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PRESSEKONFERENZ/778: Kanzlerin Merkel und der griechische Ministerpräsident Samaras, 11.04.14 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz in Athen - Freitag, 11. April 2014
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras am 11. April 2014

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)



Ministerpräsident Samaras: Ich heiße heute die Freundin und Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland sehr herzlich hier in Athen willkommen.

Natürlich haben sich die Dinge seit dem ersten Mal, als ich Sie, Frau Bundeskanzlerin, im August 2012 in Berlin besucht habe, aber auch seit Ihrem ersten Besuch in Athen im Herbst 2012, sehr verändert. Ich hatte damals gesagt, dass Griechenland seine Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen würde und dass Griechenland und die Griechen sowohl die Kraft als auch die Fähigkeit besitzen, Dinge zustande zu bringen. Ich bin der Auffassung, dass wir uns durch die Opfer, die das gesamte griechische Volk erbracht hat, die Solidarität unserer Partner und natürlich die Solidarität seitens Deutschlands hier heute in einer ganz anderen Situation befinden und ein ganz anderes Schicksal haben. Griechenland hat es geschafft es ist ein neuer Tag, der heute beginnt.

Wir hatten Gelegenheit, mit der deutschen Bundeskanzlerin über Themen zu diskutieren, die sowohl den Fortschritt der griechischen Wirtschaft als auch die Entwicklung der griechischen Präsidentschaft im Rahmen der Europäischen Union betreffen. Ich habe die Bundeskanzlerin auch offiziell über unseren erfolgreichen Gang an die Finanzmärkte informiert. Wir haben erfolgreich unsere Anleihen platziert, wir haben eine deutliche Überzeichnung, aber auch hervorragende Zinsen erreicht. Auch die Beteiligung von großen und kleinen Investoren aus dem Ausland ist beeindruckend. Das zeigt das Vertrauen der Finanzmärkte in Griechenland, in das griechische Volk und in unsere Zukunft.

Wir sind uns darin einig, dass die Anstrengungen fortgesetzt werden sollten. Aber die Entwicklungen, die in der letzten Zeit verzeichnet wurden das Ausmaß des Primärüberschusses, die Rückkehr in die Welt, sind etwas, was ganz besonders (hervorgehoben werden sollte). Angesichts der Entscheidung von Ecofin vor zehn Tagen und jetzt unserer Rückkehr an die Finanzmärkte soll hier meines Erachtens auch ganz klar zum Ausdruck gebracht werden das ist etwas, was die Bundeskanzlerin auch sehr wohl weiß, und wir sollten das auch wirklich wiederholen: Das ist zurückzuführen auf die enorm großen Anstrengungen und Opfer und die enorm große Geduld des griechischen Volkes. Die Hauptsache allerdings ist, dass all das zeigt, dass Griechenland die Schwierigkeiten zurückgelassen hat, aber auch die gesamte Zeit der erschütterten Glaubwürdigkeit unsere Landes, der Infragestellung unserer weiteren Präsenz in der Eurozone zurücklassen konnte. All das ist endgültig vorbei.

Ich möchte hier auch vollkommen klar ausdrücken, dass die Anstrengungen fortgesetzt werden. Natürlich haben wir Reformen, die abgeschlossen werden. Denn wir sehen ja schon jetzt: Die Reformen und der Reformkurs stützen die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Sicherlich kehrt Griechenland zurück zur Normalität, aber Griechenland schafft vor allen Dingen wieder den Weg zurück zum Wachstum. Priorität hat hier die Stärkung des Wachstums und die Gewährleistung der primären Überschüsse, um hiermit tatsächliche Erleichterungen der griechischen Wirtschaft zu ermöglichen, damit Ungerechtigkeiten so bald wie möglich wieder abgestellt werden können.

Die größte Ungerechtigkeit ist, wie Sie alle wissen, die Arbeitslosigkeit ganz besonders die Arbeitslosigkeit unter den jungen Griechen. Ich habe die Bundeskanzlerin darüber informiert, dass wir vorgestern von der Eurostat offiziell die Ergebnisse und die Daten aus dem Dezember und Januar erhalten haben, und zum ersten Mal zeigen diese Daten, dass die Arbeitslosigkeit leicht zurückgeht. Das ist meines Erachtens wichtig; denn Wachstum und der Rückgang der Arbeitslosigkeit müssen unsere absolute Priorität sein.

