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PRESSEKONFERENZ/1098: Regierungspressekonferenz vom 2. November 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 2. November 2015
Regierungspressekonferenz vom 2. November 2015

Themen: Parlamentswahlen in der Türkei, Asyl- und Flüchtlingspolitik, Stresstest für griechische Banken, Bürgerkrieg in Syrien, Treffen des Bundesfinanzministers mit dem Finanzminister Großbritanniens, Commerzbank, geplante EU-Einlagensicherung, bevorstehende Steuerschätzung, Absturz eines russischen Passagierflugzeugs in Ägypten

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Plate (BMI), Weißgerber (BMF), Strater (BMVI)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Was erwartet die Bundesregierung, bezogen auf die Parlamentswahlen in der Türkei, und - das möchte ich Herrn Seibert und Frau Chebli fragen - wie viele Sorgen macht es Ihnen, dass Sie einerseits die Türkei in der Flüchtlingsfrage brauchen und andererseits Erdogan eine noch größere Machtkonzentration anstrebt und sich gleichzeitig auch nicht als Wahrer von Pressefreiheit und demokratischem Fortschritt auszeichnet?

StS Seibert: Zunächst kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir es begrüßen, dass die gestrigen Parlamentswahlen in der Türkei friedlich abgelaufen sind. Es hat eine sehr hohe Wahlbeteiligung gegeben. Das unterstreicht, wie sehr das türkische Volk der Demokratie verpflichtet ist. Nun kommt es darauf an, die vielen Herausforderungen, vor denen die Türkei steht - ich nenne nur einige: die Bekämpfung des IS, der Konflikt mit den Kurden, die innenpolitische Polarisierung, die Bewältigung der Auswirkungen der Syrienkrise -, im Geist der nationalen Einheit und der Kompromissbereitschaft anzugehen, so wie es der geschäftsführende Ministerpräsident Davutoglu in der Wahlnacht angedeutet hat.

Wir als Bundesregierung sind selbstverständlich daran interessiert, mit der Türkei bezüglich dieser Herausforderungen auch weiterhin eng zusammenzuarbeiten.

Chebli: Wollen Sie von mir noch eine Kommentierung zu dem hören, was Herr Seibert gesagt hat? - Natürlich nehmen wir das Wahlergebnis mit Respekt zur Kenntnis. Herr Seibert hat es schon angesprochen: Zum Respekt gehört es auch, den demokratischen Wählerwillen anzuerkennen und ihn nicht weiter zu kommentieren.

Letztlich - auch das kann eine gute Rolle spielen - hat Demirtas, der Chef der HDP, gestern angekündigt, dass er den Friedensprozess mit den Kurden fortsetzen will. Es hat positive "Geräusche" von Davutoglu gegeben. Das gibt Hoffnung, dass wir jetzt in dem ins Stocken geratenen Friedensprozess mit den Kurden vorankommen.

Herr Seibert hat es erwähnt: Die Türkei steht vor gewaltigen Herausforderungen. Dabei geht es nicht nur um die Kurdenfrage, sondern auch um die Flüchtlingsfrage, die das Land ja auch vor große Aufgaben stellt. Wir haben in der Vergangenheit mehrfach in diesem Raum darauf hingewiesen, wie groß die Last ist, die die Türkei in der Flüchtlingsfrage trägt und wie viel sie in der Vergangenheit geleistet hat. Es gab bereits zahlreiche Gespräche, wie wir gemeinsam mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage vorankommen. Diese Gespräche werden jetzt natürlich fortgesetzt. Es gab den Migrationsdialog, der initiiert wurde, als Außenminister Steinmeier in der Türkei war. Es gab schon zwei Treffen. Es soll ein drittes Treffen geben. Wir setzen darauf, dass jetzt schnell weiter an einer gemeinsamen Kooperation mit der Türkei - auch in der Flüchtlingsfrage - gearbeitet wird.

Zusatzfrage: Ich möchte auf die Frage der Machtkonzentration zurückkommen, weil Erdogan diese ja anstrebt.

Chebli: Ich verstehe das Wort "Machtkonzentration" nicht. Die Wähler haben entschieden. Die Wähler haben so entschieden, dass die AKP die absolute Mehrheit hat und alleine regieren kann, und dieses Wahlergebnis haben wir zu respektieren. Zu allem anderen, was die Zusammenarbeit angeht, haben Herr Seibert und ich unsere Ausführungen gemacht.

Frage: Um es noch etwas stärker zu akzentuieren: Gibt Ihnen die Tatsache, dass es in der Türkei eine so klare Wählerentscheidung gab, die Hoffnung, dass man in den Gesprächen über eine Zusammenarbeit Europas mit der Türkei in Flüchtlingsdingen jetzt quasi unmittelbar wieder anknüpfen und damit beschleunigt eine Verständigung über Details, wie diese Zusammenarbeit künftig aussehen kann, erzielen kann?

StS Seibert: Ich möchte diese beiden Themen voneinander trennen. Es gibt eine intensivierte europäisch-türkische Zusammenarbeit, und es gibt erste Schritte einer intensivierten deutsch-türkischen Zusammenarbeit. Wir haben einen Migrationsdialog mit dem Land initiiert. Das ist eine Notwendigkeit, die sich aus der gemeinsamen Interessenlage Deutschlands und der Türkei beziehungsweise Europas und der Türkei ergibt. Ich will das von dem Thema der Parlamentswahlen trennen. Wir werden alles tun - unabhängig von den Parlamentswahlen hätten wir auch sonst versucht, alles zu tun -, um diesen deutsch-türkischen Dialog voranzutreiben, mit dem Ziel, Ergebnisse zu erzielen, und das wird auch auf europäischer Ebene so sein.

