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PRESSEKONFERENZ/1187: Regierungspressekonferenz vom 23. März 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 23. März 2016
Regierungspressekonferenz vom 23. März 2016

Themen: Kabinettssitzung (Terroranschläge in Brüssel, Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines bundesweiten Transplantationsregisters, Eckwerte zum Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2017 und des Finanzplans 2016 bis 2020, Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen, Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films, Verordnung über den Lärmschutz bei öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien über die Fußball-EM 2016, Entwicklung der Flüchtlingslage), Einstellung der Tätigkeiten des UNHCR und einzelner Nichtregierungsorganisationen in allen geschlossenen Zentren auf den griechischen Inseln, Reise des Bundesaußenministers nach Moskau, Äußerungen des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump zum Atomabkommen mit dem Iran, Äußerungen des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Cruz zu Visa-Regelungen für Europäer, Verhandlungen über das griechische Reform- und Sparprogramm

Sprecher: StS Seibert, Kempe (BMFSFJ), Dr. Dimroth (BMI), Fischer (AA), Dr. Weißgerber (BMF)


Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Die Sitzung des Bundeskabinetts begann heute mit einer Gedenkminute für die Opfer der Terroranschläge von Brüssel; die Mitglieder des Bundeskabinetts haben schweigend der Opfer gedacht. Anschließend haben der Bundesinnenminister, der Bundesjustizminister und Staatsminister Roth für das Auswärtige Amt aus der Sicht ihrer Ministerien und deren Zuständigkeiten über die Lage berichtet.

Das Bundeskabinett hat sich mit dem Thema eines Transplantationsregisters befasst, und es hat beschlossen, dass in Deutschland ein solches Transplantationsregister eingerichtet werden soll. Damit würden erstmals alle transplantationsmedizinisch relevanten Daten zusammengeführt. Das dient der Patientensicherheit, das dient der Qualität und der Transparenz der Transplantationsmedizin in unserem Land. Die Daten können für die Forschung in der Transplantationsmedizin nutzbar gemacht werden.

Das Gesetz, dessen Entwurf beschlossen wurde, schafft die rechtlichen Voraussetzungen, um ein solches Transplantationsregister aufzubauen. Natürlich enthält es auch Begleitregelungen für den Datenschutz. Wichtig ist zum Beispiel, dass die Daten von lebenden Organspendern und Organempfängern nur mit deren ausdrücklicher Einwilligung übermittelt werden dürfen. Die Bundesärztekammer, der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft werden beauftragt, dieses Register zu errichten. Dafür können sie dann Verträge mit geeigneten Einrichtungen schließen. Das Bundesgesundheitsministerium muss diese Verträge genehmigen.

Der sicherlich gewichtigste Punkt heute im Bundeskabinett waren die vom Bundesfinanzminister vorgestellten Eckwerte zum Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2017 und des Finanzplans 2016 bis 2020. Weil der Bundesminister an dieser Stelle schon ausführlich darüber berichtet und Ihre Fragen beantwortet hat, will ich es nur ganz kurz machen. Natürlich stehen wir auch noch einmal für Rückfragen zur Verfügung.

Wichtig ist festzuhalten, dass die Bundesregierung mit diesen Eckwerten für den Haushalt für 2017 und den Finanzplan bis 2020 zum dritten Mal in Folge eine Finanzplanung ohne neue Schulden vorlegt. Die Eckwerte bilden die Schwerpunkte der Bundesregierung ab. Diese liegen bei Maßnahmen für die innere wie für die äußere Sicherheit. Es ist im Übrigen ein Haushalt, der den Herausforderungen durch die Flüchtlinge gerecht wird und diese Herausforderungen annimmt, sowohl im Inland wie auch im Ausland. Zukunfts- und wachstumsorientierte Ausgaben wie zum Beispiel die Investitionen oder die Ausgaben für Bildung und Forschung steigen weiter an. Der Kabinettbeschluss zum Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2017 und zum neuen Finanzplan ist für den 6. Juli 2016 vorgesehen.

