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PRESSEKONFERENZ/1423: Regierungspressekonferenz vom 22. März 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 22. März 2017 Regierungspressekonferenz vom 22. März 2017

Themen: Kabinettssitzung (Verlängerung des Mandats zur Beteiligung deutscher Streitkräfte an den Operationen Atalanta und EUTM Mali, Entwurf eines Gesetzes zur Rehabilitierung verurteilter Homosexueller, Bericht über die Situation der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie), Reise des Bundesaußenministers nach Athen, Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jahrestags der Unterzeichnung der Römischen Verträge, Interviewäußerungen des Vorsitzenden der Eurogruppe, Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland, deutsche Rüstungsexportpolitik, geplante Pkw-Maut, Verbot der Mitnahme von Laptops auf Flügen aus bestimmten Ländern durch die USA und Großbritannien, Handelsbilanzdefizit der USA, Digitalisierung der Bundeswehr, Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Baron (BMWi), Friedrich (BMVI), Dimroth (BMI), Flosdorff (BMVg)


Vorsitzender Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Der Bericht aus dem Kabinett beginnt mit zwei Themen, bei denen es um die Verlängerung von Auslandseinsätzen unserer Bundeswehr geht.

Das eine ist die EU-geführte Operation Atalanta vor der Küste von Somalia, eine Operation zur Bekämpfung der Piraterie - eine sinnvolle und wirksame Mission. Unverändert sieht das Mandat, das das Kabinett heute beschlossen hat, den Einsatz von bis zu 600 deutschen Soldatinnen und Soldaten vor. Es soll befristet sein bis zum 31. Mai 2018, und natürlich - das wissen Sie - steht es unter dem Vorbehalt, dass der Deutsche Bundestag dem zustimmt.

Somalia hat in den letzten Jahren durchaus auch Elemente einer positiven Entwicklung aufzuweisen. Ich nenne die jüngst stattgefundenen Wahlen als ein Beispiel dafür. Dass wir jetzt die Verlängerung dieser Antipirateriemission im Kabinett beschlossen haben, folgt dem ganzheitlichen Ansatz, den die Bundesregierung in ihrer Politik gegenüber Somalia wirken lässt. Wir sind dort also tätig mit außenpolitischen, mit sicherheitspolitischen und mit entwicklungspolitischen Mitteln - immer mit dem Ziel, langfristig einen stabilen Staat Somalia zu erreichen.

Atalanta ist erfolgreich. Seit nunmehr vier Jahren trägt diese Operation ganz maßgeblich dazu bei, die Piraterie am Horn von Afrika zu bekämpfen. Es hat in den Jahren 2015 und 2016 gar keinen Überfall dort gegeben. Es hat jetzt im März, also gerade vor Kurzem, einmal wieder einen ersten Überfall nach längerer Zeit gegeben, der glücklicherweise unblutig beendet werden konnte. Das zeigt: Diese Mission ist sinnvoll und sie ist wirksam.

Natürlich haben neben der Präsenz der internationalen Seestreitkräfte auch die Selbstschutzmaßnahmen der zivilen Seeschifffahrt dazu beigetragen, dass das "Geschäftsmodell" der Piraterie unrentabel geworden ist und diese Seeräuberei weitestgehend unterbunden werden konnte.

Bei dem zweiten Auslandseinsatz geht es um die Beteiligung deutscher Streitkräfte an der ebenfalls EU-geführten Ausbildungs- und Beratungsmission EUTM Mali. Auch dieses Mandat soll bis zum 31. Mai 2018 verlängert werden, und auch in diesem Fall soll es bei der bisherigen personellen Obergrenze von 300 Soldatinnen und Soldaten bleiben. Auch dieser Verlängerung muss der Bundestag erst noch zustimmen.

Dieses umfasst als Aufgabe im Wesentlichen die Durchführung dezentraler Ausbildung und Beratung an wichtigen Standorten der malischen Streitkräfte, mit besonderem Fokus auf das dortige Führungspersonal. Es geht um die Beratung des malischen Verteidigungsministeriums und der Führungsstäbe der malischen Streitkräfte, und es geht um die Unterstützung und Förderung der Zusammenarbeit der Streitkräfte der sogenannten G5-Sahel. Neben Mali sind es Niger, Mauretanien, Burkina Faso und Tschad, die diese Gruppe im Jahr 2014 gegründet haben, damit sie ihre grenzübergreifende Handlungsfähigkeit stärken. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass der Präsident von Burkina Faso gestern bei der Bundeskanzlerin war und das große Interesse seines Landes und auch der anderen Sahel-Staaten an dieser EU-Mission ausgedrückt hat.

Der Friedensprozess in Mali schreitet voran, aber langsam. Er wird weiterhin behindert durch Terroristen und ihnen nahestehende bewaffnete Gruppen, er wird gezielt unterminiert. Die humanitäre Lage in Mali - das immerhin kann man sagen - hat sich seit Beginn der internationalen Bemühungen grundsätzlich verbessert, aber es gibt immer noch keinen sicheren ungehinderten Zugang zu allen Regionen. EUTM Mali, also diese gesamte EU-geführte Mission, hat seit 2013 beinahe 10 malische Soldaten ausgebildet und damit erheblich zum Aufbau der Fähigkeiten der Streitkräfte beigetragen.

All diese Bemühungen, also auch das, was wir in Mali mit dem vernetzten Ansatz tun - außenpolitisch, sicherheitspolitisch, entwicklungspolitisch -, zielt darauf ab, den Friedensprozess in Mali zu unterstützen und dazu beizutragen, dass sich die Demokratie für die Bevölkerung dort in ein besseres, ein sichereres Leben umsetzt.

Der Bundesjustizminister hat dem Kabinett einen Gesetzentwurf zur Rehabilitierung verurteilter Homosexueller vorgelegt, und das Kabinett hat ihn beschlossen. Dieser Gesetzentwurf soll es ermöglichen, Menschen strafrechtlich zu rehabilitieren, die nach dem 8. Mai 1945 im Staatsgebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilt wurden. Diesen Menschen soll der Strafmakel genommen werden, mit dem sie bisher allein wegen einer Verurteilung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung leben mussten.

