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PRESSEKONFERENZ/997: Besuch des Staatspräsidenten der Arabischen Republik Ägypten, 03.06.2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Mittwoch, 3. Juni 2015
Besuch des Staatspräsidenten der Arabischen Republik Ägypten

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Abd al-Fattah al-Sisi

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte ganz herzlich den ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi hier in Deutschland begrüßen. Wir hatten eben eine kleine Verzögerung, weil wir ein kleines Problem mit dem Fahrstuhl hatten. Wir haben mehrere Fahrten nach oben und nach unten gemacht, sind dann aber mithilfe des zweiten Fahrstuhls doch noch gut an diesen Platz gekommen.

Ich freue mich, dass der ägyptische Präsident heute Deutschland besucht und dass nach den Gesprächen mit dem Bundespräsidenten auch wir einen ausführlichen Austausch hatten. Wir haben die gesamte Bandbreite der Themen sehr offen und partnerschaftlich besprochen. Ich will vorwegschicken, dass ich den Beziehungen zu Ägypten eine hohe strategische Bedeutung beimesse. Ägypten ist eines der zentralen Länder in einer Region, die von Unruhen und Instabilität gekennzeichnet ist. Wir haben von deutscher Seite jegliches Interesse daran, aber wir wünschen es Ägypten auch, dass Ägypten einen guten wirtschaftlichen Weg nehmen kann und dass Ägypten seiner sehr jungen Bevölkerung eine gute Hoffnung geben kann. Deshalb hat in unseren Diskussionen auch die wirtschaftliche Kooperation eine große Breite eingenommen.

Bevor ich dazu komme, möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass wir durchaus auch Themen hatten, bei denen wir Meinungsverschiedenheiten haben bzw. die strittige Themen sind oder hinsichtlich der wir auf Lösungen hoffen. Wir haben über die Arbeit unserer politischen Stiftungen gesprochen. Hier ist die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, einer unserer Stiftungen, für uns von großer Bedeutung. Wir haben verabredet, dass wir auch weiter an Lösungen für die Arbeit der politischen Stiftungen arbeiten.

Wir haben über das Thema der Todesstrafe und darüber gesprochen, dass die hohe Zahl an Todesstrafen aus unserer Sicht etwas ist, das man vermeiden sollte. Deutschland lehnt die Todesstrafe ab.

Wir haben darüber gesprochen, dass es wichtig ist, dass sich alle Ägypter frei zu ihrer Religion bekennen können. Das schließt die koptischen Christen genauso ein wie natürlich Muslime und Menschen anderer Religionen.

Ich glaube, dass Ägypten an einem Weg arbeitet, der versucht, die Stabilität und auch den Wohlstand des Landes zu sichern. Deutschland möchte dabei ein wichtiger Partner und auch ein Partner sein, der hilft. Das hat sich dadurch gezeigt, dass Herr Bundesaußenminister Steinmeier Ägypten ja bereits besucht hat und dass Bundesminister Gabriel an der großen Wirtschaftskonferenz teilgenommen hat. Der Präsident hat hier auch eine große Wirtschaftsdelegation in seiner Begleitung. Wir wollen alles daransetzen, dass die Wirtschaft in Ägypten florieren kann. Das ist ein Land mit mindestens 90 Millionen Einwohnern; ich sprach von der jungen Bevölkerung. Ich glaube, Deutschland kann mit seinem wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Know-how bei der zukunftsfähigen Entwicklung Ägyptens helfen.

Wir haben dann sehr ausführlich über das Umfeld gesprochen und dabei eben festgestellt, wie zentral die Rolle Ägyptens ist, zum Beispiel für den Friedensprozess im Nahen Osten. Ich habe noch einmal deutlich gemacht, dass sich Deutschland für Friedensgespräche im Sinne einer Zwei-Staaten-Lösung zwischen den Palästinensern und Israel einsetzt. Es ist gelungen, die Sinai-Halbinsel zu stabilisieren. Dadurch ist allerdings das Leben der Menschen im Gazastreifen auch nicht einfacher geworden. Wir müssen schauen, dass es hier möglichst zu einer Versöhnung zwischen Fatah und Hamas kommt, und bei all diesen politischen Fragen kann Ägypten eine wichtige Rolle spielen.

