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PRESSEKONFERENZ/878: Regierungspressekonferenz vom 24. Oktober 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 24. Oktober 2014
Regierungspressekonferenz vom 24. Oktober 2014

Themen: Personalie, Treffen des "Weimarer Dreiecks", gemeinsame Reise des französischen und des deutschen Außenministers nach Nigeria, Ausblick auf das 50-jährige Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland, Termine der Bundeskanzlerin (Besuch der Präsidentin der Republik Chile, Gespräch mit dem Ministerpräsidenten der Libanesischen Republik, Teilnahme an den Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Schlacht an der Yser und der ersten Flandernschlacht, Kabinettssitzung, Besuch des Präsidenten der Republik Haiti, Gespräch mit dem slowenischen Ministerpräsidenten, Teilnahme an der Einweihung eines Wiedervereinigungsdenkmals in Bonn-Beuel, Besuch beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln), Gesetzentwurf zur Lkw-Maut, heutiges Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Putin, Lage in der Ukraine, Sanktionen gegenüber Russland, Razzia zu einem Steuerfall in der Schweiz, Interview der saarländischen Ministerpräsidentin in der "Süddeutschen Zeitung", Urteil des italienischen Verfassungsgerichts zu NS-Unrecht, Besuch des amerikanischen Außenministers in Berlin, Bundestagsmandatierung für Ausbildungsmission im Irak, Medienberichte über Einsatz von Chemiewaffen der Terrororganisation "Islamischer Staat", Personalausweis-Ersatzdokument, Dividende der Deutschen Bahn AG, Gleichstellung von Homosexuellen

Sprecher: SRS'in Wirtz, Modes (BMWi), Moiteaux (BMWi), Chebli (AA), Ewert (BMVI), Malachowski (BMJV), Kalwey (BMF), Gerhartz (BMVg), Müller-Niese (BMI)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Modes: Wir würden Ihnen gerne eine neue Kollegin bei uns im Referat vorstellen. Sie wird sich jetzt kurz persönlich bei Ihnen vorstellen.

Moiteaux: Guten Morgen! Mein Name ist Annick Moiteaux. Ich arbeite seit zwei Monaten in der Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums, dort insbesondere mit den Schwerpunkten allgemeine Wirtschaftspolitik und IKT-Fragen.

Bevor ich in die Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums gewechselt bin, war ich im Finanzmarktreferat des Hauses, Schwerpunkt Banken und dort Bankenunion. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.

Vorsitzender Mayntz: Das tun wir auch. Einen guten Start!

Chebli: Ich habe zwei Reiseankündigungen und eine weitere Information. Auf Einladung des französischen Außenministers trifft sich heute Abend in Paris das "Weimarer Dreieck". Für Laurent Fabius und Herrn Steinmeier ist dies die Gelegenheit, vor allem den neuen polnischen Außenminister in diesem Format zu begrüßen. Wie Sie wissen, hat Außenminister Steinmeier am 1. April die Kollegen Fabius und Sikorski nach Weimar eingeladen. Das war der Auftakt für eine erfolgreiche Wiederbelebung des "Weimarer Dreiecks"

Die Minister beraten heute Abend bei einem gemeinsamen Abendessen ab 18 Uhr in einem informellen persönlichen Rahmen im Gästehaus des französischen Außenministeriums. Die heutigen Beratungen sind auch vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass wir jetzt eine neue Kommission haben. Wir haben eine neue Hohe Repräsentantin, wir haben einen neuen Nachbarschaftskommissar. Die drei Außenminister wollen darüber beraten, wie das "Weimarer Dreieck" neue Impulse in die europäische Außenpolitik senden kann.

Der Minister reist am Sonntag weiter nach Nigeria, gemeinsam - das ist historisch - mit seinem französischen Außenamtskollegen Laurent Fabius. Das ist die erste gemeinsame Reise, unterstreicht die Bedeutung dieses Landes als stärkste Wirtschaftskraft, aber auch als bevölkerungsreichstes Land des Kontinents.

Herr Steinmeier und Außenminister Fabius werden in Abuja neben Gesprächen mit dem Staatspräsidenten und dem Außenminister Vertreter der Zivilgesellschaft und den Präsidenten der ECOWAS-Kommission treffen. Im Fokus stehen die Sicherheit der Region, aber, wie Sie sich vorstellen können, auch das Thema Ebola.

Eine dritte Ankündigung, die ich gerne machen möchte, ist zum Thema Israel 2015. In Tel Aviv haben gestern der Präsident des Staates Israel und der deutsche Botschafter in Israel, Andreas Michaelis, den gemeinsamen Startschuss für das Jubiläumsjahr zum 50-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen gegeben. Für beide Länder ist das ein besonderes Jubiläum. Die Beziehungen haben sich vor dem Hintergrund der Schoah inzwischen zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt, die damals nur sehr wenige für möglich gehalten hätten. 2015 wird es eine Vielzahl von Veranstaltungen in Deutschland und Israel geben, die diese Erfolgsgeschichte würdigen.

Die offizielle bilaterale Website der Außenministerien Israels und Deutschlands ist seit heute online geschaltet worden unter www.israel50deutschland.org. Aber Sie finden das auch auf der Website des Auswärtigen Amtes. Diese Seite informiert ab heute im Rahmen eines interaktiven Eventkalenders über die geplanten Veranstaltungen und liefert neben einer Timeline interessante Hintergrundinformationen zu den bilateralen Beziehungen. Geplant sind beispielsweise Musik-, Literaturfestivals, Jugendprojekte und Begegnungen auf offizieller und zivilgesellschaftlicher Ebene.

SRS'in Wirtz: Am Montag - das hatte Herr Seibert schon am Mittwoch hier angekündigt - wird die Bundeskanzlerin die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet empfangen. Später wird sie ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten der Libanesischen Republik, Tammam Salam, haben.

Am Dienstag wird die Bundeskanzlerin an den zentralen nationalen Gedenkfeierlichkeiten des Königreichs Belgien teilnehmen. Dort wird des 100. Jahrestags der Schlacht an der Yser und der ersten Flandernschlacht gedacht. Die Gedenkfeiern finden auf Einladung des belgischen Königs Philippe und seiner Gattin, Königin Mathilde, statt. Sie wissen: Besonders Belgien ist im Ersten Weltkrieg sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Insofern werden die Feierlichkeiten dort auch zentral sein.

