Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


PRESSEKONFERENZ/1215: Kanzlerin Merkel und der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe, 04.05.2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz auf Schloss Meseberg - Mittwoch, 4. Mai 2016
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte heute hier in Meseberg ganz herzlich meinen Kollegen aus Japan, Premierminister Shinzo Abe, begrüßen. Wir freuen uns, dass er wieder einmal in Deutschland ist, nachdem wir uns im vergangenen Jahr in Elmau gesehen haben. Wir freuen uns vor allen Dingen, dass Japan jetzt die G7-Präsidentschaft innehat und wir eine sehr enge Zusammenarbeit pflegen, auch bei den Themen, die für diese G7-Präsidentschaft von Bedeutung sind.

Der Premierminister ist heute auf seiner Rundreise zu den G7-Partnern zu uns nach Deutschland gekommen, um über die G7-Agenda zu sprechen. Aber natürlich nehmen wir auch die Gelegenheit wahr, über bilaterale Fragen zu sprechen. Ich darf sagen, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan freundschaftlich und eng sind, dass sie in den letzten Jahren auch noch sehr viel enger geworden sind und dass wir daran natürlich weiter arbeiten.

Wir freuen uns, dass wir in der G7 eine Gruppe von Ländern haben, die sich gemeinsamen Werten und Überzeugungen verpflichtet fühlen und die diese Werte und Überzeugungen auch nicht nur teilen, sondern diesen Werten und Überzeugungen durch die G7-Agenda natürlich auch Ausdruck verleihen wollen. Im Zentrum der G7-Anstrengungen wird natürlich das Thema der Wirtschaft stehen. Wir haben eben darüber gesprochen, dass wir den Dreiklang von Investitionen, Strukturreformen und natürlich auch der entsprechenden Politik der Notenbanken brauchen.

Wir haben natürlich auch nicht nur über die wirtschaftliche Situation gesprochen. Ich habe für Deutschland gesagt, dass es gerade auch durch die vielen Flüchtlinge, die wir im letzten Jahr aufgenommen haben, eine Belebung der Binnennachfrage gibt, die aus meiner Sicht einen guten Beitrag zur Entwicklung der Weltwirtschaft leistet.

Wir haben uns natürlich auch über die außen- und sicherheitspolitischen Fragen ausgetauscht. Wir stehen gemeinsam im Kampf gegen den Terror. Wir von deutscher Seite begrüßen sehr, dass Japan eine Reihe von Anstrengungen unternommen hat, um seine schon wichtige Rolle auch bei der Bewältigung von Konflikten noch zu verstärken. Wir haben im Vorfeld der Londoner Konferenz darüber gesprochen, wie wichtig es ist, Fluchtursachen zu bekämpfen. Japan leistet hier einen herausragenden Beitrag, wenn es darum geht, gerade Menschen in Syrien und in der Umgebung zu helfen.

Wir werden natürlich auch beim Abendessen noch intensiv über die verschiedenen Spannungsherde und Konfliktherde sprechen: den Bürgerkrieg in Syrien und die daraus resultierenden Folgen, die Frage der Ukraine-Russland-Krise sowie natürlich auch die Situation auf den Meeren um Japan herum und im asiatischen Raum, im Ostchinesischen und im Südchinesischen Meer, wo wir uns dafür einsetzen, dass die Konflikte gemeinsam und natürlich auf friedliche Weise gelöst werden.

Japan wird im nächsten Jahr Partnerland der CeBIT sein. Natürlich ist für die Frage der Belebung der Weltwirtschaft auch die Frage der Innovation und der Digitalisierung von großer Bedeutung. Deshalb gibt uns das Partnerland Japan bei der CeBIT im nächsten Jahr natürlich auch eine gute Möglichkeit, weiter über Innovation und Investitionen zu sprechen.

Wir haben des Weiteren über den Freihandel gesprochen. Japan ist Teil des transpazifischen Abkommens. Ich habe noch einmal deutlich gemacht, dass wir alles daransetzen, auch das transatlantische Abkommen möglichst in diesem Jahr fertig zu verhandeln. Wir führen auch Verhandlungen über ein EU-Japan-Freihandelsabkommen. Die stocken im Augenblick etwas. Aber wir haben vonseiten beider Seiten gesagt, dass wir an einem solchen Freihandelsabkommen sehr interessiert sind, weil diese Abkommen tendenziell auch das Wirtschaftswachstum befördern und deshalb sehr wichtig sind.

