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PRESSEKONFERENZ/1061: Regierungspressekonferenz vom 11. September 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 11. September 2015
Regierungspressekonferenz vom 11. September 2015

Themen: Personalie, Termine der Bundeskanzlerin (Besuch des estnischen Ministerpräsidenten, Kabinettsklausur, Kabinettssitzung, G7-Dialogforum, Besuch der IAA, Verleihung des Walther-Rathenau-Preises, Jahresversammlung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 4. ver.di-Bundeskongress), Außenministertreffen im Normandie-Format, Bürgerkrieg in Syrien, Flüchtlings- und Asylpolitik, Fremdenfeindlichkeit und Hass in sozialen Medien und auf Diskussionsplattformen, Stresstest bezüglich der Atomrückstellungen, gezielte Tötungen in Afghanistan, Biblis-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags

Sprecher: SRS'in Wirtz, Fronczak (BMEL), Dr. Schäfer (AA), Nannt (BMVg), Dr. Plate (BMI), Malachowski (BMJV), Moiteaux (BMWi)


VORS. WELTY eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

VORS. WELTY: Wir haben einen Abschied zu verzeichnen. Herr Fronczak, bitte!

FRONCZAK: Ich sage auf zunächst unbestimmte Zeit Adieu in dieser Funktion. In den letzten dreieinhalb Jahren war es mir eine Freude, Ihnen als Sprecher des Ministeriums Rede und Antwort stehen zu können. Wenn ich in den Raum schaue, so kennen mich einige schon aus der Zeit davor als Stimme der Verbraucher, und ich kenne sie umgekehrt, da sie damals schon meine Wegbegleiter waren.

Vielen Dank für die Zeit, vielen Dank für die Begegnungen, vielen Dank für die gute Zusammenarbeit. Es war alles sehr bereichernd.

Nach 15 Jahren Pressearbeit in Berlin führt es mich zurück ins Rheinland, ich bleibe dem BMEL aber in einer anderen Funktion erhalten. Ich werde Referent für Nachhaltigkeit und Klimaschutz und betreue damit vor allen Dingen die wichtigen Weichenstellungen in der Klimapolitik und damit auch die kurz bevorstehende Klimakonferenz in Paris. Das ist sicherlich ein sehr wichtiger Meilenstein.

Auch in der neuen Funktion wird die Kommunikation sicherlich nicht zu kurz kommen, und ich hoffe auf ein Wiedersehen mit Ihnen.

Ich will nicht nur Ihnen danke sagen, sondern auch den Kolleginnen und Kollegen hier auf dem Podium. Ich wünsche Ihnen allen und der Bundespressekonferenz alles Gute und Ihnen für die Kommunikation, wo und wie auch immer sie geführt wird, stets ein gutes Klima.

VORS. WELTY: Wir bedanken uns für die guten Wünsche und wünschen für die neue Aufgabe viel Erfolg.

FRONCZAK: Danke vielmals.

SRS'IN WIRTZ: Die Termine der Kanzlerin beginnen am Dienstag.

Am Dienstagvormittag wird die Bundeskanzlerin den Ministerpräsidenten Estlands, Taavi Rõivas, im Bundeskanzleramt begrüßen. Es wird um bilaterale Themen und aktuelle europapolitische Themen gehen. Sie können sich denken, dass es auch um die Fragen rund um die Flüchtlinge gehen wird. Es werden außenpolitische Themen eine Rolle spielen, insbesondere mit Blick auf die Beziehungen zu Russland.

Am Dienstagvormittag um 11.40 Uhr wird es eine gemeinsame Pressebegegnung im Bundeskanzleramt geben.

Am Nachmittag wird der estnische Ministerpräsident dann auf Einladung der Bundeskanzlerin an der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg teilnehmen.

Womit ich gleich schon beim Dienstagnachmittag und Mittwoch wäre: Dann findet, wie gesagt, die Kabinettsklausur im Gästehaus in Meseberg statt. Im Rahmen dieser Kabinettsklausur wird es am Mittwoch auch eine reguläre Kabinettssitzung geben. Schwerpunktthema dieser Klausur ist die Digitale Agenda mit ihren vielen Facetten, wie zum Beispiel der europäischen und internationalen Dimension und den Aspekten der digitalen Wirtschaft, des digitalen Staates und der digitalen Gesellschaft.

Es sind Gäste eingeladen worden, die an dieser Klausurtagung teilnehmen werden. Zum einen ist dies der Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, Günther Oettinger, und zum anderen ist dies der schon erwähnte estnische Ministerpräsident Taavi Rõivas.

Kurz vor 13 Uhr, zu Beginn der Kabinettsklausur in Meseberg, wird es Pressestatements der Bundeskanzlerin und von Bundeminister Gabriel geben. Danach beginnen dann die Sitzungen im Rahmen der Klausur.

Am Mittwochmorgen um 9 Uhr geht es weiter. Dann ist die bereits erwähnte Kabinettssitzung vorgesehen. Sicherlich wird es neben dem Schwerpunktthema "Digitale Agenda" auch um Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik gehen.

Nach Abschluss der Kabinettssitzung wird es um 11 Uhr eine Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin und Vizekanzler geben, und zwar auch in Meseberg.

Am Mittwoch ab 15 Uhr geht es für die Bundeskanzlerin mit dem G7-Dialogforum mit Frauen aus Industriestaaten und Entwicklungsländern weiter. Sie erinnern sich, dass es vor dem G7-Treffen in Elmau schon verschiedene Treffen in diesem Format gab. Die Bundeskanzlerin hat sich in der ersten Jahreshälfte schon mit Gewerkschaftsvertretern, Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, Jugendlichen und Repräsentanten aus Wissenschaft und Wirtschaft getroffen, um im Rahmen des G7-Prozesses auch mit diesen Gruppen zu sprechen. Jetzt steht ein Treffen mit Frauen an. Wie Sie wissen, ist sind auch Frauen und die Stärkung von Frauen ein ganz wichtiges Thema dieses G7-Gipfels gewesen. In Elmau sind entsprechende Beschlüsse in Bezug auf die unternehmerische Selbstständigkeit von Frauen und die berufliche Bildung von Mädchen und Frauen in Entwicklungsländern gefasst worden.

An diesem Treffen werden rund 50 Frauen mit herausgehobenen Positionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft teilnehmen. Lassen Sie mich vier Teilnehmerinnen nennen, mit denen die Bundeskanzlerin am Rande dieser Veranstaltung auch noch bilaterale Gespräche führen wird. Das sind die jordanische Königin Rania, die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, die norwegische Premierministerin Erna Solberg sowie die Chefin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen und ehemalige neuseeländischen Premierministerin Helen Clark.

Am Donnerstagmorgen geht es nach Frankfurt zur IAA. Die Bundeskanzlerin wird um 10 Uhr an der Eröffnungsveranstaltung teilnehmen. Die Kanzlerin wird eine Rede halten, und dann folgt ein Rundgang über die Messe.

Um 16 Uhr wird die Bundeskanzlerin an der Verleihung des Walther-Rathenau-Preises an die jordanische Königin teilnehmen. Die Bundeskanzlerin wird eine Laudatio halten und der Königin für ihr Engagement für Frieden und Verständigung zwischen Völkern und Religionen danken. Ort dieser Preisverleihung ist der Weltsaal im Auswärtigen Amt.

Am Freitag wird die Bundeskanzlerin an der Jahresversammlung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle teilnehmen. Um 11 Uhr wird die Bundeskanzlerin dort erwartet. Thema der diesjährigen Jahresversammlung sind die Symmetrie und Asymmetrie in Wissenschaft und Kunst. Dazu wird es 17 verschiedene Vorträge aus den verschiedenen fachwissenschaftlichen Perspektiven geben.

Die Bundeskanzlerin selbst hat sich für ihre Rede vorgenommen, über die Rolle der Leopoldina im Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft zu sprechen sowie aktuelle Themen der Wissenschafts- und Forschungspolitik aufzunehmen.

Es gibt noch einen Termin am nächsten Sonntag, dem 20. September. Dann wird der 4. ver.di-Bundeskongress stattfinden. Die Bundeskanzlerin wird am Sonntag ab 18 Uhr in Leipzig sein. Der Bundeskongress steht unter dem Motto "Stärke. Vielfalt. Zukunft." Die Bundeskanzlerin wird in ihrer Rede vermutlich auf die Themen Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik eingehen. Auch hier wird das Thema Flüchtlinge eine Rolle spielen, und es wird vermutlich auch um Reformen im Pflegebereich sowie um die Energiewende gehen.

Soweit die Termine der Kanzlerin für die nächste Woche.

DR. SCHÄFER: Ich möchte Ihnen sagen, dass Herr Steinmeier seine drei Amtskollegen aus Kiew, aus Moskau und aus Paris, die Außenminister Pawlo Klimkin, Sergej Lawrow und Laurent Fabius, für morgen Abend nach Berlin eingeladen hat. Es wird in Berlin zum sechsten Mal, insgesamt zum siebten Mal - das letzte Treffen der vier Außenminister hat bekanntlich in Paris Ende Juni stattgefunden - zu einem Treffen der vier Außenminister im sogenannten Normandie-Format kommen. Die vier Außenminister haben sich vorgenommen, bei ihrem Treffen morgen Abend in der Villa Borsig in Tegel, hier in Berlin, neue Impulse für eine politische Lösung in der Ostukraine zu setzen und gleichzeitig auch das Ihnen bereits bekannte und angekündigte Treffen der Staats- und Regierungschefs im gleichen Format für Anfang Oktober vorzubereiten.

Bei dem Treffen in der Villa Borsig morgen Abend wird es um weitere Schritte zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen gehen. Der Waffenstillstand hält seit dem 1. September einigermaßen. Dennoch ist die Lage in der Ostukraine politisch wie militärisch unverändert angespannt. Leider sind wir noch immer weit davon entfernt, Entwarnung geben und die Entspannung, die wir in den letzten Tagen militärisch beobachten, wirklich als dauerhaft ansehen zu können. Es gibt keine Garantien für eine friedliche Lösung. Genau deshalb ist es jetzt so wichtig, dass die Politik im Normandie-Format sozusagen die Fäden wieder in die Hand nimmt und wir gemeinsam versuchen, Fortschritte zu erzielen, insbesondere bei dem Versuch des französischen Kollegen und von Herrn Steinmeier, die unterschiedlichen Positionen, die es in Kiew und in Moskau gibt, einander anzunähern, um wenigstens kleine Schritte in Richtung Umsetzung von Minsk und einer friedlichen Lösung der Krise in der Ostukraine zu erzielen.

Ich reiße einfach ein paar Themen an, weil ich mir denken könnte, dass es für Sie von Interesse ist, worum es morgen Abend gehen kann.

Es geht leider immer noch um den vollständigen Abzug schwerer Waffen, so wie er in Minsk vereinbart worden ist. Darüber hinaus wird es um etwas gehen, was bereits bei anderen Außenministertreffen eine Rolle gespielt hat, nämlich um den Rückzug von Waffen, die nicht von den Minsker Vereinbarungen erfasst werden, Waffen mit einem Kaliber von weniger als 100 Millimeter. Es geht immer noch darum, wirklich sicherzustellen, dass die Rolle der OSZE von allen Konfliktparteien angemessen gewürdigt wird, dass die OSZE-Beobachter sicheren Zugang zu all den Orten haben, an denen sie den Waffenstillstand überwachen können sollen, und es geht nicht zuletzt um den politischen Prozess, also um all die Fragen wie die der Verfassungsreform, der Amnestie, des Gefangenenaustauschs, des Sonderstatus der separatistischen Gebiete und last, but not least - das ist ganz wichtig - der Durchführung von Lokalwahlen. Die Haltung der Bundesregierung dazu ist klar: Wir wünschen uns eigentlich, dass die von den Separatisten angekündigten Lokalwahlen am 18. Oktober nicht stattfinden. Auch darum, so glaube ich, wird morgen in der Villa Borsig gerungen werden.