Auch die Reformen, die bis jetzt durchgeführt worden sind und auch die, die jetzt im Gange sind, und die, die morgen umgesetzt werden, haben ja nur eines als Ziel: Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft, sodass es zum Aufschwung kommen kann, und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich habe gegenüber der Bundeskanzlerin unterstrichen: Unser großes Anliegen ist die Liquidität. Natürlich ist die Rückkehr des Landes an die Märkte und auch die Kapitalisierung auf den Märkten etwas, was die Normalisierung beschleunigt; aber auch Weiteres kann getan werden immer im Rahmen der Regeln und des Programms.

Griechenland erreicht jetzt seine Ziele, und aus diesem Grund sind wir der Auffassung, dass wir kein weiteres Hilfspaket benötigen. Auch haben wir darüber gesprochen, dass es vor dem Hintergrund der neuen Realität nämlich dass Griechenland bewiesen hat, dass es seine Probleme überwinden und seinen Verpflichtungen nachkommen kann eine Fortsetzung der Anstrengungen geben muss. Wir möchten hinsichtlich bestimmter Ziele, die in diesem Programm festgelegt sind, Fortschritte erzielen; denn wir sind natürlich ganz besonders daran interessiert, an die Märkte zu gehen so schnell wie möglich und mit Sicherheit und die Dinge besser zu gestalten, als wir es selbst erwartet hatten.

Natürlich haben wir auch über die griechische Präsidentschaft gesprochen, in der wir trotz der kurzen Zeit bis zu den Wahlen Sie wissen ja, dass wir uns schon im Wahlkampf befinden einiges Wichtiges erreichen konnten. Dabei hat uns vor allem eine Regelung über den SRM beschäftigt. Das ist etwas sehr Wichtiges für uns, weil wir natürlich die Bankenunion innerhalb Europas vorantreiben wollten. Uns haben aber auch andere Themen beschäftigt, ganz deutlich zum Beispiel Probleme unserer Außenpolitik. Der Beitrag und die Präsenz unseres Außenministers und der griechischen Regierung waren in diesem Zusammenhang von besonderem Nutzen.

Die Bundeskanzlerin hat ihre Zufriedenheit über die Entwicklung von Griechenland, aber auch über die Entwicklung der bilateralen Beziehungen und auch der Wachstumsinitiative, die Priorität bekommen soll, zum Ausdruck gebracht.

Wir hatten gerade Gelegenheit gehabt, mit hochtalentierten jungen Menschen, Vertretern der sogenannten Start-ups, also den Gründern von neuen Unternehmen, zu diskutieren. Sie repräsentieren letztendlich die Zukunft Griechenlands. Wir hatten aber auch eine sehr wertvolle Diskussion mit Vertretern der griechischen Wirtschaft vor allen Dingen von Exportunternehmen geführt, die dieser Krise standhalten konnten. Wir haben über Leistungen gesprochen, die wir im Technologiebereich, im Energiesektor, im Gesundheitssektor und Ähnlichem erreichen können.

Ich möchte hier noch einmal betonen, wie kritisch die Frage der Liquidität für Griechenland ist. Gerade für den Mittelstand ist diese Frage von besonderer Wichtigkeit; denn sie haben schließlich dieses Wachstumspotenzial. In diesen Bereich des Wachstums ist auch die Beteiligung Deutschlands einzubetten. Es geht hier um den Wachstumsfonds, der gerade für den Mittelstand geschaffen und gestaltet wird. So können griechische Unternehmen Zugang zur Finanzierung für ihre Investitionen bekommen, sie bekommen aber auch eine Nähe zu den internationalen Märkten. Das ist ein Wachstumsfonds, der letztendlich den ersten Schritt darstellt einen Schritt, der sich hin zu einer Entwicklungsbank weiterentwickeln kann.

So beginnen wir, unsere Perspektiven für die Wirtschaft Griechenlands aufzubauen, aber auch ein besseres Fundament für die deutsch-griechischen Beziehungen für die Zeit nach 2016 zu schaffen. Das Hauptziel und Hauptcharakteristikum sind hier die nachhaltige Entwicklung unseres Landes und Wachstum unseres Landes für viele Jahre in der Zukunft.