Ein weiterer Punkt im Kabinett war der Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen. Das Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es ganz klar, die Situation der Prostituierten zu verbessern, ihren Schutz vor Ausbeutung, vor Gewalt, vor Menschenhandel zu verbessern und diesen Schutz zu gewährleisten. Der Gesetzentwurf sieht für die Prostituierten sowohl Rechte als auch Pflichten vor und nicht nur für die Prostituierten, sondern auch für die Gewerbetreibenden in der gewerblichen Prostitution. Außerdem stärkt er den Zugang, den Prostituierte zu Unterstützungs- und Beratungsangeboten haben.

Zu den wichtigsten Regelungen:

Kernelement ist die Einführung einer Erlaubnispflicht für alle Prostitutionsgewerbe. Ob die Erlaubnis erteilt wird, hängt von der Erfüllung gesetzlicher Mindestanforderungen und von der Zuverlässigkeit des Betreibers ab. Die zuständigen Behörden erhalten entsprechende Kontrollrechte. Der Betreiber darf den Prostituierten keinerlei Weisungen oder sonstige Vorgaben zu Art und Ausmaß der sexuellen Dienstleistungen geben.

Die Ausübung der Prostitution selbst bleibt weiterhin erlaubnisfrei. Allerdings müssen Prostituierte ihre Tätigkeit in Zukunft anmelden. Eine solche Anmeldung ist dann für zwei Jahre gültig. Bei Prostituierten unter 21 Jahren soll die Anmeldung nur für ein Jahr gültig sein. Außerdem müssen Prostituierte einmal im Jahr zu einer gesundheitlichen Beratung beim öffentlichen Gesundheitsdienst oder einer anderen Behörde. Die Wiederholung der gesundheitlichen Beratung ist bei Prostituierten unter 21 Jahren halbjährlich vorgesehen.

Zum besseren Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten werden künftig Kondome verpflichtend. Ferner wird ein Verbot von Werbung mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr eingeführt.

Das Gesetz soll am 1. Juli 2017 in Kraft treten, damit Länder und Kommunen ausreichend Zeit haben, sich auf die neuen Verfahren einzurichten.

Nächstes Thema im Bundeskabinett: Der Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films, also ein neues Filmförderungsgesetz ausgehend von der Überzeugung, dass Film in Deutschland natürlich ein Wirtschaftsgut, aber ebenso auch ein Kulturgut ist. Im Koalitionsvertrag war bereits vereinbart worden, dass man das Filmförderungsgesetz zukunftsfest machen will. Man ist sich auch einig, dass es eine gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft und Staat ist, positive Rahmenbedingungen für die positive Entwicklung dieses Kultur- und Wirtschaftsgutes Film zu geben.

Dieser Entwurf, den Kulturstaatsministerin Grütters heute dem Kabinett vorlegte, ist unter intensiver Einbindung der betroffenen Verbände und der Branchenvertreter erarbeitet worden. Ich will wenige Punkte herausgreifen:

Der Entwurf sieht erstmals vor, dass die Gremien nicht nur insgesamt verschlankt werden sollen, sondern auch deutlich weniger männerlastig man könnte auch sagen: geschlechtergerechter besetzt werden sollen. Außerdem will man die Fördermittel auf weniger Projekte konzentrieren und die Auswahl verbessern. Die Mittel für die Drehbuchförderung werden deutlich erhöht.

Damit alle Menschen von der Förderung profitieren, soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an den geförderten Filmen und an dem Gemeinschaftserlebnis Kino durch dieses Gesetz weiter verbessert werden.

Des Weiteren ging es im Kabinett alle zwei Jahre wieder um eine Verordnung über den Lärmschutz bei öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien über die Fußball-EM 2016 vielleicht wissen Sie noch besser, wovon die Rede ist, wenn ich einfach "Public Viewing" sage. In der Tat werden alle zwei Jahre wieder bei WMs oder EMs Ausnahmeregelungen geschaffen, die es möglich machen, dass diese öffentlichen Fernsehdarbietungen im Freien auch bis in die Nachtstunden nach 22 Uhr möglich sind. Das kann ja zum Konflikt mit den geltenden Lärmschutzanforderungen für die Nachtstunden führen; deswegen gibt es also Ausnahmeregelungen, die sowohl das öffentliche Interesse an diesen Übertragungen berücksichtigen als auch den Mindestschutz betroffener Anwohner. Die Verordnung gilt eingeschränkt vom 10. Juni bis zum 10. Juli 2016.