Frage: Ich möchte gerne vom Innenministerium wissen: Man hat am Wochenende die Berichte über weitere Angriffe auf Flüchtlingsheime, Angriffe auf Flüchtlinge direkt - ich glaube, in Stendal war das - gesehen. Täuscht der Eindruck, oder wird die Form dieser Attacken eine härtere? Geht es immer brutaler zur Sache, oder ist das nur eine Verschiebung aus der Aktualität, die sich nicht auf allgemeiner Ebene festhalten lässt? Gibt es möglicherweise Zahlen, Beobachtungen aus der jüngsten Vergangenheit über Zuspitzungen, über eine zunehmende Brutalität?

Plate: Wir berichten ja schon länger davon, dass die Zahlen in diesem Bereich stark ansteigend sind. Auch der Präsident des Bundeskriminalamts hat sich zum Wochenende hin in einem Interview des Magazins "Focus" unter anderem zu dieser Frage geäußert. Zum Ende des letzten Monats hatten wir 600 lagerelevante Delikte - so nennt man das - zu verzeichnen. "Lagerelevant" heißt: Alle unter der Überschrift "Straftaten gegen Asylunterkünfte". Von diesen 600 waren 543 rechts motiviert, 95 von den 600 waren Gewalttaten.

Nun ist es so, dass man, wenn man die Zahl der Gewalttaten ins Verhältnis zur Gesamtzahl setzt, sagen könnte, das ist immer noch ein relativ kleiner Teil. Trotzdem darf man die Dynamik nicht übersehen, dass auch dieser kleine Teil, vergleichen mit den jeweiligen Vorjahreszahlen, einen erheblichen Anstieg im Bereich Gewalt repräsentiert. Insofern sehen wir dieses Thema mit erheblicher Sorge.

Sie wissen, dass die Sicherheit vor Ort in der Zuständigkeit der Länder liegt. Nichtsdestotrotz bringen sich das Bundeskriminalamt und auch das Bundesamt für Verfassungsschutz ein, um den Ländern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Man hat, wie Sie wahrscheinlich wissen, schon vor einiger Zeit eine Clearingstelle eingerichtet, um immer einen tagesaktuellen und klaren Überblick zu behalten und entsprechende Rückschlüsse ziehen zu können. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat es mit seinen jeweiligen Counterparts auf Länderebene inzwischen zu einem ganz regelmäßigen Tagesordnungspunkt in Gesprächen gemacht, hierüber den Überblick zu behalten und dort, wo er vielleicht nicht tagesaktuell ist, zu bekommen.

Insofern sind wir gemeinsam mit den Ländern an der Angelegenheit dran. Und: Ja, es ist eine erhebliche Entwicklung. Ich kann allerdings nicht bestätigen, dass gleichsam in den letzten wenigen Tagen noch einmal eine erhebliche Zuspitzung der Entwicklung erfolgt ist, auch wenn das jetzt medial diese Wirkung hat. Über die Zeitschiene ist schon länger eine Zuspitzung zu beobachten.

Frage: Ich habe ein Frage an Herrn Plate und möglicherweise auch an Frau Chebli: Können Sie mir sagen, wie der Stand beim Aufbau der "Hot Spots" in Griechenland und in Süditalien ist? Sind schon welche voll funktionsfähig?

Wenn Sie Kenntnis davon haben, könnten Sie auch sagen, was das Zentrum in Niger macht, das ja ebenfalls die Funktion hat, Flüchtlinge erst einmal aufzufangen und ihre Fälle zu bearbeiten.

Plate: Ich kann gerne anfangen. - Eine operative Vollfähigkeit hat nach meinem Kenntnisstand noch keines dieser Zentren. Sie existieren nach meiner Kenntnis bereits alle, sind aber weiter im Aufbau begriffen. Wir erwarten natürlich, dass es schnell weitergeht und es schnell besser und besser wird.

Dies ist ja auch ein regelmäßiger Gesprächspunkt sowohl mit der Europäischen Kommission, die die Federführung innehat, als auch mit Ländern, wie zum Beispiel Griechenland, in denen diese "Hot Spots" errichtet werden und die natürlich eng daran beteiligt sind.

Deutschland hat mehrfach Unterstützung angeboten und auch zum Teil schon geleistet. Details dazu waren zum Beispiel auch am Wochenende im Magazin "DER Spiegel" nachzulesen. Aber hier muss noch mehr passieren. In der Tat erwarten wir - das hatten wir auch schon kommuniziert -, dass im November eine volle Funktionsfähigkeit insbesondere der "Hot Spots" in Griechenland erreicht wird.

Zusatzfrage: Sie sagen: "noch keine volle Funktionsfähigkeit". Wie hoch ist denn die Funktionsfähigkeit?

Plate: Ich kann Ihnen jetzt keine Zahl oder Prozentzahl nennen, aber es ist eben noch nicht so, wie wir uns das vorstellen. Dies soll aber im November erreicht werden.

Zusatzfrage: Und in Niger? Die Frage des Zentrums in Agadez?

Chebli: Dafür gilt das Gleiche wie für die anderen "Hot Spots": dass es noch nicht operationsfähig ist. Ich kenne aber den aktuellen Stand nicht und weiß nicht, wie weit wir dort mit den Diskussionen und konkreten Entwicklungen vorangekommen sind. Aber wenn wir dazu etwas haben, können wir es ja im Zweifel nachliefern.

Die Frage des "Hot Spots" spielte natürlich in den Gesprächen des Außenministers in Griechenland auch eine Rolle. Auch dort hat er noch einmal die Dringlichkeit der Einrichtung und der Operationalisierung der "Hot Spots" unterstrichen.