Ich möchte der Bundeskanzlerin ein großes Dankeschön für ihre Anwesenheit hier, für ihren Besuch, für die Solidarität, die sie gegenüber dem griechischem Volk gezeigt hat das hat sie auch letztes Jahr getan, aussprechen. Auch das griechische Volk hat hier einen Beitrag geleistet. Zum Beispiel war im letzten Jahr in der touristischen Saison die Präsenz der Deutschen sehr deutlich. Wir hoffen dasselbe auch für dieses Jahr. Unsere Zusammenarbeit ist sehr eng, und das wird sie immer sein.

Ich meine, dass Griechenland durch die Reife, die sein Volk gezeigt hat, und mit den Opfern, die es erbracht hat, auch nachgewiesen hat, es schaffen zu können. Das ist die beste Antwort an diejenigen, die Griechenland infrage gestellt haben, und diejenigen, die letztendlich das Scheitern dieser Anstrengungen voraussagten. All das gehört nun aber der Vergangenheit an. Uns beschäftigt nun nur eines, und zwar unsere Zukunft.

Frau Merkel, noch einmal herzlich willkommen in Athen!

Bundeskanzlerin Merkel: Danke schön, auch für den freundschaftlichen Empfang, den ich hier heute erfahren durfte, und für die Möglichkeit, vor unseren Gesprächen junge Start-up-Unternehmer sowie auch vier Teilnehmer aus dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und Vertreter der griechischen Wirtschaft kennenzulernen.

Wenn ich die Diskussion verfolge, die wir heute mit den Wirtschaftsvertretern und auch den jungen Unternehmensgründern geführt haben, dann zeigt sich daran wie auch an vielen anderen Fakten, dass sich in den letzten anderthalb Jahren sehr, sehr viel in Griechenland getan hat und dass angesichts harter Fakten, die zeigen, dass sich die sehr schwierigen Reformanstrengungen gelohnt haben und Fortschritte zu sehen sind, der Blick heute sehr klar in die Zukunft gerichtet wird.

Ich weiß, dass gerade die Menschen, die arbeitslos sind und hier insbesondere die jungen Menschen eine unglaublich harte Zeit durchlebt haben und auch weiter durchleben. Der Weg ist noch nicht zu Ende gegangen, aber es gibt einige Dinge, die sehr gut sind der Ministerpräsident hat sie aufgezählt : Das hat einmal mit der Haushaltssituation und dem Primärüberschuss zu tun, das hat mit der Rückkehr von leichtem Wachstum und auch mit den ersten zarten Anzeichen für eine Verbesserung oder wenigstens leichte Stagnation und leichte Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt zu tun.

Der Weg ist trotzdem noch weit, und es ist klar: Wir müssen vor allen Dingen Bedingungen dafür schaffen, dass die Wirtschaft in Griechenland wieder zeigen kann, was in ihr steckt. Da hat mich das Treffen mit den Start-up-Unternehmern, mit den jungen Leuten heute schon sehr optimistisch gestimmt; denn sie haben uns allen bzw. uns beiden noch einmal ins Stammbuch geschrieben, was sie auch von Europa erwarten: weniger Bürokratie, mehr einheitliche Gründungsbedingungen, mehr gemeinsamer Binnenmarkt gerade im Dienstleistungssektor. Das haben sie sehr selbstbewusst vorgebracht und auch immer wieder mit dem Vergleich verbunden: Wie sieht das in den Vereinigten Staaten von Amerika aus und wie können wir in Europa wettbewerbsfähig werden? Das war somit eine Diskussion, die nicht nur aus griechischer Sicht, sondern auch aus europäischer Sicht sehr wichtig war.

Ich möchte sagen, dass wir durch die Politik der Regierung die ja den Menschen viele Opfer abverlangt hat, die aber auch für die Regierung eine sehr harte Wegstrecke war heute sehen, dass Griechenland seine Versprechen erfüllt hat, dass die Abmachungen eingehalten werden. Die Haushaltslage sieht besser aus, als wir das für diesen Zeitpunkt erwarten wollten. Ich bin optimistisch, dass dieser Weg fortgesetzt werden kann. Deshalb glaube ich auch, dass es jetzt ganz wichtig ist, wenn wir im April noch die Bestätigung von Eurostat bekommen, was den Primärüberschuss anbelangt, und man in den nächsten Monaten diskutieren wird: Wie geht es weiter, damit Griechenland Schritt für Schritt wieder an die Märkte zurückkehren kann?