Dann tagt am Mittwoch um 9.30 Uhr, wie gewohnt, das Kabinett. Um 12 Uhr wird die Bundeskanzlerin den Präsidenten der Republik Haiti, Michel Joseph Martelly, empfangen. Das ist der erste Besuch eines haitianischen Präsidenten in Deutschland seit 1993.

Bei dem Meinungsaustausch beim Mittagessen wird sicherlich auch das Erdbeben eine Rolle spielen, das vor viereinhalb Jahren das Land heimgesucht hat, und die Frage, wie der Wiederaufbau danach gelingen konnte. Um 13.15 Uhr wird es eine Pressebegegnung geben.

Am Donnerstag wird die Bundeskanzlerin den neuen slowenischen Ministerpräsidenten Miro Cerar mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Im Gespräch werden sicherlich die bilateralen Beziehungen, die europapolitische Lage und natürlich die Lage in Slowenien selbst und in der Region sein. Auch im Anschluss an dieses Gespräch wird es eine Pressebegegnung geben, und zwar um 13.15 Uhr.

Am Freitag wird die Bundeskanzlerin an der Einweihung eines Wiedervereinigungsdenkmals in Bonn-Beuel teilnehmen. Dieses Denkmal besteht aus drei Bäumen, die bei dieser Gelegenheit gepflanzt werden sollen, einer Buche, die den Westen symbolisieren wird, einer Kiefer, die den Osten symbolisieren wird, und einer Eiche, die für das wiedervereinigte Deutschland stehen wird.

Diese Idee ist im Bürgerdialog 2012 entstanden. Die Bundeskanzlerin ist Schirmherrin dieser Initiative. Inzwischen wurde diese Idee von über 150 Städten und Kommunen aufgegriffen, die ein solches Einheitsdenkmal errichtet haben. Das Ganze geschieht unter Anleitung beziehungsweise auf Initiative der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Die Bundeskanzlerin wird dann von Bonn nach Köln weiterreisen und dort das Bundesamt für Verfassungsschutz besuchen, um sich vor Ort ein Bild von der Tätigkeit und den Herausforderungen des Inlandsnachrichtendienstes zu machen. Sie wird natürlich ein Gespräch mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Herrn Hans-Georg Maaßen, führen. Der Besuch wird am Freitag mit einem Pressestatement enden.

So viel zu den Terminen der Kanzlerin in der nächsten Woche.

Frage: Frau Wirtz, bei der Auflistung der Termine fehlte mir der Termin der Übergabe des Maut-Konzepts des Verkehrsministers an die Bundeskanzlerin, weil der Gesetzentwurf ja nächste Woche vorgestellt wird. Können Sie bitte sagen, in welchem Zusammenhang, in welchem Rahmen die Vorgabe dieses zentralen koalitionspolitischen Anliegens der Großen Koalition in der nächsten Woche inszeniert wird und in welcher Form die Bundeskanzlerin daran beteiligt ist?

SRS'in Wirtz: Den Termin habe ich deshalb nicht genannt, weil es in der Regel kein Übergaberitual gibt, in dem einzelne Ressorts einen Gesetzentwurf an die Bundeskanzlerin übergeben. Insofern fehlt dieser Termin, ganz richtig, bei dem Wochenausblick der Kanzlerin. Aber vielleicht kann das Ressort etwas dazu sagen, was den Zeitplan für diesen Gesetzentwurf anbelangt.

Ewert: Es ist ja hier schon mehrfach zur Sprache gekommen, dass wir im Oktober diesen Gesetzentwurf vorlegen werden. Es spitzt sich so langsam ja zu; der Oktober ist demnächst beendet, und entsprechend wird auch bald der Gesetzentwurf vorliegen. Bis dahin bitten wir noch um Geduld; Sie werden es dann sehen.

Zusatzfrage: Darf ich erfahren, in welcher Form Herr Dobrindt den Gesetzentwurf der Bundeskanzlerin zur Kenntnis bringen wird? Sollen wir das dann übernehmen, sozusagen durch Zeitungsstudium? Oder gibt es da noch ein Gespräch zwischen Herrn Dobrindt und der Kanzlerin in der nächsten Woche? Hat das Gespräch schon stattgefunden? Ist Herr Seehofer dabei oder die NRW-CDU? In welchem Zusammenhang findet nächste Woche die Finalisierung statt?

SRS'in Wirtz: Sie haben viele gute Ideen eingebracht, wie man über diesen Gesetzentwurf sprechen könnte und wie man diesen Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung abstimmen könnte.

Ich bin ganz sicher, dass die Bundesregierung einen geeigneten Weg findet, über diesen Gesetzentwurf zu sprechen, sich abzustimmen. Anschließend werden Sie sicherlich auch erfahren, was in diesem Gesetzentwurf drinsteht.

Zusatzfrage: Okay, Frau Wirtz. Es findet also nächste Woche eine Regierungsbesprechung zu dem Thema Maut statt. Das kann ja dann nur am Mittwoch bei der Kabinettssitzung sein, oder gibt es eine Sondersitzung des Kabinetts zum Thema Maut?

SRS'in Wirtz: Ich habe nicht gesagt, dass es eine Regierungsbesprechung zum Thema Maut in der nächsten Woche gibt. Ich habe Ihnen nur gesagt, dass es sicherlich einen geeigneten Weg gibt, auf dem sich die Bundesregierung zu gegebener Zeit über einen Gesetzentwurf verständigen wird. Sie werden zu gegebener Zeit sicherlich erfahren, zu welchem Ergebnis diese Abstimmung geführt hat.

Ewert: Aus Sicht des Verkehrsministeriums hat Frau Wirtz das erschöpfend beantwortet. Wir werden ein geeignetes Verfahren wählen. Es wird im Oktober geschehen.

Frage: Herr Ewert, wie viele Gesetzentwürfe wird es denn zu dem Thema Maut geben - einen oder zwei?