Im Rahmen des regelmäßigen Kabinettstagesordnungspunkts "Entwicklung der Flüchtlingslage" hat Bundesentwicklungsminister Müller über Migration und Entwicklung berichtet und die Maßnahmen des BMZ vorgestellt. Das BMZ konzentriert sich auf Themen wie Beschäftigungsförderung, Ernährung, Energie, Ausbildung in den Herkunftsländern von Flüchtlingen immer mit dem Ziel, Fluchtursachen in diesen Ländern zu bekämpfen, um die Flüchtlingszahlen nachhaltig zu reduzieren. Dabei geht es um kurzfristige Maßnahmen also strukturbildende Übergangshilfe genauso wie mittelfristige Projekte der Bau von Schulen, der Ausbau von Ausbildungsmöglichkeiten, Beschäftigungsförderung , und es geht natürlich auch um ganz langfristige Maßnahmen die Verbesserung der Lebensbedingungen durch größere Infrastrukturmaßnahmen oder die Unterstützung beim Aufbau von besseren wirtschaftlichen und staatlichen Strukturen. Schwerpunktregionen sind dabei Syrien und seine Nachbarländer, Nordafrika, das Horn von Afrika, der mittlere und westliche Balkan, die Ukraine, Afghanistan und Pakistan.

Soweit der Bericht aus dem Kabinett.

Frage: Ich habe eine Frage zu der Reform des Prostitutionsgesetzes. Vonseiten der Behörden wurde vor einiger Zeit ja schon bemängelt, dass eine Überprüfung der Kondompflicht recht schwierig ist. Hat das Kabinett da eine Lösung parat?

StS Seibert: Vielleicht fragen wir am besten das Ministerium, das den Gesetzentwurf eingebracht hat, also das BMFSFJ.

Kempe: Danke für Ihre Frage. Was die Kondompflicht betrifft, ist es so, dass es natürlich schwierig ist, das zu überprüfen; das ist die eine Sache. Uns war es aber wichtig, dass wir damit sozusagen eine Norm setzen und damit auch den Prostituierten sozusagen den Rücken stärken, wenn es darum geht, auf die Benutzung von Kondomen zu pochen.

Frage: Eine Frage zu den Terrorattacken: Gibt es denn irgendwelche Hinweise, dass die Terroristen Verbindungen nach Deutschland hatten, oder kann man das widerlegen?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. Der Minister hat sich mannigfaltig gestern Abend und auch heute in einem Interview zu den schrecklichen Anschlägen in Brüssel, die wir gestern alle erleben mussten, geäußert. Es ist so, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes selbstverständlich mit ihren belgischen Partnerbehörden, aber auch im europäischen Verbund in engstem Austausch stehen. Es ist nach wie vor so, dass ich hier keinen Deutschlandbezug mitteilen kann. Selbstverständlich ist aber auch heute der Sachverhalt sozusagen noch nicht abschließend ausermittelt; das können Sie an der dynamischen Lage erkennen, die auch über entsprechende Nachrichtenmeldungen aus Belgien heraustransportiert wird. Insofern ist das auch ein Zwischenfazit, aber das gilt heute genauso wie es gestern Abend galt.

Frage: Es wird ja berichtet, dass mindestens einer der Attentäter in letzter Zeit zumindest durch Deutschland durchgefahren ist. Haben Sie dazu auch keine Erkenntnisse?

Dimroth: Dem, was ich gerade eben zu der allgemeinen Frage ausgeführt habe, habe ich auch zu Ihrer konkreten Frage nichts hinzuzufügen. Der Stand ist genau der, den ich gerade dargelegt habe.

Frage: Herr Seibert, der französische Premierminister Valls hat gestern und ich glaube, heute erneut von einem Kriegszustand in Europa gesprochen; Europa befände sich seit mehreren Monaten im Krieg in einer neuen Dimension. Ist dieser Begriff "Krieg" eine Wortwahl, mit der sich auch die Kanzlerin anfreunden kann? Wie sehen Sie das?

StS Seibert: Ein jeder wählt seine Worte. Die Bundeskanzlerin hat gestern ihre Worte gewählt und in ihrer öffentlichen Erklärung ja auch sehr deutlich gemacht, wie wir sowohl in voller Solidarität mit den Brüsselern und den Belgiern stehen als auch wie wir den Kampf gegen den Terrorismus in Entschlossenheit fortführen werden.

Zusatz: Ich verstehe, dass sie sich gestern geäußert und das Wort eben nicht verwendet hat.

StS Seibert: Genau. Halten Sie sich an die Erklärungen der Bundeskanzlerin. Ich glaube, jeder findet seine eigenen Worte. Wichtig ist, dass wir in Europa uns einig sind, dass wir dem Terrorismus, der uns alle herausfordert, wie wir gestern in der schrecklichsten Weise wieder erlebt haben, nur gemeinsam werden begegnen können. Ich glaube, diese Entschlossenheit ist in Europa in diesen Tagen sehr klar zu spüren.

Zusatzfrage: Halten Sie es denn für richtig, mit dem Wort "Krieg" auf das, was gestern in Brüssel geschah, zu antworten?

StS Seibert: Ich habe hier nicht die Äußerungen von ausländischen Regierungschefs zu kommentieren. Die Bundeskanzlerin hat sich klar geäußert; andere Mitglieder der Bundesregierung haben das auch getan. Unsere unmissverständliche und entschlossene Haltung gegen den Terrorismus steht, glaube ich, deutlich da.

Frage: Herr Seibert, Ihre Kollegin hat hier im Saal in Bezug auf die Geschehnisse in Syrien und in Bezug auf das, was Deutschland dazu beiträgt, etwas gegen den IS zu machen, mehrfach davon gesprochen, dass man sich im Krieg gegen den Terror befinde. Wird der Krieg gegen den Terror auch in Europa geführt?

StS Seibert: Sie machen hier eine wirklich ältere Diskussion wieder auf, zu der meine Kollegin Frau Wirtz auch schon alles gesagt hat. Es ist ganz klar, dass wir im Rahmen der Anti-IS-Koalition auch an einer militärischen Auseinandersetzung gegen diese Terroristen beteiligt sind, das ist richtig.

Zusatzfrage: Macht diese militärische Auseinandersetzung bzw. überhaupt eine Auseinandersetzung an den Grenzen Europas halt, oder ist sie inzwischen hier angekommen?

StS Seibert: Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus muss auf vielen Ebenen geführt werden: militärisch, wie das in Syrien und im Irak geschieht, gesellschaftlich, politisch und mit Mitteln, die unseren Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen. Auf all diesen Gebieten wird sich Deutschland an dieser Auseinandersetzung mit dem Terrorismus oder an dieser Bekämpfung des Terrorismus konsequent beteiligen.

Frage: Die Bundeskanzlerin hat gestern aber auch erwähnt, dass im Kabinett die Konsequenzen aus den Anschlägen besprochen werden sollen. Gibt es also schon erste Konsequenzen, die man ziehen will, insbesondere auch mit Blick auf die EU-Räte, die in Brüssel stattfinden? Muss man davon ausgehen, dass dort die Sicherheitsvorkehrungen erhöht werden?

StS Seibert: Für die Sicherheitsvorkehrungen bei Europäischen Räten ist ja nicht das einzelne Mitgliedsland zuständig, sondern sind die europäischen Institutionen zuständig.

Zweitens ging es heute natürlich auch im Kabinett um die Konsequenzen, worunter ich jetzt zunächst einmal die Konsequenzen verstanden wissen will, die für uns in Deutschland für unsere Sicherheit zu ziehen waren. Dazu kann Ihnen sicherlich der Kollege aus dem Bundesinnenministerium alles Notwendige sagen. Das war natürlich heute auch Gegenstand der Kabinettssitzung.