Mindestens oder genauso wichtig sind natürlich der Blick in Richtung Libyen und der Blick in Richtung Syrien. Wir waren uns bewusst, welchen Einflussbereich der islamistische Terrorismus in Form von IS und anderen Gruppen hier bereits gewonnen hat. Ein Blick auf die Landkarte - Boko Haram in einem Teil Afrikas und IS mit einem wachsenden Einfluss im Norden und in Syrien - zeigt natürlich, dass es hier erhebliche Gefährdungen gibt. Wenn man sich die Landkarte und die lange Grenze Ägyptens mit Libyen anschaut, dann versteht man, dass die Stabilisierung Libyens für Ägypten ein mindestens so wichtiges Thema wie für uns hier in Europa und in Deutschland ist, die wir ja durch die Flüchtlingsströme aus Libyen auch sehen, welche Chancen der Menschenhandel hat, welche Chancen die Terroristen haben, sich weiter auszubreiten, und welche Möglichkeiten es für den Waffenschmuggel gibt. All das muss natürlich bekämpft werden, und wir werden hierüber auch weiterhin in engem Kontakt stehen, um gemeinsame Strategien zu entwickeln, um diesem Terrorismus den Kampf anzusagen. Denn das hat der Präsident immer wieder betont: Die Ägypter wollen in Frieden und Sicherheit leben, und Deutschland sollte, soweit es in seiner Kraft steht, hierbei helfen und als Partner zur Seite stehen.

Noch einmal herzlich willkommen. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Aufenthalt hier in der Bundesrepublik Deutschland und begrüße Sie noch einmal in Berlin.

P Al-Sisi: Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers, erlauben Sie mir anfangs bitte, meinen herzlichen Dank an die Frau Bundeskanzlerin für den herzlichen Empfang und die sehr freundliche Aufnahme zu richten. Während meiner Gespräche mit dem Herrn Bundespräsidenten und mit der Frau Bundeskanzlerin hatte ich, glaube ich, unsere, die ägyptische Perspektive darzustellen und auch unsere Situation in Ägypten zu erläutern.

Bitte erlauben Sie mir auch, meinen Dank und meine Wertschätzung an die Ägypter auszusprechen, die hier vor diesem Gebäude auf der Straße stehen, um zu betonen, wie wichtig es ist oder war, dass der ägyptische Wille diese Veränderung herbeigeführt hat, und dass es sehr wichtig ist, dass sie auch die Zukunft gestalten!

(Beifall)

Wir sind hier unter Freunden mit einer Staatsführung, die wir wertschätzen und die wir auch hoch schätzen. Wir sehen, dass sich unsere Kooperation und unsere Beziehungen intensivieren können. Wir können unsere Kooperation noch viel stärker ausbauen, weil Deutschland einen sehr hohen Stellenwert bei der ägyptischen Bevölkerung genießt. Jeder Ägypter wertschätzt die Deutschen sehr. Sie sehen: Die Deutschen haben ihr Land aufgebaut und eine wunderbare Kultur geschaffen. Das ist etwas, das wir wirklich wissen und glauben.

Auch wir in Ägypten wollen eine hoch geschätzte Kultur aufbauen. Wir haben sehr viel über Demokratie gesprochen. So will ich hier an dieser Stelle sagen: Auch wir in Ägypten lieben die Demokratie und die Freiheiten. Wir haben demokratische Prinzipien und Werte. Aber wir leben jetzt in einer sehr schwierigen Zeit. Natürlich haben wir Defizite in Ägypten, und vielleicht konnten wir unsere Botschaft nicht ganz klar nach Europa übermitteln. So möchte ich Ihnen allen sagen: Das ist jetzt eine Chance, sei es hier in Deutschland oder in Europa. Ich will Ihnen ganz klar sagen: Das, was jetzt in Ägypten passiert, ist ein sehr guter Prozess, der im Moment läuft. Es waren die Ägypter, die zu Millionen auf die Straße gegangen sind, um diesen religiösen Faschismus zu bekämpfen. Wenn die nicht auf die Straße gegangen wären, dann hätten wir eine noch größere Krise gehabt. Wir würden niemals zulassen, dass unser Land so wie Syrien, der Irak, Libyen oder der Jemen wird. Wir haben eine Bevölkerung, die genauso groß wie die aller anderen arabischen Länder zusammen ist. Wären wir in eine Krise geraten, so wären wir nur noch Asylanten geworden, und das können wir nicht zulassen.