Ewert: Auch da würde ich Sie bitten, noch den Tag, an dem das Ganze vorgestellt wird, abzuwarten.

Zusatzfrage: Handelt es sich dabei um einen Referentenentwurf, der dann in die weitere Ressortabstimmung geht, oder ist das schon ein Entwurf, der auch kabinettsreif ist?

Ewert: Es handelt sich um einen Gesetzesentwurf, der dann weiter beraten wird.

Frage: Woher wissen Sie, dass es sich um einen Gesetzentwurf handelt? Ich glaube, niemand im Ministerium außer Herrn Dobrindt weiß derzeit Bescheid, wie das Ganze stattfinden wird und was es sein soll. Wissen Sie tatsächlich mehr und dürfen es nur nicht sagen, oder ist das jetzt nur eine nette hilfestellende Überlegung für uns gewesen, die Sie gesagt haben?

Ewert: Ich hoffe doch, dass die Ausführungen nett und hilfreich sind, die wir hier geben. Aber es ist ja zweifelsfrei so, dass wir auch innerhalb der Bundesregierung einen abgestimmten Fahrplan haben. Der Minister hat ja mehrfach gesagt, er legt den Gesetzentwurf vor. Damit hat sich die ganze Spekulation sozusagen schon erledigt. Wir haben auch gesagt, wir legen ihn im Oktober vor. Und so wird es auch sein.

Frage: Es gab heute offensichtlich ein Gespräch zwischen Merkel und Putin. Könnten Sie vielleicht kurz erläutern, was dort besprochen wurde, insbesondere im Hinblick auf den Gaskonflikt und auf die Entwicklung in der Ukraine?

SRS'in Wirtz: Richtig ist, es gab ein Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem russischen Präsidenten Putin. Wie Sie wissen, ist der Inhalt dieser Gespräche vertraulich, aber Sie können davon ausgehen, dass natürlich aktuelle Fragen im Verhältnis zwischen Russland/Deutschland, Russland/EU im Zusammenhang mit der Ukraine besprochen worden sind.

Vielleicht kann ich noch einmal betonen, was die Bundeskanzlerin gestern beziehungsweise heute Nacht in Brüssel zum Thema Ukraine gesagt hat. Sie hat noch einmal sehr klar darauf hingewiesen, dass die Vereinbarungen, die in Minsk im September getroffen worden sind, einzuhalten sind. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Waffenruhe formell im Grunde genommen gilt, aber nicht wirklich als solche bezeichnet werden kann, weil seit Verhängung der Waffenruhe schon 300 Menschen gestorben sind, dass es um die Grenzkontrollen und all diese Fragen geht, die im Abkommen von Minsk niedergelegt worden sind, und dass diese Vereinbarungen jetzt im Vordergrund stehen und dass natürlich von allen mit vereinten Kräften darauf hingearbeitet wird, dass diese auch in die Tat umgesetzt werden.

Frage: Vielleicht habe ich etwas verpasst, aber ich las heute in einer großen Zeitung die Überschrift: Regierung prüft Lockerung der Sanktionen. Vielleicht könnten Sie mir erläutern, was ich da verpasst habe, wie der Stand der Überlegungen ist, wer sie angestellt hat.

Ein zweiter Komplex: Es gab ein Treffen von Wirtschaftsvertretern in einem kontinuierlichen Turnus einer größeren Vereinigung mit Herrn Medwedew. Sieht die Bundesregierung so etwas eigentlich als einen Teil ihrer Strategie, die da ja heißt, auf der einen Seite durchaus Härte zeigen gegenüber Völkerrechtsverstößen, auf der anderen Seite aber den Dialogkanal offen halten? Ist es im Sinne der Bundesregierung, dass das so läuft, dass die Wirtschaft solche Kanäle weiterhin auch aktiv nutzt?

SRS'in Wirtz: Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass im Vordergrund zunächst einmal die Vereinbarungen stehen und vor allem die Umsetzung der Vereinbarungen, die in Minsk im September getroffen worden sind.

In diesem Zusammenhang hat die Bundeskanzlerin auch noch einmal ganz deutlich gemacht, dass, solange da keine wirklich wesentlichen Fortschritte zu sehen sind, auch nicht daran gedacht wird, die Sanktionen in irgendeiner Form zu lockern oder aufzuheben oder ähnliche Schritte zu gehen. Insofern stehen zunächst einmal die Vereinbarungen im Vordergrund, die in Minsk getroffen worden sind.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wie wir alle wissen, sind auf europäischer Ebene Sanktionen verhängt worden. Es sind Sanktionen, die weitestgehend von der Wirtschaft auch mitgetragen worden sind, die das Primat der Politik in diesem Fall auch anerkennen. Gleichwohl gibt es Bereiche, die von diesen Sanktionen nicht erfasst sind. Insofern liegt es in der Verantwortung eines jeden Unternehmens, in Geschäftsfeldern, die nicht von Sanktionen betroffen sind, unternehmerisch tätig zu werden.

Die Bundesregierung sieht das natürlich aber auch so, dass die Unternehmen sich da klar ihrer Verantwortung bewusst sind und nur in dem Rahmen dort tätig werden, wie sie das mit ihrer eigenen Geschäftspolitik verantworten können. Aber "at the end of the day" ist es eine unternehmerische Entscheidung, in Geschäftsfeldern tätig zu werden, die nicht von Sanktionen belegt sind.

Zusatzfrage: Ich darf noch einmal nachfragen, weil ich das nicht ganz verstehe. Gibt es in der Bundesregierung, wenn sie von solchen Treffen hört, so etwas wie Gelassenheit, indem man sagt, das ist unproblematisch, oder gibt es da gemischte Gefühle mit Blick auf die Spannungen, die es ja im Moment zwischen beiden Ländern gibt, und die Strafmaßnahmen, die man da erhoben hat?

SRS'in Wirtz: Gelassenheit ist ja zunächst einmal sowieso eine gute Grundlage des Regierungshandelns. Aber abgesehen davon, sind die Leitlinien so, wie ich sie Ihnen gerade vorgetragen habe, dass es eben einen Bereich gibt, der nicht mit Sanktionen bedacht worden ist, dass man da die unternehmerische Freiheit auch achtet, die es dann gibt.