Viele Punkte der Agenda, die wir bereits in Deutschland beim G7-Gipfel hatten zum Beispiel die Themen "Frauen", "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" und "Rolle der Frau in unseren Gesellschaften" , werden auch von Japan weiterverfolgt. Das gilt auch für das Thema der Gesundheit und der Pandemien, und dafür sind wir sehr dankbar. Auch in diesem Bereich arbeiten wir sehr eng zusammen.

Ich freue mich, dass ich dann in wenigen Tagen in Japan beim G7-Treffen sein werde und möchte dich, lieber Shinzo, noch einmal ganz herzlich hier in Deutschland begrüßen.

Natürlich folgt noch ein Wunsch bzw. ein Gruß an die japanische Bevölkerung angesichts des schweren Erdbebens, das es wieder gegeben hat. Wir wissen, welche Herausforderungen damit für die Menschen in Japan verbunden sind. Wir fühlen mit ihnen und hoffen, dass sie die Dinge, die bei diesem schrecklichen Erdbeben zerstört wurden, auch bald wieder aufbauen können.

MP Abe: Eingangs möchte ich mich für die warmherzigen Worte und die Beileidsbekundung nicht nur von Bundeskanzlerin Merkel anlässlich des großen Erdbebens in der Präfektur Kumamoto bedanken. Wir haben sehr viele Beileidsbekundungen aus Deutschland erhalten.

Im Juni letzten Jahres hatten wir in Elmau unser Gipfeltreffen. Heute bin ich schon wieder in Deutschland, hier in dieser wunderbaren Gegend, und freue mich, dass ich mit dir sprechen kann und dass wir dann auch anschließend noch einmal miteinander essen können. Das freut mich sehr. In Elmau hattest du eine wunderbare Führungsstärke gezeigt. Noch einmal meine Hochachtung diesbezüglich!

Ende dieses Monats werde ich dann bei dem G7-Gipfeltreffen in Ise-Shima die Präsidentschaft innehaben. Dass wir hier, in dieser wunderbaren Atmosphäre in Meseberg, in Ruhe diese Sitzung vorbereiten können, freut mich sehr. Ich glaube, dass wir bereits mit einem guten Start begonnen haben.

Wir haben jetzt über die Weltwirtschaftslage gesprochen, darüber, dass wir jetzt nicht nur eine normale Wirtschaftszirkulation erwarten können, sondern dass wir die Risiken proaktiv angehen und die Weltwirtschaft ankurbeln müssen. Wir brauchen eine Beschleunigung hinsichtlich des Strukturwandels und benötigen dann auch eine expansive Fiskalpolitik. Beim Ise-Shima-Gipfeltreffen würden wir gerne gemeinsam eine starke Botschaft aussenden. Das habe ich dann auch als meine Bitte vorgeschlagen. Wir haben gut miteinander diskutieren können, und wir werden dann auch beim Gipfeltreffen in Ise-Shima diesbezüglich weiter diskutieren. Wir werden als G7-Führungskräfte miteinander diskutieren und einen Beitrag zu gutem Weltwirtschaftswachstum leisten. Das heißt, wir müssen dann auch mit einer Stimme eine konkrete Botschaft aussenden.

Zum Terrorismus und gewalttätigem Extremismus: Das ist auch für uns eine prioritäre Thematik, die wir als G7-Nationen, die gemeinsame Werte miteinander teilen, aufnehmen müssen. Auch da sind wir zu einem Konsens gekommen.

Dass wir unsere Zusammenarbeit weiter vertiefen und dass wir auch unsere bilaterale Zusammenarbeit noch einmal vertiefen können, war für mich sehr wertvoll. Wir werden dann später beim Abendessen auch weiter über die bilateralen Beziehungen diskutieren. Bis jetzt haben wir nur über die Weltwirtschaft und die G7 gesprochen. Japan und Deutschland sind ja jeweils in ihrer Region sozusagen die führenden Nationen, und deshalb haben wir auch eine bedeutende Rolle zu tragen. Wir haben in Japan unsere neue sicherheitspolitische Richtlinie bekannt gegeben. Auch das wird dazu beitragen, dass wir gemeinsam und miteinander für den Weltfrieden werden arbeiten können.

Japan und Deutschland sind stark in Technologie und in Naturwissenschaften. Letztens fand ja das Gipfeltreffen zur Industrie 4.0 und zum Internet der Dinge statt. Ich freue mich über diese gemeinsame Erklärung zwischen dem METI und dem BMWi. Ich glaube, dass Japan und Deutschland weiter zusammenarbeiten können, um diese vierte industrielle Revolution zu einem großen Erfolg zu bringen.