Die ägyptische Armee hat eine sehr besondere Beziehung zum ägyptischen Volk, weil die Armee die Bevölkerung schützt. Die Armee ist nicht ein Instrument in der Hand der Regierung; das will ich nur ganz klar und deutlich sagen. Ich glaube, Sie müssen verstehen, dass das, was in Ägypten passiert ist, etwas Wunderbares ist, und Sie sollen uns dabei unterstützen.

Die Frau Bundeskanzlerin hat über die Todesurteile gesprochen, und ich werde nicht warten, bis mich die Journalisten nach den Todesurteilen befragen. Lassen Sie mich dazu gleich vorab etwas sagen: Sie haben eine Perspektive, die wir respektieren, und wir haben eine Perspektive, die Sie auch respektieren sollen. Das habe ich auch der Frau Bundeskanzlerin erklärt. Wenn wir über Strafen sprechen, so müssen wir immer darauf hinweisen, dass Ägypten ein Verfassungsstaat ist. Unsere Verfassung ist mehr als 100 Jahre alt. Da herrscht die Rechtsstaatlichkeit. Wir respektieren die Justiz und die Rechtsprechung. Wir können die Rechtsprechung nicht diskutieren oder infrage stellen. Für Sie ist das vielleicht nicht ganz klar, vielleicht deshalb, weil wir geographisch sehr weit voneinander entfernt sind.

Aber es gibt zum Beispiel Dinge wie Todesurteile. Wenn die Todesurteile zuerst einmal an den Mufti verwiesen werden, dann bedeutet das ja nur, dass der oberste Mufti prüft, ob das aus religiöser Sicht überhaupt akzeptabel ist oder nicht, also ob das Todesurteil dem Verbrechen angemessen ist oder nicht. Das ist ja einfach nur eine religiöse Meinung. Wir versuchen hier nur, Ihnen die Tatsachen darzustellen, und ich will Ihnen versichern, dass die Todesurteile in der Mehrheit alle in Abwesenheit der Angeklagten gesprochen wurden. Das heißt, diese Urteile sind dann nicht rechtskräftig, sobald der Angeklagte vor Gericht erscheint. Das heißt, das Verfahren wird wieder aufgerollt. Zudem ist es auch so, dass unser Strafgericht die internationalen Normen befolgt. Das sind keine Sondergerichte oder Revolutionsgerichte.

Ein dritter Punkt, den man an dieser Stelle vielleicht erwähnen sollte: Selbst wenn ein Todesurteil in erster Instanz ausgesprochen wird, wird der Staatsanwalt, der die Interessen des Volkes vertritt, automatisch ein erneutes Abhalten des Verfahrens einfordern. - Das waren einfach ein paar Verfahrensfragen, die ich Ihnen erklären wollte.

Ich möchte auch sagen: Wenn Sie in Ihrer Demokratie das Menschenleben achten, dann will ich betonen, dass wir das auch tun. Ich möchte die Chance ergreifen, zu sagen, dass ich hier die Bundeskanzlerin treffe, für die ich sehr viel Respekt habe. Am 3. Juli hatten wir eine Erklärung abgegeben, und dafür haben wir alle Parteien und alle Akteure eingeladen, an einen Tisch zu kommen, damit wir nicht in Zukunft einen Konflikt haben würden. Das war damals. Das ist nur ein Punkt. Das wollte ich nur eingangs erwähnen. Aber durch die Gespräche mit dem Herrn Bundespräsidenten und der Frau Bundeskanzlerin habe ich gespürt, wie viel Respekt die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident für Ägypten haben, und auch Verständnis für bestimmte Themen gespürt. Es gab ja Konsens darüber, dass wir zusammen viel für die Stabilität der Region tun können - nicht nur für die Stabilität unserer Region, sondern auch für die Stabilität Europas.

Wir haben auch über die Situation in Libyen und in Syrien sowie über den Terrorismus insgesamt, aber auch über die wirtschaftliche Kooperation und die NGOs gesprochen. Ich möchte gerne über die zwei deutschen politischen Stiftungen sprechen, weil diese politischen Stiftungen auch in Ägypten anerkannt sind. Aber die Problematik ist eigentlich in den letzten vier Jahren entstanden, als wir revolutionäre Umstände bzw. eine bestimmte Situation hatten. Sie sollten vielleicht auch verstehen: Wir streben nicht an, die NGOs oder die politischen Stiftungen einzugrenzen oder ihre Aktivitäten zurückzudrängen. Aber wenn wir jetzt die Möglichkeit haben, innerhalb des Gesetzes bestimmte Regelungen vorzunehmen, dann werden wir das sofort tun, um den Stiftungen auch die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit fortzusetzen.

