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PRESSEKONFERENZ/1437: Regierungspressekonferenz vom 10. April 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 10. April 2017
Regierungspressekonferenz vom 10. April 2017

Themen: Anschläge des IS auf Kirchen in Tanta und Alexandria, Reise des Bundeslandwirtschaftsministers nach Ägypten, Reise des Bundesaußenministers nach Italien, Forderung des griechischen Ministerpräsidenten nach Schuldenerleichterungen für Griechenland, Massaker mit chemischen Waffen in Chan Scheichun und darauf folgender US-Luftschlag, Unterhaltsvorschuss, BND-Akten über Konrad Adenauer, Autobahngesellschaft/Infrastrukturabgabe, Zahl der ausreisepflichtigen Personen, Forderung nach der Einführung von Grenzkontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze, deutsch-libanesischer Investitionsschutzvertrag, Anleihekonzept European Safe Bonds

Sprecher: StS Seibert, Reinhard (BMEL), Schäfer (AA), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Nannt (BMVg), Herb (BMFSFJ), Friedrich (BMVI), Plate (BMI), Alemany (BMWi)


Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Ich möchte noch einmal auf die Ereignisse in Ägypten eingehen. Die Bundesregierung ist entsetzt über die Terroranschläge gegen Kirchen, in denen koptische Christen in Vorfreude auf das Osterfest den Palmsonntag feierten. Das sind abscheuliche Taten, zu denen sich inzwischen der sogenannte "Islamische Staat" bekannt hat.

Die Bundeskanzlerin hat schon gestern dem ägyptischen Präsidenten Al-Sisi ihre tiefe Anteilnahme übermittelt. Wir trauern mit den koptischen Gemeinden. Wir trauern mit allen Ägyptern um die Toten. Wir wünschen den Verletzten Kraft und Genesung.

Die Bundeskanzlerin war erst vor Kurzem bei ihrem Ägypten-Besuch mit Papst Tawadros II und anderen koptischen Würdenträgern zusammengetroffen. Sie hatte dabei die Kirche in Kairo besichtigt, die der Ort des letzten schweren Anschlags mit vielen Toten gewesen war.

Das größtenteils friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen in Ägypten muss unbedingt bewahrt werden. Die Minderheit der Kopten braucht nicht nur den Schutz der Sicherheitskräfte, sondern auch die Solidarität und die Mitmenschlichkeit der muslimischen Mehrheit.

Im Schulterschluss mit Ägypten verurteilt die Bundesregierung diesen islamistischen Terror, dessen Ziel es ist, das friedliche Zusammenleben der Religionen in Ägypten zu zerstören. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir alle sind vereint im Kampf gegen derlei perfiden Terrorismus. Dieser Kampf muss allerdings die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren.

Reinhard: Für das Bundeslandwirtschaftsministerium kann ich ergänzen, dass sich Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt derzeit auf dem Weg zu politischen Gesprächen nach Kairo befindet. Bundesminister Schmidt wird als Vertreter der Bundesregierung in Ägypten auch noch persönlich die Anteilnahme Deutschlands zum Ausdruck bringen. Im Rahmen des Besuchs ist auch ein Treffen mit koptischen Christen geplant. Darüber hinaus sieht die Reiseplanung folgende Programmpunkte vor: den Besuch des Ministers beim DAAD in Kairo, Gespräche mit seinem Amtskollegen, dem ägyptischen Minister für Landwirtschaft und Landgewinnung, sowie den Besuch des deutsch-ägyptischen Agribusiness Forums. - Danke schön.

Schäfer: Der deutsche Außenminister reist in den nächsten Stunden nach Italien. Der italienische G7-Vorsitz hält heute und morgen - heute Nachmittag geht es los - das traditionelle, jährlich stattfindende G7- Außenministertreffen ab. Es findet in der Nähe von Pisa, in Lucca, statt. Dort stehen eine ganze Menge Themen auf der Tagesordnung, die ich vielleicht nur anreiße. Das alles sind Themen mit wichtigem, aktuellem Bezug zur Lage auf der Welt, auch für Europa und Deutschland: die Situation in Nordkorea, die Lage in der Ostukraine, die schwierige Situation in Libyen, der Kampf gegen den IS im Irak und in Syrien, die Themen Migration, Klimawandel und Cyber.

Es wird Sie sicherlich nicht überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass dies angesichts der aktuellen Ereignisse, insbesondere der Ereignisse von Donnerstagnacht und der Chemiewaffenangriffe, der Nutzung von Chemiewaffen, die es in Syrien gegeben hat, eine hervorragende Gelegenheit für die sieben Außenminister ist, miteinander über die Lage in Syrien und über das, was daraus folgt, zu beraten.

Ich kann Ihnen darüber hinaus sagen, dass der italienische G7-Vorsitz für morgen früh zu einem Syrien-Treffen eingeladen hat, auch unter Beteiligung der Außenminister arabischer Golfstaaten. Auch da wird es natürlich darum gehen, was in der neuen Lage seit der vergangenen Woche getan werden kann, damit ein politischer Prozess in Gang kommt, damit dieses barbarische Morden endlich ein Ende finden kann.

Frage: Ich habe eine Frage zu den Reisewarnungen. Die wurden ja vom Auswärtigen Amt verschärft. Jetzt fragt man sich langsam: Was kann man denn den deutschen Bürgern überhaupt noch empfehlen, wohin sie fahren? Denn ein Touristenhotel wurde schon einmal angegriffen. Jetzt soll man Menschenmengen und das Umfeld von Kirchen meiden. Von Überlandfahrten ohne kundige Begleitung ist dringend abzuraten. Sprich: Was kann man jetzt noch machen?

Noch eine Ergänzungsfrage: Könnten Sie einmal kurz erklären, worum es sich bei der Krisenvorsorgeliste handelt? - Vielen Dank.

Schäfer: Das mache ich gerne. - Erst einmal ist es ganz wichtig, grundsätzlich zu sagen, dass wir zwischen sogenannten Sicherheitshinweisen und Reisewarnungen unterscheiden.

Wenn das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausspricht, dann bedeutet das, dass wir alle deutschen Staatsangehörigen davor warnen, in ein bestimmtes Land zu reisen. Für zahlreiche Staaten gibt es solche Reisewarnungen - beispielsweise für den Jemen und für Libyen; es gibt bestimmt auch andere Staaten, die man da erwähnen kann -, weil die Lage im ganzen Land so gefährlich ist, dass Entführungen drohen, dass bürgerkriegsartige Zustände sind, dass es schlicht und ergreifend nicht empfehlenswert ist, in solche Länder zu reisen.

Für alle anderen Länder gibt es Reise- und Sicherheitshinweise, in denen wir tagesaktuell, ja, stundenaktuell die Lage reflektieren und Empfehlungen ableiten für das Verhalten von Deutschen, die in diese Länder zu reisen beabsichtigen.

Bei Ägypten ist das, wenn Sie so wollen, eine Mischform. Dafür gibt es eine Teilreisewarnung. Für Reisen beispielsweise auf den ägyptischen Sinai gibt es seit Längerem - ich glaube, schon seit Jahren - eine Reisewarnung, die das Auswärtige Amt ausspricht. Es ist gute Praxis der Pauschalreiseunternehmen, dass sie, wenn das Auswärtige Amt eine solche Reisewarnung ausspricht - ohne dass ein rechtlicher Anspruch der Reisenden darauf besteht -, den Reisenden dann aus Kulanzgründen anbieten, nicht in diese Länder zu reisen, sondern vielleicht umzubuchen und in andere Länder reisen. Dazu stehen wir natürlich auch mit den Reiseveranstaltern in engem Kontakt.

Jetzt konkret zu Ägypten. Sie haben völlig recht: Die Lage in Ägypten ist so, wie sie ist, unsicher. Wir haben bereits gestern angesichts der Ereignisse, über die Herr Seibert gerade schon berichtet hat, unsere Reise- und Sicherheitshinweise sofort angepasst. Wir haben allerdings die Teilreisewarnung, die für Ägypten, für den Sinai existiert, nicht ausgeweitet. Das bedeutet: Es gibt keine generelle Reisewarnung für Reisen nach Ägypten, auch nicht für Urlaubsreisende, sondern es gibt zahlreiche Hinweise, um deren Beachtung wir unsere deutschen Staatsbürger einfach nur bitten können.

Ich kann Ihnen hier nur versichern - wie ich das schon ganz häufig getan habe -: Die Reise- und Sicherheitshinweise sind kein politisches Instrument der Maßregelung von bestimmten Partnerstaaten, sondern dies sind nach bestem Wissen und Gewissen erstellte Hinweise für deutsche Staatsangehörige, was wann wo an Reisen in die große weite Welt gefährlich sein kann.