Dann haben wir auch über die weiteren Handelsabkommen gesprochen, über TTIP und das Japan-EU-Freihandelsabkommen bzw. über wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen. Wir würden gerne Bundespräsident Gauck nach Japan einladen; das wollte ich dir beim Abendessen mitteilen. Wenn das erfolgreich sein sollte, dann würden wir uns natürlich sehr freuen.

Japan wurde eingeladen, Partnerland der CeBIT zu werden. Wenn alles klappt, würde ich dann auch gerne daran teilnehmen.

Wir haben noch ein Abendessen vor uns. Dabei werden wir über die Ukraine, über den Nahen Osten und über Ostasien sprechen. Ich hoffe, dass ich von dir wirklich offene und ehrliche Meinungen erfahren kann. Es kann nicht sein, dass eine einseitige Veränderung des Status quo durch Gewalt so hingenommen wird. Das ist ein Affront gegen die Rechtsstaatlichkeit. Deshalb würde ich beim Abendessen gerne mit dir über den Beitrag von Japan und Deutschland zum Weltfrieden diskutieren.

Du bist die stärkste Politikerin weltweit und hast die größte Einflusskraft. In der Ukraine und in der Flüchtlingsproblematik hast du die Führungskraft und täglich sehr viel zu tun. Deinem Einsatz kann ich nur meine Hochachtung aussprechen. Dass ich heute hier zusammen mit dir stehe und über vielerlei Themen diskutieren kann, ist auch für mich sehr wertvoll. Ich hoffe, dass mein Deutschlandbesuch auch dazu dient, dass die Partnerschaft zwischen Japan und Deutschland, die beide weltweit führend sind, weiter vertieft wird und dass wir uns gemeinsam mehr für den Weltfrieden einsetzen können.

Beim Gipfeltreffen in Ise-Shima werden dann die genannten Thematiken aufgegriffen werden, auch die Rolle der Frauen oder Fragen des Sozial- und Gesundheitswesens. Diese Problematiken werden dann aufgenommen werden. Ise-Shima ist eine wunderbare Gegend. Es gibt eine schöne Natur und eine wunderbare Kultur. Auch das möchte ich gerne zeigen. Ende Mai wird das Gipfeltreffen in Ise-Shima stattfinden, und ich freue mich darauf, dich dort begrüßen zu können.

Frage: Eine Frage an Ministerpräsident Abe: Sie möchten ja eine expansive Fiskalpolitik für das weitere Wachstum der Weltwirtschaft haben. Haben Sie diesbezüglich mit Bundeskanzlerin Merkel gesprochen?

Eine Frage an die Bundeskanzlerin: Herr Abe möchte gerne eine expansive Fiskalpolitik haben. Wie stehen Sie dazu?

MP Abe: Zu der Gesprächsthematik darf ich hier, glaube ich, nicht detailliert berichten; insofern möchte ich das hier jetzt nicht machen. Wir haben miteinander aber mit viel Zeit sehr ehrliche und tiefgehende Diskussionen über diese Thematik führen können. Darauf basierend werden wir dann auch auf der G7-Ebene beim G7-Treffen offen miteinander reden. Wichtig ist, dass wir einen Beitrag für ein nachhaltiges Wachstum der Weltwirtschaft leisten und dies auch nach außen hin proaktiv kommunizieren.

Japan und Deutschland haben ihre jeweilige wirtschaftliche Lage und tun das Beste, um einen Konjunkturaufschwung zu erreichen. Ich habe in Japan die Abenomics mit drei Pfeilern eingeführt, und damit haben wir bis jetzt auch gute Leistungen erzielen können. Japan wird diese drei Pfeiler weiter forcieren.

Was die Fiskalpolitik inklusive der Investitionen betrifft, so werden wir auch da versuchen, uns wirklich dynamisch anzupassen.

Für die Haushaltskonsolidierung ist wichtig, dass die Wirtschaft gesundet, dass die Wirtschaft zu einem guten Standbein wird und dass auch unser Haushalt konsolidiert wird. Das alles sehe ich in einem großen Paket und nicht getrennt voneinander. Haushaltskonsolidierung bleibt unsere Aufgabe, die wir dann auch stetig und redlich angehen werden.

Die langfristige Wachstumsstrategie, also mein dritter Pfeiler, soll dann natürlich auch beschleunigt werden.

Damit versuche ich, in Japan ein robustes Wachstum zu bekommen, das wiederum zum Wachstum der Weltwirtschaft beitragen soll.