Dimroth: Ich kann das gerne ergänzen; auch dazu hat sich der Minister ja gestern geäußert. Es gibt für solche Ereignisse, wie wir sie gestern in Brüssel erlebt haben, ein (akustisch unverständlich) Verfahren bei den deutschen Sicherheitsbehörden in Bezug darauf, was zu tun ist, wenn wir es im europäischen Ausland mit solchen großen terroristischen Anschlägen zu tun haben. Zu diesen Maßnahmen, die dann standardmäßig ergriffen werden, gehört insbesondere die verstärkte Präsenz der Polizei an kritischen Bahnhöfen und Flughäfen, in diesem Fall auch insbesondere die verstärkte Präsenz an den Benelux-Außengrenzen. Es gehört auch eine Reihe von Maßnahmen dazu, die in dem Bereich der sogenannten Gefährder, die in Deutschland aufhältig sind, ergriffen werden. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich die nicht im Einzelnen darlegen kann, weil sozusagen der operative Zweck, der mit solchen Maßnahmen verfolgt wird, selbstverständlich in Gefahr geriete, wenn man im Einzelnen darüber reden würde.

Im Übrigen ist es ja auch so, dass die Bundesregierung im Kampf gegen den Terrorismus schon in der Vergangenheit eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hat. Ich erinnere an die Wiedereinführung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung und an die Unterstrafestellung von Reisetätigkeiten. Auch auf europäischer Ebene ist eine Menge passiert. Im Schengener Informationssystem sind gerade auch auf Initiative Deutschlands und des Innenministers weitreichende Veränderungen vorgenommen worden. Es gibt entsprechende Informationsplattformen.

Der Minister hat gestern sehr deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht sowohl rechtlich wie tatsächlich zumindest in Teilen noch Hindernisse bestehen; das hat er schon vor dem Anschlag immer wieder thematisiert. Zuletzt hat er mit einem Brief an die Kommission von vorgestern unterstrichen, dass er der Auffassung ist, dass bestehende Datenpools, Datentöpfe hierfür so interoperabel ausgestaltet werden müssen, dass Erkenntnisse dann eben auch bei den entscheidenden Behörden zusammengeführt werden können. Das wird, sollte es zu einem Sonder-JI-Rat kommen, sicherlich auch ein Thema sein. Jedenfalls nach meinem Kenntnisstand ist die Terminfindung noch im Gange. Der Vorsitz ist dabei, einen Termin für eine Sitzung zu finden, an der Deutschland dann sicherlich auch teilnehmen wird, aber das ist kein Termin, den ich Ihnen hier verkünden kann.

Im Inland ist es ja darüber hinaus auch so heute wurde es erneut bestätigt , dass eine Reihe von Maßnahmen ergriffen wurde, um die Sicherheitsbehörden des Bundes nachhaltig zu ertüchtigen. In den vergangenen Haushalten hat es maßgebliche Verstärkungen sowohl im Personalbereich als auch in der Sachausstattung gegeben.

Wenn ich bei dieser Gelegenheit darf, dann möchte ich auch ganz kurz etwas zu einigen Äußerungen der Gewerkschaften hierzu sagen: Wir halten es für absolut kontraproduktiv, wenn in dieser scharfen Wortwahl diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag einen hervorragenden Job für unser aller Sicherheit machen, verunsichert werden. Denn auch was die Ausstattung insbesondere bei der Bundespolizei anbetrifft, hat es in der Vergangenheit sehr grundlegende Evaluierungen und auf der Grundlage dieser Ergebnisse auch eine lageangepasste Verbesserung der Ausstattung der Kolleginnen und Kollegen gegeben.

Frage: Herr Dimroth, der Minister hatte gestern auch Ein- und Ausreiseregister für den Schengen-Raum gefordert. Das muss natürlich durch die Instanzen gehen, aber von welchem Zeitraum würden wir dabei im Idealfall sprechen?