Aus heutiger Sicht ist dieses strafrechtliche Verbot einvernehmlichen homosexuellen Verhaltens in besonderem Maße grund- und menschenrechtswidrig. Konkret sieht der Gesetzentwurf vor, dass durch Gesetz diese strafrechtlichen Verurteilungen pauschal aufgehoben werden. Damit wird verdeutlicht: Es geht nicht vorrangig um eine Auseinandersetzung mit der Einzelverurteilung des einzelnen Betroffenen, sondern darum, die unzumutbaren Folgen der damaligen Gesetzgebung generell zu korrigieren. Außerdem steht der rehabilitierten Person wegen des erlittenen Strafmakels nach Aufhebung eines entsprechenden Strafurteils ein Anspruch auf Entschädigung zu.

Zu guter Letzt hat die Bundeswirtschaftsministerin, Frau Zypries, die gleichzeitig auch die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt ist - was sie schon vor ihrer Ernennung zum Wirtschaftsministerin war und was sie beibehalten hat -, dem Kabinett heute unter dem Titel "Innovation und Hochtechnologie in einer Welt im Wandel" den Bericht über die Situation der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie vorgelegt. Diesen Bericht hat das Kabinett verabschiedet.

Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist eine besonders leistungsfähige, eine besonders forschungsintensive, eine besonders innovative Branche in Deutschland, mit überdurchschnittlich vielen hochqualifizierten Arbeitsplätzen - über 106 Menschen sind in diesem Industriezweig beschäftigt. Innovationen, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie gelingen - zum Beispiel Leichtbautechnik oder intelligente Robotik -, sind in vielen Fällen Innovations- und Technologietreiber auch für Bereiche außerhalb dieser Technologien. Damit leisten sie auch einen wichtigen Beitrag zur Lösung globaler Aufgaben. Ich erinnere nur einmal an Navigationsanwendungen oder an Umwelt- und Wetterbeobachtung durch die Raumfahrt, was hier auf der Erde konkreten Nutzen stiften kann.

Deswegen setzt sich die Bundesregierung auch weiterhin dafür ein, dass auch in Zukunft Forschung, Entwicklung und industrielle Produktion erstklassige Voraussetzungen in Deutschland vorfinden. Dazu gehört unser Luftfahrtforschungsprogramm, dazu gehört das Nationale Programm für Weltraum und Innovation und dazu gehört die deutsche Beteiligung an Raumfahrtmissionen im Rahmen der ESA.

So weit mein Bericht aus dem Kabinett.

Schäfer: Der deutsche Außenminister wird jetzt gleich, im Anschluss an die Rede des neuen Bundespräsidenten, zu einer Reise bis morgen Abend nach Griechenland, nach Athen, aufbrechen. Sie sollten diese Reise so früh im Amt des Außenministers durchaus als ein positives Signal für die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland werten und sie auch als einen Ausdruck seiner und damit deutscher und unserer Solidarität mit den Griechen in ihrer in vielerlei Hinsicht nicht wirklich einfachen Situation verstehen.

Wir haben die feste Absicht, unsere bilateralen Beziehungen mit Griechenland weiter zu intensivieren. Es gibt bereits seit Monaten Gespräche über eine bilaterale Agenda, mit der so etwas geschehen soll. Es gilt ausdrücklich auch, dass Griechenland ein unersetzliches, wichtiges Mitglied der europäischen Familie ist. Wie Sie sehen, findet der Besuch von Herrn Gabriel in einem unmittelbaren zeitlichen Kontext mit dem 60-jährigen Jubiläum der Römischen Verträge statt. Auch das ist ein Zeichen und Ausdruck der Überzeugung des deutschen Außenministers, wie wichtig Griechenland als Wiege der Demokratie, aber auch für die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses ist.

Das Programm beginnt heute Abend mit einem Abendessen mit dem griechischen Ministerpräsidenten. Morgen wird Herr Gabriel dann erst Gespräche mit dem griechischen Staatspräsidenten und daraufhin mit dem griechischen Außenminister führen. Im griechischen Außenministerium gibt es dann auch eine ausführliche Pressekonferenz. Sie können sich denken, dass es ganz sicherlich um europapolitische Fragen, aber auch um Fragen, in denen Griechenland eine wichtige Rolle spielen kann, geht. Ich erwähne vielleicht nur die Schuldenkrise und auch die Migrationsproblematik, von der Griechenland ja ganz besonders betroffen ist.

Vielleicht noch eine Information zum Abschluss: Der Außenminister wird morgen auch das Nationale Museum für zeitgenössische Kunst besuchen, das die Heimstätte für die in diesem Jahr in Athen ausgerichtete documenta sein wird. Schließlich gibt es auch noch ein Gespräch mit Vertretern der griechischen Zivilgesellschaft.

Frage : In diesem Zusammenhang zum Stichwort des Jubiläums der Unterzeichnung der Römischen Verträge: Ich würde vom Finanzministerium und vielleicht auch von Ihnen, Herrn Seibert, gerne wissen, ob Sie irgendwelche Hinweise, Indizien, Informationen haben, dass die griechische Regierung eine Beziehung zwischen der Unterzeichnung einer Erklärung zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge und den ihnen auferlegten Reformen im Zuge des zweiten Reviews ihres Reformprogrammes herstellt? Gibt es da möglicherweise ein Junktim, nach dem Motto: "Wenn ihr uns auf der einen Seite nicht lockerere Reformauflagen zugesteht, dann unterzeichnen wir nicht"?

StS Seibert: Ich kann jetzt logischerweise nur für die Bundesregierung sprechen, und nicht über Intentionen der griechischen Regierung. Ich kann Ihnen sagen, dass aus unserer Überzeugung Fragen zum griechischen Programm nicht vermischt werden sollten mit den Feierlichkeiten, die in Rom bevorstehen, und mit der geplanten gemeinsamen Erklärung der EU-Mitgliedstaaten von Rom. Die Verhandlungen zum Programm finden weiterhin zwischen den Institutionen und Griechenland und in enger Rückkopplung mit den Finanzminister der Eurogruppe statt.

Zusatzfrage : Haben Sie aus den Kanälen, die Ihnen zur Verfügung stehen - sei es über die Botschaft, seien es Kontakte mit der griechischen Regierung - irgendeinen Hinweis, der darauf hindeutet, dass eine solche Beziehung von Griechenland hergestellt wird?

StS Seibert: Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Die 27 Staats- und Regierungschefs sind sich einig, dass, wenn sie an den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge teilnehmen werden, auch eine gemeinsame Erklärung präsentieren wollen - die bis dahin erarbeitet wird -, um diesen bedeutenden Jahrestag zu würdigen. Die endgültige Textfassung dieser Erklärung soll, wie besprochen, schon vor dem Gipfel fertig sein, und zwar auf Grundlage dessen, was die Staats- und Regierungschefs am 10. März in Brüssel besprochen haben. Da gab es politische Einigkeit über die einzelnen Elemente dieser Erklärung von Rom, und das wird jetzt von den Sherpas und dann natürlich auch in Abstimmung mit dem Ratspräsidenten in einen Text umgearbeitet.

Die aus Sicht der griechischen Regierung derzeit noch offene Frage wird jetzt zwischen Griechenland und Donald Tusk, dem Präsidenten des Europäischen Rats, besprochen. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass es gelingen wird, in Rom einen zukunftsgerichteten, einen optimistischen und einen selbstbewussten Erklärungstext zu präsentieren. Denn so wollen wir diesen Jahrestag angehen - mit Stolz auf das, was in 60 Jahren erreicht worden ist, und mit Optimismus, dass wir diese Europäische Union in der Zukunft noch stärken können.

Frage : Herr Seibert, auch noch einmal zu den Feierlichkeiten: Wird die Kanzlerin dieses Treffen mit den anderen Regierungschefs auch dazu nutzen, über inhaltliche Fragen zu sprechen, sprich, wird es vielleicht auch um das weitere Verfahren in den Verhandlungen über den Brexit gehen? Ein paar Tage später wird ja offenbar der Artikel 50 ausgelöst werden. Auch Reformen in Griechenland könnten ja ein Thema sein. Oder sieht sie das jetzt sozusagen als einen Feiergipfel an?

StS Seibert: Ich kann Ihnen nicht vorhersagen, was auf den Gängen und am Rande dieser Zusammenkunft von Rom zwischen einzelnen Teilnehmern besprochen wird - das ist immer so. Es ist aber ein Gipfel, der 60 Jahre Römische Verträge feiert und der gemeinsam in die Zukunft blickt. Die 27 EU-Mitgliedstaaten, die nach dem Brexit verbleiben werden, blicken gemeinsam in die Zukunft, und sie haben in den letzten Monaten viel Mühe darauf verwendet, miteinander zu diskutieren, wie diese Zukunft aussehen soll, wie das Signal der Einigkeit und des Zusammenhalts aussehen soll. Das wird sich in der Erklärung von Rom ausdrücken und ist jetzt keineswegs etwas, was erst in Rom entsteht; denn da ist nun in mehreren Treffen und europäischen Zusammenkünften schon viel Arbeit eingeflossen.

Zusatzfrage : Aber eine Pressekonferenz, wie es sonst ja üblich ist, wird die Kanzlerin dieses Mal nicht machen, richtig?

StS Seibert: Nein. Es wird sicherlich die Möglichkeit zu einem kurzen O-Ton für die deutsche Presse geben, aber es gibt keine Pressekonferenz. In Rom gibt es ja auch keine mehrstündige Sitzung der europäischen Staats- und Regierungschefs und auch keine Arbeit an einem Schlussfolgerungstext - all das, was Sie sonst von europäischen Gipfeln in Brüssel kennen.

Frage : Herr Seibert, wann fliegt die Bundeskanzlerin nach Rom und wann kehrt sie zurück, wie sieht das Programm der Bundeskanzlerin für diese Feierlichkeiten aus?

StS Seibert: Sie fliegt am Freitag hin und kehrt am Samstag zurück.

Zusatzfrage : Eine Frage an das Bundesfinanzministerium: Der Bundesfinanzminister sagte gestern in Brüssel, dass eine Formulierung gesucht werde, dass Maßnahmen, die langfristig umgesetzt werden sollen, unabhängig von eventuellen Wahlen, die demnächst stattfinden sollen, durchgesetzt werden müssen. Was soll man diesbezüglich unter dem Wort "Formulierung" verstehen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe das genaue Wortprotokoll hier nicht vor mir, aber der Kontext ist ja der, dass man derzeit von entsprechenden Überlegungen hört, die vom IWF ausgehen sollen. Zum genauen Inhalt müssten Sie den IWF ansprechen. Der Bundesfinanzminister ist in der Pressekonferenz gestern danach gefragt worden und hat seine Zuversicht zum Ausdruck gebracht, dass man in dieser Frage ein Einvernehmen erzielen kann. Aber die Frage, was jetzt ganz genau vonseiten anderer gefordert oder erwünscht ist, müssten Sie mit den Institutionen aufnehmen.

Zusatzfrage : Hat der Bundesfinanzminister diesbezüglich keine eigene Position?

von Tiesenhausen-Cave: Sie wissen, dass die Gespräche durch die Institutionen geführt werden. Insofern: Wenn es hier jetzt um Einzelpositionen beteiligter Institutionen geht, dann sollten auch diese Institutionen über ihre Positionen Auskunft geben.

Zusatzfrage : Wir haben ja auch in der Vergangenheit Fälle gehabt, in denen von griechischen Oppositionsparteien verlangt wurde, dass sie vor den Maßnahmen ihre Unterschrift darunter setzen. Werden wir so einen Fall noch einmal bekommen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann mich nur wiederholen: Ich möchte Sie bitten, das mit den Institutionen aufzunehmen.

Frage: Herr Schäfer, diese Ankündigung der Reise von Herrn Gabriel kommt jetzt etwas überraschend; im Vorfeld war davon nichts zu erfahren oder zu hören. Okay, Sie können sich jetzt freuen, dass Ihnen ein Coup gelungen ist, aber ist das jetzt ad hoc - Anfang der Woche oder so - entschieden worden?

Schäfer: Nein, die Reise ist seit Wochen geplant, da gibt es gar keine Überraschung - und einen Coup landen will ich eigentlich nie.