In diesem Zusammenhang war der gestrige Tag ein wichtiger Tag. Es ging ja nicht nur um Anleihen in Höhe von 3 Milliarden Euro, die man auf den internationalen Finanzmärkten platzieren kann, sondern es ging um die Rückkehr eines Stücks Selbstständigkeit und vor allen Dingen auch um ein Signal an die Wirtschaft, dass es möglich ist, die Liquiditätsversorgung wieder zu verbessern.

Deutschland möchte gerade bei der Liquiditätsversorgung helfen, deshalb werden wir beim Aufbau einer "Institution for Growth", also einer Wachstumsinstitution, mit einem Globaldarlehen von 100 Millionen Euro mithelfen. Das haben wir lange besprochen, die Finanzminister haben daran gearbeitet und ich freue mich, dass das jetzt sehr gut auf den Weg gebracht ist.

Unsere Versprechen, was wir seitens Deutschlands an Unterstützung leisten, setzen wir Schritt für Schritt um. Das ist einmal die Unterstützung im Krankenhausmanagement, das sind die Unterstützung im Verwaltungsaufbau und die Unterstützung in der Frage der erneuerbaren Energien. Wir haben mit Herrn Fuchtel auch jemanden, der sich darum kümmert, dass sich die deutsch-griechischen Beziehungen gerade auf der Ebene von gelebten Beispielen zeigen. Gerade in der Tourismusbranche und in der Landwirtschaftsbranche bestehen ja riesige Wachstumspotenziale, etwa durch die Verbesserung der Wertschöpfungskette bei der Landwirtschaft oder die Verlängerung der Saison im Bereich des Tourismus. Ich bin auch sehr beeindruckt über die Fortschritte bei den Tourismuszahlen. Ich glaube, so, wie wir jetzt über Griechenland sprechen, werden auch in diesem Jahr wieder viele Deutsche Lust haben, Griechenland zu besuchen.

Ich möchte auch danken für die Präsidentschaft, die Griechenland im Augenblick wahrnimmt. Der Ministerpräsident, der Außenminister und der Finanzminister haben hart zu arbeiten gehabt. Die Bankenunion war ein riesiges Projekt; sie ist auf der Zielgeraden. Dass die Schaffung des SRM-Mechanismus jetzt erfolgreich abgeschlossen werden konnte, ist sehr wichtig. Diese Präsidentschaft ist auch geprägt durch große außenpolitische Schwierigkeiten ich denke an das Thema Ukraine und Russland. Insofern haben wir hier sehr gut zusammengearbeitet, aber Griechenland hat neben den Aufgaben, die es sozusagen zu Hause zu lösen hat, eben auch hier eine herausragende Rolle gespielt, und es spielt diese Rolle natürlich auch noch weiter bis Ende Juni.

Herzlichen Dank, lieber Antonis, für unsere freundschaftliche Zusammenarbeit, und herzlichen Dank auch, dass ich hier heute empfangen wurde. Wir werden das darf ich sagen Griechenland und die Menschen in Griechenland auch weiter dabei unterstützen, auf einem guten Weg in die Zukunft zu gehen. Griechenland hat mehr Chancen als Probleme, das ist meine Überzeugung. In diesem Geiste wollen wir auch unsere Zusammenarbeit weiter ausbauen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, glauben Sie, dass sich angesichts der Entwicklungen, die Sie beide gerade als recht positiv beschrieben haben, die Diskussion über ein drittes Hilfspaket erledigen wird?

Herr Ministerpräsident, können Sie uns noch einmal erklären, welcher besondere Effekt für Sie darin besteht, Staatsanleihen auf den Finanzmärkten zu einem Zinssatz von 4,5 Prozent zu platzieren, wenn Sie das Geld für weniger Zinsen aus den Hilfsprogrammen bekommen können?

Merkel: Die Diskussion um das weitere Vorgehen in Bezug auf Griechenland wird natürlich nicht allein aufgrund des Zeitablaufs oder Ähnlichem für erledigt betrachtet werden können, sondern wir werden, wie ich schon gesagt habe, am 23. April die Eurostat-Zahlen bekommen. Dann wird man wissen, wie der Primärüberschuss auch aus europäischer Sicht aussieht. Dann werden am 5. Mai die Finanzminister zusammenkommen, und sie werden schauen: Was hat Griechenland erfüllt ich glaube, das sieht sehr gut aus, und wie geht es weiter?