BK'in Merkel: Wir haben ja in den großen Finanz- und Wirtschaftskrisen gelernt, dass unsere Finanz- und Wirtschaftsräume aufs Engste miteinander verbunden sind und dass wir deshalb auch möglichst kohärent agieren sollten.

Für mich ist wichtig, dass wir die gute Balance eines Dreiklangs haben: Erstens haben wir die Strukturreformen. Zweitens haben wir die unabhängige Geldpolitik der Zentralbank; die Geldpolitiken der großen Notenbanken sind auch aufeinander abgestimmt. Drittens haben wir den Pfeiler der Fiskalpolitik und die Frage der Investitionen.

Ich hatte schon gesagt, dass wir durch die große Zahl von Flüchtlingen eine sehr gute Binnennachfrage haben. Zweitens tut die Bundesregierung alles dafür, mehr Investitionen als in der Vergangenheit in Gang zu bringen. Wir investieren jetzt sehr stark in unsere digitale Infrastruktur und versuchen, dazu auch die Rahmenbedingungen zu vereinfachen. Wir setzen in der Europäischen Union auf einen digitalen Binnenmarkt, der uns auch zu einem interessanteren Investitionsraum macht. Außerdem wollen wir durch die Freihandelsabkommen unsere Wachstumsmöglichkeiten verbessern.

Das heißt, wir versuchen, eine solide Haushaltspolitik mit einer nachhaltigen Wachstumspolitik und mehr Investitionen zu verbinden. Ich glaube, damit leisten auch wir unseren Beitrag zu einer guten Entwicklung der Weltwirtschaft. Die Details werden wir dann natürlich intensiv auch in Japan diskutieren.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Ministerpräsident, ist es denn Ihr Ziel, beim Gipfel in Japan eine Vereinbarung zu schließen, nach der man gemeinsam handeln muss, um größere Turbulenzen und Verwirrungen an den Devisenmärkten zu verhindern?

MP Abe: Zum Wechselkurs und zur Währung kann ich als Ministerpräsident nicht sprechen. Ich stelle aber fest, dass wir sehr spekulative, schnelle Aktionen sehen. Bei den G20 haben wir gesagt, dass expansive Einmischung für den stabilen Währungskurs nicht gut ist. Wir haben bei den G20 gesagt, dass wir auf einen stabilen Währungskurs hinarbeiten müssen. Die Wichtigkeit dessen habe ich auch mit Herrn Hollande besprochen. Wir betrachten den Währungsmarkt, und je nach Bedarf müssen wir dann handeln.

BK'in Merkel: Die vergleichsweise Stabilität der Währungen zueinander ist ein hohes Gut, und wir können die Probleme der Weltwirtschaft mit Sicherheit nicht durch Wettläufe um möglichst geringe Währungswerte gewinnen. Deshalb stimmen wir hier vollkommen überein.

Frage: Eine Frage an die Bundeskanzlerin zum südchinesischen Meer bzw. der Sicherheit auf dem Meer: Europa ist ja geografisch gesehen ziemlich weit weg, und in Japan sagt man, dass Deutschland nur in wirtschaftlicher Sicht an China interessiert ist. Wie wird Deutschland zum Beispiel im Rahmen der G7 auf die Aktivitäten Chinas im südchinesischen Meer reagieren?

Frau Bundeskanzlerin, Sie werden anlässlich des G7-Gipfels Ende Mai nach Japan kommen. Herr Obama überlegt, dabei Hiroshima zu besuchen. Würden vielleicht auch Sie nach Hiroshima gehen, Hiroshima besuchen?

BK'in Merkel: Ganz ehrlich gesagt ist mein Plan, in Japan Ise-Shima zu besuchen und keine weiteren Orte zu besuchen.

Was die Meinung in Japan zu unserer China-Politik anbelangt so wie Sie das sagen , kann man, glaube ich, nicht sagen, dass Deutschland bezüglich China nur an der Wirtschaft interessiert ist. Wir sind an guten bilateralen Beziehungen interessiert. Ich glaube, dafür gibt es viele Gründe. China hat die G20-Präsidentschaft, wir haben aber auch sehr intensive bilaterale Beziehungen in allen Bereichen. Wir haben einen engen Kulturaustausch, wir haben einen Menschenrechtsdialog, wir haben sehr gute Wirtschaftsbeziehungen mit China also eine ganze Breite. Wir werden im Juni dieses Jahres auch wieder Regierungskonsultationen haben, bei denen die ganze Breite unserer Zusammenarbeit auch zum Ausdruck kommt. Dabei reden wir natürlich über alle Probleme, die auftreten, und dabei ist die Situation im südchinesischen Meer natürlich auch ein Thema.