Zusatz: Frau Tiesenhausen, noch einmal zu der Frage, ob die Opposition ihre Zustimmung geben soll oder nicht: Herr Schäuble hat bei dem VAP-Treffen vor zehn Tagen doch von sich aus diese Möglichkeit ausgeschlossen, dass er verlangt, dass die Opposition mit unterschreiben soll.

von Tiesenhausen-Cave: Ich meine, wir können diese Frage noch dreimal aufbringen! Die Institutionen führen die Verhandlungen. Die Minister sind immer informiert. Das findet auch im Benehmen der Minister statt. Aber die Frage, die der Kollege bestellt hat, bezog sich ja auch auf Berichte, die Intentionen des IWF angesprochen haben. Insofern kann ich jetzt hier nicht für den IWF Auskunft geben. Ich möchte Sie bitten, wenn Sie da Erklärungsbedarf haben, das auch mit dem IWF aufzunehmen.

Frage : Herr Schäfer, Sie sagten, der Minister wolle auch die Schuldenkrise in Griechenland ansprechen. Da liegt der Ball ja eigentlich gerade bei den Finanzministern. Ich hätte gerne gewusst, welche politische Linie der deutsche Außenminister bei diesem Thema vertritt. Herr Gabriel hatte sich in der Vergangenheit ja auch schon einmal kritisch zur Austeritätspolitik des Finanzministers geäußert. Was ist da also seine Linie?

Schäfer: Die Haltung des deutschen Außenministers kennen Sie aus der einen oder anderen öffentlichen Äußerung aus den letzten Wochen. Heute gibt es einen Artikel in einer großen deutschen Tageszeitung, der sich nicht um Griechenland dreht, aber in dem sozusagen auch gewisse Positionen im Zusammenhang mit der Agenda 2010 und dem damaligen Verhalten Deutschlands und der Bundesregierung vertreten worden sind. Dazu, wie seine Haltung sein wird und was er sagen wird: Ich nehme an, es wird auf dieser Linie liegen, Herr Lange, aber vorwegnehmen kann ich das beim besten Willen nicht. Das weiß ich einfach nicht. Das müssen wir schon abwarten. Es wäre ja komisch, wenn wir schon über die Reise reden würden, bevor sie überhaupt angetreten worden ist.

Frage : Herr Seibert, ich habe noch eine kleine Nachfrage zu dem, was Sie zu der Erklärung gesagt haben. Sie sprachen von einem offenen Punkt, der da noch mit der griechischen Regierung bestehe und geklärt werden solle. Ist Griechenland das einzige Land, das da noch einen offenen Punkt im Hinblick auf die Erklärung hat, oder ist das grundsätzlich eine Diskussion, die sich im Fluss befindet, bevor diese Erklärung für diese Festlichkeit, die ja vorher fertig sein soll, geklärt ist?

StS Seibert: Ich kann Ihnen das nicht ganz genau sagen. Es gab am Montag noch einmal ein Sherpa-Treffen in Brüssel, um das, was die Staats- und Regierungschefs am 10. März besprochen hatten, in konkrete Formulierungen zu übertragen. Es wird in Rom selbst keine Textarbeit, keine Arbeitssitzung in diesem Sinne mehr geben. Dort soll der Text einfach an historischer Stelle unterzeichnet werden.

Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob es noch den einen oder anderen zu klärenden Punkt gibt. Nun haben wir heute Mittwoch. Da wäre ja bis Freitag und Samstag noch Zeit. Aber ich weiß es definitiv nicht.

Frage : Frau Tiesenhausen, der Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hat sich in einem Interview in einer deutschen Zeitung vor zwei Tagen über die nordischen Euro-Staaten geäußert, die sich solidarisch mit dem Rest der Eurozone gezeigt hätten. Er hat darin den Satz gesagt, man könne nicht sein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend die nordischen Staaten um ihre Unterstützung bitten. Ist Herr Dijsselbloem nach diesem Satz als Eurogruppenchef immer noch tragbar?

von Tiesenhausen-Cave: Zwei Bemerkungen dazu: Ich würde Sie bitten, das Interview deutlich zu lesen.

Zusatz : Ich habe das zitiert!

von Tiesenhausen-Cave: Ja, ja, die ganze Passage!

Zweite Bemerkung: Sie wissen, dass Herr Schäuble die Arbeit von Herrn Dijsselbloem als Eurogruppenvorsitzender sehr schätzt. Das hat er auch gestern und vorgestern in Brüssel wieder zum Ausdruck gebracht. Er ist ja derzeit geschäftsführend im Amt und hat auch am Montag das Treffen der Eurogruppe geleitet. Wir gehen davon aus und damit ist klar, dass wir auch für die nächsten Treffen, solange diese Regierung weiter im Amt ist, einen voll handlungsfähigen Eurogruppenvorsitz haben.

Im Übrigen vergebe ich keine Stilnoten für Interviews.

Frage : Ich möchte diese Frage schon auch an Herrn Seibert stellen, nachdem der portugiesische Regierungschef den Rücktritt von Herrn Dijsselbloem gefordert und gesagt hat, er sei nicht tragbar. Ist es für die Kanzlerin akzeptabel, wenn solche Äußerungen fallen?

StS Seibert: Ich kann dem, was Frau Tiesenhausen gesagt hat, nicht hinzufügen. Ich kenne das Interview nicht im Wortlaut und schon gar nicht in der vollen Fassung. Deswegen kann ich das jetzt hier für die Bundesregierung nicht kommentieren.

Zusatzfrage : Ich würde zum Thema Türkei von der Bundesregierung wissen wollen, wie man die Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland seitens der AKP einschätzt. Ist das jetzt eine Deeskalation oder irgendetwas anderes, etwa ein taktisches Manöver?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat diese Aussagen zur Kenntnis genommen. Das sind Aussagen, die zur Befriedung einer doch ziemlich aufgeheizten Situation beitragen können. Unsere Haltung wird weiterhin präzise von der Verbalnote beschrieben, die das Auswärtige Amt nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung in der vergangenen Woche der türkischen Regierung zugeleitet hat. Diese Verbalnote und diese Aussagen gelten, und zwar in all ihren Bestandteilen.