StS Seibert: Ich glaube, man muss das auseinanderhalten. Die "Hot Spots" in Italien und in Griechenland, die im Aufbau sind, wie Herr Plate sagt, sind etwas anderes als das, was in Agadez ins Auge gefasst wird. Die "Hot Spots" in Italien und Griechenland sollen die Funktion haben, dass dort registriert wird, dass von dort erkennbar nicht schutzbedürftige Menschen zurückgeführt werden und dass von dort Menschen, die einen Schutzanspruch in der Europäischen Union haben, in einer fairen Weise auf die europäischen Länder verteilt werden.

Das ist nicht das, was in Agadez geplant ist. Dort ist es eher ein Informationszentrum. Ich kann Ihnen jetzt auch nicht genau sagen - das werden wir nachreichen -, in welchem Stadium des Aufbaus es ist, aber es hat andere Funktionen.

Frage: Auch ich habe eine Frage zu den "Hot Spots" und zu der damit zusammenhängenden Verteilung der Flüchtlinge insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Wie kommentieren Sie die Aussagen des griechischen Flüchtlingsministers, der im Hinblick auf die "Hot Spots", also auf Lesbos, gesagt hat, die griechische Regierung sei nicht bereit, Flüchtlinge gegen ihren Willen festzuhalten? Tatsächlich ist die Situation so, dass zurzeit nur ein Bruchteil dort registriert wird, während der größte Teil der Flüchtlinge unregistriert weiter Richtung Deutschland strebt. - Pardon. Also, bitte eine Kommentierung dessen, was der Flüchtlingsminister noch vor zwei Tagen gegenüber "Frontal 21" erklärt hat.

Wenn Sie gestatten, folgt gleich meine zweite Frage. - Es gibt zunehmend großen Widerstand in den mittel- und osteuropäischen Staaten dagegen, eine bedeutende Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Die Wahl in Polen ist wohl ein Zeichen dafür und auch Äußerungen aus der estnischen Regierung, sodass mehr als das absolute Minimum dort wohl kaum möglich ist. Wie kommentieren Sie das? Gibt es einen Stimmungsumschwung in diesen Ländern, und wie werden Sie darauf reagieren?

StS Seibert: An wen richtet sich die Frage?

Zusatz: Zum einen an Herrn Plate und sicherlich auch an Frau Chebli.

Plate: Gut, dann beginne ich einmal. Ich kann es, glaube ich, kurz machen, weil ähnliche Fragen bereits nicht nur einmal gestellt wurden. Es gibt zu beiden Themen bindende europäische Beschlüsse. Wir erwarten, dass diese Beschlüsse umgesetzt werden.

Zusatzfrage: Und wenn sie nicht wollen?

Plate: Im Grunde habe ich dem, was ich gerade gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Die Instrumentarien, von denen Gebrauch gemacht werden kann, wenn etwas, was bindend beschlossen ist, nicht umgesetzt wird, sind bekannt. Dazu muss ich, ehrlich gesagt, nichts im Detail ausführen.

Chebli: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Plate, wie ist denn der Stand des Aufbaus und der Operationsfähigkeit der großen Durchgangs-, Aufnahme- und Registrierungslager in Bayern in der Nähe der österreichischen Grenze?

Plate: Ich vermute, Sie spielen auf die sogenannten Wartezonen in Erding und Feldkirchen an. Wenn das nicht der Fall ist, geben Sie mir bitte ein Signal.

Zusatz: Das ist völlig richtig.

Plate: Okay. - Auf Zusage des Bundes sind diese Wartezonen sowohl in Erding einerseits als auch in Feldkirchen andererseits geschaffen worden, um bayerische Erstaufnahmeeinrichtungen zu entlasten. Sie stehen beide zur Verfügung und werden im Moment mit Blick auf die möglichst rasch zu erreichende Wintertauglichkeit unter Hochdruck ertüchtigt.

Zusatzfrage: Wie groß sind die Kapazitäten dort?

Plate: Jeweils 5.000.

Frage: Erstens. Herr Plate, gibt es, was diese Wartezonen angeht, schon Vorstellungen, wie lange Menschen dort höchstens bleiben sollten? Gibt es Vorgaben? Maximal 48 Stunden, eine Woche und so weiter und so fort?

Zweitens. Gibt es inzwischen konkretere Pläne, die Rückführung nach Afghanistan voranzutreiben, zusätzliche Flugzeuge einzusetzen usw.?

Plate: Zunächst zur ersten Frage, ob es Vorstellungen gibt. Die Vorstellung war von Beginn an, dass der Aufenthalt dort für wenige Tage angedacht ist. Das ist nach wie vor die Vorstellung. Ich habe gesagt: Es ist keine eigene neue Erstaufnahmeeinrichtung - diese befände sich ja auch in der Zuständigkeit der Länder -, sondern eine Entlastung für bayerische Erstaufnahmeeinrichtungen, und es ist auch so, dass von dort eine Verteilung stattfindet. "Verteilung" bedeutet Verteilung auch auf die Bundesländer oder gegebenenfalls, soweit sie nach Bayern zu verteilen sind, auf die jeweils zuständige Erstaufnahmeeinrichtung. Das ist der Sachstand, der im Wesentlichen unverändert ist.

Zur zweiten Frage, zu Afghanistan und Abschiebung, ist nur zu sagen - das hatte ich letzte Woche schon betont -, dass das Thema der Abschiebung in der Zuständigkeit der Länder ist. Konkrete Pläne der Länder sind mir nicht bekannt. Eigene Pläne des Bundes erübrigen sich mangels Zuständigkeit.

Chebli: Zu Ihrer Frage nach Afghanistan möchte ich nur ganz kurz ergänzen. Der Minister hat am Freitag mit Herrn Gani telefoniert, auch weil es nach den Aussagen des Flüchtlingsministers gewisse Irritationen gab. Ich weiß nicht, ob Sie es heute Morgen in den Agenturmeldungen gesehen haben. Der Sprecher Ganis hat noch einmal unterstrichen, dass sich Afghanistan natürlich an die Genfer Flüchtlingskonvention hält und in Deutschland nicht anerkannte Asylantragsteller zurücknimmt.