Außerdem weiß man, dass das jetzige Programm Ende 2014 auslaufen wird. Das heißt, in den nächsten Monaten wird man diskutieren: Wie sind die Fakten? Wie sind die Tatsachen? Was folgt daraus? Was folgt daraus bezüglich der Fragestellung, wie es weitergeht? Was folgt daraus bezüglich der langfristigen Schuldentragfähigkeit?

Diese beiden Diskussionen werden geführt werden. Aber sie werden natürlich ganz anders geführt werden, wenn Griechenland die Dinge erfüllt hat, wenn die Finanzsituation besser aussieht und wenn man dann auch noch die Ergebnisse der Stresstests im Rahmen der Bankenüberwachung in Europa kennt. Darüber werden wir im Herbst eine gute Übersicht haben. Ich glaube, wir kommen da ganz einvernehmlich zu Lösungen. Wir werden weiterhin mit Griechenland diskutieren, aber, wie ich finde, in einem sehr viel optimistischeren Klima, als wir es hatten. Was genau noch zu tun ist, werden die Finanzminister Schritt für Schritt beraten.

Samaras: Zuallererst würde ich gerne eine politische Antwort geben. Wir waren bis heute und bis gerade eben Geisel eines Unvermögens, an die Märkte zu gelangen. Der Grund dafür, dass wir die Memoranden benötigten, war, dass wir eben kein Geld leihen konnten. Gerade eben haben wir diese große Bewegung erreicht. Wir können nicht nur Geld an den Finanzmärkten bekommen, sondern die Anleihe wurde um das Achtfache überzeichnet, und zwar mit einer Nominalverzinsung von weniger als 5 Prozent, nämlich von 4,75 Prozent niemand hat so etwas erwartet, und das auf einem Markt, der auf diese Art auf eine positive Weise gezeigt hat, dass er einfach für Griechenland ist.

Aber auch auf der Ebene der Mathematik gebe ich jetzt eine Antwort, eine andere Antwort: Der gesamte Rückgang der Zinsen wir hatten in den letzten Tagen schon einen Vorgeschmack bekommen, und das wird vorangetrieben gibt den griechischen Unternehmen die Gelegenheit, an billigeres Geld zu gelangen. Gleichzeitig hat Griechenland auch die Möglichkeit, sich morgen wieder an die Märkte zu wenden, um noch billigeres Geld zu fordern. Wir haben nur 3 Milliarden bekommen, und das haben wir natürlich so gemacht, weil wir davon ausgehen, dass die Zinsen weiter fallen werden. Das ist also ein Zeichen der Unabhängigkeit und auch der Rückkehr zur Normalität. Das ist nun einmal eine Normalität, die wir durchleben.

Es gibt darüber hinaus allein auch den Punkt der Kosten des Geldes für die Unternehmen. Ich würde gerne ein Beispiel anführen. Die Kosten für die sogenannten T-Bills, also für die Staatsanleihen, sind um mindestens 2 Prozent zurückgegangen. Wenn wir das nun mit 15 Milliarden Euro multiplizieren, dann sehen wir, dass wir allein durch diesen Rückgang mehr als 300 Millionen Euro Profit erzielen können. Mit anderen Worten bedeutet das, dass wir auch in nominellen Zahlen auf diese Weise einen absolut positiven Profit für die griechische Wirtschaft erzielen können.

Mit anderen Worten ist diese Argumentation, wonach wir nicht an die Märkte gehen sollten, weil wir billigeres Geld von Europa bekommen, meines Erachtens eine Argumentation, die nicht die politische Realität eines Landes berücksichtigt, das sich endlich befreien konnte. Sie berücksichtigt auch nicht die realen Kosten; denn diese Kosten wären ja sehr hoch, gerade bei den T-Bills. Auch die Kosten der Unternehmen würden natürlich höher ausfallen, weil, wie Sie sich vorstellen können, die Banken jetzt wunderbar an die Märkte gehen und erwarten können, dass sie Geld bekommen. Das war im Übrigen der Fall, bevor diese Anleihe überhaupt ausgegeben wurde. Wir sehen also hier, wie die positiven Entwicklungen ausgestaltet werden können, auch für die Zukunft.