Zusatzfrage : Ich möchte zum Zweiten gerne vom Bundeswirtschaftsministerium wissen, ob die Tatsache, dass man in letzter Zeit darauf verzichtet hat, Waffenexporte in die Türkei zu genehmigen, ein Präjudiz für die kommenden Wochen ist. Denn die Begründungen, die für die Ablehnung solcher Genehmigungen genannt worden sind, nämlich Menschenrechtsmängel und Ähnliches, sind ja welche, die nicht von einem Moment auf den anderen weg sind.

Baron: Zu Ihrer zweiten Frage kann ich Ihnen sagen: Wie Sie wissen, verfolgt die Bundesregierung eine restriktive Rüstungspolitik. Dies gilt selbstverständlich auch für die Türkei. Jeder Einzelfall wird intensiv geprüft. Wir prüfen sehr genau und intensiv, immer im Einzelfall und immer mit Blick auf die außen- und sicherheitspolitische Situation im Empfängerland sowie mit Blick auf die Menschenrechtslage. Handlungsanleitend sind dabei die politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000 und der der gemeinsame Standpunkt der EU aus dem Jahr 2008 sowie der Vertrag über den Waffenhandel. Das ist für uns die rechtliche Grundlage der Entscheidung, aber auch die Maßgabe für diese restriktive Rüstungsexportpolitik. Wie gesagt, erfolgt die Prüfung eben im Einzelfall. Deshalb können wir da nicht pauschal für Länder einen Ausblick in die Zukunft geben, sondern sie erfolgt im Einzelfall, und das eben sehr genau und sehr intensiv.

Zusatzfrage : Nur dass ich das ganz richtig verstehe: Wenn Sie sagen, diese Prüfung geschehe im Einzelfall, dann heißt das also, es ist durchaus möglich, dass man in einem zeitlichen Zusammenhang die eine Lieferung der einen Art an Waffen untersagt, während man die andere - meinetwegen Teile für gepanzerte Fahrzeuge - zulässt. Das ist kein Widerspruch in sich?

Baron: Nein. Wie gesagt, die Prüfung erfolgt im Einzelfall - je nach Art des Rüstungsguts, des Empfängerlandes sowie der aktuellen außenpolitischen Situation und der Menschenrechtssituation vor Ort. Das ist eben eine Einzelfallentscheidung. Das kann man nicht pauschalieren. Man kann auch nicht verschiedene Arten von Rüstungsgütern miteinander vergleichen, sondern das ist wirklich eine Einzelfallentscheidung.

Frage: Herr Seibert und vielleicht Frau Baron, wie glaubwürdig ist denn das Argument der Menschenrechtslage in der Türkei, wenn gleichzeitig Waffenexporte an autokratische Regime wie beispielsweise in Saudi-Arabien weiterhin florieren?

StS Seibert: Ich habe nichts Neues zu dem Thema zu sagen. Wir haben eine restriktive Rüstungsexportpolitik. Wir haben Grundlagen und Grundsätze, an denen wir uns dabei orientieren. Die sind zum Teil national, zum Teil europäisch formuliert; die Kollegin hat sie vorgetragen. Es läuft immer darauf hinaus, dass man den Einzelfall unter Berücksichtigung der aktuellen Lage und der Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland genau prüft.

Baron: Ich kann das nur noch einmal unterstreichen. Vielleicht lassen Sie mich auch sagen, dass die Bundesregierung diese restriktive Linie auf Basis der Grundsätze verfolgt, die ich genannt habe.

Ich möchte auch noch einmal betonen: Wir haben die restriktivste Rüstungsexportpolitik, die wir innerhalb der Bundesregierung jemals hatten. Wir haben - das haben wir hier schon oft ausgeführt - die Post-Shipment-Grundsätze und die Kleinwaffengrundsätze in dieser Legislaturperiode verstärkt. Gerade auch bei den Kleinwaffen gab es ja auch andere Zahlen. Wie immer erfolgt die Entscheidung als Entscheidung der gesamten Bundesregierung in den entsprechenden Gremien, im Bundessicherheitsrat, und zwar mit allen dort vertretenen Ressorts.

Zusatzfrage: Saudi-Arabien führt ja aktuell im Jemen einen, wenn man so möchte, ziemlich brutalen Krieg. Millionen Menschen hungern. Deswegen stelle ich die Verständnisfrage, nach welchen Kriterien denn da entschieden wird, wenn weiterhin und nach wie vor mit Saudi-Arabien ein florierender Waffenhandel stattfindet und wenn im Gegensatz dazu gegenüber der Türkei mit der Menschenrechtslage argumentiert wird. Was hat das mit einer restriktiven Einzelfallpolitik zu tun? Wie gestaltet die sich genau?

Baron: Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Das ist die Einzelfallprüfung durch alle im Bundessicherheitsrat vertretenen Ressorts und die Beurteilung der außenpolitischen Lage. Ich kann vielleicht noch darauf verweisen, dass ein Beispielgrundsatz eben der gemeinsame Standpunkt der EU aus dem Jahr 2008 ist. Der ist im Rüstungsexportbericht auch abrufbar. Der nennt verschiedene Kriterien, nach denen entschieden wird. Das ist eben die rechtliche Maßgabe, auf deren Basis wir entscheiden müssen. Darin wird als ein Punkt zum Beispiel die humanitäre Menschenrechtssituation genannt, daneben Fragen von interner Repression oder eben die außen- und sicherheitspolitische Lage im Einzelfall. Das sind die Kriterien, die dort genannt werden. Wir müssen auf Basis von Recht und Gesetz entscheiden, und das sind die rechtlichen Maßstäbe dafür.

Frage: Die Firma Rheinmetall wird demnächst Panzer in der Türkei produzieren. Ist das auch genehmigungspflichtig? Wenn ja, nach welchen Kriterien ist das genehmigt worden?

Baron: Dieses Thema hatten wir hier auch schon vermehrt. Dabei geht es zunächst einmal um unternehmensbezogene Vorgänge. Wenn Kooperationen von Unternehmen geschlossen werden, dann ist das zunächst einmal nichts, das uns etwas angeht, sondern das ist ein unternehmensbezogener Vorgang.

Ich kann nur sagen: Die jetzt mehrmals beschriebenen Grundsätze der Rüstungsexportpolitik gelten für alles, was in Deutschland hergestellt, genehmigt oder erdacht wird. Wenn dieser Maßstab greift, dann sind diese Vorgänge zu genehmigen. Wenn es aber um Kooperationen geht, die mit Deutschland, sage ich einmal, nichts zu tun haben, dann greift die deutsche Rüstungsexportpolitik nicht.

Zusatzfrage: Wenn die Fabrik dann dort stehen wird, prüfen Sie sozusagen nicht, was dort produziert wird?

Baron: Wie gesagt: Wenn dort etwas zum Tragen kommt, was aus Deutschland stammt, was in Deutschland hergestellt wurde, was in Deutschland erdacht wurde - sei es Technologie oder was auch immer -, dann greift das Genehmigungssystem. Wenn das völlig unabhängig davon ist, dann greift es nicht.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium zur Pkw-Maut. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann hat gestern gesagt, dass Bundesfinanzminister Schäuble die politische Verantwortung dafür übernommen habe, dass es zu Mehreinnahmen kommen werde. Was heißt das? Ist das aus Sicht des Bundesfinanzministeriums ein rein politisches Projekt? Gibt es im Bundesfinanzministerium eine Studie oder eine Stellungnahme darüber, dass es sich lohnt, dieses System einzuführen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich muss jetzt ein bisschen lachen, weil mir das auch nicht ganz klar ist. Es gilt ganz grundsätzlich bei Parlamentsbeschlüssen, dass der Gesetzgeber die politische Verantwortung trägt, und das ist auch meine Antwort auf Ihre Frage.

Zusatzfrage: Gibt es im Bundesfinanzministerium eine Studie dazu, dass sich dieses System lohnt? Wie viel soll es einbringen?

von Tiesenhausen-Cave: Wir haben es an dieser Stelle schon oft ausgeführt: Es gab den Kabinettsbeschluss. Er stammt, glaube ich, vom 25. Januar. Die Berechnungen zum Thema Pkw-Maut stammen aus dem Bundesverkehrsministerium. Aber es hat dann den Kabinettsbeschluss gegeben, der damit auch die Zustimmung der anderen Häuser herbeigeführt hat. Das Bundesfinanzministerium hat keine eigenen Berechnungen angestellt. Aber noch einmal: Politische Verantwortung für ein Gesetz liegt beim Gesetzgeber.

Zusatzfrage: Wenn der SPD-Fraktionsvorsitzende so etwas sagt, dann - - -

von Tiesenhausen-Cave: Dann fragen Sie ihn!

Zusatzfrage: Kann ich noch eine Frage dazu an den Regierungssprecher stellen? Laut Medienberichten hat die Bundesregierung den Vorschlag abgelehnt, für Grenzregionen eine Ausnahme hinsichtlich dieses Systems zu machen. Ist das wahr? Was ist der Grund dafür?

StS Seibert: Da müsste ich Sie an das Bundesverkehrsministerium verweisen.

Friedrich: Zum Thema der Grenzregionen kann ich Ihnen Folgendes sagen: Die Belange der Grenzgänger und auch des grenzüberschreitenden Verkehrs wurden bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2015 im Besonderen berücksichtigt. Demnach sind keine Ausnahmen auf Autobahnen für die Grenzregionen vorgesehen. Das heißt also, das ist ein Punkt, der im Gesetzgebungsverfahren 2015 bereits abgehandelt worden ist. Das bedeutet im Besonderen, dass ausländische Fahrzeuge auf Autobahnen infrastrukturabgabepflichtig sind, aber auf der Bundesstraße sind sie weiterhin frei. Das heißt also, die Bundesstraßen sind weiterhin frei befahrbar. Dadurch wird eben gewährleistet, dass der kleine Grenzverkehr auch nicht beeinträchtigt wird.

Zusatzfrage: Die, die die Grenze übertreten wollen, sollen also die Bundesstraßen benutzen, nicht die Autobahnen?

Friedrich: Wie ich gerade gesagt habe - ich kann es gerne noch einmal wiederholen - gilt die Infrastrukturabgabe auf den Autobahnen. Die Bundesstraßen sind frei.

Frage : Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium zum Thema "Laptops im Fluggepäck". Die USA und Großbritannien haben ja nun bekanntermaßen die Mitnahme von Laptops aus bestimmten Ländern verboten. Ich hätte gerne gewusst, wie das Innenministerium die Gefahrenlage einschätzt, also die, die diese anderen Länder offenbar ihrer Entscheidung zugrunde gelegt haben. Teilen Sie die?

Natürlich habe ich noch die Schlussfrage: Planen Sie aktuell auch, so ein Verbot einzuführen?

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage. Es ist tatsächlich so, dass die von Ihnen genannten Maßnahmen jetzt seitens der amerikanischen Administration und auch seitens der britischen Administration ergriffen wurden. In der Sache sind die für uns auch nicht überraschend, denn wir wurden in beiden Fällen vorab auf Arbeitsebene über diese Planungen informiert und davon in Kenntnis gesetzt.

Was die allgemeine Gefährdungsbewertung anbetrifft, kann ich Ihnen hier heute nichts Neues mitteilen, was insbesondere die allgemeine Gefährdungsbewertung im Kontext "islamistischer internationaler Terrorismus" anbetrifft.

Das gilt in weiten Teilen auch für die Frage einer in Anbetracht dieser Berichterstattung und Entwicklung möglicherweise überfälligen Neubewertung der Frage einer Gefährdungsbewertung in Sachen Luftverkehr. Da ist es so, dass wir selbstverständlich auch dazu in einem sehr engen Austausch stehen - insbesondere auch mit den genannten Ländern - und uns auf Expertenebene hierüber austauschen, gerade nicht nur über die ergriffenen Maßnahmen, sondern selbstverständlich auch über die möglicherweise dahinterliegenden Erkenntniszugewinne, die dazu geführt haben. Da ist es so, dass unser Bild noch nicht vollständig ist. Diese Gespräche laufen derzeit noch. Ich bin aber guter Dinge, dass wir relativ zeitnah sehr umfassend und abschließend Kenntnis darüber erhalten werden, was hier möglicherweise an Erkenntniszugewinnen aufseiten der benannten Länder konkret zu diesen Maßnahmen geführt hat. Wenn das der Fall ist, aber eben auch erst dann, wird man sicherlich genau schauen müssen, ob diese Erkenntnisse ebenso bewertet werden und daraus dann gegebenenfalls auch Handlungserfordernisse abzuleiten sind.

Das heißt also, um noch auf Ihre konkrete Frage zu antworten, ob wir das derzeit auch planen, dass ich darauf nur antworten kann: Derzeit nicht, aktuell nicht; aber aus den genannten Gründen ist das noch ein laufender Prozess.

Frage (zum Handelsbilanzdefizit der USA): Es geht um Frau Merkels Besuch in Washington bei Mr. Trump. Beide haben gesagt, der Handel müsse frei, aber fair sein. Meine Frage ist: Was bedeutet für Deutschland Fairness? Für Amerika ist klar: Das Niveau des Euro ist vielleicht billig. Was bedeutet für Deutschland Fairness? Können Sie das ein bisschen erklären?

StS Seibert: Jetzt wird es fast philosophisch, und da bin ich nicht sicher, dass ich Ihnen das jetzt zur hundertprozentigen Befriedigung auf Ihrer Seite beantworten kann.

Die Grundhaltung, die die Bundeskanzlerin auch im Gespräch mit Präsident Trump ausgedrückt hat, ist doch die: Ein Handelsabkommen soll für beide Seiten, die dieses Abkommen schließen, von Nutzen sein, ein Gewinn sein. Ein Handelsabkommen ist nicht dazu da, dass die eine Seite profitiert und es der anderen Seite schlechter geht, sondern im Gegenteil. Sie hat, glaube ich, auch in der Pressekonferenz das Beispiel des EU-Südkorea-Handelsabkommens als ein Beispiel eines Handelsabkommens genannt, das vorher durchaus mit einiger Skepsis - zum Teil auch in Deutschland - betrachtet worden war und von dem wir jetzt, da es einige Jahre in Kraft ist, sagen können, dass es Südkorea und Europa geholfen hat. Das ist zunächst einmal eine Definition eines fairen Abkommens, eines, das beiden Seiten hilft.

Im Übrigen: Wenn wir heute von Handelsabkommen sprechen - CETA ist ein sehr gutes Beispiel dafür -, dann sind das Abkommen, die sehr viel mehr als Fragen von Zöllen und Tarifen regeln. Das sind Abkommen, die sozialpolitische, umweltpolitische Standards setzen. Auch darin drückt sich dann natürlich Fairness aus.

Zusatzfrage: Amerika hat gegenüber Deutschland ein großes Handelsbilanzdefizit, Deutschland hat einen großen Handelsbilanzüberschuss. Ist das fair oder unfair?

StS Seibert: Wenn man nur das Handelsvolumen betrachtet, ist es zunächst einmal ein Faktum, dass Deutschland gegenüber den USA einen ziemlich erheblichen Handelsbilanzüberschuss hat und die USA gegenüber Deutschland ein ziemlich erhebliches Handelsbilanzdefizit haben. Der Blick muss aber natürlich viel weiter sein. Wenn man die gegenseitigen Handelsbeziehungen betrachtet, muss man zum Beispiel auch schauen, dass Stand letztes Jahr deutsche Investitionen in den 270 Milliarden Euro betragen haben und amerikanische Investitionen in Deutschland 27 Milliarden Euro, also ein Zehntel davon. Auch das ist ein Teil unserer Handelsbeziehungen. Auch diesbezüglich gibt es, wie ich ja gerade gesagt habe, ein gewisses Ungleichgewicht.

Die Investitionen, die deutsche Firmen in den USA vornehmen, führen in den USA zu oft sehr nachhaltigen, guten und qualifizierten Arbeitsplätzen. Ein Teil des Besuchsprogramms in Washington war auch, dass Amerikaner und Deutsche sich zusammengesetzt haben, begleitet von Unternehmern aus beiden Ländern, und über die Ausbildung gesprochen haben. Auch das, was deutsche Unternehmen, die zum Teil sehr große Fabriken in den USA betreiben, dort an Ausbildung vornehmen, ist ein Teil unserer Handelsbeziehungen, und zwar einer, der für beide Seiten von Vorteil ist.

Zusatz: Danke.

Frage: Herr Seibert, ich hoffe, Sie verzeihen mir eine etwas übergeordnete Frage.

StS Seibert: Das kommt darauf an, wenn ich sie gehört habe.

Zusatzfrage: Sie sagten vor einigen Wochen, dass es in Libyen keine Staatlichkeit mehr gebe und deswegen auch keine Flüchtlingslager in Libyen geplant seien. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Effekt der Militärintervention in Libyen im Jahr 2011 auf eben diese Staatlichkeit und Stabilität Libyens?

StS Seibert: Natürlich verzeihe ich Ihnen die Frage, wie ich jede verzeihe. Das ist ja auch mein Job hier.

Aber ich werde mit Ihnen jetzt nicht in das zeitgeschichtliche Proseminar eintreten. Wir haben es heute mit einem Libyen zu tun - ich glaube, diesbezüglich gibt es kaum unterschiedliche Meinungen -, das keine Staatlichkeit hat, die das ganze Land unter Kontrolle hat. Wir haben es mit verschiedenen Machtzentren zu tun, mit ethnischen Gruppen, mit Milizen, unterstützt von diesem oder jenem Land aus dem Ausland. Wir haben eine Regierung Sarradsch, die ganz erkennbar noch nicht das gesamte nationale Territorium unter ihrer Kontrolle hat.

Das ist jetzt erst einmal das, was zählt. Deswegen ist es die Bemühung der Bundesregierung, aber auch anderer Regierungen, dazu beizutragen, dass die Libyer Stabilität gewinnen können, indem eben eine von allen Seiten akzeptierte demokratisch legitimierte Herrschaft dort Fuß fassen kann. Dann erst wird Libyen auch in der Lage sein, für seine Bewohner, für seine Bürger ein besseres Leben als das derzeitige zu bieten, und dabei wollen wir mithelfen.