Dimroth: Darüber traue ich mir hier tatsächlich keine Prognose zu. Wie Sie richtigerweise sagen, gibt es da natürlich einen nicht unerheblichen Abstimmungsbedarf, sowohl auf europäischer als gegebenenfalls auch auf nationaler Ebene. Insofern traue ich mir eine genaue zeitliche Prognose bzw. Vorhersage nicht zu. Wir sind der Hoffnung, und das hat der Minister ja gestern sehr deutlich gemacht, dass diese Dinge schnell vorangehen, weil hier auch Dringlichkeit geboten ist. Jedenfalls werden das Innenministerium und der Bundesinnenminister alles dafür tun, dass es möglichst rasch vorangeht. Aber eine zeitliche Prognose kann ich wegen der Komplexität leider nicht abgeben.

Wenn ich dies vielleicht auch noch hinzufügen darf: Es gibt nach solchen Anschlägen ja immer zwei Ebenen. Das eine ist die polizeiliche, die operative Aufarbeitung dessen, was passiert ist. Das findet jetzt unter Hochdruck statt, insbesondere bei den belgischen Kolleginnen und Kollegen. Das andere ist die ganz grundsätzliche, fortdauernde, anhaltende Bewertung der Gefährdungslage und auf Grundlage dieser Bewertungsergebnisse dann eben auch eine Analyse dessen, inwieweit strukturelle Veränderungen herbeigeführt werden müssen, um im Kampf gegen den internationalen Terrorismus besser aufgestellt zu sein. Zu Letzterem gehört eben die Initiative des Ministers, hier Datenpools, Datentöpfe auf europäischer Ebene interoperabel auszugestalten, die, wie ich jetzt schon zweimal sagte, im Übrigen auch älter als die Anschläge ist, die wir gestern schrecklicherweise in Brüssel erleben mussten.

Frage: Herr Dr. Dimroth, sehen Sie die Sicherheitskooperation innerhalb Europas momentan als ausreichend an, was den Kampf gegen ISIS betrifft, oder sehen Sie die Notwendigkeit für verstärkte Anstrengungen?

Dimroth: Das eine Thema das ist die Frage von bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Hindernissen hatte ich jetzt gerade möglichst ausführlich darzustellen versucht. Da gibt es die genannte Initiative des Ministers, und daraus leitet sich dann auch eine Antwort auf Ihre Frage ab: Ja, da sehen wir einen Verbesserungsbedarf.

Das Zweite ist die Frage der Zusammenarbeit auf Grundlage der bestehenden Plattformen. Auch da sehen wir nach wie vor, dass es in den Mitgliedstaaten eine unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft gibt, hieran aktiv mitzuwirken. Deutschland hat da eine Vorreiterrolle inne. Sehen Sie es mir nach, dass ich jetzt hier aber keine Staatenliste vortrage, sondern dass solche Dinge sinnvollerweise zwischen den Vertretern der betroffenen Regierungen und untereinander besprochen werden. Aber auch da würde sich das Bundesinnenministerium eine verbesserte Zusammenarbeit auch auf europäischer Ebene wünschen.

Frage: Herr Dimroth, noch einmal zu den Zahlen, was die Gefährder angeht: Gibt es aktualisierte Zahlen? Können Sie sagen, wie viele davon in Deutschland und wie viele vielleicht im Ausland unterwegs sind?

Dimroth: Vielen Dank. Es gibt Zahlen zum aktuellen Stand. Die lauten wie folgt: Es liegen derzeit Erkenntnisse über mehr als 800 deutsche Islamisten und Islamistinnen vor, die in die Kampfregionen gereist sind, sogenannte "foreign fighters", um dort aufseiten des "Islamischen Staats" und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen. Etwa ein Drittel dieser gereisten Personen befindet sich derzeit wieder in Deutschland und steht im Blick der Sicherheitsbehörden.

Was die Frage nach Gefährdern anbetrifft, so rechnen wir derzeit mit einer Zahl von rund 450 Gefährdern, die sich in Deutschland aufhalten.