Frage: Herr Samaras, Griechenland konnte an die Märkte gehen. Was heißt das für die Verpflichtungen, die wir haben - als Land, aber auch gegenüber den EU-Mitgliedern?

Frau Merkel, was haben die griechischen Bürger von dieser Rückkehr an die Märkte zu erwarten? Ist das etwas, das den europäischen Partnern dabei helfen wird, uns zu unterstützen?

Merkel: Uns freut das natürlich. Für uns ist das doch auch ein Zeichen dafür, dass wieder Vertrauen in Griechenland zurückgekehrt ist. Der Ministerpräsident hat mir gerade eine lange Kurve gezeigt: Vor der gesamten krisenhaften Situation lag das Zinsniveau für zehnjährige griechische Staatsanleihen bei 4 Prozent. Gestern betrug es 4,75 Prozent. Davor lag es einmal bei 25 Prozent, bei 30 Prozent oder bei mehr als 30 Prozent. Was bedeutet denn das, wenn man jetzt wieder bei 4,75 Prozent angelangt ist und die gute Erwartung hat, dass, wenn die Dinge weiter erfüllt werden, die Zinsen vielleicht noch weiter sinken? Das bedeutet doch, dass man einen Schritt in die Normalität macht - natürlich noch mit diesem Schirm, den es gibt. Aber Schritt für Schritt wird man sich natürlich auch von diesem Schirm befreien können.

Ich kann einfach nur sagen: Mich freut das, weil es zeigt, dass wir bei allen Beschwernissen und schwierigen Dingen auf dem Weg in eine Zone zurückkehren, in der wir uns wieder mit anderen Problemen als mit Zinssätzen beschäftigen können, und es gibt noch genügend Probleme, wenn ich an die Arbeitslosigkeit und viele andere Dinge denke.

Das wird das ist das Zweite, weswegen es mich freut eine indirekte Rückwirkung auf die Finanzierung der Unternehmen haben. Die Unternehmen werden von den europäischen Rettungsschirmen nicht erfasst. Die Unternehmen müssen weiterhin schauen, woher sie ihr Geld bekommen. Die Bankenunion ist dafür ganz wichtig, also die Tatsache, dass die griechischen Banken wieder in einem guten und vertrauenswürdigen Zustand sind. Das Zweite ist eben, dass Vertrauen auf den internationalen Finanzmärkten vorhanden ist. Das hängt ja miteinander zusammen: das Vertrauen in den Staat und das Vertrauen in die Unternehmen in dem Staat. Das ist beide Male einfach ein Grund zur Freude und dafür, dass man sagt: Glückwunsch, dass das jetzt so gelungen ist!

Samaras: Sie haben auch die Wahlen angesprochen. Bei dem, was ich bis jetzt gemacht habe, habe ich nicht immer die nächsten Wahlen vor Augen gehabt. Ich habe nur Griechenland vor Augen gehabt, allein das. Ich schaue nach vorne. Wissen Sie, was ich sehe? Ich sehe, dass sich der Weg für langjähriges Wachstum ebnet, und zwar durch das Einschlagen eines Wegs in Richtung des Ausgangs aus der Krise. Diese Richtung haben wir offensichtlich und eindeutig eingeschlagen.

Ich möchte noch etwas anderes hinzufügen: Diese Regierung ist eine Regierung, die genau weiß, wohin sie möchte. Wir wissen, wie wir dies tun werden, und wir wissen auch, wie wir dorthin kommen, wohin wir kommen möchten. Weil ich nicht nur Optimist, sondern auch Realist bin, sage ich Ihnen, dass ich absolut sicher bin, dass wir unser Ziel auch erreichen werden. Ich denke, dass das etwas ist, das mittlerweile nun einmal alle verstehen.

Frage: Ich habe eine Frage an beide, die Kanzlerin und den Ministerpräsidenten. Sie haben gestern beide Post von Herrn Putin bekommen, was russische Gaslieferungen angeht. Ich hätte ganz gerne gewusst, wie besorgt Sie sind, dass die Versorgung mit Gas durch die Ukraine-Krise tatsächlich für beide Länder unterbrochen werden könnte. Haben Sie darüber gesprochen, wie die EU auf diesen Brief von Herrn Putin reagieren sollte?