Chebli: Aus unserer Sicht gibt es vor dem Hintergrund der unzureichenden Umsetzung der Minsker Vereinbarungen derzeit keine Option, die Sanktionen gegen Russland zu lockern. Wir haben gleichwohl immer gesagt: Sanktionen sind kein Selbstzweck, sondern sie sollen positive Entwicklungen begünstigen.

Eine unserer Kerninteressen ist es ja, die Ukraine zu stabilisieren, politisch wie wirtschaftlich. Die Struktur der EU-Sanktionen muss deshalb so sein, dass wir flexibel reagieren können. Wir haben ja auch diesen Flexibilisierungsmechanismus drin. Sobald es also signifikante positive Entwicklungen von russischer Seite gibt, müsste man darüber nachdenken, wie man dann auch Sanktionen lockern oder aufheben kann beziehungsweise, wenn es noch eine Verschärfung gibt, vielleicht sogar verschärfen kann. Nur so kommen wir in eine hoffentlich positive Dynamik.

Jetzt gibt es keine Diskussion und keine Option für eine Lockerung, aber wenn es positive Entwicklungen gibt, muss man auch darüber nachdenken, wie man dann Sanktionen eventuell lockert oder auch, wenn es negative Entwicklungen gibt, sie verschärft. Das ist das Grundelement der Diskussion, die wir gerade haben.

Frage: Eine Frage an Frau Chebli und auch in Richtung von Herrn Gerhartz: Gibt es mittlerweile Fortschritte oder ein bisschen mehr Klarheit, was eine Beteiligung an einer möglichen OSZE-Mission in der Ostukraine angeht?

Chebli: Aus unserer Sicht gibt es keinen neuen Stand. Ich hatte am Mittwoch hier vorgetragen, dass die Beratungen laufen. Sie laufen weiterhin. Es gibt immer noch viele offene Fragen, die geklärt werden müssen. Aber Sie können versichert sein: Wir halten Sie auf dem Laufenden, sobald es da neuere Entwicklungen gibt.

Gerhartz: Ich habe nichts hinzuzufügen.

Chebli: Noch ein Punkt: Sie haben vielleicht in den Medien mitbekommen, dass gestern die OSZE in der Ostukraine, in Mariupol erstmals mit einem presseöffentlichen Testflug über die zivilen geleasten Drohnen informiert hat. Das ist ein wichtiger Schritt, damit auch die Öffentlichkeit umfassend im Bilde ist. Die Beobachtungseinsätze sollen nun bald starten.

Es gibt ja zwei Missionen im Rahmen der OSZE, einmal eigene Drohnen, aber das ist unabhängig von den Diskussionsstand zu dem Drohnenansatz, über den Sie gesprochen haben.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium, vielleicht auch an das Justizministerium. Es gab eine große Razzia in der Schweiz unter Amtshilfe der Schweizer Behörden. Es ging um einen Steuerfall, der Schweizer Banken betrifft. Inwiefern waren da Bundesministerien eingeschaltet?

Ist Ihnen ein Fall dieser Dimension erinnerlich, bei dem die Schweizer Behörden in Steuerdingen so hilfreich waren, wie sie das offenbar dieses Mal gewesen sind? Ist diese neue gute Kooperation mit der Schweiz in Steuerdingen möglicherweise schon ein Vorgriff auf das, was an engerer internationaler Zusammenarbeit, Informationsaustausch und Ähnlichem in nächster Zeit beschlossen, unterzeichnet, vereinbart wird?

Malachowski: Wir waren da nicht beteiligt. Steuerfahndungssachen fallen, soweit ich weiß, in die Zuständigkeit des BMF.

Zusatzfrage: So etwas wie Amtshilfe läuft dann nicht über Sie?

Malachowski: Nicht, dass ich wüsste.

Kalwey: Ich kann mich dem Kollegen nur anschließen. Wir waren da auch nicht beteiligt. Ob das ein Vorgriff ist auf die Vereinbarungen, die da getroffen wurden, wäre jetzt Spekulation. Dazu kann ich an dieser Stelle keine Aussage treffen.

Zusatzfrage: Gab es im Zuge des Verfahrens vorher keine Abstimmung? Man hat ja in Erinnerung, dass über Jahre solche Fälle immer eine extreme Belastung der deutsch-schweizerischen Beziehungen waren, wobei zum Teil gegen deutsche Ermittler in der Schweiz Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Das ist ja jetzt ein völlig neuer Geist, ein völlig neues Niveau, das mir da durchzuscheinen scheint. Gab es da keinerlei Informationsfluss zwischen den Ministerien und zu den Schweizer Behörden auf Bundesebene?

Kalwey: Mir ist dazu jetzt nichts bekannt. Ich müsste das gegebenenfalls noch nachliefern.

Vorsitzender Mayntz: Wir erwarten dann eine Nachlieferung, wie die Bundesregierung an diesem Vorgang beteiligt war.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium, die Bundesregierung und das Justizministerium. Die saarländische Ministerpräsidentin hat in der "Süddeutschen Zeitung" ein Interview gegeben und hat da im Zuge der Diskussion über den Länderfinanzausgleich auch eine Neugliederung der Länder ins Gespräch gebracht, was ja vom Grundgesetz her durchaus möglich wäre, wenn es wirtschaftlich zweckmäßig ist und die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit ihre Aufgaben weiter erfüllen können. Was halten Sie denn von dieser Idee?

SRS'in Wirtz: Wenn man das Interview in der "Süddeutschen" aufmerksam liest, sieht man ja auch, dass die saarländische Ministerpräsidentin ihre Überlegungen, Vorschläge sehr stark an Wenns und Kanns geknüpft hat. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war die Frage, wie die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu regeln sind. Dann kommt sie am Schluss dazu, dass sie sagt: möglicherweise Neugliederung der Bundesländer. Insofern denke ich, dass tatsächlich zunächst einmal diese Regelung der Bund-Länder-Beziehungen im Vordergrund steht.

Abgesehen davon ist, wie Sie wissen, eine Neugliederung des Bundesgebietes natürlich im Grundgesetz vorgesehen. Man kann das machen, aber das ist kein konkreter Plan, mit dem sich die Bundesregierung trägt. Wenn, dann müsste sicherlich der Wunsch nach einer Neugliederung eher aus den Bundesländern kommen, als von der Bundesregierung verordnet sein.

Also noch einmal: Konkrete Überlegungen zu solchen Dingen gibt es nicht, aber ich appelliere auch noch einmal daran, die Äußerungen der saarländischen Ministerpräsidentin in dem Zusammenhang zu sehen, in dem sie insbesondere auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen abhebt.

Kalwey: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Ich darf ganz kurz auf die Frage zurückkommen. Ich habe gerade die Information bekommen, dass die Kölner Staatsanwaltschaft mit diesem Vorgang in der Schweiz betraut ist. Daher sind Nachfragen am besten an die Staatsanwaltschaft Köln zu richten.

Frage: Die Staatsanwaltschaft kann mir ja nicht berichten, wie die Position des Bundes zu so etwas ist, weil es ja um einen Fall internationaler Zusammenarbeit geht.

Kalwey: Natürlich nicht, aber Ihre Frage bezog sich ja darauf: Waren wir eingebunden? Liegt die Sache bei den Ländern? Das beantwortet damit ja dann letztendlich auch Ihre Frage.

Malachowski: Auch ich habe den Ausführungen von Frau Wirtz nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Wäre aus Sicht des Finanzministeriums eine solche Länderfusion geeignet, um zum Beispiel Kosten zu sparen? Es geht ja beim Länderfinanzausgleich auch darum, dass möglicherweise Verwaltungen effektiver werden. Wäre das ein Weg, um zum Beispiel Verwaltungskosten zu sparen, wenn Länder fusionieren?

Kalwey: Das muss dann im Einzelnen natürlich diskutiert werden. Dann muss man sich anschauen, was für Lösungen da möglich sind. Dann muss man auch eingehend beurteilen und prüfen, ob da möglicherweise Kosteneinsparungen möglich sind. Aber wie Frau Wirtz es gerade schon gesagt hat, es gibt diese Überlegungen derzeit nicht, beziehungsweise wenn es sie gibt, dann gibt es sie im Rahmen von laufenden Gesprächen. Deswegen können wir uns an dieser Stelle jetzt dazu nicht äußern.

Frage: Kann sich denn die Kanzlerin grundsätzlich vorstellen, so einer Neuregelung zuzustimmen?

SRS'in Wirtz: Wie gesagt, das sind keine Fragen, die innerhalb der Bundesregierung gerade vorrangig überdacht werden. Wenn es überhaupt infrage stehen würde, dass es eine solche Neugliederung geben könnte - beachten Sie die vielen Konjunktive in meiner Ausführung -, dann wäre es Sache der Länder, eine solche Neugliederung zu initiieren.

Frage: An das Finanzministerium: Frau Kramp-Karrenbauer weist auf die Altschulden hin, die im Falle des Saarlandes im Wesentlichen aus der Stützung des dortigen Bergbaus herrühren. Sie sagt, diese Altlasten müssten mit Blick auf die Schuldenbremse übernommen werden. Kann sich der Bund vorstellen, da etwas zu übernehmen? Oder in welcher Form kann eine derartige Übernahme erfolgen?

Kalwey: Die Altschulden sind ja ein Tagesordnungspunkt der Bund-Länder-Gespräche. Inwieweit der Bund bereit ist, Altschulden zu übernehmen, wird im Rahmen dieser Bund-Länder-Gespräche diskutiert werden. Das wird im Rahmen dieser Gruppe und im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche diskutiert und nicht an dieser Stelle.

Frage: Noch einmal eine Frage an das Justizministerium: Stünde einer Fusion, einer Neugliederung aus Ihrer Sicht juristisch irgendetwas entgegen?

Malachowski: Tut mir leid, das ist im Moment noch eine hypothetische Frage, die ich hier nicht beantworten kann.

SRS'in Wirtz: Viele Antworten darauf finden Sie, wenn Sie ins Grundgesetz in Art. 29 schauen. Da steht ziemlich viel darüber drin, was eine Neugliederung der Bundesrepublik voraussetzen würde.

Zusatzfrage: Als ein Grund wird ja auch genannt, dass man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Länder berücksichtigt. Deswegen ist das ja ein interessanter Vorschlag.

Frage: In den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern hat der Bund nach dem letzten Papier bereits zugestanden, dass man in begrenztem Umfang und streng konditioniert einzelnen Bundesländern Hilfen zukommen lassen könnte. Ist das so eine Hilfe, die eventuell für Bremen und das Saarland gelten könnte?

Kalwey: Ob diese Regelung davon konkret betroffen ist, kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht sagen.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Chebli. Zumindest denke ich, dass das Auswärtige Amt in dieser Frage zuständig ist. Gestern hat das Verfassungsgericht in Italien ein Urteil gefällt, das zur Konsequenz haben könnte, dass die Bundesregierung zahlen muss für in Italien geschehenes NS-Unrecht. Muss man jetzt Angst davor haben, dass eine Klagewelle aus Italien kommt? Haben Sie Bedenken, dass sich möglicherweise andere Staaten, in denen die Wehrmacht auch Verbrechen verübt hat, dem anschließen? Wie ist Ihre Reaktion?

Chebli: Man muss das Urteil des italienischen Verfassungsgerichts vom 22. Oktober in einem größeren Kontext sehen. Sie kennen ja das Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 3. Februar 2012, in dem festgestellt wurde, dass es auch für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit keine Ausnahmen von der Staatenimmunität gibt. Das ist sozusagen die Grundlage. Auch darauf gestützte Klagen gegen Deutschland vor den Gerichten eines anderen Staates sind folglich völkerrechtlich unzulässig.

Der IGH hat damit eine Rechtsauffassung der Bundesregierung voll umfänglich bestätigt. An dieser Rechtsauffassung hat sich nichts geändert. Das heißt, es gibt das Urteil des italienischen Verfassungsgerichts, für uns bleibt aber die Grundlage das IGH-Urteil.

Vielleicht noch ein Punkt: Wir sind gerade dabei, das Urteil trotzdem zu analysieren. Es gibt aber zum jetzigen Zeitpunkt keine Einlassungen zu Einzelheiten. Aufbauend auf dieser Prüfung des Urteils werden gegebenenfalls nötige Schritte zu entscheiden sein, ob die vom IGH bestätigte Rechtsauffassung der Bundesregierung zur Geltung zu bringen ist.

Es gilt also das IGH-Urteil. Wir prüfen das Urteil des italienischen Verfassungsgerichts. Aber Grundlage unserer Rechtsauffassung bleibt das IGH-Urteil.

Frage: Frau Chebli, welche Mittel hat die deutsche Regierung zur Verfügung, um ihre Rechtsauffassung durchzusetzen, wenn zum Beispiel italienische Zivilgerichte demnächst deutsches Eigentum in Italien pfänden?

Chebli: Ich habe ja gerade gesagt, dass für uns als Grundlage das IGH-Urteil vom 3. Februar 2012 gilt. Jetzt werden wir das vom italienischen Verfassungsgericht gefällte Urteil analysieren, sagen aber gleichzeitig, dass auch darauf gestützte Klagen - - Es gilt für uns die Staatenimmunität, die Grundlage des IGH-Urteils ist. Wir müssen uns erst einmal mit dem Urteil des italienischen Verfassungsgerichts auseinandersetzen. Aber Grundlage bleibt, wie gesagt, das Urteil des IGH vom 3. Februar 2012.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt. Herr Kerry war zu Besuch in Berlin. Wurden die Themen NSA-Überwachung und US-Drohnenangriffe thematisiert?

Chebli: Außenminister Kerry und Herr Steinmeier haben ein sehr langes vierstündiges Gespräch geführt, bevor sie am nächsten Tag aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls vor die Presse getreten sind, wo sie sich zu einzelnen Fragen internationaler Herausforderungen, die uns gerade begegnen, geäußert haben.

In diesem vierstündigen Gespräch wurden sehr viele Themen besprochen. In vielen Fragen bestand Einigkeit, so zum Beispiel bei der Frage Ukraine. Sie haben über das Thema Ebola, die Bedrohung durch ISIS und über viele andere Fragen gesprochen. Es gab in vielen dieser Fragen, die uns und die Welt bewegen, große Übereinstimmung. Sie wissen, dass ich mich zu einzelnen Details aus Gesprächen hier nicht äußere. In der Pressekonferenz wurden Themen angesprochen. Die Pressekonferenz und die Ergebnisse daraus können Sie nachlesen.

Zu allem anderen kann ich nur sagen: Es war ein sehr erfolgreiches Treffen, es war ein sehr gutes und intensives Gespräch, das beide miteinander geführt haben, das noch einmal klar gemacht hat, dass es eine Illusion wäre, anzunehmen, dass man vor dem Hintergrund einer aus den Fugen geratenen Welt aufeinander verzichten könnte, dass die Amerikaner alleine die Probleme dieser Welt lösen könnten oder wir Europäer dazu im Stande wären und wir deswegen einander brauchen, um den großen Krisen zu begegnen.

Zusatzfrage: Die Frage bezog sich auf Probleme, die die Amerikaner den Deutschen bereiten: NSA-Überwachung und die US-Drohnenangriffe werden von Deutschland aus gesteuert. Wurde das thematisiert oder nicht?

Chebli: Ich haben Ihnen dazu eine Antwort gegeben, die ich Ihnen geben wollte. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich entschuldige mich, wenn das hier schon einmal klargestellt worden ist. Ich wollte mir noch einmal gerne die Auffassung der Bundesregierung zur Notwendigkeit einer Bundestagsmandatierung von Ausbildern, die man zum Beispiel in den Irak entsendet, erläutern lassen. Gibt es dazu noch eine Diskussion oder schon eine feste Position der Bundesregierung? Wie sieht das aus?

SRS'in Wirtz: Im Gespräch ist ja, dass es zunächst einmal eine Erkundungsmission der Bundesregierung gibt - im Konkreten des Auswärtigen Amtes und des Bundesverteidigungsministeriums -, um die Situation vor Ort zu analysieren. Erst in diesem Zusammenhang wird sich dann auch die Frage eines Bundestagsmandats stellen.

Chebli: Ich würde gerne ergänzen und würde das gerne ein bisschen der Reihe nach erläutern.

Wir haben im September beschlossen, dass wir uns über die humanitäre Hilfe hinaus an dem Vorgehen gegen ISIS auch bei der Lieferung militärischer Ausrüstung und Waffen an die kurdischen Sicherheitskräfte im Nordirak beteiligen. Nun ist im Irak am 18. Oktober die Regierungsbildung mit der Benennung eines neuen Innen- und Verteidigungsministers abgeschlossen worden. Das ist ein wichtiger Schritt, um zu einer inklusiven Regierung zu kommen. Wir haben ja immer gefordert, dass wir neben der militärischen Komponente und Unterstützung einen politischen Prozess brauchen. Ein wichtiger Schritt ist, dass die Regierung im Irak jetzt steht.

Wir intensivieren unsere zivile Unterstützung. Wie Sie vielleicht gelesen haben, hat das Auswärtige Amt noch einmal eine Aufstockung von 20 Millionen Euro - insgesamt 70 Millionen Euro - für die Bewältigung der durch das Vordringen von ISIS ausgelösten Krise beschlossen. Auch die irakischen Sicherheitskräfte sind weiter auf die Unterstützung angewiesen, unter anderem im Bereich Ausbildung und Training. Dieses Engagement wollen wir jetzt ausbauen. Hierzu gibt es Überlegungen, von denen Sie gesprochen haben, nämlich Sicherheitskräfte der Region Kurdistan/Irak über aktuelle Ausrüstungshilfe hinaus mit Ausbildungsmaßnahmen zu unterstützen. Wir wollen dies gemeinsam mit den Partnern tun und in ein größeres internationales Engagement der irakischen Sicherheitskräfte insgesamt einbinden. Wir haben aber noch keine abschließende Entscheidung darüber getroffen. Es werden vor Ort Gespräche geführt werden; vielleicht möchten Sie das ergänzen, Herr Gerhartz. Es gibt noch keine Experten vor Ort, es hat noch keine Planungsmission stattgefunden. Die soll stattfinden, und dann können wir darüber reden, wie genau diese Ausbildungsmission am Ende aussehen soll.

Etwas möchte ich aber vielleicht klar machen: Wenn man heute die Presselage betrachtet, wird es völlig falsch verstanden, wenn man sagt, dass die Bundesregierung kein Interesse daran hätte, das Parlament mit einzubinden. Im Gegenteil. Wir haben ein größtmögliches Interesse daran, dass unsere Entscheidung von einer breiten Mehrheit mitgetragen wird. Deswegen haben wir das Parlament ja auch so frühzeitig mit eingebunden, noch bevor die Planungsreife stattgefunden hat. Das Parlament wurde in einer Obleuteunterrichtung am Mittwoch über die Planungen informiert. In den nächsten Tagen findet die Planungsreise statt, danach wird das Parlament wieder unterrichtet und dann wird man schauen, wie man diese Ausbildungsmission am Ende zu einem Abschluss bringt. Unser absolutes Interesse ist es, dass die Entscheidung, die wir treffen, natürlich vom Parlament Zustimmung erfährt.

Gerhartz: Ich kann nur noch einmal das unterstreichen, was gerade Frau Wirtz und auch Frau Chebli gesagt haben. Lassen Sie uns einen Schritt nach dem anderen gehen. Der erste Schritt ist, die Planungsreise vorzunehmen, von der noch gar nicht feststeht, wann sie unternommen wird. Wenn Sie fragen würden, wann diese Planungsreise stattfindet, könnte ich Ihnen keinen genauen Termin zu nennen. Das eine ist, erst einmal auszuloten, unter welchen Rahmenbedingungen überhaupt so eine Ausbildungshilfe stattfinden könnte, und das andere ist der nächste Schritt.

Frage: Keine direkte Frage zu der Ausbildungsmission, aber zum Thema Irak. Frau Chebli, es gab heute Meldungen der "Washington Post" über einen angeblichen Einsatz von Chemiewaffen der Terrormiliz ISIS. Hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse dazu?

In demselben Zusammenhang gab es heute eine dpa-Meldung, wonach es ein Telefonat zwischen dem Bundesaußenminister und dem Uno-Generalsekretär zu dieser Affäre gab. Können Sie so ein Telefonat bestätigen?

Chebli: Wir haben keine eigenen Erkenntnisse darüber, ob Giftgas eingesetzt wurde. Es gibt aber glaubwürdige Hinweise, dass zumindest Überreste von Chemiewaffen in die Hände von ISIS gefallen sein könnten. Es gibt auch Berichte über den Einsatz von Chlorgaskanistern als Waffe. Das allein ist Grund, sich mit der Frage zu beschäftigen. Mit welcher Brutalität und Grausamkeit ISIS vorgeht, ist inzwischen hinlänglich bekannt, auch, wie sie mit spektakulären Mitteln letztendlich versucht, das für ihre Propaganda zu nutzen.

Als der Minister mit Ban Ki-moon telefoniert hat, ging es vor allem darum, das Thema Einbindung des VN-Sicherheitsrats wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Sie wissen, dass wir es einmal geschafft haben, dass wir bei der Frage der Chemiewaffen in Syrien zu einer einstimmigen Entscheidung im VN-Sicherheitsrat gekommen sind. Der Minister hat wiederholt darauf hingewiesen: Wir haben aufgrund der gegenwärtigen Großwetterlage - Ukraine - keine so leichte Lage, was den Sicherheitsrat angeht, sondern er ist blockiert. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, das Thema auf der Tagesordnung zu halten. Einmal ist es uns gelungen, als es um die Vernichtung der Chemiewaffen ging. Deshalb sollte man alles versuchen, dieses Thema auf der Tagesordnung halten; ohne dass wir jetzt davon ausgehen, dass es so realistisch ist. Das war der Hintergrund des gestrigen Gesprächs von Minister Steinmeier mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen. Wobei wir ständig im Gespräch mit den Partnern im VN-Sicherheitsrat sind, um zu schauen, wie man trotz der gegenwärtig sehr schwierigen Lage in dem Rat zu einer Entscheidung kommt.

Frage: Frau Chebli, zu den Waffenlieferungen in den Irak: Hat die Bundesregierung den CIA-Bericht der letzten Woche gelesen, in dem steht, dass es praktisch keine erfolgreichen Waffenlieferungen in der Geschichte gab?

Chebli: Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, auf welchen Bericht Sie sich beziehen.

Zusatz: Die CIA hat in der letzten Woche einen Bericht zu Waffenlieferungen in den letzten 50 Jahren herausgebracht.

Chebli: Und der besagt was?

Zusatzfrage: Dass es außer nach Afghanistan in den 80er-Jahren keine erfolgreichen Waffenlieferungen gab. Glaubt die Bundesregierung, dass sich die Waffenlieferungen in den Nordirak als Erfolg herausstellen werden?

Chebli: Sie wissen, wie die Situation aussah, als wir die Entscheidung getroffen haben. Wir haben die Entscheidung in einem sehr schwierigen Entscheidungsprozess getroffen, um letztendlich mit zu verhindern, dass es unter den Jesiden zu einem Völkermord kommt. Wir haben die Entscheidung getroffen, weil wir natürlich davon überzeugt sind, dass das, was wir tun, auch richtig ist.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. Gibt es irgendwelche Sorgen, dass über Peschmerga-Kämpfer, die nach Kobane gehen, letztendlich auch deutsche Waffen in die Hände von IS fallen könnten?

Gerhartz: Es gab in den letzten Tagen die Diskussion um das Youtube-Video, das das Modell einer Handgranate gezeigt hat. Es hat sich herausgestellt, dass das in keiner Weise ein Modell von uns sein kann, weil es ein Modell ist, das wir gar nicht dorthin geliefert haben. Wir haben an die Kurden in den Nordirak geliefert, und ich bin mir auch sicher, dass das genau dort eingesetzt wird.

Frage: Ich weiß nicht, ob das in den letzten Tagen schon einmal thematisiert wurde. Ich habe eine Frage an das Innenministerium zu diesen Papierausweisen, die jetzt kommen sollen. Wie bekommt man die? Was sind die konkreten Bedingungen, dass man einen Papierausweis bekommt?

Müller-Niese: Ich kann noch einmal auf letzten Freitag verweisen, wo in der Pressekonferenz (anlässlich des Sondertreffens der Innenminister von Bund und Ländern) relativ ausgiebig darüber gesprochen wurde. Ich kann Ihnen das gerne vorlesen - es umfasst eine ganze DIN A4-Seite - oder ich kann das über den Verteiler versenden.

Sie wissen, worum es geht. Es geht darum, dass im Moment im Gesetz nur vorgesehen ist, dass man den Reisepass und nicht den Personalausweis entziehen kann. Genau hier wird angesetzt, dass man das Personalausweisgesetz ändert, dass man auf gleicher Basis den Personalausweis einziehen und ein Ersatzdokument ausstellen kann.

Zu der Frage, wie man das bekommt: In dem Moment, wo Erkenntnisse vorliegen, dass der Verdacht nahe liegt, dass sich eine Person möglicherweise ins Dschihadgebiet bewegen möchte, würden die Ordnungsbehörden der Länder entscheiden, ob eine Ausreiseuntersagung ausgesprochen wird und ob die Papiere eingezogen würden.

Zusatzfrage: Das heißt, mir könnte der Reisepass nur auf Verdacht entzogen werden und ich könnte nur auf Verdacht einen Ersatzausweis bekommen?

Müller-Niese: Das ist so nicht richtig. Eine bloße Vermutung reicht natürlich nicht aus. Es steht jetzt schon im Gesetz, unter welchen Voraussetzungen der Reisepass entzogen werden - - -

Zuruf: Welche sind das?

Müller-Niese: "Die innere und äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik" müssen gefährdet sein - das findet sich in 7 Abs. 1 Nr. 1 Passgesetz wieder - oder eine schwere staatsgefährdende Gewalttat muss vorbereitet werden, was sich in 7 Abs. 1 Nr.10 findet.

Zusatzfrage: Das war es?

Müller-Niese: Dann entscheidet die Ordnungsbehörde. Es entscheidet weder der Verfassungsschutz noch die Polizei noch das Bundesministerium des Innern über diese Maßnahme, sondern die Ordnungsbehörden der Länder.

Frage: Ich habe noch eine Frage an Verkehrs- und vielleicht auch Finanzministerium. Ich lese in einer Zeitung, dass die Bundesregierung damit rechnet, dass ihre Einnahmen aus der Bahn-Dividende in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen werden, und zwar bis auf eine Milliarde Euro im Jahre 2020. Das soll angeblich aus einem Tableau ihres Verkehrsministeriums hervorgehen. Ist dem so?

Ewert: Wir rechnen in der Tat mit höheren Einnahmen. Wir sind dazu in Gesprächen mit dem Finanzministerium, die noch nicht abgeschlossen sind. Auch hier muss ich Sie bitten, den Abschluss der Gespräche abzuwarten.

Kalwey: Vielleicht kann ich dazu kurz ergänzen: Es gibt Verhandlungen zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn AG zu einer Nachfolgevereinbarung zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. In diesem Rahmen haben sich die Verhandlungspartner darauf verständigt, dass die Deutsche Bahn AG zusätzliche Dividendenzahlungen an den Bund leisten wird. Der Bund wird im Gegenzug diese zusätzlichen Dividendenzahlungen zur Durchführung von Ersatzinvestitionen für das Bestandsnetz einsetzen.

Zusatzfrage: Das ist in einem Tableau festgehalten?

Kalwey: Es gibt eine erwartete Gesamtdividende, die im Rahmen dieser Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung festgelegt ist.

Frage: Frau Wirtz, zur Gleichstellung von Homosexuellen in Deutschland. Die Kirche bewegt sich ja mittlerweile. Wann bewegt sich die Bundesregierung?

SRS'in Wirtz: Wohin?

Zusatzfrage: Richtung Gleichstellung. Heterosexuelle Menschen haben in Deutschland immer noch mehr Rechte als homosexuelle Menschen.

SRS'in Wirtz: Wenn man sich die vergangenen Jahre anschaut, gibt es viele Gesetzesvorhaben, die durchaus auch die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften vorsehen. Beispielsweise ist die eingetragene Lebenspartnerschaft eine Möglichkeit, um auf offiziellem Wege zusammenzuleben. Ich denke, es ist ein Weg, den man beobachten kann, dass es in den vergangenen Jahren immer weitere Fortschritte gegeben hat. Im Moment - Sie wissen ja auch, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist - ist das der Stand, auf dem die Gleichberechtigung von homosexuellen Paaren in Deutschland derzeit steht. Das ist sicherlich ein langer Weg. Wenn man davon ausgeht, dass in Artikel 6 Grundgesetz zunächst einmal Ehe und Familie in dem klassischen Sinne vorgesehen sind, ist das immer ein Rahmen, in dem sich eine Gesellschaft bewegt.

Zusatzfrage: Wann kommt denn wie in Frankreich die Ehe für Mann und Mann und Frau und Frau?

SRS'in Wirtz: Die eingetragene Lebenspartnerschaft für Mann und Mann und Frau und Frau gibt es ja schon.

Zusatz: Das ist nicht dasselbe.

SRS'in Wirtz: Das ist nicht dasselbe? Warum?

Zusatz: Die Ehe ist ja anscheinend noch ein Privileg für Heterosexuelle.

SRS'in Wirtz: Aber es gibt die eingetragene Lebenspartnerschaft, die in ganz vielen Punkten, in ganz vielen Belangen der Ehe gleichgestellt ist.

Zusatz: Das ist aber nicht dasselbe.

SRS'in Wirtz: Gut, dann gibt es halt noch Unterschiede.

Zusatzfrage: Wann werden die aufgehoben?

SRS'in Wirtz: Dazu kann ich keinen konkreten Zeitpunkt nennen.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 24. Oktober 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/10/2014-10-24-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2014