Zusatzfrage: Es geht gar nicht um eine zeitgeschichtliche Frage. Der Militäreinsatz liegt jetzt sechs Jahre zurück. Nach Meinung eines Großteils der internationalen Gemeinschaft herrschte vor dieser Militärintervention durchaus eine Staatlichkeit in Libyen. Deswegen war die Frage, wie Sie im Endeffekt diese Militärintervention im Lichte von Staatlichkeit und Stabilität bewerten.

StS Seibert: Für mich ist das dennoch schon Zeitgeschichte.

Im Übrigen, glaube ich, dass das Urteil über die Herrschaft von Herrn Gaddafi auch nicht ganz einfach mit dem Begriff "damals herrschte Staatlichkeit" zu fällen ist. Damals herrschten auch grauenhafte Verhältnisse, was die Menschenrechte oder die Unterdrückung politischer Opposition betraf.

Wir haben es heute mit diesem Libyen zu tun. Wir wollen dazu beitragen, dass die Zukunft für die Libyer besser sein kann, dass Libyen wieder seine Rolle unter den Staaten Nordafrikas spielen kann. Wir wollen auch dazu beitragen, dass Libyen - das ist auch im libyschen Interesse - nicht mehr Hauptdurchgangsland für illegale Migration und ein Land ist, an dessen Küste Schlepperbanden ein großes Geschäft machen und von dessen Küste leider ständig Boote aufbrechen, die dann auf hoher See kentern und zu viel zu vielen Toten auf hoher See führen. Das ist alles ein Teil dessen, was wir als Europäer mit anstreben. Ich werde jetzt trotzdem nicht noch einmal die historische Betrachtung vornehmen. Der Weg Libyens ist in den letzten vier, fünf Jahren erkennbar kein glücklicher gewesen.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. Herr Flosdorff, Berichte über Mängel an der Ausrüstung der Bundeswehr haben ja Konjunktur. Mich interessiert die Frage, ob man bezüglich der Digitalisierung mittlerweile einen optimalen Stand erreicht hat, auch mit Blick darauf, dass man gemeinsame Übungen mit der Polizei veranstaltet - Stichwort "Getex"- oder ob noch Mängel vorhanden sind.

Flosdorff: Sie wissen, dass die Übung "Getex" eine Stabsrahmenübung war. Das heißt, es sind Meldeketten, Abläufe geübt worden. Dabei hat der Digitalfunk nicht so eine große Rolle gespielt.

Es ist richtig, dass es schon seit 2005 unterschiedliche Behördenorganisationen mit Sicherheitsaufgaben gibt, die über einen gemeinsam Digitalfunk verfügen. Das ist noch in einem geringen Maße der Fall. Im Rahmen der Bundeswehr sind das zum Beispiel der Rettungsdienst, die Feuerwehren oder die Feldjäger. Wir haben vor, den Digitalfunk kurzfristig deutlich auszuweiten, und zwar nicht nur, was die Anzahl von Funkgeräten angeht, dass man sich also mit der Polizei oder mit anderen Sicherheitsorganisationen unterhalten kann, sondern wir denken auch darüber nach, wie wir uns im Rahmen der Netzinfrastruktur gegenseitig in unsere Netze integrieren können, und das geht weit darüber hinaus. Diesbezüglich läuft für die nächsten Jahre ein Programm.

Frage : Auch eine Frage an das BMVg, und zwar zum Thema Kommando Cyber- und Informationsraum. Herr Flosdorff, das Kommando soll in einer guten Woche starten. Es gibt dazu ein schönes Dossier. Ich habe zwei Fragen dazu.

Erstens. Haben Sie genügend Personal? Das geht aus diesem Dossier nicht hervor.

Zweitens. Was soll dieses ganze Projekt kosten? Wie hoch ist der Haushaltsansatz?

Flosdorff: Den einzelnen Haushaltsansatz aufgeschlüsselt nach Teilstreitkräften kann ich Ihnen nicht bieten. Das soll künftig ein eigener militärischer Organisationsbereich sein, genauso wie die Marine, die Luftwaffe oder auch das Heer oder die Streitkräftebasis. Ein Großteil der Personals von mehr als 14 000 Menschen, den dieser militärische Organisationsbereich umfassen soll, rekrutiert sich aus den unterschiedlichen IT-Fachleuten, die es heute schon in den Streitkräften gibt und die mit dem Thema IT zu tun haben.

Selbstverständlich werben wir - das haben wir im letzten Jahr im Rahmen einer großen Kampagne gemacht und machen wir dieses Jahr wieder - um Fachkräfte aus dem digitalen Bereich. Wir werden eine Cyberreserve aufstellen, die sich sowohl an ehemalige Bundeswehrsoldaten richtet, die im IT-Sektor tätig sind, als auch an IT-Fachleute, die nie bei der Bundeswehr tätig waren, die aber hochqualifiziert sind und Interesse haben, Projekte bei der Bundeswehr in diesem Bereich zu managen. Das richtet sich auch an bisher noch nicht bei der Bundeswehr tätige jüngere Fachkräfte, die an einem Studiengang Cyber an der Bundeswehr-Universität in München Interesse haben, der neu eingerichtet wird, wo sie sich hochqualifiziert ausbilden lassen können, um sich hinterher mit sehr guten Karrierechancen für die Industrie eine Zukunft aufbauen zu können.

Das ist also ein permanenter Prozess. Wir sind für den Start schon aufgestellt, aber wir müssen in den nächsten Jahren noch gewaltig werben. Es handelt sich hierbei um eine Zielgruppe, um die sich die halbe Wirtschaft mit ganz anderen finanziellen Möglichkeiten bemüht.

Frage: Ich möchte zum Thema Türkei zurückkommen. Laut Reuters hat Herr Erdogan vor ein paar Stunden in Ankara gesagt, dass in Zukunft die Europäer Angst haben sollten, auf die Straße zu gehen. Was sagen Sie dazu, Herr Seibert?

StS Seibert: Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen - ich kenne das Zitat nicht; ich höre es jetzt von Ihnen -, was damit gemeint sein könnte. Ich möchte auch nicht mutmaßen. Das müsste ich mir einmal genauer anschauen. Jetzt so aus der Hüfte kann ich mir darunter wirklich nichts vorstellen.

Mittwoch, 22. März 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 22. März 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/03/2017-03-22-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2017

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