Frage: Herr Plate, ich möchte mich erkundigen, ob Herr de Maizière inzwischen aus seinem Urlaub zurückgekommen ist - einen Termin heute Morgen, den der DGAP, hat er ja entgegen der Ankündigung nicht wahrgenommen - und welche Termine er im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage heute wahrnimmt.

Plate: In der Tat war Minister de Maizière für einige Tage in einem länger geplanten Urlaub. Die Flüchtlingssituation mit besonderer Arbeitsbelastung dauert ja schon länger an und wird auch nicht in Kürze vorüber sein.

Ein Minister ist immer im Dienst, auch wenn er vielleicht einmal nicht körperlich in Berlin präsent ist. Der Minister war selbstverständlich auch während seiner körperlichen Abwesenheit täglich in die Informations- und Entscheidungsprozesse des Hauses eingebunden. Falls seine körperliche Anwesenheit dringend erforderlich war, wie zur Kabinettssitzung, ist er, wie Sie wissen, sogar eigens zu dem Termin zurückgereist.

Zu der Frage nach einem nach Ihrer Auskunft heute versäumten Termin ist mir, ehrlich gesagt, nichts bekannt. Der Ministerkalender, so wie ich ihn jedenfalls schon seit Längerem kenne, sah einen solchen Termin nicht vor. Dazu, ob er irgendwann, vielleicht vor mehreren Wochen, einmal darin gestanden hat, kann ich, ehrlich gesagt, nichts sagen. Über Details des Ministerkalenders geben wir, soweit es sich nicht um presseöffentliche Termine handelt, von hier aus grundsätzlich keine Auskunft. Aber Sie können weiter davon ausgehen, dass der Terminkalender des Ministers an jedem Tag, auch heute, sehr maßgeblich von der Befassung mit der Flüchtlingssituation geprägt ist.

Frage: Herr Plate, es gibt immer wieder die Diskussion, dass nach wie vor Tausende bislang unregistriert ins Land kommen. Liegt Ihnen eigentlich eine Schätzung vor, ob inzwischen alle, die die Grenze überschreiten, innerhalb weniger Tage registriert werden, oder gibt es nach wie vor relativ viele, über die Bundesländer verteilt, die es nicht sind, die erst noch registriert werden müssen?

Plate: "Relativ viele" ist vielleicht das Stichwort. Es liegt natürlich im Auge des Betrachters, was relativ viele sind. Unregistriert über die Grenze, wie Sie gesagt haben, kommen logischerweise erst einmal alle; denn die Registrierung kann erst nach Grenzübertritt erfolgen. Die Koordinierungsstelle zur Verteilung von Flüchtlingen verteilt sodann die Flüchtlinge auf die Länder, in sukzessiver Annäherung an die Quoten, die der Königsteiner Schlüssel vorsieht. Viele der Flüchtlinge werden nach der Verteilung durch den Bund in den Ländern registriert, kommen dann ins EASY-Registrierungssystem, aber erst nach dieser Verteilung in die Länder. Es gibt deswegen zum jeweiligen Tag X allein aufgrund dieses von mir beschriebenen Ablaufs immer eine gewisse Zahl von Flüchtlingen, die entweder gerade angekommen sind oder sich in dieser Verteilung befinden und bei denen die Registrierung unmittelbar bevorsteht. Ob Sie man das eine relativ große oder eine relativ kleine Zahl nennt, liegt im Auge des Betrachters.

Zusatzfrage: Das alles ist mir bekannt, Herr Plate. Mir geht es darum, dass Herr Stoiber gestern Abend noch einmal die Behauptung aufstellte, dass zig-tausend im Augenblick noch immer unregistriert hier sind. Deswegen möchte ich wissen: Haben Sie einen Überblick darüber, wie viele Sie jetzt registriert haben, wie viele Sie von den 5.000, 6.000, 7.000, 8.000, 9.000, die täglich kommen, relativ schnell registrieren und wie viele eben noch nicht registriert sind. Oder gibt es den Überblick gar nicht?

Plate: Ich kann Ihnen jedenfalls hier, von dieser Bank, keinen zahlenmäßigen Überblick geben. Ich habe das schon einmal - im Prinzip jedenfalls - ausgeführt und möchte deswegen nur kurz wiederholen, dass es natürlich nicht einfach ist, eine Zahl zu haben, die man kommunizieren kann, weil es immer wieder viele Doppel- und Fehlerfassungen gibt und man erst die Qualität sichern und Doppelerfassung eliminieren muss, um dann sicher zu sein, dass man eine definitiv richtige Zahl hat, die man auch öffentlich nennen kann und auf deren Grundlage man auch jemandem eine seriöse Berichterstattung ermöglichen kann.

Nur um das noch einmal zu erklären: Allein im EASY-System - ich glaube, Sie wissen das sogar; vielleicht wissen es nicht alle im Raum - ist es erstens so, dass es schon in der Natur der Sache liegt, dass sich Menschen in einem Bundesland in EASY registrieren lassen, sich aber dann, weil sie wissen, ihre Familie ist in einem anderen Bundesland, entscheiden, eigenständig dorthin weiterzuziehen, und sich dort noch einmal in EASY registrieren lassen. Es gibt zweitens Leute, die noch nicht in EASY registriert sind, weil sie sich gerade in der Bundesverteilung befinden, und es gibt zum Dritten Leute, die sich in einem Bundesland in EASY registrieren lassen, sodann entscheiden, sie möchten lieber nach Skandinavien ziehen und mit Zustimmung der dortigen Behörden unser Land wieder verlassen, trotzdem aber - zunächst jedenfalls - in EASY registriert bleiben.

Das vielleicht nur, um, ohne jetzt noch weiter in die Tiefe gehen zu wollen, ein wenig zu illustrieren, warum es schwierig ist, hier von der Sprecherbank eine Zahl zu nennen, bei der ich garantieren könnte, dass sie sich nicht noch einmal änderte oder korrigiert werden müsste. Nur eine solche Zahl würde ich Ihnen nennen; denn nur darauf könnten Sie eine seriöse Berichterstattung stützen.

Frage: Herr Plate, ich habe eine Frage zu den Transitzonen. Ich weiß, es befindet sich noch in der Ressortabstimmung beziehungsweise jetzt in der Koalitionsabstimmung, was genau damit gemeint ist, aber das Konzept stammt ja aus Ihrem Haus, wen ich das richtig in Erinnerung habe.

In den sozialen Medien gibt es eine rege Diskussion darüber, welchen Bürgern aus welchen Ländern der Transit genehmigt werden soll oder nicht. Kurzgefasst: Soll Dublin wieder eingesetzt werden, oder gilt das Transitverbot für alle sicheren Herkunftsländer? Können Sie insoweit für Aufklärung sorgen, oder ist das alles noch Teil der Abstimmung?

Plate: Ich verstehe das Informationsbedürfnis. Zu einer Sache kann ich trotz der laufenden Abstimmung auch tatsächlich schon etwas sagen. Sie fragten, ob Dublin wieder eingesetzt werden solle. Dazu habe ich zwar schon mehrfach gesprochen, nehme aber die erneute Gelegenheit zur Klarstellung gerne wahr, dass Dublin gilt und auch immer gegolten hat. Dublin sieht, wie Sie wissen, die Regel vor, dass das Land, in dem man zunächst europäischen Boden betritt, das zuständige Land ist, um das Asylverfahren durchzuführen. Dublin sieht in einem weiteren Artikel die Möglichkeit vor, in bestimmten Fällen vom sogenannten Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, also trotz der von mir eingangs geschilderten Regel gegebenenfalls auch selber Asylverfahren durchführen zu können.

In diesem Regelwerk bewegen wir uns und haben wir uns immer bewegt. Sie können davon ausgehen, dass von den Regeln des Dublin-Regelwerks inklusive der Möglichkeit, von Rücküberstellungen Gebrauch zu machen, Gebrauch gemacht wird und auch weiter Gebrauch gemacht werden wird. Das hat aber keinen unmittelbaren Zusammenhang zu dem von Ihnen mit "Transitzonen" bezeichneten Komplex der Landgrenzenverfahren, zu dem ich von hier nichts sage, da die Gespräche noch laufen und ich diesen nicht vorgreifen kann.

Frage: Noch eine Frage zu den Flüchtlingszahlen: Herr Seibert, redet die Bundeskanzlerin tatsächlich von einer Million Flüchtlinge, oder trifft das nicht zu?

StS Seibert: Wir haben auf diese Frage bereits am Wochenende geantwortet, nachdem es eine Berichterstattung gab. Es hat sich nichts an der geltenden offiziellen Prognose des Bundesinnenministers geändert.

Frage: Herr Plate, noch einmal zu den Stoiber-Zahlen. Herr Stoiber insinuiert ja quasi, dass ganz viele Personen an dem Muster oder Raster, wie Sie es eben beschrieben haben, vorbeigehen, dass sie nicht mehrfach, sondern gar nicht erfasst werden und, ohne auf eine Registrierung zu warten, längere Zeit hier sind. Er nennt die Größenordnung von Zehntausenden. Wie realistisch oder wie sehr aus der Luft gegriffen ist es, dass Zehntausende durch dieses Raster, das Sie eben beschrieben haben, geschlüpft sind?

Plate: Konkrete Äußerungen eines ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten kommentiere ich hier aus grundsätzlichen Erwägungen nicht. Zu der Zahl im Einzelnen kann ich auch nicht Stellung nehmen. Ich will nur daran erinnern, dass wir am Freitag berichtet haben, dass wir mit Österreich - das ist ja das Land, aus dem, jedenfalls im Moment, der ganz wesentliche Teil der Flüchtlinge kommt - die Vereinbarung haben, dass Flüchtlinge die Grenze von Österreich nach Deutschland nur noch an fünf Grenzübergängen überqueren. Das funktioniert nach vorläufiger Einschätzung auch sehr gut und dient in der Tat dazu, gewisse Defizite, die es möglicherweise noch gegeben hat, weiter und weiter zu minimieren, weil Sie natürlich an solchen konkreten Grenzübergängen, wenn die Flüchtlingsströme dorthin kanalisiert sind, sehr viel leichter die Möglichkeit haben, sich direkt vor Ort ein Bild davon zu machen, wer kommt und wie viele kommen.

Frage: Noch einmal zu den Flüchtlingen. Nachdem gestern die Idee von Flüchtlingsausweisen oder Flüchtlingskarten quasi verschriftlicht wurde, möchte ich gerne wissen: Wie konkret ist die Planung in diesem Zusammenhang? Denn dann passiert unter Umständen, das, was Sie gerade schilderten, dass sich Leute zweimal oder dreimal zum Beispiel im EASY-System registrieren lassen, nicht mehr.

Plate: Ich kann dazu etwas sagen. Es gibt in der Tat Planungen, die in diese Richtung gehen, aber sie sind noch nicht verkündungsreif. Die Arbeiten daran laufen noch. Aber in der Tat könnte das auch eine der vielen vorteilhaften Auslegungen sein, die eine solcher Ausweis oder eine solche Nachweiskarte haben könnte.

Zusatzfrage: Angenommen, eine solche Karte würde beschlossen: Wie lange brauchte man in einem solchen Fall für die technische Umsetzung. Wie viele Lesegeräte brauchte man? Wer würde die beschaffen? Wie lange dauert das?

Plate: Ich kann keinen konkreten Zeithorizont nennen, aber Sie können davon ausgehen, dass die momentanen Arbeiten an diesem Themenkomplex nicht nur die rechtlichen, sondern zeitgleich auch die technischen Fragen betreffen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Nachdem wir jetzt die Ergebnisse eines Stresstests für griechische Banken erlebt haben, der auswies, dass das Finanzloch ein ganzes Stück kleiner ist als ursprünglich einmal eingeschätzt - etwa 10 Milliarden Euro kleiner -: Ist der Rückschluss richtig, dass man jetzt eigentlich sagen kann, dass das griechische Hilfspaket 10 Milliarden Euro kleiner ausfallen kann, weil die Banken nicht so viel beanspruchen werden wie ursprünglich zugrunde gelegt, ist das jetzt also ein 75-Milliarden-Euro-Paket?

Weißgerber: Es ist vielleicht noch etwas zu früh, um zu dieser Schlussfolgerung zu kommen. Um vielleicht noch einmal kurz darzustellen, was am Wochenende genau bekanntgegeben worden ist: Die EZB hat ja die Asset Quality Review und das Ergebnis des Stresstests veröffentlicht. Danach haben die vier betroffenen griechischen Banken im Basisszenario eine Kapitallücke von 4,4 Milliarden Euro und im adversen Szenario von 14,4 Milliarden Euro. Jetzt ist die Frage: Wie geht es nun weiter? Zunächst haben die Banken die Gelegenheit, diese Lücke mit privaten Mitteln zu schließen. Private Mittel sind zum Beispiel die Ausgabe neuer Aktien oder eben die freiwillige Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital.

Die griechischen Banken müssen jetzt in einem ersten Schritt bis zum 6. November Pläne vorlegen, wie sie diese Lücke im Basisszenario von 4,4 Milliarden Euro schließen können. Wenn sie das jetzt mit privaten Mitteln schaffen, dann ist erst einmal sichergestellt, dass sie nicht gemäß der Abwicklungsrichtlinie BRRD restrukturiert oder abgewickelt werden müssen. Der zweite Schritt ist, dass sie bis zum Jahresende Pläne vorlegen müssen, wie sie die Lücke von 14,4 Milliarden Euro für das adverse Szenario schließen. Das ist die Frage, um die es dann geht. Das müssen wir jetzt erst einmal abwarten.

Insofern ist es schon einmal erfreulich - zumindest das kann man sagen -, dass der Kapitalbedarf nicht über die beschlossenen 25 Milliarden Euro hinausgeht. Wir müssen uns jetzt aber trotzdem erst einmal anschauen, welche Pläne die griechischen Banken hier vorlegen, und dann müssen wir abwarten, wie die EZB, die ja die Federführung innerhalb der Institutionen hat, darauf reagiert.

Zusatzfrage: Aber es bleibt ja dabei, dass auch das adverse Szenario das, was in dem ursprünglichen Programm vorgesehen war, immer noch um 10 Milliarden Euro unterschreitet. Das heißt, wie es auch kommt - auch in schlechten Fällen -: Man schneidet vonseiten der Hilfegeber um mindestens 10 Milliarden Euro besser ab. Die Logik ergibt ja, dass das Programm dann eben kleiner ist?

Weißgerber: Wie gesagt, es ist schon einmal erfreulich, dass es nicht mehr geworden ist als 25 Milliarden Euro. Aber trotzdem würde ich jetzt erst noch einmal auf den laufenden Prozess verweisen. Wir sollten hier also nicht zu voreilig schon etwas verkünden.

Frage: Eine Frage an Frau Chebli zum Thema Syrien-Konferenz: Der Bundesaußenminister hat sich ja sehr vorsichtig optimistisch geäußert, dass es in einer nicht zu fernen Zukunft zu einer Lösung kommen könnte. Wie bewertet die Bundesregierung die Teilnahme Irans an der Konferenz? Gab es irgendwelche Hinweise, dass es zu einer Annäherung zwischen Riad und Teheran kommen könnte, was eine mögliche Lösung des Syrien-Konflikts angeht?

Chebli: Wir bewerten es schon als Fortschritt - ich würde sogar sagen: großen Fortschritt -, dass es erstmals gelungen ist, alle regionalen Spieler an einen Tisch zu bringen. Wir reden ja schon ziemlich lange über unsere Hoffnung beziehungsweise unseren Wunsch, dass sich Iran und Saudi-Arabien zusammensetzen, und waren mit beiden Seiten auch im permanenten Gespräch darüber. Dass es gelungen ist, ist schon ein großer Fortschritt.

Gleichzeitig machen wir uns nicht die Illusion, dass in den nächsten Wochen gleich ein Durchbruch vollzogen wird. Es sind noch dicke Bretter zu bohren. Sie haben es am Wochenende gesehen: Die Kampfhandlungen in Syrien gehen weiter. Das heißt, dass wir in der Syrien-Frage noch einen ganz langen Weg vor uns haben, um das Morden zu beenden und diesem Krieg endlich ein Ende zu setzen.

Es wurde aber tatsächlich ernsthaft verhandelt - der Minister hat von konstruktiven Gesprächen zwischen allen Beteiligten gesprochen. Das könnte zumindest eine Grundlage dafür sein, dass ein Einstieg in die politische Lösung gelingen könnte. Wir haben Hoffnung; diese Hoffnung ist vielleicht auch berechtigt. Wir sehen aber gleichzeitig, dass noch eine Menge vor uns liegt.

Vielleicht haben Sie gesehen - das war aus unserer Sicht doch eine wichtige Entwicklung und ein wichtiger Schritt -, dass sich alle Beteiligten darauf geeinigt haben, dass Syrien als Staat einheitlich bleibt, dass die staatlichen Institutionen aufrechterhalten bleiben und dass Syrien ein säkularer Staat ist. Hätte ich vorher darauf gewettet, dass es gelingt, die Golfstaaten und auch andere dazu zu bringen, diesen Satz zu unterstreichen - ich glaube, jeder wäre davon ausgegangen, dass ich diese Wette verliere. Von daher ist es schon etwas Großes, was da in dieser Frage erreicht wurde.

De Mistura ist in der Region unterwegs. Er hat gestern, glaube ich, mit dem syrischen Außenminister al-Mu'allim gesprochen. Der Prozess geht weiter. In zwei Wochen wird man sich erneut treffen und dann weiter daran arbeiten, wie der Einstieg in einen politischen Prozess gelingen kann.

Vielleicht noch ein Punkt: Es ging ja auch darum, wie wir es zunächst einmal schaffen, einen Waffenstillstand - und wenn nicht einen Waffenstillstand, dann zumindest regionale und lokale Waffenstillstände - zu erreichen. Wir haben auch erste anekdotische Hinweise, dass es in einigen Bereichen in den letzten Tagen tatsächlich keine Fassbombenangriffe mehr gegeben hat, dafür aber mehr Angriffe mit konventionellen Bomben und Raketen. Das heißt, die Zivilgesellschaft ist immer noch "target". Aber zumindest scheint es nach unseren Erkenntnissen so zu sein, als habe sich das syrische Regime in den letzten Tagen mit Fassbombenangriffen zunächst einmal zurückgehalten. Wir wissen noch nicht genug, um zu sagen, dass das tatsächlich ein Muster ist oder eine solide Basis ist, auf der man konkret sagen könnte: Okay, das syrische Regime scheint sich an bestimmte Maßgaben der VN-Sicherheitsresolution zu halten. Das können wir natürlich noch nicht sagen, aber zumindest gibt es den einen oder anderen Hinweis darauf.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium: Heute trifft sich Herr Schäuble mit Herrn Osborne. Gibt es da irgendeine Erwartungshaltung, insbesondere mit Blick auf die EU-Reform? Was ist das Ziel des Treffens?

Weißgerber: Das ist ein rein internes Gespräch zwischen den beiden Ministern, dazu geben wir in der Öffentlichkeit jetzt keine Informationen bekannt. Es gibt heute Abend einen Fototermin, aber zum Gesprächsinhalt sagen wir nichts.

Frage: Ich möchte beim Finanzministerium bleiben: Die Bundesregierung ist Großaktionär bei der Commerzbank. Von daher würde mich interessieren: Wann sind Sie vom Vorstandsvorsitzenden der Commerzbank darüber informiert worden, dass er seinen Vertrag nicht verlängern will? Haben Sie schon irgendwelche Ideen oder Präferenzen, wen Sie an seiner Stelle sehen möchten?

Können Sie noch einmal erläutern, wie die Pläne der Bundesregierung aussehen, sich von ihrem Commerzbank-Anteil zu trennen? Denn das ist ja das echte Ziel.

Weißgerber: Der Aufsichtsrat hat bekanntgegeben, dass der Vorstandsvorsitzende Blessing seinen Vertrag nicht verlängern möchte. Das nehmen wir zur Kenntnis. Der Vertrag von Herrn Blessing läuft bis Oktober 2016. Es ist nun die Sache des Aufsichtsrats, einen geeigneten Nachfolger oder eine geeignete Nachfolgerin zu finden; dazu äußern wir uns nicht. Auch dazu, wie die Informationsflüsse gelaufen sind, äußern wir uns nicht. Das ist alles Sache des Aufsichtsrats der Commerzbank.

Zum Anteil des Bundes an der Commerzbank: Da gibt es keine neue Sachlage, also möchte ich auch dazu nichts weiter sagen.

Zusatzfrage: "Sache des Aufsichtsrates" ist das eine, aber der Großaktionär hat ja Interessen. Was muss einen Vorstandsvorsitzenden auszeichnen, der eine Institution, in dem die Bundesrepublik Deutschland Großaktionär ist, führt?

Weißgerber: Das sind alles Dinge, die im Aufsichtsrat besprochen werden, aber eben nicht in einer Pressekonferenz, da bitte ich um Verständnis.

Frage: Herr Seibert, ich habe noch eine allgemeine Frage zum Thema Spannungen in der Regierung aufgrund der Flüchtlingskrise: Von außen betrachtet ist man vielleicht ein bisschen besorgt über die deutsche Regierung. Gibt es Grund zur Sorge oder nicht?

StS Seibert: Nein, den gibt es nicht.

Zusatzfrage: Die Zeitungen titeln, die Regierung sei entzweit. Diese Berichte treffen also nicht zu?

StS Seibert: Die Chefs der drei die Regierung tragenden Koalitionsparteien hatten gestern ein gutes und konstruktives Gespräch - wir haben Sie ja darüber informiert. Die Bundesregierung handelt seit Monaten in dieser Flüchtlingskrise auf der Basis von gemeinsamen Überzeugungen. Ein Ergebnis ist zum Beispiel das sehr umfangreiche Gesetzespaket, das wir verabschiedet haben und das gerade in Kraft getreten ist.

Nun gibt es neben diesen grundlegenden Gemeinsamkeiten auch einige Punkte, die die Koalitionäre eben noch klären müssen - und auch klären werden. Dafür ist gestern ein Zeitplan verabredet worden: Bis Donnerstag soll es noch einmal Gespräche auf Fachebene geben, dann kommen noch einmal die Parteivorsitzenden zusammen. Diesem Fahrplan folgen wir jetzt, und dann werden wir Sie am Donnerstag aufs Neue informieren. Aber Sorgen müssen Sie sich nicht machen.