Frage: Das UNHCR sowie diverse NGOs haben die Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung eingestellt, weil sie, also die griechische Regierung, die Hotspots von offenen in geschlossene Anstalten verwandelt hat, quasi zu Internierungslagern. Weiß die Bundesregierung davon? Ist das gar auf Empfehlung oder Anordnung von hier geschehen?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat von den Äußerungen vonseiten des UNHCR und einzelner Nichtregierungsorganisationen natürlich Kenntnis erhalten. Ich glaube, man muss noch einmal ein bisschen ausholen. Man muss noch einmal daran erinnern, dass der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen ganz klar in Aussicht gestellt hat, dass Griechenland umfangreiche logistische und umfangreiche personelle Unterstützung bekommt. Das nötige Personal das sind Grenzschutzbeamte, Richter, Asylexperten und vor allem Dolmetscher wird jetzt so rasch wie möglich von den Mitgliedstaaten bereitgestellt. Das wird durch die Europäische Kommission koordiniert und von Deutschland und anderen Mitgliedstaaten tatkräftig unterstützt. Aus Deutschland das hatte ich hier neulich schon gesagt ist der Chef des Technischen Hilfswerks, Herr Broemme, mit Mitarbeitern des AA, des BAMF und der Bundespolizei vor Ort, um das Team des EU-Koordinators zu unterstützen.

Es ist so, dass diejenigen irregulären Migranten, die auf den griechischen Inseln ankommen, in den bisherigen Hotspots untergebracht werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Verweildauer dieser Migranten kurz sein wird, dass schnell über mögliche Asylanträge entschieden wird, dass die griechischen Behörden die verschiedenen rechtlichen Bestimmungen, die einzuhalten sind Genfer Flüchtlingskonvention, Europäische Menschenrechtskonvention, Regelungen des europäischen Asylrechts , einhalten und dass die Asylgesuche individuell geprüft werden. Irreguläre Migranten, die keinen Asylantrag stellen, sollen im Einklang mit dem EU-Recht in die Türkei zurückgebracht werden. Aber die Bundesregierung geht, wie gesagt, davon aus, dass die Verweildauer der Migranten eher kurz sein wird.

Zusatzfrage: Ich habe etwas anderes gefragt. Ich habe gefragt, ob die Bundesregierung damit einverstanden ist, dass die offenen Hotspots zu geschlossenen werden, also quasi, wie gesagt, zu Internierungslagern.

StS Seibert: Ihre Wortwahl würde ich mit Sicherheit nicht unterstützen. Die Bundesregierung ist damit einverstanden, dass die griechische Regierung dasjenige tut, was von ihrer Seite notwendig ist, um die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und die Verabredungen der EU mit der Türkei auch tatsächlich umzusetzen.

Noch einmal: Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, die irreguläre Migration zu beenden. Das ist für Griechenland, glaube ich, ein sehr wichtiges Ziel. Humanitär ist es ebenso ein wichtiges Ziel, dass auf diese Art und Weise der Weg für eine legale und sichere Migration frei gemacht wird.

Frage: Direkt eine Frage dazu. Könnten Sie sagen, Herr Seibert, was Sie unter "schnell" verstehen, also eine kurze Verweildauer? Gibt es ein 48-Stunden-Schnellverfahren? Ist irgendetwas dazu festgelegt?

Gibt es jetzt schon bereits Pläne oder sind die noch im Aufbau , wenn jemand sozusagen abgewiesen wird und zurückgeführt werden soll, welche Behördenmitarbeiter das dann operativ durchführen? Könnten das theoretisch auch deutsche Bundespolizisten sein, sind das griechische Beamte? Ist das schon genauer ausdefiniert?

StS Seibert: Um mit dem hinteren Teil der Frage anzufangen: Diese organisatorischen Fragen sind jetzt natürlich genau das, worüber die koordinierende Europäische Kommission mit den Kollegen aus verschiedenen europäischen Mitgliedstaaten und vor allem auch mit der griechischen Seite natürlich intensiv diskutiert. Das kann ich von hier aus nicht vorwegnehmen.

Zweitens. Die Verweildauer soll kurz sein; davon gehen wir aus. Ich kann Ihnen das nicht in Tagen und Stunden benennen. Ich denke, sie muss auch im Interesse der Migranten so kurz wie möglich, aber auch so lang wie nötig sein, um den rechtlichen Bestimmungen gerecht zu werden.

Frage: Frage an das Auswärtige Amt zum Besuch des Bundesaußenministers in Moskau. Ich weiß, dass es noch zu früh ist, eine Bilanz zu ziehen, denn die Gespräche dauern noch an. Zumindest die Verhandlungen mit Herrn Lawrow sind schon vorbei. Kann man davon sprechen, dass sich die Positionen der beiden Minister in den Fragen bezüglich Syrien, Ukraine oder dem Fall Sawtschenko angenähert haben?

Fischer: Sie haben die Pressekonferenz der beiden Minister, die in Moskau stattgefunden hat, wahrscheinlich mit verfolgen können. Daraus können Sie Ihre eigenen Schlüsse ziehen. Es ist ja sicherlich so, dass die beiden natürlich darüber gesprochen haben, wie es mit Syrien und in der Ostukraine weiter geht, wie die bilateralen Beziehungen vorangebracht werden können. Sie haben auch über den Fall Sawtschenko gesprochen. Ich muss den Worten, die der Minister und sein russischer Amtskollege vor Ort getroffen haben, hier nichts Weiteres hinzufügen.

Zusatzfrage: Wie würden Sie denn die Äußerungen des russischen Außenministers kommentieren, der den Europäern und damit auch Deutschland vorgeworfen hat, "geopolitische Spielchen" zu spielen?

Fischer: Wissen Sie, die Äußerungen des russischen Außenministers lagen mir in dieser Form nicht vor. Ich bin sicher, dass das auch Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Ich weiß aber nicht, wie die beiden Minister darüber gesprochen haben. Von daher würde ich erst einmal mit dem Minister sprechen wollen, bevor ich Ihnen dazu eine Antwort gebe.

Frage: Herr Fischer, eine Frage zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Er hat in einer Rede vor der pro-israelischen Lobby AIPAC gesagt, dass er im Fall seines Sieges der Präsidentschaftswahlen den Iran-Nuklearvertrag aufkündigen will. Nehmen Sie diese Äußerungen ernst?

Fischer: Erst einmal nehmen wir alles ernst, was im politischen Umfeld gesagt wird. Wir sind uns gemeinsam mit der amerikanischen Regierung und unseren Partnern in den E3+3 einig, dass wir mit den Iran-Vereinbarungen einen wichtigen Schritt nach vorne getan haben und damit verhindern können, dass der Iran den Griff zur Atombombe durchführt. Insofern finden wir die Iran-Vereinbarung eine wichtige und eine gute Vereinbarung, die die Sicherheit in der Region und letztlich auch die globale Sicherheit erhöht.

Frage: Herr Fischer, da wir schon bei US-Präsidentschaftskandidaten sind: Der republikanische Kandidat Ted Cruz hat gesagt, dass man überlegen muss, ob man die Visa-Regelungen für Europäer angesichts der Tatsache verändert, dass in Europa Menschen mit europäischen Pässen Terroranschläge begehen, die natürlich wie alle anderen Europäer vereinfachten Zugang zu den Vereinigten Staaten haben. Gibt es von Ihrer Seite Sorge, dass so etwas in Washington eine Mehrheit finden könnte?

Fischer: Wissen Sie, im amerikanischen Wahlkampf wird derzeit viel diskutiert und viel geredet. Ich glaube, wir müssen jetzt nicht jeden einzelnen Kommentar, den es auf einer Wahlkampfveranstaltung irgendwo gegeben hat, sozusagen minutenaktuell kommentieren.

Frage: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Der griechische Finanzminister Tsakalotos hat gestern vorausgesagt, dass es bis zum 22. April zu einer Einigung zwischen Athen und den Gläubiger-Institutionen kommen wird. Rechnen Sie auch damit?

Weißgerber: Die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den drei Institutionen laufen. Insofern kann ich als Vertreter der deutschen Bundesregierung dazu nichts sagen.

Ich glaube, Sie waren vorhin dabei, als der Bundesfinanzminister angesichts der Vorstellung der Eckwerte des Bundeshaushalts selbst hier gesprochen hat. Er hat seine Position ausführlich dargestellt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Mittwoch, 23. März 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 23. März 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/03/2016-03-23-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2016

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