Während sich die Außenminister treffen, wird es - wie schon in den letzten Wochen und auch danach - wieder Treffen der Kontaktgruppe und der vier Arbeitsgruppen unterhalb der Kontaktgruppe in Minsk geben. Diese Arbeiten sollen von den vier Außenministern unterstützt werden, und wir hoffen sehr, dass wir morgen und dann in der Folge in diesen Gruppen wirklich konkrete Ergebnisse bei all diesen wichtigen Fragen erzielen können. - Vielen Dank.

FRAGE: Erstens. Herrn Schäfer, ein Vertreter des französischen Außenministeriums hat gesagt, Herr Fabius wolle morgen in Berlin mit Herrn Lawrow auch die Situation in Syrien besprechen. Möchte die deutsche Seite an diesen Gesprächen teilnehmen? Welche Position vertritt die deutsche Seite?

Zweitens. Der ukrainische Präsident Poroschenko hat heute gesagt, er wolle während des Treffens der Staats- und Regierungschefs in Paris Anfang Oktober die Schaffung einer neuen Arbeitsgruppe ansprechen, die sich mit dem Wiederaufbau der Kontrolle an der Staatsgrenze zu Russland beschäftigen solle. Ist das Thema besprochen? Wie ist insoweit die Position? Mit welchen Kräften kann das gemacht werden?

DR. SCHÄFER: Die erste Frage betrifft jetzt weniger die Ukraine, sondern Syrien. Wenn Sie möchten, dass ich sie jetzt beantworte, tue ich das gerne. Ansonsten können wir sie auch gerne zurückstellen.

Zu der zweiten Frage: Ich kenne diese Äußerung des ukrainischen Staatspräsidenten nicht, bin aber sicher, dass das, wenn das ein Wunsch der ukrainischen Regierung sein sollte, vom Vertreter der Ukraine, vom ukrainischen Außenminister Klimkin, morgen Abend vorgetragen wird. Diese Art von Vorschlägen wird dann umgesetzt, wenn es einen Konsens darüber geben sollte und wenn alle Beteiligten deren Zweckmäßigkeit erkennen. Ich denke, es ergibt keinen Sinn, das in der Öffentlichkeit zu besprechen. Das gehört hinter die Kulissen, in die vertraulichen Gespräche der verschiedenen Ebenen des Normandie-Formats, die es gibt.

Zum Thema Syrien. Ich glaube, Sie haben recht. Das Thema Syrien ist zurzeit so volatil, so sehr in aller Munde, und die Bewegung, die wir auf allen Seiten sehen, insbesondere auch die Aktivitäten des russischen Militärs beim Verbringen von Gerät und Material, womöglich auch von Personal, aus Russland nach Syrien, sind wichtig. Sie sind naturgemäß nicht auf der förmlichen, offiziellen Tagesordnung des Treffens - dabei geht es ausschließlich um die Ukraine -, aber ich halte es für möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich, dass am Rande der förmlichen Tagesordnung zwischen den vier Ministern auch über andere Themen, darunter sicherlich auch über Syrien gesprochen wird. Ich kann Ihnen versichern, dass für die deutsche Außenpolitik und insbesondere für den Außenminister das Thema Syrien zurzeit ganz oben auf der Agenda steht, auch, aber nicht nur wegen des immer größer werdenden menschlichen Leids, der Not und der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen, die aus Syrien und aus der Region bei uns oder anderswo Zuflucht suchen, sondern auch deshalb, weil der Außenminister glaubt, dass aus verschiedenen Gründen, die ich gerne erläutern kann, wenn Sie das wünschen, jetzt der Moment gekommen sein könnte, noch einmal den Versuch zu starten, eine diplomatische Bewegung in Gang zu bekommen, mit dem Ziel, die Konfliktparteien in Syrien, aber auch die Mächte um Syrien herum dazu zu bringen, miteinander darüber zu reden, welche Auswege es aus dieser dramatischen Bürgerkriegssituation in Syrien geben könnte. Morgen ist dafür ganz sicher ein guter und wichtiger Anlass, weil der französische Außenminister, die französische Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten sehr engagiert sind, wir im engen Schulterschluss mit Frankreich außenpolitisch agieren und natürlich der russische Außenminister und die russische Außenpolitik für eine mögliche gute Zukunft Syriens genauso bedeutsam sind. Da gibt es eine Menge, worüber man reden können wird.

FRAGE: Herr Schäfer, kann man das Treffen der Außenminister morgen auch als Vorstufe oder Vorbedingung für das Normandie-Format mit den Regierungschefs verstehen? Von russischer Seite hört man, dass es am 2. Oktober stattfinden soll. Können Sie das bestätigen, oder wo stehen wir da gerade?

SRS'IN WIRTZ: Ich kann nur sagen, dass es auf verschiedenen Ebenen immer wieder Gespräche gegeben hat, dass im Grunde seit den Vereinbarungen von Minsk auch die Arbeitsgruppen immer wieder auf verschiedenen Ebenen getagt haben. Insofern steht zunächst einmal dieses Treffen der Außenminister für sich. Es ist richtig, dass für Anfang Oktober ein Termin der Staats- und Regierungschefs ins Auge gefasst wurde. Insofern können Sie es als Vorstufe begreifen, aber ich würde es jetzt nicht unbedingt so deklarieren wollen. Aber natürlich wird man, auf die Ergebnisse, die bei den Außenministern erreicht worden sind, oder auf die Aspekte, die dort besprochen worden sind, aufbauend, die Gespräche weiterführen.

DR. SCHÄFER: Oder die, die nicht erreicht worden sind.

SRS'IN WIRTZ: Genau. Aber lieber die, die erreicht worden sind.

DR. SCHÄFER: Vielleicht noch zum Technischen: Das läuft in der Villa Borsig, wenn Sie so wollen, inzwischen schon nach bewährter Tradition - ich will nicht sagen, nach Schema F - ab. Diejenigen, die schon einmal in der Villa Borsig dabei waren, kennen das. Es wird gegen Viertel vor sechs einen kurzen "doorstep" des Außenministers geben, bevor er seine Gäste aus Kiew, Moskau und Paris begrüßt. Dann werden sich die vier Außenminister im kleinen Delegationskreis zurückziehen. Danach wird es ein gemeinsames Abendessen geben. Ich hoffe, dass der Abend nicht allzu lang sein wird, muss es aber gegebenenfalls Ihrer Spekulation überlassen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist, wenn es länger braucht. Am Ende der Veranstaltung - so ist es geplant - wird sich Herr Steinmeier noch an diejenigen wenden, die draußen vor der Villa Borsig ausgeharrt haben und von ihm von den Ergebnissen des Treffens hören wollen.

ZUSATZFRAGE: Ich habe nur noch eine Verständnisfrage, Frau Wirtz. Sagten Sie es sei für den 2. Oktober oder sagten Sie, es sei für Anfang Oktober ins Auge gefasst?

SRS'IN WIRTZ: Wir haben bislang Anfang Oktober kommuniziert, aber ich kann Ihnen sagen, dass in der Tat der 2. Oktober ins Auge gefasst ist.

FRAGE: Herr Schäfer, mich würde interessieren, warum kein Vertreter der Separatisten bei einem solchen Meeting dabei ist. Oder zählt der ukrainische Außenminister als Vertreter?

DR. SCHÄFER: Der Separatisten? Der ukrainische Außenminister nennt die Verantwortlichen im Donbass, in Lugansk und Donezk, immer Terroristen. Deshalb glaube ich nicht, dass er für sich in Anspruch nähme, für sie zu sprechen. Er spricht sicherlich für die Ukraine und für die ukrainische Regierung. Dass die Separatisten nicht mit am Tisch sitzen, hat einen ganz einfachen Grund: Da sitzen legitime Regierungen von legitimen Staaten am Tisch, die miteinander darum ringen, in einer ernsten Krise, in der die Separatisten eine schwierige, ja gefährliche Konfliktpartei sind, vernünftige Lösungen zu finden. Niemand - im Übrigen auch nicht Russland - erkennt die Separatisten als legitime Vertreter von irgendetwas Förmlichem an. Richtig ist aber, dass die russischen Ideen dahin gehen, dass immer wieder auch versucht wird, förmliche Kontakte etwa zwischen uns oder der ukrainischen Regierung mit den Separatisten in Gang zu setzen. Dafür gibt es ein Format. Das ist genau für diesen Zweck gegründet worden. Das ist die Kontaktgruppe, die zurzeit mit festem Sitz in Minsk tagt. Dort gibt es die Gelegenheit, dass sich Vertreter der russischen Regierung und der ukrainisch Regierung unter dem Vorsitz der OSZE mit Vertretern der Separatisten austauschen, um praktische Fragen zu klären. Dort gibt es die vier Arbeitsgruppen Humanitäres, Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Das ist das Format, in dem, ohne große Statusfragen klären zu müssen, tatsächlich praktische Fragen geklärt werden können.

ZUSATZFRAGE: Wäre es nicht angemessen, dass man auch mit Vertretern der Separatisten spricht oder wenigstens ihre Interessen hört? Denn Russland ist ja nicht der Interessenvertreter der Separatisten.

DR. SCHÄFER: Die Interessen der Separatisten sind allen Beteiligten hinreichend bekannt. Die bisherige Strategie und Einstellung war, dass man zu Recht davon ausgeht, dass die Regierung in Moskau gehörigen Einfluss auf die Separatisten ausüben kann. Dafür, dass das so ist, gibt es viele Beispiele. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir in eine Situation geraten, in der auf förmliche Art und Weise oder gar informelle Weise Vertreter der Bundesregierung, sozusagen des deutschen Staates, mit diesen Damen und Herren - insbesondere sind es ja Herren - irgendwie geartete Kontakte aufnehmen. Das scheint mir völlig undenkbar zu sein.

FRAGE: Herr Schäfer, ich möchte einen Aspekt aus der morgigen Runde aufgreifen, die Verfassungsreform. Es ist offensichtlich, dass es im ukrainischen Parlament für die Verfassungsreform mit der Dezentralisierung in der zweiten Lesung keine Zweidrittelmehrheit geben wird. Damit wäre auch der Minsk-Vertrag eigentlich tot. Wäre dann der Außenminister damit zufrieden, dass der Konflikt sozusagen auf dem heutigen Niveau eingefroren wird?

DR. SCHÄFER: Ich würde davor warnen - das machen wir eigentlich seit vielen Monaten - hier und da und immer wieder den Minsk-Prozess für tot zu erklären, wenn dies oder jenes passiert. Ich denke, man muss sich diesen Minsk-Prozess durchaus wie einen Rahmen vorstellen, an dem sich alle zu orientieren haben, den ja auch alle akzeptiert haben, der aber wegen einer außerordentlich komplizierten Situation vor Ort, einer komplizierten politischen Situation in der Ostukraine und anderswo, nicht einfach wie ein bürokratisches Dokument abgearbeitet werden kann. Bislang ist es so, dass alle vier Staaten, die den Minsk-Prozess und die Vereinbarung von Minsk getragen haben, ohne Wenn und Aber dazu stehen. Das gilt für den ukrainischen Präsidenten, das gilt auch für Präsident Putin, und für Deutschland und Frankreich gilt das sowieso.

Wir haben bei vielen Punkten Verzug zu verzeichnen, und wir haben bei einer Reihe von Punkten - einer davon ist die von Ihnen angesprochene Verfassungsreform - tatsächlich Meinungsverschiedenheiten darüber, in welcher Weise das angemessen umgesetzt werden kann oder umgesetzt werden muss. Das ist aber aus Sicht der vier beteiligten Regierungen kein Grund, jedes Mal wieder Minsk infrage zu stellen.

Zur Verfassungsreform: Sie wissen mehr als wir im Auswärtigen Amt, Herr Jolkver, wenn Sie jetzt schon den Abgesang auf mögliche verfassungsändernde Mehrheiten in der Obersten Rada singen. Die erste Lesung ist nach meiner Kenntnis mit einer deutlichen Mehrheit pro Verfassungsreform zu Ende gegangen. Aber Sie haben recht: Das erforderliche Quorum von 300 von 450 Stimmen in der Rada ist in diesem ersten Wahlgang nicht erreicht worden. Ich denke, man muss in Rechnung stellen, dass das ukrainische Parlament in einer für die Unabhängigkeit und die Souveränität der Ukraine entscheidenden historischen Phase alles Recht der Welt hat, sich sehr intensiv und sehr ausführlich - und das im Wege einer freien, möglichst demokratischen Debatte - darüber Rechenschaft abzulegen, was aus Sicht der legitimen Volksvertreter der Ukraine die gute und die richtige Entscheidung für die Zukunft der Ukraine ist. Sie wissen, dass das Land in extrem schwieriger finanzieller Lage ist, dass Verhandlungen geführt werden, dass es Rettungspläne des Internationalen Währungsfonds gibt, dass sich die Bundesregierung und viele andere daran beteiligen, dass der Winter vor der Tür steht, dass die Energieversorgung für die Ukraine und durch die Ukraine sichergestellt werden muss und dass last, but not least die Krise in der Ukraine ein ständiger Stachel im Fleische der ukrainischen Souveränität und Unabhängigkeit ist.

Wir haben überhaupt keinen Grund, von unserer grundsätzlichen Zuversicht Abstand zu nehmen, dass es genügend Kräfte in der Regierungskoalition und in der Obersten Rade gibt, die den Weg der vom Präsidenten in Minsk vorgezeichnet worden ist - einschließlich einer Verfassungsreform mit den vielen Elementen, die das beinhaltet -, gehen wollen, sodass dieser mit dem notwendigen Quorum der Obersten Rade auch das Plazet wird finden können.

ZUSATZFRAGE: Frau Wirtz, der französische Präsident hat gesagt, falls das Treffen, das Anfang Oktober stattfinden wird, zu einem Erfolg führt, könne man über die Sanktionen der Europäischen Union gegenüber dem Kreml reden und darüber reden, sie aufzuheben. Meinen Sie das auch?

SRS'IN WIRTZ: Ich denke, zunächst geht es jetzt darum, dieses Treffen Anfang Oktober abzuhalten. Wir haben ja gerade schon darüber gesprochen, dass die Außenminister über viele verschiedene Aspekte des Minsker Abkommens sprechen werden. Genauso wird es sein, wenn sich die Staats- und Regierungschefs treffen. Ich glaube, es ist jetzt nicht an der Zeit, darüber zu spekulieren, welche Konsequenzen sich an die möglichen Ergebnisse dieses Gesprächs knüpfen. Klar ist, dass diese Sanktionen damals in einer bestimmten Situation verhängt worden sind. Ich möchte jetzt wirklich nicht darüber spekulieren, was passiert, wenn bestimmte Ergebnisse am 2. Oktober erzielt worden sind.

FRAGE: Zwei Fragen zu Syrien:

Erstens. Herr Dr. Schäfer, Sie haben gerade angesprochen, dass es jetzt Bewegung in den diplomatischen Bemühungen zur Lösung des Konflikts gibt. Nun hat aber gerade gestern der UN-Syrienbeauftragte gesagt, dass momentan alles ins Stocken geraten ist, weil sich Saudi-Arabien weiterhin weigert, mit dem Iran über Syrien zu diskutieren.

Zweitens. Der österreichische Außenminister, Sebastian Kurz, hat gesagt, dass Präsident Assad in den Kampf gegen ISIS eingebunden werden muss.

Dazu hätte ich gern eine Stellungnahme Ihres Hauses.

DR. SCHÄFER: Ich habe das, was Herr de Mistura, so wie Sie sagen, gesagt haben soll, nicht vor mir und kann das deshalb weder bestätigen noch dementieren. Was Sie sagen, wird schon stimmen. Es wäre auch nicht falsch, da wir im Grunde seit vier Jahren in einer Situation sind, in der die Interessenlage in der internationalen Gemeinschaft dramatisch auseinanderfällt. Da gibt es den in die Lage in Syrien hineinspielenden Konflikt zwischen der sunnitisch-arabischen Welt und den Golf-Monarchien einerseits und dem Iran andererseits. Da gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen der westlichen Staatengemeinschaft und insbesondere den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland, und da gibt es offensichtlich genügend Finanzierungsquellen für jede Menge islamistisch-dschihadistischer Gruppierungen, einschließlich der Barbaren von ISIS, sodass diese seit Jahren ihren grausamen Krieg führen können und sich eine Position auf syrischem Territorium erarbeitet haben, die sie zu einem wichtigen Machtspieler für die Zukunft Syriens macht, ob wir das wollen oder nicht wollen.

Die Frage des Umgangs mit dem Assad-Regime und auch mit dessen Kopf, Präsident Baschar al-Assad, ist eine Frage, die bei all diesen Auseinandersetzungen immer wieder gewissermaßen als Versinnbildlichung der Interessengegensätze eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Da gibt es die einen - dazu gehören insbesondere die Golf-Monarchien -, für die eine Zukunft Syriens mit einem Präsidenten Assad, in welcher Rolle auch immer, völlig undenkbar ist. Da gibt es die anderen, zu denen ausweislich öffentlicher Äußerungen Teheran und auch Moskau gehören, die entweder sagen, das sei eine Entscheidung des syrischen Volkes, die in Wahlen geklärt werden müsse, oder sagen, ohne Assad könne man sich eine Zukunft Syriens nicht vorstellen. Da gibt es dann im Geleitszug der westlichen Gemeinschaft eine Haltung von uns, die sich angesichts dessen, was das Assad-Regime und Präsident Assad höchstpersönlich seit dem Frühjahr 2011 zu verantworten haben, wirklich nur sehr schwer überhaupt vorstellen kann, wie es gehen kann, dass sich die Syrer auf etwas einigen, bei dem diese Personalie noch irgendeine Zukunftsrolle spielen kann.

Letztlich geht es uns darum, auszuloten, ob es Möglichkeiten gibt, überhaupt einmal in Gespräche einzutreten, um die Fragen, um die es für eine Zukunft Syriens geht, überhaupt besprechen zu können. Dabei hat Staffan de Mistura unsere uneingeschränkte Unterstützung. Der bemüht sich genauso wie seine beiden Vorgänger Kofi Annan und Lakhdar Brahimi wirklich mit allergrößtem Einsatz darum, diese Interessengegensätze irgendwie zu überbrücken und die Beteiligten nach innen wie nach außen gesprächsfähig zu machen. Uns scheint das ein vernünftiger und vielleicht der einzig gangbare Weg zu sein, weil wir zutiefst davon überzeugt sind, dass es für Syrien eine militärische Lösung ganz sicher niemals wird geben können.

FRAGE: Sie betonen immer die Notwendigkeit diplomatischer Gespräche. Aber wenn sich Saudi-Arabien weiterhin weigern sollte, in Gespräche einzutreten, wie wollen Sie das dann machen? Sie wollen ja auch keinen Druck ausüben - zumindest wird kein Druck ausgeübt -, und Saudi-Arabien weigert sich weiterhin, in Gespräche einzutreten.

DR. SCHÄFER. Ich glaube, ganz so kategorisch, wie Sie das sagen, ist es nicht. Ich bin nicht in der Position, Ihnen gegenüber jetzt bestreiten zu wollen, dass der bilaterale Dialog zwischen Saudi-Arabien und dem Iran schwierig ist, ganz sicher auch in der Syrien-Frage. Aber ich kann nicht erkennen, dass sich Saudi-Arabien in den viereinhalb Jahren, in denen auch ich persönlich relativ aus der Nähe mitverfolgt habe, wie die diplomatischen Bemühungen um den Bürgerkrieg in Syrien verlaufen sind, einem Dialog und dem Gespräch entzogen hätte.

Da hat es immerhin, wie Sie sich vielleicht erinnern, gerade in den ersten Jahren des Umgangs mit der Syrien-Krise die sogenannten "London 11" oder, anders gesagt, die Kerngruppe der Freunde des syrischen Volkes gegeben, eine Gruppe von elf Staaten unter Beteiligung Deutschlands, in der auch Saudi-Arabien vertreten gewesen ist und in der es intensive Gespräche über eine mögliche Zukunft Syriens gegeben hat. Auch die Gespräche im Rahmen der beiden verschiedenen Genf-Konferenzen, die es gegeben hat, sind immer unter Beteiligung Saudi-Arabiens erfolgt. Deshalb glaube ich, dass die Geschäftsgrundlage Ihrer Frage, in der Sie Saudi-Arabien einfach unterstellen, jeden Dialog zum Thema Syrien zu verweigern, schlicht und ergreifend unzutreffend ist.

Dass es aber schwierig ist, Gesprächsformate mit all den Problemen, die der Mittlere Osten sonst noch so birgt, zu erfinden, ist unbestreitbar richtig.

ZUSATZFRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

DR. SCHÄFER: Wir haben das, was der österreichische Außenminister gesagt hat - es war nicht in Wien, sondern ich glaube, es war auf Reisen - und auch das, was, glaube ich, aus Madrid gekommen ist, sehr aufmerksam verfolgt. Wir nehmen diese Haltung zur Kenntnis.

Ich kann für den Außenminister nur sagen: Für uns ist das alles Entscheidende, dass Wege gefunden werden können, damit das Morden, Töten, Brandschatzen, Sich-gegenseitig-die-Köpfe-Abschneiden oder Fassbomben-aufeinander-Schmeißen ein Ende findet. Damit das gelingt, braucht es ein möglichst konvergierendes, einheitliches Vorgehen der internationalen Gemeinschaft, und es braucht Gesprächspartner in Syrien, die bereit sind, miteinander über eine gemeinsame Zukunft des Staatswesens Syriens zu sprechen und zu verhandeln.

Ich kann mir schlecht vorstellen, jedenfalls zurzeit, wie das angesichts dieses grausamen Kriegs, mit dem man sich gegenseitig überzieht, gelingen kann. Das hat mit der Personalie Assad wahrscheinlich genauso wie mit den islamistisch-dschihadistischen Gruppierungen auf der anderen Seite zu tun, die auf andere Art und Weise, aber letztlich genauso barbarisch, unzivilisiert und grausam miteinander umgehen.

FRAGE: Ein bisschen haben Sie das schon beantwortet, Herr Schäfer, aber ich würde trotzdem gerne noch einmal nachfragen. Es ist schwierig, ein Gesprächsformat zu entwickeln und vor allem, den richtigen Gesprächsteilnehmer in Syrien zu finden. Aber gibt es denn Ideen oder Pläne, wer bei den Gesprächsformaten außerhalb der syrischen Partner mit dabei ein sollte?

DR. SCHÄFER: Ja. Wir haben - das hatte ich gerade schon ausgeführt, Frau Engel - die "London 11", das heißt, die Kerngruppe der Freunde des syrischen Volkes. Diese Gruppe hat zu Anfang der Syrien-Krise, so glauben wir, ihren Sinn gehabt. Sie existiert der Form halber noch, hat aber lange nicht getagt. Sie krankt aus unserer Sicht ein wenig daran, dass an ihr weder Russland noch der Iran beteiligt sind. Dass Russland und der Iran auf eine irgendwie geartete Art und Weise an einer Zukunftslösung für Syrien zu beteiligen sind, steht außerhalb jeder Diskussion, einfach wegen des faktischen Einflusses und auch des konkreten, tatsächlichen Einflusses durch die Zufuhr von Ressourcen an das Assad-Regime, die die beiden Staaten unternehmen.

Wir haben keine Patentlösung anzubieten. Was wir anzubieten haben, ist immerhin ein Erfolgsmodell in der Region in einer ähnlich vertrackten politischen Situation, nämlich das E3+3- oder P5+1-Format, mit dem wir auch gerade angesichts der gestrigen Entscheidungen im amerikanischen Senat und Kongress ganz offensichtlich weite Wege gegangen sind, um das iranische Atomprogramm zu entschärfen. Ob und wie man so etwas auch in Syrien zur Anwendung bringen kann, ließe sich gegebenenfalls diskutieren.

Ansonsten glaube ich, dass auch Staffan de Mistura, der ja derzeit einige internationale Interviews gegeben hat, einige konkrete Vorstellungen darüber hat, in welchem Format - vielleicht um das E3+3-Format herum oder unter Beteiligung anderer regionaler Spieler - man tatsächlich vorankommen könnte. Aber das setzt voraus, dass jeder einzelne dieser regionalen Spieler sozusagen bereit ist, auch ein Stück weit über seinen eigenen Schatten zu springen und in dem Wunsch, diesen schrecklichen Bürgerkrieg zu beenden, politische Risiken einzugehen. Aber da sind wir dann wieder da, wo wir waren, als ich versucht habe, auf die Frage von Herrn Towfigh Nia zu antworten.