Frage: Wo das Thema jetzt noch einmal aufgerufen wurde und Herr Seibert so freundlich Auskunft gibt: Da sich die Kanzlerin jetzt die Forderung nach Transitzonen zu eigen gemacht hat: Wie beurteilt sie denn die ablehnende Haltung des Koalitionspartners?

StS Seibert: Ich habe von einigen offenen Punkten gesprochen, die noch geklärt werden müssen. Dafür ist ein Fahrplan gemeinsam verabredet. Den halten wir jetzt ein, und bis dahin werde ich mich dazu nicht in Form von Kommentaren äußern. Jetzt ist erst einmal die Fachebene mit weiteren Gesprächen dran.

Zusatzfrage: Ist es das Ziel der Bundeskanzlerin, in den Verhandlungen jetzt diese Transitzonen gegen die SPD durchzusetzen?

StS Seibert: Es geht in der Bundesregierung grundsätzlich nicht um "der eine gegen den anderen", es ist keine Regierung, die auf Landgewinne des einen gegenüber dem anderen ausgerichtet ist. Vielmehr geht es auch in sehr schwierigen Zeiten darum, dass die Bundesregierung den Auftrag der Bürger erfüllt und gute Lösungen für die Probleme findet. Darauf konzentriert sich die Bundesregierung unter Leitung der Bundeskanzlerin. Wir haben da einen offenen Punkt; den werden wir sachlich, vernünftig, konstruktiv miteinander besprechen. Dem möchte ich hier jetzt nicht vorgreifen.

Frage: Noch einmal an das Finanzministerium: Es gibt neue Vorschläge aus Brüssel, was das Thema Einlagensicherung betrifft. Offenbar sollen die Volksbanken und Sparkassen jetzt herausgenommen werden. Ist diese Veränderung geeignet, die bislang ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber einer schnellen gemeinsamen Einlagensicherung zu zerstreuen und auf diesen Vorschlag einzugehen?

Weißgerber: Wir haben die Äußerungen von Herrn Juncker zur Kenntnis genommen, die Institutssicherungssysteme der Sparkassen und der Volksbanken von der europäischen Einlagenversicherung auszunehmen. Allerdings liegen uns bisher noch keine formellen Texte vor. Man kann erst dann eine Stellungnahme dazu abgeben, wenn man konkrete Rechtstexte der Kommission hat; insofern bitte ich Sie, noch abzuwarten.

Unsere Position ist in der Sache unverändert: Wir haben grundsätzliche Bedenken gegenüber einer Vergemeinschaftung von Einlagensicherungssystemen innerhalb der Europäischen Union. Grundsätzlich müssen zuerst einmal die Risiken in den Banken vor Ort reduziert werden, bevor wir über eine weitere Vergemeinschaftung reden. Zunächst sind auf europäischer Ebene andere Schritte vorzunehmen, wie eben die Umsetzung der Abwicklungsrichtlinie BRRD und der Aufbau von nationalen Einlagensicherungssystemen, bevor man über eine Vergemeinschaftung reden kann. Inwieweit durch diese nun angekündigte Ausnahmeregelung für die Sparkassen und Volksbanken unsere Bedenken verringert werden, muss man sehen, wenn ein offizieller Rechtstext vorliegt.

Frage : Ich habe noch eine kleine Frage zur bevorstehenden Steuerschätzung: Herr Weißgerber, wir lasen heute in einem Medien über einen Schätzvorschlag Ihres Ministeriums, nach dem im kommenden Jahr die öffentlichen Institutionen zunächst 3 Milliarden Euro weniger in den Kassen haben werden. Stimmt das?

Weißgerber: Zum Schätzvorschlag des BMF sage ich nichts in der Öffentlichkeit, da verweise ich Sie auf die Pressekonferenz, die es am Donnerstag geben wird. Der Arbeitskreis Steuerschätzung fängt ja erst morgen an zu arbeiten. Das BMF ist einer von mehreren Akteuren in dem Arbeitskreis; daneben sind auch das BMF, die 16 Länder, fünf Forschungsinstitute, der Sachverständigenrat, der Deutsche Städtetag und die Deutsche Bundesbank vertreten. Es gibt verschiedene Vorschläge der Institutionen. Jetzt wird in Nürnberg eben auf Einladung des bayerischen Finanzministers beraten. Das geht bis Donnerstag, und am Donnerstag um 15 Uhr wird Minister Schäuble im Bundesfinanzministerium die Ergebnisse der Steuerschätzung vortragen. Bis dahin bitte ich um Geduld.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium: Gibt es eine Reaktion zum Flugzeugunglück auf der Halbinsel Sinai? Ist die Bundesregierung beziehungsweise die deutsche Flugaufsichtsbehörde in irgendeiner Weise in die Untersuchungen involviert?

Strater: Wir haben am Wochenende darüber informiert, dass aufgrund der aktuellen Ereignisse zusätzlich und bis auf Weiteres eine umfassende Warnung für die Nutzung eines Flugwegs im Südosten des Sinai ausgesprochen wurde - es bestand ja bereits eine allgemeine Warnung für den Norden; diese besteht auch weiter fort. Ich bin nicht exakt informiert, ob unsere Flugunfalluntersucher dort jetzt eingebunden sind. Es ist üblicherweise so: Wenn ein Luftfahrzeug in Deutschland beziehungsweise Europa gebaut worden ist, dann sind wir mit beteiligt. Sie können das aber bei der BFU, der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, noch einmal selber erfragen. Natürlich haben in diesem Fall die russischen Behörden die Federführung bei der Untersuchung; insofern sind wir da allenfalls eingebunden.

Montag, 2. November 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 2. November 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/11/2015-11-02-regpk.html;jsessionid=0C130EA0591968065C9568FEE67C315C.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2015

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