Die Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wie Sie sie jetzt auch auf unserer Website vorfinden, ist, dass man angesichts der Ereignisse der letzten Tage, aber auch angesichts der generellen Situation in Ägypten bitte bestimmte Verhaltensmaßregeln, Verhaltenshinweise einhalten möge. Deshalb kann man eigentlich nur hoffen und empfehlen, dass sich die deutschen Staatsbürger, die nach Ägypten reisen möchten - aus welchen Gründen auch immer, sei es geschäftlich oder touristisch -, diese Informationen zu Gemüte führen, um auf dieser Grundlage dann für sich die richtige Entscheidung zu treffen, wie sie mit ihren Reiseplanungen umgehen wollen.

Zusatzfrage: Die Frage nach der Krisenvorsorgeliste ist noch offen.

Schäfer: Das ist nichts Besonderes für Ägypten. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, was Sie meinen. Vielleicht sage ich zweierlei:

Erstens. Natürlich hat jede deutsche Auslandsvertretung für Notfälle - das können humanitäre Katastrophen sein; das können Kriegssituationen sein; das kann terroristische Gefahr sein; das können Naturkatastrophen sein, beispielsweise in Erdbebengebieten - einen Krisenvorsorgeplan, der sich aus Gründen der Fürsorge nicht nur um die für Deutschland als Diplomaten oder als Entwicklungshelfer im Land befindlichen Deutschen kümmert und Pläne entwickelt, wie in einem Notfall vielleicht evakuiert oder wie mit Krisen umgegangen werden kann. Vielmehr macht man sich natürlich auch Gedanken um die zeitweise im Land aufhältigen Deutschen. Es gibt Länder, in denen sich zu jedem denkbaren Zeitpunkt - in der Türkei, vielleicht auch in Ägypten, in Spanien und in Italien - vielleicht Hunderttausende Deutsche aufhalten, die dort Urlaub machen wollen. Das sind natürlich Großlagen, die vorab der Planung bedürfen, und zwar völlig unabhängig davon, wie wahrscheinlich ein solcher Vorfall ist. Selbstverständlich hat natürlich auch unsere Botschaft in Ägypten solche Planungen zur Hand.

Zweitens gibt es die Möglichkeit - das ist aber weniger für Urlaubsreisen gedacht, sondern eher für Menschen, die sich ständig in Ländern aufhalten, in denen es bestimmte Gefährdungssituationen gibt -, sich bei der Botschaft, in der Regel onlinegestützt, anzumelden, um auf diese Art und Weise auf allen einschlägigen Verteilern für Notsituationen zu sein. Das gilt, wie gesagt, nicht nur für Ägypten und für unsere Botschaft in Kairo; das gilt im Grunde auch weltweit.

Damit verbunden nur der Hinweis an alle, die sich länger irgendwo in Ländern aufhalten, in denen sie vielleicht Sicherheitsgefahren sehen, sich so schnell sie können dieses Angebot anzuschauen und sich in unseren Krisenlisten einzutragen.

Frage : Ich habe eine Lernfrage. Sie haben schon erwähnt, dass diese Reisewarnungen auch immer eine wirtschaftliche Implikation haben. Wo verläuft jetzt eigentlich die Linie, dass Sie bei einer Teilreisewarnung bleiben oder eine generelle Reisewarnung aussprechen, was ja für Stornierungen und Ähnliches, soweit ich weiß, Auswirkungen hat? Für Ägypten gibt es schon seit Jahren Teilreisewarnungen. Was hat sich an dieser Stelle verändert?

Schäfer: Ich habe gerade schon gesagt: An der Teilreisewarnung für den Sinai hat sich gar nichts geändert. Dort ist die terroristische Bedrohung so, dass wir die Gefahr für nicht beherrschbar halten, dass man sich dort frei bewegt, ob als Tourist, Geschäftsreisender oder mit anderen Zwecken.

Ich kann nur das wiederholen, was ich gerade schon gesagt habe: Die Reise- und Sicherheitshinweise sind kein Instrument der Außenpolitik, schon gar kein Instrument der Erpressung oder des Ausübens von politischem Druck auf irgendjemanden, indem man sagt: Wenn ihr jetzt nicht dieses oder jenes in eurem Land tut, dann sprechen wir eine Reisewarnung aus. - So funktioniert das nicht, sondern das genaue Gegenteil ist der Fall. Das ist ein Informationsangebot von der Bundesregierung, vom Auswärtigen Amt für alle deutschen Staatsangehörigen, die sich wirklich darauf verlassen können, dass sich die Experten an den Auslandsvertretungen und bei uns in der Zentrale des Auswärtigen Amtes Tag und Nacht, wenn erforderlich, mit der Lage in einem Land beschäftigen und daraus die richtigen Hinweise für Reiseverhalten ableiten.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Griechenland. Nach der Verständigung in Malta hat sich jetzt auch der griechische Ministerpräsident noch einmal zu Wort gemeldet und gesagt, dass die vereinbarten Reformen direkt mit Schuldenerleichterungen im Zusammenhang stehen müssten. Ist das der Fall? Gibt es einen Zusammenhang, dass die Reformen nur dann umgesetzt werden müssen, wenn gleichzeitig Schuldenerleichterungen kommen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann Ihnen jetzt berichten, was beim Treffen der Eurogruppe am Freitag in Valletta vereinbart wurde. Die genauen Äußerungen von Herrn Tsipras kenne ich nicht. Dazu gibt es auch unterschiedliche Übersetzungen. Dazu möchte ich mich jetzt nicht einlassen. Ich verweise jetzt auf das Ergebnis von Valletta, das durch Herrn Dijsselbloem, den Vorsitzenden der Eurogruppe, vorgestellt wurde. Herr Tsakalotos, der griechische Finanzminister, hat sich gleichlautend geäußert.

In Valletta ist besiegelt worden, dass die Institutionen, die Eurogruppe und Griechenland Einigkeit über die Reformmaßnahmen, die jetzt umgesetzt werden sollen, erzielt haben sollen. Das sind zwei wesentliche Schritte. Das eine ist die Pensionsreform, die 2019 kommen soll. Das andere ist die Steuerreform, die 2020 umgesetzt werden soll. Dort ist auch beschlossen worden, dass diese zwei Maßnahmen jetzt in Gesetze zu gießen sind. Herr Tsakalotos hat in Athen auch gesagt, dass das jetzt schnellstmöglich geschehen soll. Das ist die Einigung. Die gilt für uns und für die Partner, die dabei waren. Äußerungen, die jetzt kolportiert werden, kann ich nicht richtig nachvollziehen und möchte ich deswegen auch nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Das Wort "Schuldenerlass" habe ich jetzt von Ihnen bei der Vorstellung der Ergebnisse von Valletta nicht gehört.

von Tiesenhausen-Cave: Das ist richtig; denn in Valletta ging es um die Reformmaßnahmen. Die Reihenfolge ist von Anfang an für alle Beteiligten immer gewesen: Wir wollen jetzt erst - das macht auch logisch Sinn - die Reformmaßnahmen beschließen. - Denn das hat signifikante, entscheidende Auswirkungen darauf, wie die Schuldentragfähigkeit Griechenlands auch langfristig ist. Deswegen ist der richtige Ansatz, erst das System tragfähig aufzustellen und die Ausgaben- und die Einnahmenseite in bestimmten Bereichen neu anzupassen, sodass der griechische Staatshaushalt auch auf lange Sicht in der Lage ist, sich selbst zu tragen.

Zusatzfrage: Sie haben "erst" gesagt. Danach würde man das Wort "dann" erwarten.

von Tiesenhausen-Cave: Sie kennen die Abfolgen, die wir diskutiert haben. Das alles ist nicht neu. Das haben wir schon im Mai 2016 so festgelegt. Bei diesem Programm geht es darum, das griechische Staatssystem so aufzustellen, dass es langfristig tragfähig ist. Im Mai 2016 hat man das alles kodifiziert. Man hat dann gesagt: Falls das nicht der Fall sein sollte, dann ... - Aber wir gehen davon aus, dass die Reformmaßnahmen Griechenland jetzt in die Lage versetzen, auch langfristig ein tragfähiges Staatssystem zu haben. Das ist die Reihenfolge, und die gilt.

Frage : Herr Seibert, heute ist im Bundeskanzleramt ein Treffen mit dem IWF, der WTO und der Weltbank geplant. Findet am Rande dieses Treffens ein Gespräch zwischen Frau Lagarde und Frau Merkel auch zum Thema Griechenland statt?

StS Seibert: Sie haben völlig recht: Heute sind die Chefs der fünf internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen im Kanzleramt. Das ist das neunte Treffen dieser Art. Sie sehen, dass es da eine große Kontinuität gibt.