FRAGE: Herr Schäfer, SPD-Abgeordnete haben gestern getwittert, dass ihnen Herr Steinmeier einen konkreten Plan für Frieden in Syrien präsentiert habe. Können Sie uns einmal verraten, wie der aussieht?

DR. SCHÄFER: Es wäre schön, wenn das so wäre. Dann müssten Sie mir vorher das Wort "konkret" definieren. Vielleicht versuche ich es einmal: Viel konkreter als das, was ich gerade zu erläutern versucht habe, und viel konkreter als die Bereitschaft der deutschen Außenpolitik, sich in und für Syrien zu engagieren, kann ich es, glaube ich, zum jetzigen Zeitpunkt nicht fassen. Es braucht auch noch eine Menge an Vorgesprächen, glaube ich. Wir dürfen miteinander nicht in Tagen denken, sondern wir müssen - ich fürchte, über Monaten bzw. mindestens Wochen hinweg - miteinander sprechen, wenn es darum geht, nach Lösungen zu suchen. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen, die ja von der Bundeskanzlerin und dann noch vom Außenminister besucht werden wird, könnte eine Gelegenheit dafür sein, weil dann alle wichtigen Entscheidungsträger in New York zusammenkommen werden, um miteinander - vielleicht in unterschiedlichen Formaten - das Gespräch zu suchen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Danach - das wissen Sie - hat der Außenminister ja bereits für den Oktober eine Reise in den Iran angekündigt. Auch das wäre noch einmal eine Gelegenheit, um mit unseren iranischen Gesprächspartnern das Gespräch auch über Syrien zu suchen. Mit unseren Partnern im Nahen und Mittleren Osten stehen wir sowieso im ständigen Austausch.

ZUSATZFRAGE: Der Chef der Joint Chiefs of Staff der Amerikaner, Herr Dempsey, war am Mittwoch in Berlin und hat sich mit deutschen Vertretern getroffen. Da würde mich einmal interessieren, weil es um den Kampf gegen ISIS ging, mit wem er sich genau getroffen hat - vielleicht weiß Herr Nannt das auch - und was dabei herauskam.

NANNT: Er hat sich unter anderem mit dem Generalinspekteur getroffen. Dabei wurden natürlich auch verschiedene Dinge ausgetauscht. Aber ich habe dazu jetzt nichts Weiteres zu verlautbaren.

ZUSATZFRAGE: Nur mit dem?

NANNT: Für unser Ressort kann ich sprechen, und da wurde sich mit dem Generalinspekteur ausgetauscht.

ZUSATZFRAGE: Es hießt, es seien mehrere deutsche Vertreter dabei gewesen. Mit wem hat sich Herr Dempsey noch getroffen? Herr Schäfer, wissen Sie das?

DR. SCHÄFER: Ich würde Ihnen gerne Auskunft geben. Ich bin nicht sprechfähig. Mir wäre nicht bekannt, dass Herr Dempsey auch im Auswärtigen Amt oder mit Vertretern des Auswärtigen Amtes gesprochen hätte, will das aber nicht ausschließen. Wenn es solche Gespräche gegeben hätte, glaube ich nicht, dass es da etwas zu verbergen gäbe. Ich bin gerne bereit, das dann nachzutragen. Ich habe es nicht vorliegen. Ich nehme an, die Kollegen hören mir jetzt auch zu, und vielleicht können sie mir das dann noch in die Pressekonferenz hineinsimsen.

FRAGE: Herr Schäfer, mich würde Folgendes interessieren: Wie interpretieren Sie das, was Russland in den letzten Tagen in Sachen Syrien unternommen hat, das Verbringen von Waffen und möglicherweise auch militärischen Personals nach Syrien? Ist das etwas, das eher in Richtung der von Ihnen avisierten diplomatischen Gesprächslösung gehen könnte, oder ist das genau das Gegenteil, nämlich etwas, das diesen diplomatischen Lösungsweg behindern oder erschüttern könnte?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, dass ich Ihnen darauf - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - noch keine einfache Antwort im Sinne von "Ja", "Nein", "Weiß" oder "Schwarz" geben kann, Herr Heller. Ich kann Ihnen davon berichten, dass der Außenminister vorgestern Nachmittag mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow telefoniert hat und dass die beiden sehr intensiv nicht nur über das Normandie-Treffen am Samstag miteinander gesprochen haben, um es vorzubereiten, sondern auch über die Lage in Syrien. Ich kann Ihnen davon berichten, dass Herr Steinmeier Herrn Lawrow danach gefragt hat, was denn an den Medienberichten und Gerüchten dran sei, dass Russland zusätzliches militärisches Gerät und womöglich auch Personal nach Syrien verbringe. Die Antwort des russischen Außenministers lautete, dass es keine neue Haltung der russischen Regierung gäbe, dass seit Jahren bekannt sei, dass Russland das Regime von Präsident Assad - aus Sicht Moskaus die legitime Vertretung des syrischen Staates - in unterschiedlicher Art und Weise und unter anderem auch mit Waffenlieferungen unterstütze und dass es dabei überhaupt nichts Neues gäbe. Er hat aber auch hinzugefügt, dass für Russland der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus und der Kampf gegen ISIS eine große politische Bedeutung habe.

Ich habe keinerlei Erkenntnisse darüber, ob das zutrifft, was ich in den Medien lese, nämlich dass dort viele Flugzeuge mit russischem Gerät auf dem Weg nach Syrien seien. Es ist durchaus möglich, dass das der Fall ist. Ich habe aber jetzt auch nicht die Möglichkeit, dort hineinzuschauen und Ihnen zu sagen, um was es geht.

Ich glaube, wir würden es begrüßen, wenn sich die Russische Föderation und der russische Präsident angesichts der Gefahren, die sich aus dem islamistischen Terrorismus ergeben und deren Nährboden das Chaos und der Untergang von Staatlichkeit im Irak und in Syrien gewesen sind, engagiert an diesem Kampf gegen ISIS beteiligen würde. Die Bedrohungen, die davon für uns alle einschließlich Russlands ausgehen, nämlich dass es einen Export von islamistischem Terrorismus in die Welt geben könnte, liegen auf der Hand, und die treffen Russland mindestens so stark, wie sie uns treffen könnten.

FRAGE: Herr Schäfer, Sie betonen ja immer, dass es keine militärischen Lösungen in Syrien geben kann. Was hält die Bundesregierung den von den geplanten Luftangriffen gegen ISIS vonseiten Frankreichs und Großbritanniens? Wissen die nicht, dass es keine militärische Lösung geben kann?

DR. SCHÄFER: Das eine ist mit dem anderen auf eine untrennbare Art und Weise verworren und verknäult. Aber gedankenlogisch ergibt es, glaube ich, jedenfalls schon Sinn, den Bürgerkrieg in Syrien einerseits und den Kampf gegen ISIS andererseits voneinander zu unterscheiden. Niemand in der Bundesregierung wäre so naiv oder so voller pazifistischer Illusion, dass er glauben würde, man müsste mit diesen Herren von ISIS nur freundlich reden, und dann ließen die von ihrem Tun ab. Da ist mit ISIS - das habe ich eben zu sagen versucht - auf dem Boden des Chaos und des Verlustes von staatlicher Kontrolle im Irak und in Syrien eine Hydra entstanden, die weit über die Region und die beiden betroffenen Länder hinaus uns alle bedroht. An der großen internationalen Koalition, die ungefähr vor zwölf Monaten am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen ins Leben gerufen worden ist, und zwar auch unter aktiver Beteiligung der Bundesregierung - Waffenlieferungen an die Peschmerga und die Kurden im Nordirak -, beteiligen wir uns aktiv, und die wird nicht anders können, als den Kampf gegen ISIS auch militärisch anzugehen. Da gibt es eine Menge an politischen, religiösen und weltanschaulichen Dingen, die genauso notwendig sind, aber ISIS sozusagen mit warmen Worten zu bekämpfen, ist sicherlich nicht die Position der Bundesregierung.

FRAGE: Herr Dr. Schäfer, ich muss noch einmal kurz auf Äußerungen des Bundesaußenministers am Mittwoch im Bundestag zurückkommen, wo er auch die bevorstehende Reise in den Iran angesprochen hat. Er hat sinngemäß gesagt, dass er mit dem Iran sehr offen sprechen werde, und er hat den Iran aufgefordert, verantwortungsvoll in der Region zu agieren. Heißt das jetzt im Umkehrschluss, dass der Iran in der Region nicht verantwortungsvoll agiert, auch angesichts des Kampfes des Iran gegen ISIS im Irak, wo auch schon iranische Bodentruppen und Soldaten ihr Leben gelassen haben?

DR. SCHÄFER: Die Vereinbarungen vom 14. Juli über das iranische Atomprogramm der E3+3 unter Beteiligung Deutschlands sind nicht das Ende allen Misstrauens gegenüber dem Iran. Da ist in den letzten Jahren eine ganze Menge passiert, da ist viel Vertrauen kaputt gemacht hat. Die E3+3 - alle gemeinsam; da schließe ich die Bundesregierung ausdrücklich ein - macht dafür im Wesentlichen Teheran verantwortlich. Das ist der Grund, weshalb die Vereinbarungen vom 14. Juli 160 Seiten lang sind, nämlich weil sie nicht auf Vertrauen gründen - dieses Vertrauen gibt es zurzeit nicht -, sondern weil sie darauf gründen, dass es Transparenz und Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde gibt und die Möglichkeit gibt, jederzeit wieder auf den Status quo ante, nämlich einen Status mit Sanktionen, zurückzufallen, wenn der Iran nicht bereit ist, sich an die Vereinbarungen vom 14. Juli über das iranische Atomprogramm zu halten.

Gleichwohl hat der Außenminister immer wieder gesagt und sagt es auch heute noch, dass die Vereinbarungen vom 14. Juli die Hoffnung bieten, dass es einen neuen, einen politischen Ansatz im Nahen und Mittleren Osten gibt, der ein Fenster der Gelegenheiten für die Lösung auch anderer vertrackter, verknäulter, verworrener Probleme im Mittleren Osten bietet. Er hat dabei ganz besonders Syrien im Sinn. Am Tag nach der Vereinbarungen von Wien am 14. Juli hat der Außenminister einen Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht, dessen Lektüre ich Ihnen gerne ans Herz lege und in dem er bereits im Grunde den Fokus auf den nächsten Konflikt, nämlich den in Syrien, gelegt hat.

Diese Vorrede war, glaube ich, für mich erforderlich, um Ihnen eine konkrete Antwort zu geben: Nein, vieles von dem, was der Iran tut - manches konspirativ, manches vor den Augen der Weltöffentlichkeit -, halten wir nicht für konstruktiv und halten wir nicht für verantwortungsvoll. Es ist kein Geheimnis, dass das in Teheran anders gesehen wird und dass es darüber große Meinungsverschiedenheiten zwischen der internationalen Gemeinschaft - auch der E3+3 - und dem Iran gibt. Aber immerhin haben wir mit den Vereinbarungen vom 14. Juli jetzt Gesprächskanäle zwar nicht wiederbelebt, denn die gab es immer, aber sie sozusagen mit neuem Leben gefüllt, indem man auf der Grundlage guter Beziehungen zwischen Berlin und Teheran auch solche Dinge offen ansprechen kann. Da hat es unterhalb der politischen Ebene auch schon eine Menge Besuche gegeben, da ist schon ganz viel vorbereitet worden. Der Besuch des Außenministers in Teheran im Oktober dient ganz sicher auch diesem Ziel, sozusagen diese neuen Möglichkeiten des offenen Gesprächs miteinander zu nutzen.

FRAGE (zur Flüchtlingspolitik): Ich habe eine Frage an Frau Wirtz bezüglich der Kritik von Hans-Peter Friedrich: Wie bewertet die Bundesregierung, dass Friedrich von einer "beispiellosen politischen Fehlleistung mit verheerenden Spätfolgen" spricht? Ist das eine persönliche Meinung von ihm? Zeigt das, dass die CSU möglicherweise zu wenig in diese Politik eingebunden wurde?

Im Zusammenhang mit anderen kritischen Äußerungen wie von Frau Dreyer: Heißt das, dass diese parteiübergreifende Einigkeit, die die Kanzlerin angemahnt hat, jetzt schon bröckelt?

SRS'IN WIRTZ: Zunächst einmal ist es so, dass diese Äußerungen ja aus dem parlamentarischen Raum kommen. Insofern ist es gute Übung, dass ich solche Äußerungen nicht kommentieren.

Ich möchte - Sie haben das im Grunde genommen auch schon in Ihrer Frage selbst angelegt - noch einmal daran erinnern, dass am vergangenen Sonntag im Koalitionsausschuss weitreichende Beschlüsse gefasst worden sind, die sich genau mit den Fragen der Flüchtlinge und der Frage befassen, wie diese enorme Herausforderung - unbestritten ist das so - von den verschiedenen staatlichen Ebenen geschultert werden kann, und dass der Bund dafür auch weitreichende finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt hat. Es ist so, dass der Bund mit den Ländern in Gesprächen ist. Sie wissen auch, dass es am 24. September eine nächste Zusammenkunft mit den Ministerpräsidenten geben wird. Das heißt, es gibt Gespräche zwischen Bund und Ländern, die derzeit vorbereitet werden. Insofern sehe ich es nach wie vor so, dass das erstens eine große gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, aber dass durchaus auch die vielen staatlichen Ebenen ihrer Verantwortung in diesen Fragen nachkommen.

Wenn ich auch noch einmal auf Frau Dreyer eingehen kann: Es ist ja so, dass die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz auch selbst gesagt hat, dass sie die Entscheidung der Bundesregierung in der Sache in dieser konkreten Situation nicht in Abrede stellt und dass die richtig gewesen sei.

FRAGE: Frau Wirtz, wenn Sie Herrn Friedrich nicht kommentieren wollen, wollen Sie aber sicher Herrn Seehofer kommentieren. Der hat nicht von einer Fehlleistung gesprochen, aber auch ganz klar gesagt: Das, was da passiert ist, war ein Fehler. - Der saß immerhin am Sonntagabend auch mit der Kanzlerin zusammen. Würden Sie das bitte einmal kommentieren? Die Kanzlerin braucht die Ministerpräsidenten ja auch.

SRS'IN WIRTZ: Entsprechende Äußerungen waren, wie schon gesagt, auch schon am vergangenen Wochenende in den Medien zu lesen und zu hören. Aber trotzdem ist es ja so, dass sich am vergangenen Sonntag alle drei Parteien, die die Regierung tragen, in diesem Gespräch im Kanzleramt auf verschiedene Schritte geeinigt haben und dass dabei eine große Einigkeit herrschte. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass diese Einigkeit jetzt von den Parteivorsitzenden in irgendeiner Form in Abrede gestellt wird, sondern es geht darum, dass man auf dieser Grundlage jetzt auch den nächsten Termin am 24. September vorbereitet.

Im Übrigen kann ich noch einmal an die Situation am vergangenen Wochenende erinnern: Es war eine Notlage, die herrschte, und vor diesem Hintergrund und dem Hintergrund der humanitären Verpflichtung, die die Bundesregierung als Ausfluss der Genfer Flüchtlingskonvention und als Ausfluss unserer verfassungsrechtlichen Ordnung hat, haben sich die Bundeskanzlerin und die österreichische Bundesregierung in diesem Fall dazu entschlossen, diesen Schritt zu gehen, um eben diesen Menschen in Not zu helfen.

FRAGE: Frau Wirtz, in diesem Zusammenhang und nach all dem, was man jetzt von Seehofer bis zu Herrn Söder gehört hat, noch einmal nachgefragt: Vertraut die Bundeskanzlerin eigentlich noch auf die Unterstützung Ihrer Schwesterpartei bzw. des Koalitionspartners CSU, was die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen betrifft, die in Budapest gestrandet waren?

SRS'IN WIRTZ: Es ist ja so, und darauf kann ich noch einmal verweisen, dass es am vergangenen Sonntag große Einigkeit in Bezug auf die Beschlüsse gab. Im Grunde genommen kann ich auch sagen, dass jedenfalls nach dem, was ich an Bildern und Berichten gerade auch aus Bayern wahrnehme, die Hilfsbereitschaft auch in Bayern sehr groß ist. Selbstverständlich ist die Herausforderung gerade auch in Bayern eine sehr große, eine außergewöhnlich große, aber die Menschen dort nehmen mit viel Hilfsbereitschaft und mit viel Engagement die Menschen auf, die dort ankommen.

Im Übrigen kann ich, wie gesagt, nur noch einmal darauf verweisen, dass es diese Beschlüsse am vergangenen Sonntag gab und dass es eben auch in anderem Rahmen wieder Gelegenheit geben wird, noch einmal darüber zu sprechen, wo sozusagen die besonderen Herausforderungen für die Länder liegen. Es ist ja nicht so, dass die Gespräche jetzt abgeschlossen wären und man diesen laufenden Prozess nicht weiter begleiten würde.

ZUSATZFRAGE: An das Bundesinnenministerium: Es wurde ja auch die Befürchtung geäußert, dass in diesem Strom von Flüchtlingen auch IS-Aktivisten sein könnten, die dann in Deutschland Unterschlupf finden. Wie wird denn Sorge dafür getragen, dass genau das nicht geschieht? Wenn man die ohne Registrierung durchreisen lässt, ist das ja relativ schwierig oder sogar unmöglich.

DR. PLATE: Eine Durchreise ohne Registrierung haben Sie jetzt in den Raum gestellt. Richtig ist natürlich, dass die Sicherheitsbehörden sehr sorgfältig im Auge haben, ob es in diesen Flüchtlingsströmen möglicherweise auch IS-Kämpfer oder ansonsten irgendwie gefährliche Menschen geben könnte. Es gibt auch immer wieder einmal Hinweise, denen selbstverständlich nachgegangen wird, aber bisher ist es so, dass sich keiner dieser Hinweise jemals erhärtet hat. Deswegen möchte ich bei aller Aufmerksamkeit und Sorgfalt in Bezug auf diese Sicherheitsfrage doch auch darauf hinweisen, dass es sicherlich nicht hilfreich ist, wenn man jetzt gegenüber flüchtenden Menschen den Generalsverdacht äußert, dass unter ihnen in großer Zahl von Terroristen sei. Das sind Menschen, die aus Angst und Furcht um ihr Leben ihre gesamte Habe zurückgelassen haben und die teilweise Furchtbares erlebt haben. Es wäre doch wünschenswert, wenn diese Menschen bei aller Sorgfalt, die sicherlich erforderlich ist, jedenfalls einmal nicht in erster Linie auf Misstrauen stoßen würden, sondern auch auf ein sicheres Umfeld in Deutschland. Bund und Länder erledigen die Aufgaben, die ich unter den Begriff "Sorgfalt" skizziert habe, aber selbstverständlich so, wie das nötig ist.

ZUSATZFRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

DR. PLATE: Ich weiß nicht genau, worauf Sie jetzt Bezug nehmen.

ZUSATZFRAGE: Er hat genau diesen Verdacht geäußert, die Befürchtung, das IS-Leute kommen könnten.

DR. PLATE: Ich möchte das nicht kommentieren. Wie auch schon Frau Wirtz zu der anderen Aussage der gleichen Person gesagt hat, ist das eine Äußerung aus dem parlamentarischen Umfeld. Auch ich habe gesagt: Natürlich ist es so, dass die abstrakte Möglichkeit besteht, dass auch IS-Kämpfer darunter sein könnten. Aber noch einmal: Wir gehen dem mit der gebotenen Sorgfalt nach, und es hat sich bisher noch in keinem Fall ein solcher Hinweis erhärtet.

FRAGE: Meine Frage geht auch an Herrn Plate. Es geht um die vielfach angesprochene Notlage in Ungarn. Auf eine Frage am Mittwoch hin wurde mir im Nachhinein gesagt, das BMI sei federführend, was die Entscheidung angeht, ob diese Notlage jetzt für beendet erklärt wird, und dafür, ob daraus jetzt irgendwelche Schlüsse an der deutschen Grenze gezogen werden. Können Sie sagen, was für das BMI die Kriterien sind, um "In Ungarn gibt es eine Notlage" zu sagen oder eben nicht?

SRS'IN WIRTZ: Dazu möchte ich kurz etwas sagen, weil ja auch die Situation am vergangenen Wochenende bzw. am Freitagabend so war, dass in dieser Situation die Bundeskanzlerin diese Entscheidung getroffen hat und angesichts dieser Notlage auch die Vereinbarung mit der österreichischen Regierung getroffen hat. Diese Entscheidung, und das habe ich ja, wie gesagt, gerade auch schon ausgeführt, ist angesichts der Situation und der humanitären Verantwortung getroffen worden, die Deutschland nicht nur aus verschiedenen Gründen hat, sondern der sich die Bundesregierung auch verpflichtet fühlt. Insofern kann ich jetzt nicht sozusagen darüber spekulieren, wie sich die Situation in Zukunft darstellen wird. Aber ich kann Ihnen noch einmal sagen, dass die Entscheidung am vergangenen Freitag eben vor diesem Hintergrund so getroffen worden ist.

ZUSATZFRAGE: Wollen Sie damit sagen, dass diese Entscheidung jetzt nach dem Bauchgefühl der Bundeskanzlerin gefällt wird, oder gibt es irgendjemanden, der sich das anschaut und sagt "Dies und jenes passiert in Ungarn, und das bedeutet für uns eine Notlage, und wenn diese Dinge nicht mehr vorliegen, dann ist die Notlage beendet"?

SRS'IN WIRTZ: Ich glaube, wenn Sie sich an die Situation erinnern und wenn Sie sich vielleicht auch einmal in die Lage derjenigen hineinversetzen, die flüchtend in Europa unterwegs waren, dann sehen Sie, dass es sicherlich mehr als ein Bauchgefühl der Bundeskanzlerin gewesen ist, sich dieser humanitären Verantwortung, die Deutschland da hat, nachzukommen. Insofern gab es eben in dieser Situation am vergangenen Wochenende diese Vereinbarung mit der österreichischen Regierung. Wir haben Ihnen diese Vereinbarung ja auch zur Kenntnis gegeben. Über das hinaus, was da am vergangenen Freitag und Samstag beschlossen worden ist, kann ich dem jetzt im Moment nichts hinzufügen.

ZUSATZFRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

DR. PLATE: Ich habe nichts zu ergänzen.

FRAGE: Bayerns Ministerpräsident Seehofer hat laut "SPIEGEL" eine Einladung an Viktor Orbán ausgesprochen, zur nächsten Fraktionssitzung nach Bayern zu kommen. Wie beurteilt das die Bundesregierung?

SRS'IN WIRTZ: Ich möchte jetzt nicht konkret kommentieren, welche Einladung die bayerische Staatsregierung ausspricht. Ich kann aber nur sagen, dass die Bundesregierung natürlich jedes Gespräch und jede Initiative allgemein begrüßen kann, die dazu beitragen, diese Fragen zu klären und Lösungen dafür zu finden, so viele Menschen wie möglich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Jedes Gespräch, das dabei hilft, die Flüchtlingsfrage zu klären, ist allgemein ein gutes Gespräch.

ZUSATZFRAGE: Sollte es dazu kommen, dass Herr Orbán wirklich nach Bayern kommt, würde die Kanzlerin die Gelegenheit möglicherweise nutzen, auch das Gespräch mit ihm hier in Deutschland zu suchen?

SRS'IN WIRTZ: Die Bundeskanzlerin steht ja auch mit der ungarischen Regierung im Gespräch. Ich glaube also nicht, dass es dann für sie nötig wäre, nach Bayern zu fahren und ihn dort zu treffen. Es gibt genügend Möglichkeiten für die Bundeskanzlerin, mit ihm in Kontakt zu sein, und diese Gelegenheiten werden auch genutzt.

FRAGE: Herr Plate, eine Frage dazu, wie es auf europäischer Ebene weitergeht, wenn der Minister am Montag zum Innenminister-Treffen reisen wird: Mit welchen Erwartungen und Forderungen tut er das denn? Juncker hat ja ganz klar gesagt, da müssten jetzt auch schon Beschlüsse fallen. Ist das überhaupt machbar?

Zweite Frage: Wie bekommen Sie denn die, die noch nicht auf deutscher, französischer oder schwedischer Linie sind, auf Ihre Seite? Geht das nur mit Überzeugung oder doch mit mehr oder weniger sanften Drohungen, die man jetzt schon hört, von wegen "Keine offenen Grenzen mehr und weniger Geld"?

DR. PLATE: Vielen Dank für die Frage. In der Tat ist es so, dass wir schon in der letzten Regierungspressekonferenz darüber gesprochen hatten, dass die Vorschläge von Herrn Juncker aus Sicht der Bundesregierung in die richtige Richtung gehen, und die Verhandlungen in Brüssel in der bevorstehenden Woche werden jetzt natürlich im Zeichen dieser Vorschläge stehen. Die Vergangenheit - insbesondere die jüngere Vergangenheit - hat aber gezeigt, dass Verhandlungen nicht dann besonders erfolgversprechend sind, wenn man mit Forderungen oder Drohungen in diese Verhandlungen geht, sondern dann, wenn man im vertraulichen Gespräch mit den Amtskollegen auf Basis der Vorschläge von Herrn Juncker das Gespräch sucht.

Einzelne verhandlungstaktische Überlegungen - dafür bitte ich um Verständnis - werde ich vor diesen Verhandlungen sicherlich nicht öffentlich preisgeben. Ich will nur so viel sagen: Wir sehen im Vorfeld dieser Verhandlungen, dass jedenfalls zunehmend Bewegung in das Thema kommt und auch Bewegung in die Positionen kommt. Insofern sehen wir den Gesprächen in Brüssel mit Spannung entgegen.

ZUSATZFRAGE: Aber das, was Herr de Maizière beim Treffen mit Herrn Cazeneuve an eins, zwei, drei, vier, fünf Punkten heruntergezählt hat, gilt schon noch, oder?

DR. PLATE: Ich bin mir nicht ganz sicher, worauf Sie Bezug nehmen, aber mir wäre jedenfalls kein Punkt bekannt, der jetzt irgendwie zurückgenommen werden müsste. Ich kann darin aber auch keine Drohkulisse oder konkrete, unmäßige Forderung an irgendein anderes Land erkennen.

ZUSATZFRAGE: Unmäßig nicht, aber es gibt schon konkrete Forderungen wie nach Hot Spots, sicheren Herkunftsländern usw. Das gilt noch, oder?

DR. PLATE: Gut, wenn Sie das "Forderungen" nennen wollen, von mir aus, aber das ist ja im Prinzip geltende Beschlusslage. Gerade Hot Spots betreffen ja die geltende EU-Beschlusslage; das ist keine neue Forderung.

FRAGE: Frau Wirtz, Sie sagten gerade, dass die Entscheidung der Kanzlerin am Wochenende auf mehr als einem Bauchgefühl basierte. Jetzt einmal Butter bei die Fische: Welche Kriterien hat sie da angelegt?

SRS'IN WIRTZ: Es war eine humanitäre Notlage.

ZUSATZFRAGE: Basierend auf welchen Kriterien?

SRS'IN WIRTZ: Darauf, dass Menschen in Not waren.

ZUSATZ: Dann ist ja wahrscheinlich im Moment ganz Osteuropa in einer humanitären Notlage.

SRS'IN WIRTZ: Ja, aber wenn Sie sich vielleicht noch einmal selbst an die Situation am vergangenen Wochenende erinnern, dann sehen Sie, dass es eine besonders angespannte Situation war, in der Menschen in unmittelbarer Nähe zur Bundesrepublik in einer akuten Notsituation waren. In dieser Situation hat sich die Bundeskanzlerin zusammen mit der österreichischen Regierung für diesen Schritt entschieden.

FRAGE: Ich habe noch einmal eine Frage zum Termin am Montag, Frau Wirtz, also zum EU-Treffen: Wenn das jetzt ohne Ergebnis bleiben sollte, dann müsste es, hat EU-Ratspräsident Tusk gerade gesagt, einen Sondergipfel der Regierungschefs geben. Ist die Bundesregierung bzw. die Bundeskanzlerin für diese Idee offen? Sieht sie auch die Notwendigkeit, dass der relativ bald stattfinden müsste? Das wäre meine erste Frage.

Zweite Frage: Es gab gestern eine Emnid-Umfrage, laut der, glaube ich, wenn man das zusammenzählt, nur 35 Prozent der Leute das Gefühl haben, dass die Bundesregierung diese Flüchtlingskrise bislang gut handelt. Eine große Mehrheit ist offenbar nicht dieser Ansicht. Ist das auch ein Eindruck, den die Bundeskanzlerin bisher auf ihren diversen Terminen vor Ort gewonnen hat, oder hat sie das Gefühl, dass alles so läuft, wie es jetzt laufen muss?

SRS'IN WIRTZ: Zu Ihrer ersten Frage, Herr Delfs, die wir hier auch schon einmal behandelt hatten: Zum einen sind in der Frage sehr viele Konjunktive enthalten, und insofern würde ich zuallererst dafür plädieren, dass wir jetzt zunächst einmal abwarten, was am Montag bei dem JI-Rat herauskommen wird und welche Ergebnisse dort erzielt werden können.

Abgesehen davon ist, wie Sie wissen, Herr Tusk derjenige, der zu solchen Treffen der Staats- und Regierungschefs einlädt. Da kann ich mich nur dem anschließen, was Herr Seibert - ich glaube am Mittwoch oder am Montag - hier schon einmal gesagt hat: Es ist selbstverständlich, wenn eine solche Einladung kommt, dass die Bundeskanzlerin einer solchen Einladung folgen wird; das ist keine Frage.

Zur zweiten Frage: Es fällt mir jetzt ein bisschen schwer, Meinungsumfragen zu kommentieren. Ich kann nur noch einmal sagen, dass die Herausforderungen für Länder, Kommunen und auch für den Bund selbstverständlich sehr groß sind und dass das außer Frage steht.

(Forts. Wirtz)

Was die Frage betrifft, welchen persönlichen Eindruck die Kanzlerin hatte - darauf haben Sie gerade ja auch abgestellt -: Sie haben sich ja durchaus selbst schon auf verschiedenen Terminen ein Bild davon machen können, mit wie viel Engagement die Mitarbeiter vor Ort in den Einrichtungen dieser Aufgabe nachgehen. Selbstverständlich wird auch auf der Seite des Bundes alles getan, um die verschiedenen Aspekte - zugegebenermaßen gibt es ja ganz viele Aspekte, die kurzfristig, mittelfristig, vor allem aber auch langfristig zu beachten sind - und Fragen so gut wie möglich in den Blick zu nehmen und das so gut wie möglich auf den verschiedenen Ebenen zu bewältigen. Hier tut der Bund alles, um diese Koordinierungsfunktion und auch die Unterstützung da, wo sie gebraucht ist, zu leisten.

FRAGE: Herr Dr. Schäfer, es gab heute Medienberichte, wonach Saudi-Arabien das Angebot gemacht hat, 200 Moscheen für muslimische Flüchtlinge in Deutschland zu bauen. Es gab dazu auch Kritik von einer Reihe von Koalitionspolitikern. Wie steht die Bundesregierung dazu?

DR. SCHÄFER: Kritik wozu?

ZUSATZ: Zu dem Bau. Es wurde ja gesagt, Saudi-Arabien wolle keine Flüchtlinge aufnehmen, sei aber bereit, 200 Moscheen in Deutschland zu bauen. Da stellt sich ja die Frage: Wenn Geld für so etwas da ist, wieso nehmen sie dann keine Flüchtlinge auf?

DR. SCHÄFER: Ich habe diese Nachrichten, die schon seit einigen Tagen durch den Medienraum geistern, auch mit Interesse gelesen und habe deshalb bei uns oder anderswo in der Bundesregierung nachgefragt, ob es tatsächlich ein solches Angebot vonseiten der Regierung Saudi-Arabiens gebe. Die Antwort lautet: Nein, uns ist so etwas nicht bekannt. Mit ein wenig Recherche im Internet kommt man relativ schnell auf eine eher fragwürde Quelle im Libanon, die das behauptet. Das ist vielleicht ein wenig Teil der Gerüchte, die im Zuge der großen Flüchtlingsströme, die auf Europa einströmen, verbreitet werden. Ich glaube guten Gewissens sagen zu können: Jedenfalls ein offizielles solches Angebot wäre mir nicht bekannt, und es würde mich auch wundern, wenn es das in anderer Form gäbe.

Wenn ich darf, Frau Vorsitzende, trage ich noch eine Antwort nach. - Herr Jung, auch die Kollegen wissen nicht von irgendeinem Gespräch, das der Befehlshaber der amerikanischen Armee im Auswärtigen Amt geführt hätte.

Ich möchte vielleicht auch noch einen Satz nachtragen, weil ich gerade eine Überschrift einer englischsprachigen Agentur sehe. Ich glaube, ich hatte es schon gesagt, aber vielleicht sage ich es der Sicherheit halber noch einmal: Syrien ist nicht förmlich auf der Tagesordnung des morgigen Normandie-Treffens; ich hoffe, das hatte ich deutlich gesagt. Da geht es vielmehr um die Ukraine, um die Ukraine und um die Ukraine. Ich kann nicht ausschließen - ja, vielleicht halte ich es sogar für möglich -, dass am Rande auch über Syrien und vielleicht auch andere Fragen auf der internationalen Agenda gesprochen wird. Das Treffen dient also dem Umgang mit der immer noch gefährlich schwelenden Krise in der Ostukraine und ist kein Syrien-Treffen. - Vielen Dank.

FRAGE: Frau Wirtz, Herr Plate, ich habe noch eine Frage zu den Beschlüssen am Sonntag und der geplanten Streichung des Bargelds für Asylbewerber: Wie wird den Menschen in Minimum an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden?

SRS'IN WIRTZ: War das ein Zitat, oder was war das genau?

ZUSATZ : Das ist ein Zitat des Bundesverfassungsgerichts.

SRS'IN WIRTZ: Nein, Sie haben sich gerade auf die Beschlüsse vom Sonntag bezogen und haben von "Streichung des Bargelds" gesagt. War das ein Zitat aus den Beschlüssen? Ich frage, weil ich diesen Passus, den Sie da zitieren - wie auch immer -, in den Beschlüssen nicht finden kann. Es geht vielmehr darum - das können Sie auch in den Beschlüssen nachlesen -, dass man, soweit das möglich ist, in der Tat bestimmte Leistungen einschränkt; es geht aber nicht darum, Bargeld grundsätzlich und umfänglich zu streichen. Die Einzelheiten dazu kann Ihnen aber Herr Plate nennen.

DR. PLATE: Zu den Einzelheiten möchte ich in erster Linie auf das verweisen, was ich dazu schon in der letzten Regierungspressekonferenz relativ umfangreich vorgetragen habe, und dem habe ich dann auch nichts weiter hinzuzufügen. Da ich das auf eine Frage hin vorgetragen habe, die Sie selber gestellt haben, denke ich, dass Sie sich noch daran erinnern können.

ZUSATZFRAGE: Dann geht es also um eine Kürzung des Bargeldbedarfs für Asylbewerber, richtig?

DR. PLATE: Noch einmal: Ich habe auf den Punkt Sachleistungsprinzip hingewiesen und gesagt, dass die genaue Ausgestaltung gerade in intensiven Gesprächen erfolgt und dass dabei insbesondere natürlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht und die verfassungsrechtliche Rechtslage berücksichtigt werden. Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.

FRAGE: Herr Schäfer, noch einmal zurück zum Thema Gerüchte usw.: Können Sie uns ein bisschen etwas über die Aufklärungs- oder Anti-Desinformationskampagne des Auswärtigen Amtes die gerade offenbar in einigen Ländern, in denen es besonders viele Gerüchte gibt, was Flüchtlingswege, Möglichkeiten usw. angeht, läuft?

DR. SCHÄFER: Ja, sehr gerne. - Grundlage von dem, was wir da tun, ist die Erkenntnis, dass es in modernen sozialen Medien, in der Art und Weise, wie die Menschen miteinander über Möglichkeiten sprechen, ihr persönliches Los zu verbessern - seien sie nun auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien, vor einer ausweglos erscheinenden Lage in Afrika, in Afghanistan, in Pakistan oder anderswo - - Uns geht es mit dem, was wir da tun - zielgerichtet auf bestimmte Länder und Menschengruppen - darum, Gerüchte, die offensichtlich falsch sind, als solche zu beschreiben und den Menschen, so ehrlich und so offen wie wir das können, reinen Wein einzuschenken über die Perspektiven, die sie in Europa und in Deutschland haben, wenn sie zu uns kommen wollen. Da geht es jetzt nicht darum, abzuschrecken oder Ängste zu schüren, sondern es geht einfach darum, den Menschen die Gelegenheit zu bieten, Informationen zu bekommen, die sie hoffentlich glaubwürdig finden, weil sie sozusagen von regierungsamtlicher Seite - wenn auch über moderne soziale Medien - verbreitet werden.

Beispiele dafür kann ich Ihnen eine Menge nennen. Auf dem westlichen Balkan sind wir schon seit einigen Monaten dabei, den Menschen etwa im Kosovo, in Albanien, in Serbien, in Bosnien-Herzegowina zu erklären, dass sie keine Perspektive haben bzw. dass jedenfalls nur ein verschwindend kleiner Teil der Menschen eine echte Perspektive hätte, bei uns überhaupt politisches Asyl zu bekommen und als politische Flüchtlinge anerkannt zu werden. Wir erklären den Menschen, dass sie Gefahr laufen, nach kurzer Zeit - jedenfalls immer kürzerer Zeit, nämlich nach Durchführung der dafür vorgesehenen Verfahren - wieder auf eine Weise, die ihnen womöglich nicht gefällt, in ihre Heimatländer zurückverbracht zu werden. Wir versuchen ihnen zu erklären, dass es auch mithilfe der deutschen Entwicklungspolitik, mithilfe von Angeboten, die von der Bundesregierung mitfinanziert werden, in ihren Ländern eben doch soziale und wirtschaftliche Perspektiven gibt, die es lohnen, dazubleiben und im eigenen Land eine Zukunft zu finden. - Das war der westliche Balkan.

In Afghanistan und Pakistan - nächstes Beispiel - haben wir es mit ziemlich stark steigenden Flüchtlingszahlen zu tun. Es ist nicht ganz einfach zu erklären, warum das gerade hier und jetzt der Fall ist. Auch da geht es darum, Mythen zum Platzen zu bringen, indem man versucht, so ehrlich man das kann, den Menschen die Perspektiven aufzuzeigen, die Deutschland wirklich anbieten kann. Das tun wir auch im Mittleren Osten, das tun wir auch im Libanon, das tun wir auch überall da, wo sich Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten, einschließlich Syriens, vielleicht auf den Weg machen könnten, zu uns zu kommen. Da geht es nicht darum, jemanden abzuschrecken bzw. Unwahrheiten oder gar Gruselgeschichten über unser Land zu verbreiten. Im Gegenteil: Es geht dabei darum, so ehrlich und so wahrheitsgemäß über das zu berichten, was tatsächlich realistischerweise erwartet werden kann, wenn man sich denn auf den beschwerlichen Weg zu uns ins Herz Europas macht.

ZUSATZFRAGE: Wie viel schwieriger ist denn solche Aufklärung oder Abschreckung - oder wie immer man das nennen will - nach dem vergangenen Wochenende? Denn nach den Ereignissen des vergangenen Wochenendes haben ja tatsächlich viele den Eindruck: Da sind Türen oder Schleusen - wie auch immer - offen. Man hört es ja Frau Wirtz an, die - vielleicht verständlicherweise - Schwierigkeiten hat zu sagen, was die genauen Kriterien sind und ob die jetzt eigentlich noch erfüllt sind oder nicht, sprich, ob die Notlage vorbei ist oder sie eigentlich noch andauert.

DR. SCHÄFER: Ich kann da nur aus ganzem Herzen und voller Überzeugung dem beipflichten, was Frau Wirtz gesagt hat, nämlich dass die Situation, vor der wir, die Bundeskanzlerin, der österreichische Bundeskanzlerin und im Übrigen auch der daran beteiligte Außenminister - der zu diesem Zeitpunkt beim Außenministertreffen in Luxemburg war - standen, eine einmalige humanitäre Notsituation war, in der so, wie gehandelt wurde, humanitär und richtig gehandelt wurde. Ich glaube nicht, dass das unmittelbare Auswirkungen auf unsere Aufklärungskampagne hat.

Niemand - und schon gar nicht wir im Auswärtigen Amt - hat ein Interesse daran, die großartige Willkommenskultur - die Art und Weise, wie die Menschen an den Bahnhöfen in München, in Frankfurt und anderswo in Deutschland Flüchtlinge begrüßen, wie die Flüchtlinge umsorgt werden, wie wir unserer humanitären Berufung entsprechen - kleinzureden. Aber dessen ungeachtet gibt es trotzdem Grenzen dessen, was möglich ist. Deutschland ist - Sie alle wissen das, glaube ich, ganz gut - eben nicht nur das Land, in dem Milch und Honig fließen und in dem einem alles das, was man gerne hätte, wie eine gebratene Taube in den Mund fliegt.

Das gilt insbesondere auch für das Schicksal der Menschen, die sich auf eine beschwerliche, von Schleppern durchgeführte, von Kriminellen organisierte Reise mit unbestimmtem Ausgang machen. Eine der Botschaften ist zum Beispiel: Die Regeln von Dublin gelten, und zwar völlig ungeachtet dessen, was es da an Gerüchteküche gibt. Das bedeutet: Da, wo ein Flüchtling das erste Mal den Boden der Europäischen Union betritt, da wird er registriert, und dort soll und wird das Asylverfahren durchgeführt. Das heißt, niemand kann einem Flüchtling aus Syrien, aus Afghanistan, aus Pakistan, einem Menschen aus Albanien oder aus dem Kosovo garantieren, dass er dahin kommt, wo er hin will, wenn er nach Deutschland möchte. Wenn er in Griechenland ankommt, dann ist das Verfahren vielmehr in Griechenland durchzuführen - Ungarn: idem.

FRAGE: Herr Schäfer, vielleicht ein bisschen anders gefragt: Ist denn Teil Ihrer Informationskampagne auch das Gespräch mit den verschiedenen Ressorts, was die Informationspolitik dort angeht? Denn offensichtlich kommen direkte Zitate der verschiedenen Bundesminister und auch der Kanzlerin sehr akkurat in Bagdad, in der Türkei und im Libanon an, werden aber nicht so verstanden, wie Sie das jetzt widergeben. Wenn man beispielsweise mit einer irakischen Familie spricht, dann sagt die: Die Bundeskanzlerin hat uns eingeladen, nach Deutschland zu kommen.

DR. SCHÄFER: Und Sie glauben, Herr Jordans, das liegt daran, dass das Bundeskanzleramt gewissermaßen konspirativ die Botschaften der Bundeskanzlerin am Auswärtigen Amt vorbei dieser irakischen Familie zuführt? Das ist Ihre Vermutung, oder?

ZUSATZ: Ich habe keine Vermutung, ich habe die Frage gestellt, ob Sie an Ihrer Kommunikation arbeiten wollen.

DR. SCHÄFER: Die Wahrheit ist, Herr Jordans: In dieser wilden Welt der neuen sozialen Medien passiert ganz vieles ohne jegliche Kontrolle und ohne jeglichen Einfluss der Bundesregierung - so traurig das ist. Wenn wir das kontrollieren könnten, würden wir vielleicht auch manche Kommunikation bei Facebook und Jung & Naiv kontrollieren; das können wir aber leider nicht.

Das passiert auf eine Art und Weise, wie das eben passiert: Da geht es chaotisch, anarchisch zu, da geht es viral zu, da gibt es Gerüchte, aus kleinen Geschichten werden große Geschichten, und aus eigentlich großen Geschichten werden kleine Geschichten, weil sie überhaupt nicht widergegeben werden. Ich kann Ihnen versichern - und ich bin mir ganz sicher, dass Frau Wirtz und Herr Plate das bestätigen können; das sind ja die Kollegen, die hier mit diesem Thema am meisten, wenn auch nicht ausschließlich zu tun haben -, dass wir da einen sehr engen Austausch haben. Die Minister, der Innen- und der Außenminister, sprechen regelmäßig miteinander. Die zuständigen Staatssekretäre haben mindestens täglichen und manchmal stündlichen Kontakt miteinander. Die Kollegen aus dem BMI und wir, die wir uns für Kommunikation verantwortlich zeichnen, haben ständig miteinander zu tun und stimmen uns täglich und auch da manchmal stündlich ab. Ich glaube also, das kann ich guten Gewissens als eine Kommunikationspolitik aus einem Guss bezeichnen.

Wie erfolgreich diese Kommunikationspolitik ist, das überlasse ich ganz ihrem Urteil. Wir können immerhin feststellen, dass die Zahlen der Menschen aus dem westlichen Balkan bzw. jedenfalls aus wichtigen Ländern des westlichen Balkans in den letzten Monaten dramatisch heruntergegangen sind. Ob das jetzt eine Folge unserer Informationsoffensive ist oder nicht, müssen Sie selber entscheiden; das ist in einer Welt mit ganz vielen komplexen Kausalbeziehungen sicherlich schwer zu sagen. Dass wir uns aber bemühen wollen und bemühen werden, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass die Menschen wissen, was auf sie zukommt, und sich keine falschen Vorstellungen über ein Leben in Deutschland machen, das werden wir sicherlich fortsetzen.

FRAGE: Auch noch einmal in anderer Weise zu dieser wilden Internetwelt: Frau Wirtz oder vielleicht auch Herr Dr. Plate oder Herr Malachowski, es gibt ja vermehrt das Problem der Hasstiraden gegen Menschen, die sich mit dem Flüchtlingsthema auseinandersetzen - seien es Politiker, seien es Menschen, die einfach nur helfen. Denkt die Bundesregierung daran, dort irgendwie Hilfe zu leisten, aktiv zu werden und möglicherweise auch mit Hilfe der Netzbetreiber oder der Forenbetreiber Kommunikation zu stoppen, wenn sie zu extrem wird?

SRS'IN WIRTZ: Sie meinen das jetzt in Bezug auf die sozialen Medien?

ZUSATZ: Ja.

SRS'IN WIRTZ: Zum einen hat die Kanzlerin heute ja noch einmal in einem Interview in der "Rheinischen Post" dazu Stellung genommen; ich weiß nicht, ob Sie das gesehen haben. Ansonsten kann in einer solchen Situation nur sagen, dass die strafrechtlichen Vorschriften, die in Bezug auf Verleumdung, Beleidigung oder Ähnliches in der realen Welt gelten, ganz grundsätzlich natürlich auch in der virtuellen Welt gelten. Es ist ja auch so, dass einzelne soziale Medien eigene Bestimmungen haben, die sich darauf richten, ebensolche Verleumdungen, Schmähreden oder Ähnliches zu vermeiden. Insofern ist es gut, dass der Bundesjustizminister in der nächsten Woche Bundesjustizminister einen entsprechenden Termin und ein Gespräch mit Social-Media-Institutionen oder -Firmen beabsichtigt. Dabei geht es eben darum, gemeinsam darauf hinzuwirken, dass so etwas in den sozialen Medien nicht verbreitet wird. Ich kann für unsere BPA-Seite bzw. vielmehr für die Facebook-Seite der Bundesregierung sagen, dass da in der Tat sehr viel Zeit und Energie darauf verwendet wird, eine Entgegnung auf solche Kommentare zu finden und vor allem denjenigen - und das muss man auch sagen - den Rücken zu stärken, die in diesen sozialen Medien durchaus auch mit sehr viel Engagement und humanitärem Verständnis kommunizieren.

DR. PLATE: Vielleicht nur ein Satz von meiner Seite: Ich hatte hier in der Regierungspressekonferenz schon häufiger die Gelegenheit darzustellen, dass es sowieso sehr gute dauerhafte Gesprächsfäden zwischen dem Bundesinnenministerium und den Betreibern sozialer Medien - insbesondere YouTube und Google - gibt, die in der Regel auf beiden Seiten sehr konstruktiv sind und auch schon vielfach zu Erfolgen geführt haben. Zur Vermeidung von Wiederholungen möchte ich da auf weitere Details verzichten.

MALACHOWSKI: Ich kann eigentlich nur ergänzen, dass, so wie Frau Wirtz es gesagt hat, Herr Maas tatsächlich Vertreter von Facebook eingeladen hat. Es wird am Montag zu einem Gespräch kommen, und da wird es darum gehen, zu erörtern, ob die gegenwärtigen Standards von Facebook und deren konkrete Anwendung in der Praxis ausreichend sind.

FRAGE: Was erwartet sich der Minister denn von diesem Treffen? Es wird jetzt ja auch der Ruf laut, es müsse vielleicht doch irgendwie gesetzlich etwas geregelt werden. Mit welchen Erwartungen geht der Minister also in das Gespräch hinein?

MALACHOWSKI: Ohne jetzt den Gesprächen vorgreifen zu wollen: Es soll natürlich gemeinsam besprochen werden, welche Maßnahmen getroffen werden können, um die Verbreitung rassistischer und volksverhetzender Inhalte in diesem konkreten Netzwerk, also Facebook, zu verhindern.

ZUSATZFRAGE: Haben Sie irgendwelche Ideen, wie das funktionieren soll?

MALACHOWSKI: Wie gesagt, ich würde jetzt ungern den Gesprächen von Montag vorgreifen und hier irgendwelche Ideen präsentieren.

FRAGE: Eine Frage an Herrn Plate: Was ist der Stand der Dinge bei den geplanten Drehkreuzen für die Verteilung von Flüchtlingen außerhalb von München? Da war ja unter anderem Leipzig im Gespräch.

DR. PLATE: Es gibt dazu keinen neuen Sachstand. Die Gespräche dauern an und sind nicht abgeschlossen. Das ist das, was ich heute dazu sagen kann.

FRAGE: Herr Schäfer, was Sie jetzt also Informationskampagne und Informationsoffensive bezeichnen, bezeichnet ja der eigene Innenminister als Propaganda. Mich würde interessieren, ob es bezüglich der Propaganda zwischen Auswärtigem Amt und Innenministerium Koordination gibt.

DR. SCHÄFER: Klar - nicht zu Propaganda, sondern zu unserer Informationsoffensive.

ZUSATZ: Propaganda.

DR. SCHÄFER: Sie entscheiden, welche Wörter Sie verwenden, und ich entscheide, welche Wörter ich verwende.

ZUSATZ: Nein, das tut ja Ihre eigene Regierung.

DR. SCHÄFER: Aber zu Äußerungen des Innenminister dürfen Sie mich nicht fragen, sondern da müssen Sie Herrn Plate fragen. Ich bin mir sicher, dass er dazu auch eine richtige Antwort für Sie zu bieten hat. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zusammenarbeit des Innen- und des Außenministers sowie die Zusammenarbeit ihrer Häuser in dieser Frage sind ganz hervorragend. Wir ziehen da absolut an einem Strang, es gibt da nicht die geringsten Meinungsverschiedenheiten. Im Gegenteil, da greift eine Hand in die andere und wir tun, was wir können, um die Ziele zu erreichen, die ich vorhin zu schildern versucht habe.

ZUSATZFRAGE: Gibt es da denn Abteilungen, die sich zusammensetzen und beraten, welche Informationen oder welche Propaganda da herausgegeben werden soll?

DR. SCHÄFER: Es gab ganz dunkle Zeiten in Deutschland - nämlich während des Zweiten Weltkrieges -, in denen das damalige Auswärtige Amt im Wesentlichen aus einer aufgeblähten Propaganda-Abteilung bestand. Das waren ganz fürchterliche Zeiten, für die sich viele im Haus immer noch schämen. Deshalb kann ich eigentlich nur dazu aufrufen, in aller Vorsicht mit dieser Art von Worten umzugehen. Das Wort Propaganda ist eine Worterfindung aus deutschen Zeiten, die niemand wiederkehren möchte. Was damals im deutschen Namen passiert ist, war in jeder Hinsicht entsetzlich, und das war Propaganda. Was wir machen, ist, mit Botschaften, deren Inhalt wir verifizieren und für richtig halten, für objektiv überprüfbar halten, im Ausland Informationen zu vermitteln, damit Menschen auf dieser Grundlage darüber entscheiden können, was sie mit ihrem Leben anfangen. Propaganda ist für meinen Geschmack etwas völlig anderes, und gerade die Herkunft des Wortes sollte uns lehren, ganz vorsichtig mit Worten umzugehen.

FRAGE: Eine Frage an das BMWi zum Stresstest für Atomkraftwerke: Das "Handelsblatt" hat heute berichtet, dass sich die finanzielle Lage für die Versorger durch das Niedrigzinsumfeld erheblich erschweren könnte.

Erstens. Stimmt dieser Bericht?

Zweitens. Haben Sie im Haus schon erste Erkenntnisse aus dem Stresstest?

MOITEAUX: Vielen Dank für die Frage. - Vielleicht erst einmal zum Hintergrund der Stresstests; der ist Ihnen bekannt: Die Atomkraftwerksbetreiber haben uneingeschränkt sämtliche Kosten für die Stilllegung und den Rückbau von Atomkraftwerken zu tragen. Wir führen jetzt gerade Stresstests durch, um zu prüfen, ob die Rückstellungen, die die Atomkraftwerksbetreiber für diese Haftung gebildet haben, werthaltig sind, also um sie zu bewerten. Diese Prüfung führt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton AG für das Bundeswirtschaftsministerium durch. Die Arbeiten an dem Gutachten dauern an. Ergebnisse liegen dazu bislang noch nicht vor; wir erwarten sie für Herbst. Insofern kann ich dazu zum jetzigen Zeitpunkt nichts Weiteres sagen.

ZUSATZFRAGE: Also können Sie sich nicht erklären, woher die Kollegen vom "Handelsblatt" ihre Informationen haben?

MOITEAUX: Wir können da nichts kommentieren.

ZUSATZFRAGE: Gibt es denn schon erste Ergebnisse bei Ihnen im Haus?

MOITEAUX: Die Arbeiten an dem Gutachten dauern an.

Damit Sie verstehen, was der Hintergrund ist: Jegliche Informationen sind da natürlich sofort kursrelevant, das heißt, wir können jetzt auch nichts zwischendurch kommentieren.

ZUSATZ: Deshalb frage ich ja.

MOITEAUX: Deshalb verstehen Sie dann ja auch, dass ich nichts sagen kann.

ZUSATZ: Na ja, begrenzt - sagen wir es einmal so.

FRAGE: Erstens. Betrachtet eigentlich das Bundeswirtschaftsministerium die jüngste Entscheidung von E.ON, seine Atomkraftwerke jetzt doch nicht auszugründen, als einen Erfolg seiner Strategie, die sich in dem jüngsten Referentenentwurf des Hauses zur Konzernhaftung niederschlägt?

Zweitens. Haben wir in der Tat zu erwarten, dass dieser Gesetzentwurf am 23. dieses Monats im Kabinett verabschiedet wird?

MOITEAUX: Die Meldungen zu den Plänen von E.ON haben wir natürlich zur Kenntnis genommen. Es handelt sich um einen unternehmerischen Vorgang, und unternehmerische Vorgänge kommentieren wir grundsätzlich nicht.

Zum weiteren Zeitplan: Der Entwurf befindet sich zurzeit in der Ressortabstimmung. Ich kann Ihnen keinen konkreten Zeitplan nennen.

FRAGE : Herr Schäfer, zu gezielten Tötungen in Afghanistan hat Ihr Haus diese Woche unterschiedliche Meldungen abgegeben. Können Sie jetzt sagen, ob deutsche Soldaten an gezielten Tötungsmissionen in Afghanistan beteiligt sind? Konkret: Sind deutsche Offiziere im Kabuler Operationszentrum direkt beteiligt?

DR. SCHÄFER: Da Sie eine Frage stellen, die Soldaten der Bundeswehr betrifft, ist bestimmt der Kollege in der Lage, sie zu beantworten.

NANNT: Es gibt keine Beteiligung deutscher Soldaten an dieser Geschichte. Wir haben einen Soldaten als Verbindungsoffizier abgestellt. Der hat aber überhaupt nichts mit operativen Gesichtspunkten zu tun. Insofern gibt es überhaupt keine Verbindung.

ZUSATZFRAGE: Aber dass die Bundeswehr Menschen auf Listen setzt, die dann getötet werden sollen, ist immer noch so?

NANNT: So ist es überhaupt nicht. Wir haben jetzt (die Operation) "Resolute Support". Das, was Sie angesprochen haben, hat damit überhaupt nichts zu tun. Wie gesagt, unterstützen wir jetzt mit einem Verbindungsoffizier im Rahmen von "Resolute Support", aber mehr nicht.

FRAGE: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Hat der Vizekanzler für seine Bereitschaft, am Mittwoch im Bundestag auf der Regierungsbank für eine Werbekampagne der "BILD"-Zeitung zur Verfügung zu stehen, ein Honorar kassiert?

MOITEAUX: Die Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen ist beeindruckend. Darauf können wir stolz sein. In einer solchen außergewöhnlichen Situation gibt nutzt man eben auch einmal außergewöhnliche Symbole, um schlicht Danke zu sagen, aber Honorare gibt es nicht.

ZUSATZFRAGE: Wie hat denn der Vizekanzler auf die Kritik von namhaften Abgeordneten aus der Koalition, die ihm vorgetragen wurde, reagiert?

MOITEAUX: Souverän.

FRAGE: Eine kurze Nachfrage dazu: Was an den gefühlt 100, aber aktuell mindestens zehn Gelegenheiten vorher, bei denen er Danke gesagt hat, war denn nicht ausreichend, dass er noch den Sticker brauchte?

MOITEAUX: Zurzeit besteht in der Bevölkerung eine unglaubliche Hilfsbereitschaft. Das hat der Minister in der Tat immer wieder zum Ausdruck gebracht. Ganz gleich, ob man das mit Worten oder mit Gesten oder mit konkreten Symbolen macht, ist es eine wichtige Botschaft für ihn, den Dank an all die Helfer in der Bevölkerung, in den Ministerien und in der Verwaltung zum Ausdruck zu bringen. Ich denke, sie hat auch offensichtliche Aufmerksamkeit für die Helfer geschaffen.

ZUSATZFRAGE: Frau Wirtz, in Wiesbaden ist heute die einstimmige Entscheidung gefallen, dass die Bundeskanzlerin vor dem Biblis-Untersuchungsausschuss aussagen soll. Wie schnell ist denn die Kanzlerin bereit dazu?

SRS'IN WIRTZ: Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. - Sagen wir es einmal so: Die Terminierung solcher Aussagen obliegt in der Regel den parlamentarischen Ausschüssen, also auch in dem Fall dem Untersuchungsausschuss. Insofern wird die Kanzlerin, wenn sie in einen Untersuchungsausschuss eingeladen wird, dieser Einladung auch Folge leisten.

ZUSATZFRAGE: Noch eine grundsätzliche Frage zu diesem Thema: Wer ist denn nach Ansicht der Bundesregierung für das Herunterfahren von Biblis verantwortlich gewesen? War das das Land Hessen, oder war das eine Entscheidung der Bundesregierung?

SRS'IN WIRTZ: Soweit ich das übersehe, sind genau das die Themen, die in dem Untersuchungsausschuss geklärt werden. Deshalb kann ich das jetzt hier von Regierungsseite nicht in ein, zwei einfachen Sätzen klären.

(Ende: 13.34 Uhr)

Freitag, 11. September 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 11. September 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/09/2015-09-11-regk.html;jsessionid=A671F79EB8109B4DC5568AAC8F1EB585.s1t1
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2015

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