Ich möchte mich nochmals herzlich bei der Frau Bundeskanzlerin bedanken, aber mein Dank gilt auch dem deutschen Volk. Vielen herzlichen Dank!

(Beifall)

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe eine Frage an Sie. Deutschland und Ägypten sind beide Mitglieder in der internationalen Allianz gegen Terrorismus. Deutschland erkennt auch, dass Ägypten vom Terrorismus bedroht ist, und zwar im Inland sowie auch von den Nachbarstaaten. Wie unterstützt Deutschland Ägypten in diesem Kampf militärisch, politisch und wirtschaftlich? Gibt es bestimmte Maßnahmen, die vereinbart worden sind oder die noch kommen werden?

BK'in Merkel: Zuerst einmal glaube ich, dass es wichtig ist, dass die Länder, die in einer Koalition gegen den internationalen Terrorismus zusammenarbeiten, in sich wirtschaftlich stabil sind. Deshalb ist sowohl die Entwicklungszusammenarbeit mit Ägypten als auch die Frage der zukünftigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit von allergrößter Bedeutung. Deshalb gibt es hier eine Vielzahl von Terminen. Die Unternehmer, die den Präsidenten begleiten, haben heute eigentlich ganztägig Diskussionen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit geführt. Ich habe gesagt: Je schneller die Genehmigungsverfahren in Ägypten gestaltet werden können, je fester und verlässlicher die Rechtslage ist und je besser unsere Außenhandelskammer arbeiten kann, umso besser kann Deutschland auch mit seinem wirtschaftlichen Know-how helfen. Deutschland hat nämlich keine staatlichen Unternehmen, die jetzt nach Ägypten kommen und die wir politisch sozusagen dazu auffordern könnten, sondern deutsche Unternehmen sind privatwirtschaftlich organisiert und werden den Weg nach Ägypten dann finden, wenn sie glauben, dass sie verlässliche und gute Rahmenbedingungen haben.

Zweitens werden wir keinen einzigen dieser terroristischen Konflikte allein militärisch lösen können. Das heißt, wir sind hierbei auch darauf angewiesen, politisch zusammenzuarbeiten. Dafür war der Austausch mit dem ägyptischen Präsidenten für mich von allergrößter Wichtigkeit. Wir werden überlegen müssen, ob wir auch Formate finden, in denen wir solche Diskussionen dann auch regelmäßig gemeinsam führen können. Denn gerade die Frage, wie wir die Instabilität in Libyen überwinden, erfordert ein sehr gemeinsames Vorgehen. Wir unterstützen beide die Arbeit des UN-Vermittlers León, aber alleine kann er das nicht schaffen, wenn die wichtigsten Akteure, und dazu gehört Ägypten, nicht in die gleiche Richtung arbeiten. Das heißt also, dieser Besuch wird dazu führen, dass wir auch regelmäßige Kontakte, wie sie der Außenminister hat, auf der Außenebene sowie gerade auch in der Zusammenarbeit hinsichtlich der Fragen der Sicherheit haben werden.

Frage: Herr Präsident, ich habe eine Frage an Sie. An derselben Stelle, an der Sie jetzt stehen, stand vor zwei Jahren Herr Mursi, dem ja mittlerweile die Todesstrafe droht. Würden Sie es denn begrüßen, wenn diese Todesstrafe am Ende wieder zurückgenommen oder außer Kraft gesetzt werden würde?

Eine kurze Frage zu Griechenland an die Kanzlerin, wenn Sie erlauben: Rechnen Sie damit, dass der Termin 30. Juni als Ende des zweiten Programms noch einzuhalten ist, oder sehen Sie die Möglichkeit, dass man Griechenland möglicherweise noch etwas mehr Zeit gewährt, um die ganze Verhandlungslage etwas zu entspannen?

P Al-Sisi: Ja, natürlich, das war ein anderer Präsident, der hier vor zwei Jahren gestanden hat und der auch wirklich demokratisch gewählt wurde. 51 Prozent haben den Präsidenten gewählt, und wir betonen natürlich den demokratischen Prozess dieser Wahl. Aber genau diese 51 Prozent, die ihn gewählt haben, haben nach einem Jahr keine andere Möglichkeit gefunden, ihn seines Amtes zu entheben. Sie haben nur den Weg gehabt, auf die Straße zu gehen, das heißt, zu demonstrieren.

Ich verstehe auch die Problematik eines Todesurteils aus deutscher oder europäischer Sicht. Aber ich möchte wieder betonen: Wir sprechen hierbei ja von einem erstinstanzlichen Urteil. Das heißt, es gibt ja noch höhere Instanzen. Ich möchte jetzt nicht sagen, was ich alles tun kann. Lassen wir das Verfahren doch einfach seinen Lauf nehmen, und wir werden sehen, was dann kommen wird. Ich glaube, alles wird zu seiner Zeit kommen.

BK'in Merkel: Zu Griechenland kann ich nur das wiederholen, was ich immer wieder gesagt habe: Wir arbeiten mit Hochdruck. Wenn ich "wir" sage, dann sind das vor allen Dingen die drei Institutionen, die dann ja mit Griechenland ein Übereinkommen finden müssen und die dieses dann der Eurogruppe vorstellen werden. Die Eurogruppe wird dann die Entscheidung treffen. Alle Arbeiten, die wir im Moment durchführen auch die bilateralen oder trilateralen Telefonate, die der französische Präsident und ich durchführen , sind darauf ausgerichtet, dabei zu helfen, dass im Rahmen der vereinbarten Zeit ein Programmabschluss geschafft werden kann. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet.

Frage: Ich möchte zuerst einmal dem Herrn Präsidenten für all seine Bemühungen danken, nicht nur als Person, sondern auch im Namen des Volkes, weil wir ja so viel Gutes gesehen haben.

Jetzt kommt meine Frage an die Frau Bundeskanzlerin: Ägypten hat sehr viel von Deutschland erwartet, als Deutschland den Vorsitz innerhalb der EU innehatte, auch nach dem Treffen des Präsidenten mit Ihnen. Wir erhoffen uns Kooperation mit Ägypten, indem Sie vielleicht mit den anderen europäischen Partnern darauf hinarbeiten, das Bild Ägyptens in ein richtiges Licht zu stellen. Wir hoffen sehr, dass auch die Bemühungen Ihrer Regierung durch Ihre Kooperation und Ihre Teilnahme an der Konferenz in Scharm El-Scheich Früchte tragen werden, also dass wir konkrete Maßnahmen für konkrete Investitionen als Folge Ihrer erfolgreichen Beteiligung an der Konferenz in Scharm El-Scheich sehen werden.

BK'in Merkel: Wir haben jegliches Interesse daran, das Bild Ägyptens als eines wichtigen Landes in der Region zu würdigen und auch die Anstrengungen zu würdigen, die unternommen werden und darauf ausgerichtet sind, Stabilität durch wirtschaftliche Entwicklung zu erzeugen. Ich habe erwähnt, was Ägypten auch gerade tut, um die Stabilität auf der Sinai-Halbinsel zu gewährleisten, und so könnte ich noch vieles andere nennen. Ich glaube, dass es viele gute Gründe für eine enge Kooperation zwischen Deutschland und Ägypten gibt.

Aber ich bitte auch im Verständnis dafür, dass auch wir unsere Wertvorstellungen und unsere Interessen haben. Da gibt es Dinge, die zusammenkommen es ist in unserem Interesse, Frieden und Sicherheit zu gewährleisten , und es gibt Dinge, zu denen wir eine andere Meinung haben. Dazu gehört zum Beispiel, dass unter keinen Umständen auch wenn es sich um terroristische Aktivitäten handelt Menschen zum Tode verurteilt werden sollten. Ich finde, wenn man Partner sein will und wenn man komplizierte Dinge entwickeln und auch lösen möchte, dann muss man solche Dinge in einem Gespräch auch aussprechen können und darüber reden können. Nicht ein Gespräch wird dazu führen, dass man gleich einer Meinung ist. Das führt aber auch nicht dazu, dass man in anderen Fragen nicht sehr eng zusammenarbeiten kann.

Deshalb bin ich ja auch ausdrücklich dafür, dass wir miteinander sprechen. Wir haben das in Davos getan. Ich habe den Präsidenten eingeladen, und der Bundespräsident hat ihn eingeladen. So werden wir weiter in Kontakt bleiben. Je mehr wir miteinander sprechen, umso mehr werden wir auch voneinander verstehen. Aber dann kann es immer noch sein, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, und das ist etwas, das wir auch durchaus akzeptieren sollten. Trotzdem können das sehr fruchtbare Gespräche sein.

Die Delegation des Präsidenten mit sehr vielen Wirtschaftsvertretern begleitet viele Termine, die der Präsident hat - heute Abend ein Abendessen mit dem Bundeswirtschaftsminister, morgen ein Gespräch mit dem BDI -, und die werden dazu führen, dass die wirtschaftlichen Kontakte enger werden. Der Präsident setzt sich ja hier auch sehr bewusst dafür ein, und das ist in beiderseitigem Interesse. Deshalb begrüßen wir es auch, wenn es hier zu mehr Kontakten kommt.

(Zwischenrufe)

Nein, schauen Sie: Wir haben hier eine bestimmte Vorgehensweise bei den Pressekonferenzen, und Frau Wirtz ruft die Menschen auf. - Jetzt sind Sie erst einmal dran!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, der ägyptische Präsident sagt, das mit der Todesstrafe sei alles nicht so schlimm, man kümmere sich darum, man habe einfach eine andere Perspektive. Nimmt die deutsche Regierung das so hin, weil die strategische Bedeutung in diesem Moment wichtiger ist?

Eine zweite Frage: Haben Sie eine Meinung zum Rücktritt von Herrn Blatter?

BK'in Merkel: Ich glaube, um das Zweite gleich zuerst zu sagen, dass es jetzt besser möglich sein wird, die Arbeit der FIFA auf eine transparente Grundlage zu stellen. Ich denke, dass es für die Millionen oder Milliarden Fans des Fußballs eine wichtige Nachricht ist, dass wir alle, die wir Fußball gerne mögen ich gehöre ja auch zu den Fans - , sagen können, dass auch die Organisation, die den Weltfußball vertritt, nach den Maßstäben funktioniert, die wir uns alle wünschen.

Zweitens werden Sie mir ja sehr aufmerksam zugehört haben, als ich eben meine Ausführungen gemacht habe. Es geht darum, dass wir einerseits unterschiedliche Meinungen ansprechen und dabei auch gar keinen Kompromiss machen, aber andererseits erstens miteinander sprechen und zweitens natürlich auch die Interessen von Sicherheit und Stabilität in einer Region sehr im Auge haben, die für die Sicherheit von Deutschland und von Europa von allergrößter Bedeutung ist. Die Erfahrung und die Geschichte lehren uns eigentlich, dass es erfolgreich sein kann, miteinander zu reden und auch miteinander zu versuchen, in Feldern zu kooperieren, die uns wichtig sind. Jedenfalls ist das meine Lebenserfahrung. Deshalb ist dies auch nicht das erste Gespräch, das ich führe, und sicherlich auch nicht das letzte Gespräch, in dem es Teile gibt, zu denen es unterschiedliche Meinungen gibt, aber in dem es auf der anderen Seite auch Teile gibt, die eine sehr gute Zusammenarbeit in Aussicht stellen oder sie noch bekräftigen, die es schon heute zwischen Deutschland und Ägypten gibt.

Dann will ich vielleicht noch etwas hinzufügen: Ägypten hat eine lange Geschichte. Auch andere Präsidenten - nicht nur Präsident Mursi - waren hier. Auch dabei haben wir schon kritische Anmerkungen gemacht. Ich selbst war auch unter Präsident Mubarak in Ägypten, und auch dabei haben wir über Menschenrechte gesprochen. Ich glaube, die vielen Demonstrierenden, die 30 Millionen, die in Ägypten im vergangenen Jahr auf die Straße gegangen sind, haben ja gezeigt, dass dieses Land durchaus auch seine eigene Identität finden möchte, und das werden wir zu unterstützen versuchen.

Herzlichen Dank!

(Ende: 14.32 Uhr)

Mittwoch, 3. Juni 2015

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Quelle:
Pressekonferenz - Besuch des Staatspräsidenten der Arabischen Republik Ägypten, 03.06.2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/06/2015-06-03-merkel-al-sisi.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2015

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