Man kann sagen, dass diese regelmäßig stattfindenden Treffen, so auch dieses, immer wieder auch ein Bekenntnis dazu sind, multilateral zu handeln und bei den großen Herausforderungen multilateral voranzukommen. Das gilt natürlich insbesondere in einem Jahr, in dem Deutschland die G20- Präsidentschaft hat.

Im Zusammenhang mit diesem Termin wird es mit den fünf auch das eine oder andere bilaterale Gespräch geben. Aber darüber kann ich Ihnen hier noch keine Auskunft geben.

Frage: Auch ich habe eine Lernfrage zum Thema Griechenland. Griechenland verfügt EU-weit gesehen mit über die höchsten Militärausgaben, gemessen am BIP. Wie hoch sind in Griechenland die geplanten Einschnitte im Militärbudget? Können Sie dazu etwas sagen?

StS Seibert: Da schlage ich dringend vor, dass Sie sich an einen Sprecher der griechischen Regierung wenden. Wir sind ja hier nicht für den griechischen Haushalt zuständig. Jedenfalls ich kann Ihnen keine Antwort dazu geben. Ich nehme an, auch das BMF möchte über einzelne griechische Haushaltsposten keine Auskunft geben. Das kann und wird Ihnen nur eine griechische staatliche Quelle beantworten können.

Zusatzfrage: Setzt sich denn die Bundesregierung dafür ein, dass das Militärbudget gekürzt wird, um Einsparungen zu erzielen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich glaube, Ihrer Frage liegen einige Missverständnisse zugrunde. Es gibt ein laufendes ESM-Programm, dessen Ziel es ist, Griechenland als Volkswirtschaft und Griechenlands Staatshaushalt langfristig tragfähig aufzustellen. Dafür sollen verschiedene Reformbereiche abgearbeitet werden. Die Bundesregierung setzt sich für einzelne Dinge überhaupt nicht ein, sondern das sind Prozesse, die multilateral stattfinden und die das Ziel haben, die griechische Volkswirtschaft langfristig tragfähig aufzustellen. Fragen nach einzelnen Haushaltsposten, wie Herr Seibert es schon gesagt hat, müssten Sie bitte mit griechischen Ministerien klären.

Frage : Herr Seibert, wie steht denn die Bundeskanzlerin zu dem Thema Schuldenerleichterung? Die Griechen möchten ja im Rahmen der Diskussion um die Reformen auch dieses Thema ansprechen. Steht das für die Bundeskanzlerin auf der Agenda?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin steht da natürlich auf der gleichen Linie wie der Bundesfinanzminister, der die Bundesregierung in den Gesprächen der Eurogruppe insgesamt vertritt. Das ist klargemacht worden. Wir haben eine Vereinbarung von Mai 2016, die den Rahmen zum Umgang mit der Schuldentragfähigkeit setzt und die umgesetzt wird.

Man kann jetzt erst einmal begrüßen, dass die Finanzminister am Freitag in der Eurogruppe beraten haben und dass Herr Dijsselbloem als Vorsitzender der Eurogruppe von großen Fortschritten bei den Verhandlungen gesprochen hat. Jetzt geht es darum, dass die Institutionen möglichst bald wieder nach Athen reisen, um dort das sogenannte Staff Level Agreement zu vereinbaren. Das ist die gemeinsame Haltung der Bundesregierung.

Frage : Herr Schäfer, ich möchte zum Angriff der Amerikaner auf syrische Stellungen kommen. Das, was am Freitag hier nicht besprochen wurde, ist, dass die Begründung des US-Präsidenten war, dass das, was die Amerikaner da getan haben, ein Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen gewesen sei. Unterstützt die Bundesregierung diese Begründung? Sind Sie noch einmal in sich gegangen und haben über die Völkerrechtsfrage nachgedacht? Denn am Freitag fanden Sie es nachvollziehbar, dass trotz fehlender Untersuchungen und Beweise militärisch vorgegangen wird und damit das Völkerrecht gebrochen wurde.

Schäfer: Wie immer stellen Sie steile Thesen in den Raum, die letztlich Ihre Meinung sein können, die aber nicht notwendigerweise die Meinung anderer, auch nicht der Bundesregierung sein müssen.

Vielleicht zunächst einmal noch etwas zur politischen Lage. Das, was da letzte Woche geschehen ist, ist barbarisch. Ich rede jetzt ausdrücklich von den Kindern und den Menschen, die einem Giftgasangriff zum Opfer gefallen sind. Das ist nicht nur die Haltung der Bundesregierung, sondern das ist zum Glück immerhin die gemeinsame Einschätzung der gesamten Staatengemeinschaft gewesen, auch wenn es unterschiedliche Einschätzungen dazu gegeben hat, wer dafür die Verantwortung trägt. Das wiederum hat den Sicherheitsrat im Syrien-Dossier zum wiederholten Mal handlungsunfähig gemacht. Das war der Grund dafür, dass die Amerikaner reagiert haben.

Politisch bedeutet das jetzt für den Außenminister, dass er schon heute Nachmittag und ganz sicher auch morgen bei den Gesprächen mit seinen europäischen Kollegen, dem amerikanischen Kollegen und den nach Italien reisenden Vertretern der Golfstaaten darauf drängen wird, den - ich will einmal sagen - Weckruf dieses barbarischen Verhaltens zum Anlass zu nehmen, doch noch einmal eine neue politische Initiative zu entfalten und zusammenzukommen, um zu schauen, ob es nach inzwischen mehr als sechs Jahren eines fürchterlichen Bürgerkriegs mit total entgrenzter Gewalt nicht doch eine Chance für Frieden geben kann. Dazu - das ist offensichtlich geworden - ist das Regime in Damaskus, ist Assad persönlich überhaupt nicht bereit, sondern er ist bereit, jede Art von Gewalt anzuwenden, um sein Ziel zu erreichen, in diesem total geschundenen Land an der Macht zu bleiben.

Deshalb kommt es ganz besonders auf Russland, auf Moskau, vielleicht auch auf Teheran - die Bündnispartner von Assad - an, ihm deutlich zu machen, dass das alles seine Grenzen hat, dass sich das, was von der internationalen Staatengemeinschaft jetzt nahezu 100 Jahre geächtet wurde - die Ächtung von chemischen Waffen datiert aus dem Jahre 1925 -, nicht wiederholen darf und dass das jetzt ein Anlass sein muss, auch unter Beteiligung der Europäer, auch unter Beteiligung Deutschlands eine neue Initiative für einen politischen Prozess zu starten. Die Instrumente dafür gibt es bereits. Das ist die International Syria Support Group, die sich schon vorletztes Jahr in Wien konstituiert und die letztes Jahr im Februar in München konkrete Ergebnisse erzielt hat, unter anderem die Einrichtung von zwei Arbeitsgruppen zu Fragen des Waffenstillstands und der humanitären Hilfe.

Jetzt zu der konkreten Frage nach dem Völkerrecht. Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Amerikaner in einem eindeutigen kausalen und zeitlichen Kontext auf den Giftgasangriff reagiert haben. Sie haben sehr deutlich gemacht, dass das eine einmalige, außerordentliche Reaktion auf das von ihnen eindeutig dem Assad-Regime zugerechnete Verhalten, nämlich dem Einsatz von Chemiewaffen, gewesen ist. Im Völkerrecht gibt es ja anders als im staatlichen Recht, im Straf- oder im Zivilrecht, keinen Richter, der irgendwann entscheiden wird, ob etwas völkerrechtsgemäß war oder nicht. Es gibt die klare amerikanische Haltung, dass das in Verteidigung vitaler amerikanischer Interessen erfolgt ist. Da gibt es das eine oder andere Instrument des Völkerrechts, die Retorsion und die Repressalie, bei der sogar ein grundsätzlich, unter gewöhnlichen Umständen für völkerrechtswidrig qualifiziertes Verhalten im Ausnahmefall als völkerrechtskonform eingeschätzt werden kann, gerade weil der Verstoß, auf den reagiert wird - in diesem Fall die wiederholte Verwendung von Giftgas gegen das eigene Volk -, ein so schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht ist, dass er so etwas wie eine Repressalie rechtfertigen kann.

Ob das die Begründung der Vereinigten Staaten von Amerika für das, was sie getan haben, ist - mir scheint das nach dem, was der amerikanische Präsident und was auch andere gesagt haben, durchaus in diese Richtung zu gehen -, kann ich jetzt mit letzter Bestimmtheit nicht sagen. Mir scheint das aber durchaus in diese Richtung zu gehen.

Dann wird es in der internationalen Gemeinschaft streitig bleiben, ob das ein völkerrechtskonformer Einsatz gewesen ist. Jedenfalls ist er - ich bleibe natürlich bei dem, was hier bereits am Freitag von der Bundeskanzlerin, vom Regierungssprecher und auch vom Außenminister gesagt worden ist - eine nachvollziehbare Reaktion auf eine total entgrenzte Gewalt mit einem Mittel, das die Staatengemeinschaft und die Völkerrechtsgemeinschaft seit fast hundert Jahren geächtet haben und dessen Einsatz wirklich abscheulich ist.

StS Seibert: Ich möchte ganz kurz in sehr enger Anlehnung an das, was Herr Schäfer gerade ausgeführt hat, noch einmal sagen: Die Haltung der Bundesregierung hat sich seit Freitag nicht verändert - nicht die Haltung zu dem US-Luftschlag, aber auch nicht die Haltung zu dem künftigen Weg, der jetzt gegangen werden muss.

Dabei sind drei Dinge ganz klar:

Erstens ist es völlig klar, dass der Konflikt in Syrien militärisch nicht zu lösen ist. Mit militärischen Mitteln kommt dieses gepeinigte Land nicht zur Ruhe und nicht zu einer dauerhaften friedlichen Ordnung. Der Erste allerdings, der das beherzigen muss, ist Präsident Assad, der sein Volk seit nunmehr sechs Jahren mit grausamsten Mitteln angreift.

Klar ist ebenso, dass Assads enger Partner Russland eine gewichtige Rolle in diesem Konflikt spielt. Es wird keine politische Lösung ohne oder gegen Russland geben. Deshalb ist es wirklich gut, dass der Bundesaußenminister am Wochenende in Kontakt mit seinem russischen Amtskollegen stand. Wir müssen alle Kraft darauf verwenden - und die Bundesregierung will das tun - , den UN-Prozess und die Gesprächsbemühungen des Sonderbeauftragten de Mistura zu stärken - unter Einbeziehung von Russland.

Noch ein Drittes ist für die Bundesregierung klar - und heute, nach den Ereignissen des Wochenendes, noch klarer denn je: Der Kampf gegen die mörderische Organisation des IS hat weiterhin hohe Priorität. Wir erleben in diesen Tagen von Sankt Petersburg bis Ägypten, zu welch unmenschlichen Taten diese Terroristen fähig sind. Dem Kampf gegen den IS sollten sich daher so viele Partner wie möglich anschließen.

Schäfer: Nur noch, weil Herr Seibert gerade das Telefonat des deutschen Außenministers mit seinem russischen Amtskollegen angesprochen hat: In der Tat hat das Gespräch über das Wochenende stattgefunden genauso wie eine Telefonschaltung mit den drei europäischen Kollegen aus London, Paris und Rom, die heute beim G7-Außenministertreffen zusammenkommen werden. In beiden Gesprächen ging es vornehmlich um das Thema Syrien. Sergej Lawrow hat Sigmar Gabriel zugesagt, dass die russische Regierung noch heute konkrete Vorschläge unterbreiten wird, wie und unter welchen Umständen eine unabhängige, objektive Untersuchung der Ereignisse um den Giftgasangriff erfolgen kann. Er hat ausdrücklich zugesagt, dass die Russische Föderation für eine solche objektive Untersuchung ist. Das werten wir als ein gutes und ein wichtiges Zeichen der Bereitschaft Russlands, sich eben nicht nur im Sicherheitsrat querzulegen und mit Veto zu drohen, sondern auch konkrete Schritte zu unternehmen oder zumindest zuzulassen, die es ermöglichen, tatsächlich herauszufinden, was dort passiert ist, und zu bestätigen, was wir für sehr wahrscheinlich und für sehr plausibel halten.

Die vier europäischen Außenminister haben gestern besprochen, dass sie eine gemeinsame europäische Initiative ins Werk setzen wollen, um angesichts der dramatischen Ereignisse der letzten Tage noch einmal den Versuch zu unternehmen, politisches Momentum zu erzeugen, um auf den Bahnen, die es ja bereits gibt, nämlich der Wiener Internationalen Syrien-Unterstützergruppe, im Rahmen der Arbeitsgruppen, die in Genf tagen, auch im Rahmen der Genfer Verhandlungen unter der Ägide der Vereinten Nationen jetzt wirklich einen Schritt voran zu gehen. Ich gehe fest davon aus, dass es heute oder vielleicht morgen auf dem G7-Treffen in Lucca zu entsprechenden öffentlichen Erklärungen dazu kommen wird.

Frage : Herr Schäfer, ich habe aus Ihren Worten einen gewissen Optimismus herausgehört, dass dieses Momentum wohl jetzt ausreicht, um eine neue Initiative in Sachen Syrien zu starten. Wie schätzen Sie die Situation jetzt ein? Hat sich nach den schrecklichen Ereignissen der letzten Woche - ich meine jetzt beide, den Giftgasangriff und die Vergeltung der USA - die Ausgangssituation verbessert; hat sich die Chance erhöht, eine Friedenslösung am Verhandlungstisch zu finden, oder ist sie gleich geblieben oder schlechter geworden?

Schäfer: Wer sich wie wir seit Jahren mit dem Syrien-Dossier beschäftigt - ich tue das im Grunde seit ich diesen Job habe, diese sechs Jahre lang -, der hat wenig Grund zu Optimismus. Denn im Grunde ist alles immer nur schlimmer geworden. Man kann im Grunde nur hoffen, dass solche Ereignisse wie die der letzten Woche, nämlich dieser schreckliche Giftgasangriff und die Folgen, die er gehabt hat, die es aber auch schon in der Vergangenheit gegeben hat, so etwas wie ein Weckruf für diejenigen sind, die militärisch und politisch verantwortlich im Land sind, aber auch für diejenigen, deren Unterstützung es immer noch gibt, um diesen Bürgerkrieg weiterhin mit frischen Waffen, mit frischem Geld und mit frischen Kriegern immer wieder neu anfachen zu können. Diese Hoffnung treibt auch den Außenminister bei seinen Versuchen um, einen politischen Prozess in Gang zu bringen.

Grundsätzlich hat sich, denke ich, die Sachlage nicht massiv verändert, sondern sie bleibt unendlich schwierig. Sie ist in erster Linie furchtbar für die Menschen im Land und die, die aus dem Land fliehen müssen. Aber sie ist auch für Frieden und Sicherheit in der Welt eine ungemein große Bedrohung. Nicht zuletzt auf den Schutthalden des Bürgerkriegs in Syrien hat sich der IS in den letzten Jahren so prächtig und gedeihlich entwickeln können.

Nein, richtigen Optimismus haben wir nicht. Aber wir haben die Hoffnung und die Erwartung, dass alle Beteiligten einschließlich derjenigen, die Assad unterstützen - in Teheran und in Moskau -, jetzt ein Einsehen haben und mindestens dem syrischen Regime Grenzen bei dem Einsatz der Mittel aufzeigen.

Darüber hinaus - noch einmal - macht es Sinn, die wichtigen Spieler - dazu gehört in allererster Linie das Verhältnis zwischen Moskau und Washington, dazu gehören aber auch die Regionalmächte: die Türkei, die Golfstaaten und der Iran - noch einmal, vielleicht im Rahmen des Wiener Formats, an einen Tisch zu bringen, um angesichts einer für die Menschen dramatischen Lage zu schauen und zu eruieren, ob nicht doch irgendwo ein Weg in Richtung Frieden gefunden werden kann.

Frage: Darauf zielte auch meine Frage ein wenig ab. Denn ich höre hier immer nur sozusagen von der Grausamkeit Assads gegenüber seinem eigenen Volk. Nach Meinung vieler Experten ist der Konflikt in Syrien allerdings ein internationaler Stellvertreterkrieg.

Welche internationalen Akteure macht denn die Bundesregierung in diesem Konflikt aus?

Schäfer: Ich bin nicht ganz sicher, ob eine so ganz grundlegende Frage nicht vielleicht den Rahmen dieser Veranstaltung sprengt. Aber Sie haben natürlich recht: Der Konflikt in Syrien ist ein Bürgerkrieg, bei dem Menschen aus Syrien miteinander Krieg führen. Es ist ein Krieg eines grausamen Regimes gegen das eigene Volk - das ist es auch. Es ist auch ein Stellvertreterkrieg, weil all diejenigen, die in Syrien miteinander im militärischen Konflikt stehen und sich gegenseitig umbringen, Unterstützer von außen haben. Deshalb ist es auch ein Machtkampf zwischen sunnitischen und schiitischen Kräften in der Region und auch eine, wenn Sie so wollen, mindestens religiös gefärbte Auseinandersetzung zwischen Menschen und gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlicher religiöser Ausrichtung. Das alles ist es, und das alles macht es so kompliziert es zu lösen.

Wir haben an dieser Stelle häufig darüber gesprochen, welche Parallelen man ziehen kann. Der Vergleich zum Dreißigjährigen Krieg in Europa, der ähnliche Konnotationen hatte, nämlich ein mindestens dem Anschein nach religiöser Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken zu sein, ein Bürgerkrieg auf deutschem Boden, und dann aber auch jeder Menge Regionalmächte wie damals den Schweden, den Spaniern, den Franzosen, die in diesen Konflikt eingegriffen haben. Das alles sind Parallelen. Dennoch ist der Konflikt in Syrien noch ungleich komplizierter - allein schon wegen der Zahl der von außen intervenierenden Staaten und Gruppen, wegen der furchtbar komplexen Situation auf der syrischen Landkarte und aus vielen anderen Gründen. Deshalb ist es auch so schwierig, eine Lösung zu finden.

Im Grunde liegt der Weg auf dem Tisch, und zwar schon seitdem Kofi Annan 2011 und 2012 Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen gewesen ist, dass es nämlich Friedenverhandlungen zwischen den Konfliktparteien in Syrien geben muss. Sie funktionieren aber nicht, solange die Kräfte von außen nicht genügend Druck auf die Konfliktparteien in Syrien ausüben, damit sie tatsächlich eine solche friedliche Lösung erzwingen. Damit kommen wir immer wieder auf Moskau und auf Teheran zurück und auf jemanden, der in der Anwendung von grausamen Mitteln wie Chemiewaffen und in der Anwendung jedweden Mittels, um den eigenen politischen Zweck zu erreichen, ganz offensichtlich durch nichts zu bremsen ist.

Wir können immer nur - das werden wir auch weiterhin tun, und das wird auch Herr Gabriel heute in Lucca ganz sicherlich wieder tun - öffentlich appellieren, aber auch in den Gesprächen wie dem gestrigen mit dem russischen Außenminister darauf drängen, dass dem endlich Einhalt geboten wird.

Zusatzfrage: Meine Frage zielte eher darauf ab: Sie sprachen jetzt erneut von Moskau und Teheran. Gleichzeitig sagten Sie gerade, es gebe Mächte, die von außen intervenieren. Das kann sich ja nicht nur auf Moskau und Teheran beschränken. Es ist ein internationaler Stellvertreterkrieg.

Deswegen noch einmal die Frage: Welche Mächte sind es denn außer Moskau und Teheran, die dort von außen intervenieren?

Schäfer: Dass die Mächte der Region, dass die Türkei, die Staaten des Golfes, in deren unmittelbarer Nachbarschaft sich dieser Konflikt vollzieht, auch ein Interesse an einer bestimmten Lösung haben, steht außer Frage. Das hätte die Bundesregierung auch nie bestritten.

Wir halten uns an das, was seit vielen Jahren - zunächst in der Londoner Unterstützergruppe und dann auch im Wiener Prozess - von allen Beteiligten gesagt worden ist, nämlich dass man sich tatsächlich auf einige Parameter für eine Friedensordnung in Syrien geeinigt hat. Wir erwarten von allen - das gilt nicht nur für Russland und den Iran -, dass sie sich an diese Parameter, an diese Grundsätze halten. Dazu gehört es, den militärischen Konflikt in Syrien nicht noch anzufeuern und anzufachen, indem man immer wieder Dinge tut, von denen ich jetzt nicht berichten kann und von denen ich auch nicht wüsste, die aber letztlich kein Beitrag dazu sind, den militärischen Konflikt in Syrien, diesen schrecklichen Krieg des Assad- Regimes gegen das eigene Volk, zu beenden.

StS Seibert: Wenn ich dazu auch noch ganz kurz etwas sagen darf: Bei allen Erörterungen, die es wirklich wert sind, gemacht zu werden, über internationale Stellvertreterkriege, kann das keine Entlastung für Präsident Assad sein. Nach Auffassung der Bundesregierung ist er der Hauptverantwortliche für den Bürgerkrieg in Syrien, der Hauptverantwortliche für um die 300Tote und mehr als fünf Millionen Flüchtlinge. Er hat nachweislich gegen sein eigenes Volk Chemiewaffen, Fassbomben, Streubomben eingesetzt. Er hat nachweislich medizinische Einrichtungen gezielt angegriffen. Er wäre ohne die Unterstützung seiner internationalen Partner - sie sind ja bekannt - nicht in der Lage gewesen, diese Haltung vollkommener Unnachgiebigkeit und Härte gegen das eigene Volk durchzuhalten.

Bisher zeigt sein Regime keinerlei Bereitschaft, sich auf einen politischen Prozess einzulassen, sondern setzt weiterhin auf eine militärische Lösung. Das muss aufhören.

Frage: Zwei Fragen an Herrn Schäfer; die erste ist: Am Freitag hat das Auswärtige Amt die Position vertreten, es kenne keine Berichte aus dem Jahr 2013, dass für den Giftgaseinsatz damals eventuell die Rebellen verantwortlich sein könnten. Damals gab es eine öffentliche Berichterstattung darüber, weil Carla Del Ponte diese These aufgestellt hatte. Ihr wurde später widersprochen. Aber die Berichterstattung gab es, und Sie werden sie doch eigentlich auch gekannt haben müssen.

Die zweite Frage ist - - -

Schäfer: War das eine Frage? Was wäre die Frage?

Zusatz: Die Frage war ganz am Anfang: Bleiben Sie bei Ihrer Position vom Freitag, dass das Auswärtige Amt solche Berichte nicht kenne?

Schäfer: Ich kenne solche Äußerungen von Carla Del Ponte, die allerdings vom System der Vereinten Nationen - ich meine, sogar vom Generalsekretär der Vereinten Nationen - ziemlich schnell eingefangen worden waren. Sie sind im Übrigen nach meiner Erinnerung damals nicht im Zusammenhang mit der spezifischen Aufklärung des Einsatzes von Chemiewaffen gefallen, sondern im Rahmen einer Untersuchungskommission über Verletzungen des humanitären Völkerrechts.

Zusatz: Nach dem, was ich jetzt nicht aus der Erinnerung, sondern aus der Recherche habe, wörtliches Zitat Del Ponte: "Nach ... Aussagen, die wir gesammelt haben, haben die Rebellen Chemiewaffen eingesetzt und auf ... Sarin zurückgegriffen."

Schäfer: Lassen Sie mich das abschließen, dann haben wir es durch. Wir haben dafür und darüber keine Anhaltspunkte, weder abstrakte noch konkrete. Aber Syrien ist ein Terrain, in dem unsere Möglichkeiten der Einsichtnahme aus nachvollziehbaren Gründen extrem begrenzt sind. Deshalb werden Sie mich nicht dabei erwischen, dass ich irgendetwas ausschließe, was man nicht ausschließen kann.

Zusatz: Ich möchte Sie auch gar nicht "erwischen".

Schäfer: Wir halten es für sehr unwahrscheinlich, dass das, was dort letzte Woche geschehen ist, so ist, wie es von mancher Seite - zum Beispiel aus Moskau - behauptet wird. Wir sehen auch keine konkreten Belege dafür, dass das so gelaufen sein könnte. Aber ich kann das nicht denklogisch ausschließen.

Zusatz: Meine Frage war nur schlicht, ob sie Berichte kennen - mindestens doch diese Presseberichte -, in denen das eruiert wurde.

Schäfer: Ja, die kenne ich.

Zusatzfrage: Meine zweite Frage ist das, was man vielleicht eine Lernfrage nennt. Die Grundproblematik ist ja immer noch der Unterschied zwischen Indizien und Beweisen. Für Beweise ist in der aktuellen Situation offenbar eine Untersuchung "on the ground", am Ort des Geschehens, unverzichtbar.

Sollte nicht die Tatsache, dass die Provinz Idlib, in der das geschehen ist, wohl doch unter Kontrolle der Rebellen steht, einen Zugang dorthin erleichtern? Der Hinweis darauf, dass Russland und andere im Sicherheitsrat blockieren: Wie könnten sie etwas für ein Gebiet blockieren, über das sie gar keine Kontrolle haben?

Schäfer: Na ja, man braucht natürlich schon - auch vonseiten des syrischen Staates und auch von denjenigen, die im syrischen Luftraum militärisch unterwegs sind - Sicherheitsgarantien. Selbst wenn es so wäre, dass ein Zugang auf syrisches Staatsgebiet möglich wäre, ein Zugang zu den Örtlichkeiten, an denen diese schrecklichen Dinge geschehen sind, ist es immer noch ein Gebot des Völkerrechts, dass die Vereinten Nationen das nur mit Zustimmung des Hoheitsträgers durchführen. Jedenfalls muss das der erste Ansatz sein, und dann brauchen die Experten, die da vor Ort unterwegs sind, natürlich auch Garantien, dass für ihre Sicherheit gesorgt ist. Im syrischen Luftraum ist eine Menge los, unter anderem fliegt die syrische Luftwaffe ständig Luftangriffe - wie ich den Medien entnehme, auch weder auf diesen Ort, an dem letzte Woche ja Giftgas eingesetzt worden ist. Deshalb geht das nicht, ohne dass alle Beteiligten den Vereinten Nationen den Platz geben, die Zeit geben, die es braucht, um das wirklich sauber zu recherchieren.

Frage: Herr Seibert, in den drei Punkten, die Sie vorhin nannten, war bei aller Kritik an Herrn Assad nicht explizit die Forderung enthalten, dass Assad weg muss. Die UN-Botschafterin der USA hat das jetzt aber als Ziel erklärt - was, glaube ich, vorher nicht so deutlich war. Ist es jetzt auch das Ziel der Bundesregierung, dass Assad weg muss?

StS Seibert: Unsere Haltung dazu hat sich ja eigentlich schon seit langer Zeit nicht geändert. Wir sind davon überzeugt, dass im Lichte all dessen, was ich gerade an Assads Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung aufgezählt habe, eine friedliche und Stabilität bringende Lösung des Konflikts in Syrien mit Assad an der Spitze auf Dauer nicht vorstellbar ist.

Zusatzfrage: Auf Dauer?

StS Seibert: Es wäre unrealistisch, zu erwarten oder zu erhoffen, dass seine Präsidentschaft morgen endet. Wir wollen alles tun, damit ein politischer Prozess, ein Prozess des politischen Übergangs eingeleitet werden kann, und nach unserer Auffassung kann mittelfristig - und jetzt nageln Sie mich bitte nicht auf irgendwelche Zeitpunkte fest - Präsident Assad dabei nicht an der Spitze des Staates bleiben. Das ist eine Haltung, die die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung unverändert seit langer Zeit vertreten.

Zusatzfrage: Die Frage zur Haltung der USA habe ich vielleicht nicht klar formuliert. Sehen Sie da nach den Aussagen der UN-Botschafterin, die sich jetzt für die Ablösung Assads eingesetzt hat und das als Ziel erklärt hat, eine Änderung?

StS Seibert: Ich befasse mich jetzt für die Bundesregierung zunächst einmal mit der Haltung der Bundesregierung, die, wie gesagt, unverändert ist. Das, was wir jetzt auch Washington hören, entspricht dem weitgehend.

Frage : Eine Detailfrage dazu an Herrn Nannt: Als Folge des US-Angriffs hat Russland angekündigt, das "deconflicting" für die verschiedenen Kampfflugzeuge im syrischen Luftraum einzustellen. Was ist da der aktuelle Stand? Die Bundeswehr ist davon ja auch betroffen.

Nannt: Wir hatten zu der Frage, was die Folgen für uns wären, am Freitag ja noch einmal eine Einlassung verschickt. Das wurde durch die russische Seite in der Tat ausgesetzt. Das ist verbunden mit einem höheren Aufwand für die Piloten, und es ist so, dass in diesem Zusammenhang auch der Einsatz der Nato-AWACS dort sehr hilfreich ist. Die Piloten müssen dort jetzt mehr Ausschau nach russischen und syrischen Flugzeugen halten - was sie unabhängig von diesem Kontrollmechanismus aber ohnehin getan haben.

Zusatzfrage : Auf den Punkt gebracht: Derzeit gibt es keine "deconfliction"?

Nannt: Richtig.

Frage: An das Bundesfamilienministerium: Es gibt Zahlen, die belegen, dass beim Unterhaltsvorschuss über 650 Millionen Euro nicht zurückgezahlt wurden. Woran liegt das? Wie will man dem entgegenwirken?

Der Unterhaltsvorschuss wird zum 1. Juli ja sogar noch ausgeweitet. Wird der Steuerzahler dann in Zukunft auf noch mehr Kosten sitzenbleiben, weil das Geld von den Männern nicht zurückgezahlt wird?

Herb: Um zuerst einmal zu erklären, was der Unterhaltsvorschuss überhaupt ist: Der Staat springt dann ein, wenn ein unterhaltspflichtiger Elternteil nicht zahlt. 2015 hatten 440 Kinder Anspruch auf Unterhaltsvorschuss beziehungsweise wurde für so viele Kinder Unterhaltsvorschuss gezahlt. Die Kosten lagen da bei 843 Millionen Euro, und davon hat der Staat - das sind in dem Fall die Länder - 23 Prozent zurückgeholt. Das sind in absoluten Zahlen ungefähr 191 Millionen Euro.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie der Staat diese Gelder zurückholen kann. Das eine ist, dass die Väter - das sind in der Mehrzahl die Männer, deswegen spreche ich hier jetzt von den Vätern - Aufforderungen bekommen, das Geld zu zahlen. Das geht dann über verschiedene Ebenen bis hin zur Zwangsvollstreckung. Es ist aber auch so, dass es seit 2013 das sogenannte Kontenabrufverfahren gibt, bei dem wirklich auch geprüft werden kann, ob es eventuell Konten gibt, die nicht angegeben wurden. Dazu kann ich Ihnen gleich gerne noch die Zahlen nachliefern. Man muss aber auch sagen: Es gibt durchaus Väter - und das ist leider auch der Großteil -, die das einfach nicht zahlen können. In diesen Fällen springt der Staat ein, um diese Ausfallleistungen zu bezahlen.

Es ist so, dass sich die Bundesregierung darauf geeinigt hat, den Unterhaltsvorschuss auszuweiten. Das bedeutet, ab diesem Jahr soll er auch für Kinder bis 18 Jahre gezahlt werden - bisher wurde nur für Kinder bis 12 Jahre gezahlt. Es gab bisher auch eine Begrenzung von 72 Monaten; auch die wird aufgehoben. Wir gehen davon aus, dass wir damit rund 121 zusätzliche Kinder erreichen können. Wir gehen dabei von Mehrkosten in Höhe von rund 350 Millionen Euro aus.

Frage: Herr Seibert, es gab am Wochenende sehr unschöne Enthüllungen über Konrad Adenauer - illegale Aktivitäten gegen demokratische Mitbewerber wie die FDP oder Willy Brandt. Nun ist der Mann längst tot, aber es gibt vielleicht zwei aktuelle Bezüge: Erstens sind es ja nicht nur Aktivitäten des Altkanzlers persönlich, sondern auch des Kanzleramtes. Sieht man deswegen im Kanzleramt Grund oder Notwendigkeit, das vielleicht genauer historisch aufzuarbeiten?

Zweitens ist die Kanzlerin ja eine erklärte Bewunderin Konrad Adenauers; sie hat das Bild von ihm hinter dem Schreibtisch. Sieht sie ihr Bild von Adenauer dadurch etwas getrübt?

StS Seibert: Ich habe zu dem Artikel, auf den Sie da ansprechen, jetzt hier für die Bundeskanzlerin keinen Kommentar.

Ich kann Ihnen Folgendes zu Teilen des Artikels, die den BND betreffen, sagen: Der BND hat zur Erforschung seiner Frühgeschichte bis 1968 eine unabhängige Historikerkommission berufen. Deren Forschungsergebnisse sind zum Teil schon veröffentlicht worden, weitere sind für die nächsten Jahre angekündigt. Gleichzeitig stehen Unterlagen des BND auf Antrag auch jedermann zur Verfügung, sofern sie älter als 30 Jahre sind und keiner der üblichen Gründe einer Offenlegung entgegensteht. Diese Möglichkeit hat der Verfasser des Artikels genutzt. Die Beurteilung der Frage, inwieweit der Artikel die historischen Gegebenheiten korrekt und vollständig widerspiegelt, überlasse ich der wissenschaftlichen Forschung.

Frage: Frau Friedrich, ich habe eine Frage zu der Autobahn- Infrastrukturgesellschaft. Nach Ihrem Gutachten ist für die Infrastrukturgesellschaft ja ein Finanzmehrbedarf in den 2020er-Jahren prognostiziert worden. Wir haben in Ihrer Antwort jetzt gelernt, diese Zahlen seien zum Teil überholt. Welchen Mehrbedarf sieht Ihr Ministerium in den 2020er-Jahren für die Infrastrukturgesellschaft, und was bedeutet das für die Kosten der Maut? Steigen die Mautgebühren für die Bürger in den 2020er-Jahren?

Friedrich: Auf die Details dieser Studie beziehungsweise des Gutachtens kann ich hier jetzt nicht eingehen - die meisten Details sind ja auch bekannt. Allerdings vermute ich, Sie beziehen sich auf Ihre Anfrage bezüglich der deutlichen Kritik, die ja geäußert worden ist, dass es angeblich Kostensteigerungen geben sollte, da private Investoren gewinnorientiert arbeiten müssen. Diese Kritik ist absolut unberechtigt, und die kann ich hier auch zurückweisen. Es ist so, dass die Autobahngesellschaft zukünftig in unveräußerlichem Alleineigentum des Bundes stehen wird, und so wird es in Artikel 90 des Grundgesetzes auch festgeschrieben.

Zusatzfrage: Bedeutet das, dass die gesamten Finanzen der Autobahn künftig im Bundeshaushalt bleiben und vom Parlament kontrolliert werden können?

Friedrich: Ich kann wiederholen, was ich gesagt habe: Die Autobahngesellschaft steht weiterhin in unveräußerlichem Alleineigentum des Bundes. Zum Bundeshaushalt würde ich an das Bundesfinanzministerium verweisen.

Zusatzfrage: Gibt es weiterhin die Möglichkeit öffentlich-privater Partnerschaften in Untergesellschaften oder in einzelnen Projekten? Bedeutet dies, dass außerhalb des Bundeshaushaltes Kosten entstehen, die nicht mehr vom Parlament kontrolliert werden?

Friedrich: ÖPP-Projekte - öffentlich-private Partnerschaften sind damit ja gemeint - sind ja nichts Neues, das wird ja schon seit ungefähr über zehn Jahren umgesetzt. Bei einzelnen Projekten wird das weiterhin umgesetzt, und auch in Zukunft wird es so sein, dass auf der Basis von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ÖPP-Projekte vergeben werden können.

Frage: An das Innenministerium zur Zahl der ausreisepflichtigen Personen: Der "Spiegel" hatte am Wochenende berichtet, dass es einen Leitfaden zur Verbesserung der Datenqualität im Ausländerzentralregister gibt, und laut dieses Leitfadens ist die Zahl der ausreisepflichtigen Personen deutlich geringer, als dort angegeben. Deshalb würde ich gern von Ihnen wissen, Herr Plate: Haben Sie die aktuelle Zahl der ausreisepflichtigen Personen laut AZR, und wie setzt sich die zusammen? Können Sie vielleicht auch Stellung nehmen zu der geäußerten Kritik, dass die Zahlen nicht plausibel seien?

Plate: Dieser Frage nehme ich mich gerne an. - Es ist so, dass das AZR, also das Ausländerzentralregister, eine sogenannte Bestandsstatistik ist. Das heißt, zu einem jeweiligen Stichtag kann man dort ablesen, wie viele Personen ausweislich dieses Registers einen bestimmten Status haben. Dass dieser Bestand dort nicht tagesaktuell abgebildet wird, bedeutet aber, dass das AZR immer gewisse Abbildungsschwächen hat. Das heißt, darin können zum Beispiel Personen enthalten sein, die gar nicht mehr in Deutschland sind. Es ist so, dass das Thema Ertüchtigung des AZR mit Blick auf eine Verbesserung der Datenqualität schon länger eines ist. Das Bundesinnenministerium hat ja auch schon mehrfach öffentlich gesagt, dass wir uns diesem Thema widmen wollen und das auch schon längst begonnen haben. Wenn Sie sich zum Beispiel die Beschlüsse der letzten Ministerpräsidentenkonferenz aus dem Februar anschauen, dann werden Sie auch feststellen, dass die Datenqualität des AZR auch schon Thema eines der dort gefassten Beschlüsse war.

Dies vorweggeschickt, ist es so, dass der letzte Stand, der mir bekannt ist, von etwa 216 ausreisepflichtigen Personen ausgeht. Wichtig wäre mir an dieser Stelle - weil es auch diesbezüglich in den letzten Wochen immer wieder Verwirrung gab -, zu sagen: Ausreisepflichtige Personen sind mitnichten nur abgelehnte Asylbewerber. Es gibt vielmehr verschiedene Tatbestände, die zu einer Ausreisepflicht führen. Rechtskräftige Ablehnung eines Asylantrags ist einer dieser Tatbestände, aber mitnichten der einzige. Das ist sicherlich eine große Gruppe, die mutmaßlich auch weiter anwachsen wird, weil wir natürlich einen zahlmäßig ziemlich erheblichen Zugang an Asylsuchenden nach Deutschland hatten und auch immer noch haben - wenn auch deutlich abgeschwächt. Wenn Sie sich die Schutzquoten anschauen, dann sehen Sie, dass auch davon auszugehen ist, dass perspektivisch in diesem Bereich - ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber - noch etliche dazukommen werden.

Die Zahl der Ausreisepflichtigen ist also hoch. Die Frage, ob die Zahl 216 ganz genau scharf den aktuellen Stand der Ausreisepflichtigen abbildet, ist Gegenstand des Prüfprozesses, der unter dem Stichwort Ertüchtigung und Verbesserung der Datenqualität im AZR angestoßen worden ist. Dass es aber ziemlich viele Ausreisepflichtige sind, dürfte, ehrlich gesagt, unabhängig von dem Ergebnis dieser Prüfung so oder so feststehen.

Sie sprachen noch von Kritik. Ich weiß nicht genau, ob Sie damit diesen Leitfaden meinen. Kritik würde ich das, ehrlich gesagt, nicht nennen wollen, denn das ist ein internes Papier, das der Beauftragte für Flüchtlingsmanagement - abgekürzt BFM -, also Herr Weise, der ja vorher Leiter des BAMF war, genau im Rahmen seines Aufgabenportfolios sozusagen in unserem Auftrag und für uns erfasst hat. Datenqualität im AZR ist genau eines der Mandate, für die er als BFM eingesetzt ist. Er hat hier mit seinem Team einige Analysen gemacht und Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Ich würde das also eher als eine Analyse mit Handlungsempfehlung bezeichnen wollen, und nicht als Kritik - es sei denn, Sie meinen eine andere Stimme, die mir nicht bekannt ist.

Zusatzfrage: Konkret bezieht sich das, was ich Kritik nenne, darauf, dass es unter diesen 216 Personen 40 gibt, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Wie kommt es, dass die in diese Statistik oder in diese Zahl der ausreisepflichtigen Personen einfließen?

Plate: So eine Zahl kann ich, ehrlich gesagt, nicht bestätigen. Sicherlich ist es so, dass auch im AZR ein paar Menschen irrtümlich als ausreisepflichtig eingetragen sein mögen, deren Asylantrag noch nicht abschließend entschieden ist. Gerade dem Ziel, das auf Dauer zu beheben und zu bereinigen, dienen ja dieser Bericht und die damit angestoßene Arbeitsweise beziehungsweise der damit angestoßene Arbeitsprozess.

Wie kann so etwas passieren? Na ja, es gibt verschiedene Stellen, die sozusagen das AZR befüllen. Das ist nicht nur das BAMF, sondern das sind auch die Ausländerbehörden. Eine Statistik kann logischerweise immer nur so gut sein, wie es die Qualität der Dateneinspeisungen zulässt. Es kann schon sein, dass es vielleicht versehentlich einmal unterbleibt, einen veränderten Status dort möglichst zeitnah einzutragen; das ist denkbar. Es kann sein, dass der Asylstatus, der sich verändert hat, dort möglicherweise nicht zeitgerecht nachgetragen worden ist. Es gibt solche Fälle also, aber die Größenordnung, die Sie genannt haben, kann ich nicht bestätigen. Wir sind seit geraumer Zeit damit beschäftigt, auch diese Dinge zu ändern, damit das eine noch zuverlässigere Datengrundlage auch für politische Entscheidungen bietet, als es jetzt schon der Fall ist.

Frage: Eine Frage an das Bundesinnenministerium. Aus der CSU kommt die Forderung nach verstärkten Grenzkontrollen zwischen der Schweiz und Deutschland. Es wird auf Statistiken Bezug genommen, wonach zunehmend Flüchtlinge illegal über die Schweiz nach Deutschland geraten. Sieht das Bundesinnenministerium ähnlichen Handlungsbedarf, dass man zum Beispiel Polizeiinspektionen aufstockt oder die Schleierfahndung auslöst?

Gibt es, wenn man diesem Argument folgen möchte, dass diese Flüchtlinge über Italien kommen, möglichweise schon Gespräche mit Italien, also mit einem europäischen Partnerstaat?

Plate: Wenn ich darf, beginne ich, die Forderungen, die Sie zitieren, etwas präziser wiederzugeben, wenn ich das darf. Es ist keine Forderung nach verstärkten Grenzkontrollen, sondern eine Forderung nach der Einführung von Grenzkontrollen. An der deutsch-schweizerischen Grenze gibt es derzeit keine Grenzkontrollen im formal-rechtlichen Sinne, sondern es gibt dort Schleierfahndung. Grenzkontrollen gibt es an der deutsch-österreichischen Grenze.

