche der Menschen befriedigt.

Zusatzfrage: Von einer dezidierten Vermittlungsrolle Deutschlands ist in der Bundesregierung jetzt nicht die Rede?

Schäfer: So ist es.

Frage: Herr Seibert, zwei Fragen an Sie zu den Terminen der Bundeskanzlerin und auch zu der Ukraine. Frau Merkel wird sich am Freitagvormittag mit dem polnischen Ministerpräsidenten treffen. Herr Tusk hat gestern nur ein Thema des Gesprächs genannt, nämlich die Ukraine. Was können wir von diesem Treffen am Freitagvormittag erwarten?

Zweitens. Wäre die Bundesregierung bereit, die Ukraine auch mit einer finanziellen Hilfe zu unterstützen? Wenn ja, in welcher Höhe, ab wann und unter welchen Bedingungen? - Vielen Dank.

StS Seibert: Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe hier die Gewohnheit, nicht Erwartungen an Treffen auszudrücken, sondern bekanntzugeben, dass es Treffen gibt. Es ist dann beispielsweise die Sache der anschließenden Pressekonferenz, um möglicherweise Ihre Frage an die Erwartungen oder das in diesem Treffen Geleistete loszuwerden. Es ist ganz selbstverständlich, dass die Ukraine ein zentrales Thema bei diesem Treffen sein wird. Ich halte es aber auch nicht für ausgeschlossen, dass es noch andere Themen gibt; es gibt ja auch in Europa einigen Gesprächsbedarf.

Ich will einfach noch einmal auf das verweisen, was die Bundeskanzlerin ganz zu Beginn ihrer Regierungserklärung und bevor sie zu den Absichten der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode kam, zur Ukraine gesagt hat, was ja auch schon ein bisschen die Wichtigkeit des Themas für uns im Moment ausdrückt:

Sie hat gesagt, dass durch den Druck der Demonstrationen jetzt offensichtlich ernsthafte Gespräche zwischen dem Präsidenten und der Opposition über die notwendigen politischen Reformen möglich werden.

Sie hat gesagt, dass das Kanzleramt, der Bundesaußenminister und selbstverständlich auch die deutsche Botschaft in Kiew alles innerhalb ihrer Möglichkeiten tun, um eine solche friedliche Beilegung des Konflikts zu unterstützen, um dafür zu sorgen, dass die berechtigten Anliegen der Demonstranten auch Gehör finden. Das ist, glaube ich, die zentrale Aussage, die von heute Morgen festzuhalten ist.

Sie hat auch noch einmal gesagt, dass das Angebot eines Assoziierungsabkommens natürlich weiterhin besteht, dass die Tür für die Unterzeichnung dieses Abkommens weiterhin offen ist. Wir haben hier an dieser Stelle schon häufig über die wirtschaftlichen Vorteile, die die Ukraine vom Abschluss dieses Abkommens hätte, gesprochen - ganz handfeste, auch in Zahlen auszudrückende wirtschaftliche Vorteile.

Frage: Herr Seibert, ich habe die Rede der Kanzlerin heute im Bundestag verfolgt; da hat sie ja auch das Thema NSA angesprochen, wie angedeutet wurde. Habe ich das richtig verstanden, dass sie dieses Thema und vor allem die Verhandlungen jetzt zur Chefsache macht?

Sie hat sich außerdem gegen eine Aussetzung der Diskussion über ein Handelsabkommen ausgesprochen. Was hätten die Vereinigten Staaten vor diesem Hintergrund denn davon, jetzt ein No-Spy-Abkommen mit Deutschland abzuschließen?

StS Seibert: Herr Jordans, ich möchte jetzt ungern die Rede der Kanzlerin, die zu diesem Punkt ja wirklich sehr deutlich war und für sich steht, weiter interpretieren. Die Einschätzung, was Chefsache ist - ein bei Journalisten viel beliebterer Begriff als auf dieser Seite des Tisches -, muss ich wirklich Ihnen überlassen. Ich erinnere aber daran, dass die Bundeskanzlerin beispielsweise schon im Sommer an dieser Stelle ihre acht Punkte vorgetragen hat, mit denen wir auf die Enthüllungen und Informationen, die damals, im Sommer, bekannt wurden, reagieren wollen. Es war in dieser Hinsicht immer eine Angelegenheit, die der Bundeskanzlerin von besonders großer Bedeutung war und bei der sie sich auch sehr stark selber eingebracht hat. Da hat sich also nichts verändert. Das ist das, was ich dazu sagen will.

Im Übrigen hat die Bundeskanzlerin auch darüber gesprochen, mit welchen Überzeugungen die deutsche Seite, die Bundesregierung, die Gespräche mit den amerikanischen Partnern führt. Ich habe dem hier nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Vielleicht sollte ich die Frage nach der Chefsache noch einmal erläutern: Meine Frage war, ob sie jetzt persönlich an den Verhandlungen teilnehmen will oder ob das weiterhin Leute unterhalb ihres Rangs für sie erledigen wollen. Wird sie in Washington über dieses Thema verhandeln?

StS Seibert: Ich erinnere noch einmal daran, dass bereits Anfang Juni, als Präsident Obama hier in Berlin zu Besuch war, die Bundeskanzlerin mit ihm ganz persönlich - und im Übrigen sehr ausführlich - über dieses Thema, das damals gerade hochgekommen war, gesprochen hat. Sie hat seitdem mehrmals mit ihm über dieses Thema telefoniert und sie wird selbstverständlich auch auf ihrer Washington-Reise über dieses Thema sprechen. Trotzdem ist es bei Gesprächen zwischen zwei Regierungen auch üblich, dass auch andere - Minister und die Arbeitsebene - mit solchen Gesprächen befasst sind.

Frage: Ich möchte noch einmal das Finanzministerium fragen, verbunden mit der Entschuldigung, dass ich nicht ganz auf dem Laufenden über die Berichterstattung der letzten drei Stunden bin: Was hält die Bundesregierung von den Trennbankenvorschlägen von Herrn Barnier? Haben sie irgendwelche absehbaren Auswirkungen auf die deutsche Gesetzeslage? Denn in Deutschland gibt es ja schon Vorschläge für ein Trennbankensystem.

Kothé: Wir begrüßen, dass die Kommission jetzt einen Vorschlag vorgelegt hat, um riskante Bankgeschäfte bei großen Banken abzuschirmen, und damit die Empfehlung der Liikanen-Expertengruppe aufgegriffen hat und damit auch eine deutsch-französische Initiative aufgreift; denn sowohl Deutschland als auch Frankreich haben ja schon im letzten Jahr - Sie haben gerade zu Recht darauf hingewiesen - eigene Trennbankengesetze auf den Weg gebracht und umgesetzt. Insofern: Ja, wir bewerten das insgesamt als positiv.

Ein wichtiger Punkt aus unserer Sicht ist - das ist unsere erste Einschätzung -, dass das Universalbankensystem erhalten bleiben soll. Somit käme es auch zu keinen für uns im Augenblick erkennbaren negativen Folgen, was die Finanzierung der Realwirtschaft anbetrifft.

Der Vorschlag ist nach meiner Kenntnis aber erst wenige Stunden alt, insofern bitte ich um Nachsicht, dass wir noch nicht alle Details ausgewertet haben. Das wird in den nächsten Wochen passieren, und wir werden die Diskussion auf europäischer Ebene dann natürlich intensiv vorantreiben.

Zusatzfrage: Ich habe heute in einer Zeitung von Herrn Barnier sinngemäß den Satz gelesen: An der deutschen Rechtslage wird sich nichts ändern. Ist das nach dem Befund und den ersten Prüfungen des Finanzministeriums so?

Zweitens spricht Herr Barnier von einem Verbot gewisser Handelsgeschäfte. Ist das etwas, was die Bundesregierung, die ja nicht mit Verboten in dieser Sache agiert, negativ bewertet?

Kothé: Wie gesagt, zu den Einzelheiten kann ich nichts sagen. Ob es bei unserer nationalen Gesetzgebung noch Anpassungsbedarf gibt, lässt sich - mit Verlaub - schlicht und ergreifend nicht absehen. Was am Ende im Rat verabschiedet wird, wird man sehen. Wir haben - ich habe gerade schon darauf hingewiesen - letztes Jahr ein Trennbankengesetz verabschiedet. Jetzt brauchen wir erst einmal Zeit, die Details zu prüfen. Vielleicht geben Sie die uns einfach auch.

Zusatz : Na gut.

Frage: Zur Münchner Sicherheitskonferenz: Die Bundesregierung zahlt einen erheblichen Teil der Kosten dieser Münchener Sicherheitskonferenz. Können Sie vielleicht einmal begründen, Herr Seibert, warum das so ist? Warum gibt es so viel Geld dafür, warum werden auch Angehörige der Bundeswehr eingesetzt, um diese Konferenz zu schützen oder mit Fahrdiensten zu unterstützen, und seit wann ist das so?

StS Seibert: Seit wann es diese Zuwendung gibt, kann ich Ihnen aus dem Kopf nicht sagen; das kann ich aber sicherlich nachreichen. Grundsätzlich ist die Münchner Sicherheitskonferenz ein ganz zentrales Forum für die Debatte von Themen, die uns als Deutschen, als Bundesregierung besonders wichtig sind. Die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft, die Behandlung aktueller Konflikte, die zukünftige europäische Verteidigungspolitik: Das alles wird dort mit einer solchen Vielzahl von Akteuren aus aller Welt diskutiert, wie man sie sonst nie zusammenbekommt. Das ist eine für alle Teilnehmer und eben auch für die Bundesregierung sehr fruchtbare Veranstaltung. Deswegen werden ja auch in diesem Jahr wieder zahlreiche oder jedenfalls mehrere Bundesminister - ich glaube, vier - daran teilnehmen und deswegen hat in der Vergangenheit auch die Bundeskanzlerin an dieser Konferenz schon selber teilgenommen - dieses Jahr nimmt sie allerdings nicht teil.

Zusatzfrage: Die Sicherheitskonferenz wird ja seit 2011 von einer privatwirtschaftlich geführten GmbH organisiert. Ist das vielleicht ein prinzipieller Grund, die Finanzierungsfrage noch einmal zu überdenken? Oder gibt es andere Veranstaltungen, die ebenfalls von einer privatwirtschaftlichen GmbH organisiert werden, die die Bundesregierung in ähnlicher Form unterstützt, wo sie also Geld dazugibt, damit die Veranstaltung durchgeführt werden kann?

StS Seibert: Ich kann Ihnen zu den Finanzierungsfragen gern eine Antwort nachreichen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 29. Januar 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/01/2014-01-29-regpk.html;jsessionid=CF137896C9FA575293D25D94AF5B10D9.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2014