Merkel: Ja, wir haben beide diesen Brief bekommen, wie elf andere europäische Länder auch. Wir haben heute darüber gesprochen. Ich glaube, dass dieser Brief darauf hinweist, dass es erstens Schulden der Ukraine gegenüber Russland gibt das wissen wir alle und dass zweitens die europäische Gasversorgung auch eng mit der Situation in der Ukraine verbunden ist. Deshalb gibt es guten Grund, diesen Brief zum Anlass dafür zu nehmen, darauf seitens Europa in einer geschlossenen Weise zu antworten.

Es wird am nächsten Montag ein Außenministertreffen geben. Dort wird die Agenda des wahrscheinlich stattfindenden Vierer-Treffens des amerikanischen, des russischen und des ukrainischen Außenministers sowie der Außenbeauftragten der Europäischen Union, Frau Cathy Ashton, besprochen werden. Die Außenminister werden die Agenda dieses Treffens besprechen und damit Frau Ashton auch die Möglichkeit geben, dass das Thema der Gaspreise auch bei diesem Treffen ein Thema sein wird. Dann wird es die Möglichkeit geben, das wieder in die Europäische Union hinein zurück zu spiegeln; denn der Energiekommissar Günther Oettinger sicherlich auch zusammen mit dem ukrainischen Energieminister, mit Gazprom und mit dem russischen Energieminister muss Wege dafür suchen, wie wir die verschiedenen Aufgaben sozusagen lösen können.

Wenn wir diese Schritte gegangen sein werden, wird man sicherlich auch eine einheitliche europäische Antwort der 13 Empfänger bekommen. Unsere Probleme sind nämlich alle die gleichen: Wir beziehen Gas von Gazprom. Wir wollen gute Kunden sein. Wir wollen uns auf die russischen Gaslieferungen verlassen können, und die Ukraine ist auf diese Gaslieferungen auch angewiesen.

Das ist das, was wir jetzt im Großen und Ganzen miteinander besprochen haben. Dabei gibt es auch keine Meinungsunterschiede. So werden wir das jetzt angehen.

Samaras: Ich bin, was das Prozedere betrifft, genau der gleichen Auffassung, die die Kanzlerin vorgetragen hat. Wir haben vorhin darüber diskutiert. Genau diese Vorgehensweise gestaltet sich jetzt in Brüssel.

In der Tat gibt es hier eine Frage bezüglich der direkten Verbindung der Wirtschaften von vielen Ländern. Es sind mindestens sechs Länder in Europa, die zu 100 Prozent vom russischen Gas abhängig sind, und zwölf andere Länder, die eine Abhängigkeit in Höhe von um die 50 Prozent oder ein bisschen mehr als 50 Prozent haben. Sie können sich also vorstellen, dass es 18 Länder sind, die in Bezug auf ihre Volkswirtschaften auch die Notwendigkeit sehen, dass diese Fragen sehr schnell gelöst werden.

Das bedeutet auf keinen Fall, dass die politische Frage außer Acht gelassen werden darf. Wir hoffen das hat die Frau Bundeskanzlerin auch gesagt, dass es keinen weiteren Ausbruch oder eine Erweiterung der Unruhen im Inneren der Ukraine geben wird.

Frage: Frau Merkel, wir haben hier die brutalste fiskalische Anpassung erlebt, die jemals verzeichnet wurde. Wir haben 25 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts verloren. Wir haben eine Arbeitslosenquote von mehr als 30 Prozent. Wir haben eine Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 60 Prozent. Ich weiß nicht, ob Sie diese Zahlen kennen. Eine ganze Reihe von Menschen leben am Rande der Armut. Ich weiß nicht, was Sie diesen Menschen sagen möchten.

Eine Frage an Herrn Samaras: Sie sprechen von Fortschritten in der Wirtschaft. Wann, können Sie den Menschen sagen, werden die das zu spüren bekommen?

Merkel: Ich möchte den griechischen Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern Griechenlands, die arbeitslos sind, und gerade auch den vielen jungen Leuten sagen, dass das in der Tat ein harter Weg und auch ein Weg mit vielen Opfern ist, dass dieser Weg allerdings auch nur gegangen werden konnte, weil es auch Solidarität in Europa gab. Diese Solidarität werden wir auch weiterhin aufrechterhalten und alles daran setzen, dass diese jungen Menschen in der Folge der scharfen Anpassungsmaßnahmen mit einer besser funktionierenden Wirtschaft und mit mehr freiheitlichen Möglichkeiten nunmehr auch die Möglichkeit haben, wieder einen sicheren Arbeitsplatz zu bekommen.

Natürlich wird niemand allein von der Tatsache begeistert sein, dass es einen Primärüberschuss gibt; das bedeutet für jemanden, der arbeitslos ist, gar nichts. Es wird auch noch nicht ausreichend sein, zu sagen "Die generelle Statistik hat sich verbessert, und es gibt wieder etwas Wirtschaftswachstum". Die Menschen wollen das spüren; das ist ja ganz selbstverständlich. Wir wissen aber zum Beispiel auch aus den neuen Bundesländern in Deutschland, dass zuerst einmal die Strukturen in Ordnung gebracht werden müssen und dass sich die Früchte einer solchen Anpassung dann erst danach und Schritt für Schritt sammeln lassen. Das heißt also: Ich bin ganz davon überzeugt, dass wir als nächste Schritte mehr Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung sehen werden und dass sich das, was an harten Strukturmaßnahmen gemacht wurde, dann entfalten wird. Das ist das, was ich den Menschen sagen kann.

Ich kann Ihnen auch weiterhin davon erzählen, dass wir vieles unternehmen, auch im Rahmen von Städtepartnerschaften und Partnerschaften zwischen Unternehmen, um diese schwierige Zeit zusammen mit Griechenland durchzustehen. Wir wünschen den Menschen in Griechenland wirklich von Herzen Erfolg.

Samaras: Die Fahrt die Navigation, wenn Sie so wollen der Wirtschaftspolitik in unruhigen Zeiten setzt vor allen Dingen Ernsthaftigkeit voraus. Aus diesem Grund haben Sie festgestellt, dass wir eigentlich nicht feiern; im Gegenteil. Was wir nun tun, ist, unsere Anstrengungen fortzusetzen, um unsere Aufgaben auch abzuschließen.

Gleichzeitig, würde ich sagen, machen wir uns daran, den nächsten Tag vorzubereiten. Wir arbeiten daran. Mein Rhythmus, mein Tempo und das Tempo der Regierung werden sich nicht ändern. Was sich verändert hat, ist natürlich das Bild. Was sich verändert hat, ist das Klima, das herrscht. Was heute auch der Missgünstigste erkennt, ist die Akzeptanz dessen, dass die Dinge durch die Opfer des griechischen Volkes nun tatsächlich einen besseren Verlauf nehmen. Auch die härtesten und objektivsten Richter, nämlich die Finanzmärkte, haben ihre Stimme für Griechenland abgegeben. Sie haben dem Land ihr Vertrauen gegeben. Unter diesen Bedingungen fahren wir mit unserer Navigation fort.

Der Punkt ist, dass wir unser Ziel nicht aus den Augen lassen dürfen, und das Ziel ist es, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu haben und als Volk Selbstbewusstsein zurückzuerlangen. Die Hauptvorteile des Griechen sollten in den Vordergrund gerückt werden, sodass diese Vision und die Träume der jungen Menschen, die wir heute mit der Bundekanzlerin getroffen haben, (wahr werden können. Diese jungen Menschen) haben uns im Übrigen wirklich beeindruckt, weil sie die entsprechende Haltung hatten, in bestimmten Bereichen differenzierter vorzugehen, weil sie ein großes Wissen mitbringen und weil sie Erfolge in den bestimmten Bereichen, in denen sie aktiv sind, verzeichnet haben. Das Ziel sind ja tatsächlich die jungen Leute. Wenn wir "Wachstum" sagen, dann meinen wir natürlich "Arbeitsplätze" - gerade für die Menschen, die heute nun einmal nicht arbeiten, und gerade für die Menschen, die durch die Situation, die hier herrscht, in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Also haben wir gestern einen wunderbaren Tag für Griechenland gehabt. Wir werden Kapital daraus schlagen, wir werden Nutzen daraus ziehen, und wir werden genau diesen Weg fortsetzen, der uns zu einem sicheren Morgen führen wird. Das ist unser Ziel. - Herzlichen Dank!

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 11. April 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/04/2014-04-11-merkel-samaras.html;jsessionid=8CB760C82180D9BDD1CB4F2968F03E23.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2014