Es ist aber so, dass es schon länger verstärkte Schleierfahndung an dieser Grenze gibt. Das ist etwas, was sich sozusagen rechtlich unterhalb der Schwelle der Grenzkontrollen bewegt. Dazu hatten der Bundesinnenminister und seine schweizerische Amtskollegin im Oktober einen Aktionsplan verabredet, der vorsah, gerade hier verstärkte Schleierfahndungsmaßnahmen durchzuführen, um sozusagen etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Das sorgt dafür, dass sich das "Hellfeld" - wie viele Leute überschreiten wirklich diese Grenze - ausweitet, das heißt, dass man ein klareres Bild darüber bekommt.

In Folge dieses Aktionsplans hat es verstärkte Kontrollmaßnahmen im Sinne einer Schleierfahndung gegeben. Dass das natürlich dann immer auch zu einer erhöhten Zahl an Feststellungen von solchen Grenzübertritten führt, liegt in der Natur der Sache. Wenn man verstärkt hinschaut, wird man auch immer mehr finden; das ist so.

Die Zahlen sind in der Tat im Januar und Februar deutlich höher als im Januar und Februar des letzten Jahres. Für März liegen noch keine qualitätsgesicherten Zahlen vor. Aber das, was wir sozusagen an Rohmaterial haben, deutet darauf hin, dass im März dieser Trend deutlich zurückgeht, dass es also dort mitnichten eine Fortsetzung dieser stark erhöhten Zahlen im Januar und Februar gibt. Wir fühlen uns jedenfalls darin bestätigt, diese verstärkten Schleierfahndungsmaßnahmen weiter durchzuführen und sind, ehrlich gesagt, sehr eng und sehr häufig - mehrfach wöchentlich - mit den Schweizern im Kontakt darüber, wie sie die Lage einschätzen und beobachten das sehr genau.

Der Innenminister - das war eine weitere Frage von Ihnen - hat sich auf Einladung seines italienischen Amtskollegen mit den Kollegen aus der Schweiz, Österreich und auch den nordafrikanischen Staaten getroffen, um sich dort gemeinsam die Herausforderung in Bezug auf die zentrale Mittelmeerroute und wie es dort weitergeht anzuschauen. Es gibt also auch diese Kontakte mit den Italienern und darüber hinaus mit den nordafrikanischen Staaten.

Was die Lage an der deutsch-schweizerischen Grenze angeht, ist es so: Derzeit schauen wir uns das sehr genau an, und derzeit geben es die Zahlen aus unserer Sicht nicht her, förmliche Grenzkontrollen einzuführen. Aber wenn die weitere Beobachtung ergibt, dass die Zahlen deutlich ansteigen, ist das als Ultima Ratio natürlich nicht ausgeschlossen.

Frage : Eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Nach einem Zeitungsbericht von gestern ist der libanesische Eigentümer einer deutschen Werft in Ihrem Haus vorstellig geworden, um unter Berufung auf ein deutsch- libanesisches Investitionsschutzabkommen zu rügen, dass ein Vergabeverfahren für Kriegsschiffe eben nicht im Wege der Ausschreibung erfolgte, sondern als freihändige Vergabe. Können Sie uns den Vorgang bitte etwas erläutern?

Alemany: Es gibt ein solches Schreiben, aber zu interner Kommunikation kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Fest steht aber, dass wir das Schreiben natürlich beantworten werden.

Ansonsten kann ich etwas zum deutsch-libanesischen Investitionsschutzvertrag sagen: Wie Sie vielleicht wissen, gibt es weltweit 3000 solcher bilateraler und multilateraler Investitionsschutzverträge. Allein Deutschland hat um die 130 bilaterale Investitionsschutzverträge und einer davon ist der mit Libanon, den es seit 20 Jahren gibt. Dieser sichert libanesischen Investoren die Gleichbehandlung in Deutschland zu, sprich er schützt zum Beispiel bei Enteignungen, die ohne Entschädigung stattfinden würden. Er sorgt in diesem Fall also für eine faire und gerechte Behandlung.

Vielfach ist es so, dass viele Drittländer solch einen Investitionsschutzvertrag mit Deutschland wünschen, um für deutsche Investoren ihren Standort attraktiver zu machen, weil dadurch die Rechtssicherheit vor Ort garantiert wird. Einen solchen Investitionsschutzvertrag kann man nicht anwenden, wenn man zum Beispiel bei einer Vergabe nicht zum Zug gekommen ist.

Wenn der Investor zum Beispiel das Gefühl hat, dass die Schutzstandards nicht beachtet worden sind, kann er vor einem Schiedsgericht oder vor der Weltbank klagen. Vorher muss er allerdings zumindest eine gütliche Beilegung für sechs Monate versucht haben. Wenn diese nicht stattfindet, kann er, wie gesagt, das Schiedsgericht anrufen. Dieses Schiedsgericht könnte aber wiederum, wenn überhaupt festgestellt werden würde, dass es zu irgendwelchen nachweisbaren Diskriminierungen gekommen wäre, nur Schadensersatz aussprechen. Die Aufhebung einer Vergabeentscheidung ginge nur mit einer Klage vor nationalen Gerichten.

Zusatzfrage : Sind die Bestimmungen dieses Abkommens auch auf Projekte der nationalen Sicherheit, der nationalen Verteidigung anwendbar oder gibt es irgendeine Ausschlussklausel?

Hat die Sechs-Monats-Frist für das gütliche Verfahren eine aufschiebende Wirkung? Ich glaube, das ist an dieser Stelle die entscheidende Frage.

Alemany: Dann müsste es schon zum Schadensfall gekommen sein. So gesehen hätte dann die Vergabe schon stattgefunden und der Schaden wäre schon entstanden. Ich kann keine rechtlich-juristische Beurteilung dieses Falls abgeben, den Sie hier ansprechen. Dabei geht es darum, dass ein Unternehmen das Gefühl hat, es hätte von einer Vergabe profitieren müssen und hat davon nicht profitiert. Wenn das so wäre, müsste das ein Gericht klären. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob das stimmt oder nicht.

Ich kann nur sagen: Diese Investitionsschutzverträge gelten immer für verschiedene Kriterien, die alle nachweisbar und nachlesbar sind. Es geht vor allen Dingen um den Schutz bei Enteignungen oder um diskriminierendes Verhalten oder für den Fall, dass ein Land keinen uneingeschränkten Transfer von Kapital ermöglichen würde. So gesehen kann ich Ihnen nicht juristisch belegbar sagen, ob dieser spezielle Fall darunter fallen würde.

Zusatzfrage : Sie haben doch gerade gesagt, es gibt diese Sechs-Monats- Frist, innerhalb der eine gütliche Einigung gesucht werden soll. Hat diese Bestimmung eine aufschiebende Wirkung für eine Vergabe?

Alemany: Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich weiß es nicht und muss das nachliefern.

Zusatz : Das können Sie nachliefern?

Alemany: Ja, so wir das in der Allgemeinheit sagen können.

Frage : Frau Alemany, nach einem Medienbericht ist das Wirtschaftsministerium grundsätzlich gegen European Safe Bonds und dass diese dann als Vergemeinschaftung durch die Hintertür angesehen werden. Können Sie das bestätigen?

Alemany: Ich habe den Zeitungsbericht zur Kenntnis genommen. Wie ich vermute, stammt er aus einer Analyse, die wir in den "Schlaglichtern des Monats" veröffentlichen. Wie Sie wissen, gibt unser Haus die Broschüre "Schlaglichter der Wirtschaftspolitik" heraus, in der wir uns um aktuelle wirtschaftspolitische Themen kümmern, die wir mit ökonomischem Bezug und von unseren Experten ausgearbeitet veröffentlichen. Ein Artikel in der kommenden Ausgabe, die heute oder morgen veröffentlicht wird, befasst sich tatsächlich mit einer Auswertung unterschiedlicher, derzeit in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion stehende Anleihekonzepte.

Es wird auf einen Vorschlag eines Konzeptes namens European Safe Bonds Bezug genommen. Unsere Experten haben das analysiert und wie bei den anderen Konzepten Pros und Kontras gegeneinandergestellt. Ich empfehle das jedem zur Lektüre. Insgesamt geht es bei ganz vielen dieser vorgeschlagenen und untersuchten Konzepte nicht um Vergemeinschaftung. Es steht ja auch im Koalitionsvertrag, dass die Vergemeinschaftung von Schulden abgelehnt wird. Das Fazit der Recherche unserer Ökonomen ist, dass dieses Konzept möglicherweise in Bezug auf die Kontra-Argumente zu einer Vergemeinschaftung führen könnte.

Montag, 10. April 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 10. April 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/04/2017-
04-10-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2017

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