Deshalb habe ich auch am Anfang schon gesagt: Wir wollen Dialog, wir wollen, dass die Probleme friedlich gelöst werden und die Spannungen nicht steigen. Unsere China-Politik ist also sehr umfassend ausgerichtet, und ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir, obwohl wir räumlich sehr weit voneinander entfernt sind, auch die Gesamtentwicklung sehr deutlich wahrnehmen. Wir haben jetzt erfahren: Wenn es irgendwo auf der Welt Instabilitäten gibt, dann sind immer auch andere auch wenn sie weit weg sind betroffen. So, wie sich Japan für den Ukraine-Russland-Konflikt interessiert, sind wir im Gespräch mit unseren Partnern natürlich auch an Konflikten in anderen Regionen interessiert.

Frage: Ich hätte eine Frage an Sie beide: Eines der wichtigen Ziele auf der G7-Agenda ist ja auch der Klimaschutz. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund, dass in der Autoindustrie in Deutschland und in Japan jetzt Fälle von Unregelmäßigkeiten bei Verbrauchs- und Abgaswerten offenbar geworden sind? Braucht es da strengere nationale und auch internationale Regelungen, damit auch solche Regeln nicht mehr so kreativ ausgelegt werden können?

Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie gestatten, möchte ich noch eine Frage zum Thema Visumfreiheit für türkische Bürger in der EU stellen: Halten Sie es für realistisch, dass in diesen wenigen verbliebenen Wochen jetzt die restlichen Bedingungen vonseiten der Türkei erfüllt werden können? Droht womöglich wegen dieses Zeitdrucks am Ende vielleicht doch ein gewisser politischer Rabatt?

BK'in Merkel: Vielleicht fange ich mit der Frage zur Türkei und der Visumsfreiheit an. Wir haben immer gesagt: Die 72 Bedingungen müssen erfüllt werden. Die Europäische Kommission hat heute eine Bewertung abgegeben, und sie hat darauf hingewiesen, dass in den letzten Wochen sehr viel erreicht wurde und große Fortschritte erzielt worden sind, aber noch nicht alle Bedingungen erfüllt sind. Deshalb ist die Zustimmung zur Visabefreiung auch nur konditioniert, also unter Vorbehalt erfolgt.

Ich glaube, dass angesichts der Fortschritte, die die Türkei in den anderen Punkten gemacht hat, eine realistische Chance besteht, dass auch die noch offenen Punkte erfüllt werden. Wir haben gestern einen sehr wichtigen Fortschritt gesehen, was die Visafreiheit aller EU-Bürger anbelangt, inklusive der Bürgerinnen und Bürger Zyperns. Das war ein großer politischer Schritt. Jetzt müssen die Fragen von Datenschutz und von Terrorismusgesetzen, die noch offen sind, natürlich von der Türkei bearbeitet werden. Bislang kann ich aber nur sagen, dass die Punkte, die wir mit der Türkei vereinbart haben, eingehalten wurden. Deshalb will ich jetzt keine Gefahren diskutieren, sondern will darauf setzen, dass wir diese Abmachung beidseitig die EU mit ihren Versprechungen und Zusagen und die Türkei mit ihren Zusagen einhalten, sodass daraus eine Glaubwürdigkeit unseres ganzen Abkommens entsteht.

Zu den Autos: Es ist so, dass wir gesehen haben, in welch extensiver Weise zum Teil Regeln genutzt wurden. Hier wird es in der Zukunft sicherlich Aktivitäten zur Präzisierung von EU-Richtlinien geben. Da, wo Grenzen überschritten wurden, muss das natürlich deutlich beim Namen genannt werden. Ich glaube also, dass es gerade, was die NOx-Werte anbelangt in der Europäischen Union als Folge der jetzigen Situation zu Präzisierungen der Rechtssetzung kommen wird.

MP Abe: Von dieser Datenmanipulation bei der Automobilindustrie habe ich natürlich auch erfahren. Das verletzt das Vertrauen gegenüber der Automobilindustrie, und das ist dann ja auch ein Vertrauensbruch gegenüber den Nutzern, also den Fahrern. Wir werden bei den betreffenden Ministern versuchen, erst einmal Daten und Informationen darüber zu sammeln, was wirklich geschehen ist, und dann werden wir auch entsprechende Schritte einleiten.

(Ende: 19.04 Uhr)

Mittwoch, 4. Mai 2016

*

Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel
und dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe, 4. Mai 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/05/2016-05-04-merkel-abe.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang