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PRESSEKONFERENZ/1468: Kanzlerin Merkel und der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang, 01.06.2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Donnerstag, 1. Juni 2017
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Ministerpräsidenten des Staatsrates der Volksrepublik China, Li Keqiang

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultan- und Konsekutivübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute wieder einmal Premierminister Li Keqiang und seine gesamte Delegation in Berlin begrüßen darf. Wir haben bereits gestern erste Gespräche geführt und setzen diese heute fort, so gleich mit einem öffentlichen Beitrag zu den Fragen der Forschungskooperation. Anschließend haben wir dann noch ein Mittagessen mit der deutschen Wirtschaft.

Deutschland und China haben vor 45 Jahren diplomatische Beziehungen aufgenommen. Seither ist China für uns ein immer wichtigerer und inzwischen auch strategischer Partner geworden. Das kann ich für die gesamte Bandbreite sowohl politischer und wirtschaftlicher Art sagen, aber auch in Bezug auf die Kooperation in Kultur- und Gesellschaftsfragen.

Wir leben in Zeiten globaler Unsicherheiten. Wir sehen uns dabei in der Verantwortung, unsere Partnerschaft in den verschiedenen Bereichen auszubauen und uns für eine regelbasierte Ordnung der Welt einzusetzen. Ich bin froh, dass wir in diesem Jahr einen sehr intensiven Austausch haben. Jetzt findet der Besuch des Ministerpräsidenten mit vielen Ministern statt, und vor dem Besuch des G20-Treffens in Hamburg wird es einen Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Berlin geben.

Wir haben natürlich über viele Themen gesprochen. Ein wichtiges Thema war die Entwicklung unserer Handelsbeziehungen. Hierbei waren wir uns darüber einig, dass Handelsnationen wie Deutschland und China zusammenarbeiten und auch klare Bekenntnisse zum freien Handel abgeben sollten. Dieses klare Bekenntnis haben wir noch einmal unterstrichen.

Mit einem bilateralen Handelsvolumen von 170 Milliarden Euro war China 2016 unser wichtigster Handelspartner. Das sind schon sehr beeindruckende Zahlen. Wir haben uns darüber unterhalten, dass wir diese für beide Seiten sehr positiven Entwicklungen weiter ausbauen wollen. Die Unterzeichnung der Vereinbarungen, die Sie eben gesehen haben, deutet auch darauf hin, dass dies in einem breiten Spektrum geschieht, so zum Beispiel im Automobilbereich, in den Fragen der Luftfahrttechnik, der Recyclingtechnik, aber auch in den Fragen der Forschung am Beispiel der künstlichen Intelligenz.

Wir setzen auf offene Märkte und einen regelbasierten Welthandel und sehen dabei die Welthandelsorganisation in einer zentralen Funktion. Deutschland und China - darüber haben wir uns noch einmal ausgetauscht - sind der Meinung, dass wir die Prinzipien und Regeln der WTO natürlich unterstützen.

In diesem Zusammenhang haben wir uns auch über die Situation unterhalten, die Ende des letzten Jahres entstanden ist, als das Beitrittsprotokoll für Chinas Beitritt zur WTO ausgelaufen ist. Wir streben seitens der Europäischen Union, die im Namen der Mitgliedstaaten verhandelt, jetzt eine Lösung an, die China nicht diskriminiert, sondern alle Länder gleich behandelt, die WTO-konform ist und damit auch den Artikel 15 respektiert.

Ich habe in unseren Gesprächen auch deutlich gemacht, dass es im Bereich der Öffnung der Märkte immer wieder Fortschritte geben muss. Wir setzen auf eine Gleichbehandlung ausländischer Unternehmen in China. Hier gibt es immer wieder Einzelfälle, über die wir uns ausgetauscht haben.

Wir wollen so schnell wie möglich - das wird dann mehr Sicherheit bringen - zwischen der EU und China ein Investitionsabkommen abschließen. Die Gespräche des Premierministers in Brüssel werden sicherlich dazu auch noch einmal einen Beitrag leisten.

Ein Feld, in dem wir noch einmal unsere enge Zusammenarbeit bekundet haben, ist das Thema Elektromobilität. Im Bereich der Elektromobilität verfolgen Deutschland und China ähnliche Zielsetzungen. Wir haben über die Rahmenbedingungen für die deutschen Hersteller in China gesprochen, die natürlich günstig sein müssen, damit wir die Ziele der Elektromobilität auch erreichen können. Wir glauben, dass wir Anlass haben, darauf zu vertrauen, dass günstige Lösungen gefunden werden.

Wir haben auch darüber gesprochen, dass es erfreulicherweise gelungen ist, eine Lösung für die Arbeit unserer politischen Stiftungen zu finden. Wir sind der Überzeugung, dass unsere politischen Stiftungen einen ganz wesentlichen Beitrag leisten. Ich freue mich, dass alle Büros der in China vertretenen Stiftungen jetzt erfolgreich registriert werden konnten und hoffe, dass sie ihre Arbeit auch wieder umfassend aufnehmen können. Aus unserer Perspektive ist es sehr wichtig, dass die Zivilgesellschaft durch die Anwesenheit und die Arbeit verschiedener Nichtregierungsorganisationen gestärkt wird. Ich glaube, es tut unseren beiden Ländern gut, wenn wir die Zivilgesellschaften auch dadurch zum Vorschein kommen lassen, dass die Nichtregierungsorganisationen frei und vernünftig arbeiten können.

Wir haben auch über Themen der Außenpolitik gesprochen, insbesondere die Herausforderung durch Nordkorea. Wir sind der gemeinsamen Überzeugung, dass von Nordkorea Gefahren für den Weltfrieden ausgehen können. Wir sind uns einig, dass wir die Sanktionen erfüllen müssen. Wir setzen aber auf eine Verhandlungslösung, die sehr, sehr dringlich ist. Deutschland hat seine Bereitschaft bekundet, zu einer solchen Verhandlungslösung beitragen zu können.

Wir sind in diesem Jahr natürlich mit China besonders verbunden, weil wir in der Troika der G20-Präsidentschaften zusammenarbeiten. China hat uns sehr bei den Arbeiten zur Vorbereitung von Hamburg unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind. Viele Themen konnten schon in Hangzhou gesetzt werden, die wir jetzt in Hamburg weiter bearbeiten. Ich werde auf meiner Reise nach Argentinien für das nächste Jahr dafür sorgen, dass die Themen, die wir Schritt für Schritt setzen, auch weiter bearbeitet werden können.

Wir haben also ein breites Spektrum an Themen miteinander besprochen - von den zivilgesellschaftlichen Aktivitäten bis hin zu den Handelsfragen und den politischen Problemen unserer Zeit. Ich bedanke mich für die Offenheit der Gespräche; ich bedanke mich für die Intensität der Gespräche. Ich denke, das ist ein guter Beitrag zu unserer bilateralen Zusammenarbeit.

MP Li Keqiang: Vielen Dank! - Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Vertreter der Presse, es freut mich sehr, Sie wieder hier in Berlin zu sehen. Dies ist als chinesischer Ministerpräsident mein dritter offizieller Besuch in Deutschland. Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Merkel, und bei der deutschen Regierung für den sorgfältigen und herzlichen Empfang bedanken.

Wir haben uns sehr intensiv und ehrlich über eine sehr große Bandbreite von Themen ausgetauscht und konnten uns auf vieles einiges. Deutschland ist Chinas wichtigster Partner in der EU. Letztes Jahr hat China Japan überholt und ist weltweit Ihr größter Handelspartner geworden. Es gibt auch immer mehr Kontakte zwischen den Menschen in unseren beiden Ländern. Hinzukommen rege Besuchsaustausche auf höchster politischer Ebene.

Frau Merkel, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass wir in einer zunehmend unberechenbaren Welt leben. Es gibt aber stabile und reife Beziehungen zwischen China und Deutschland. Dieser stabile und reife Charakter unserer Beziehungen ist ein Zeichen dafür, dass die Welt friedlicher bleiben wird. Wir können die Zusammenarbeit fördern, und gemeinsam können wir Sicherheit erreichen. Wir sind beide gerne bereit, unseren Beitrag für Frieden und Stabilität in der Welt und in den jeweiligen Regionen zu leisten.

Wir sind uns in vielen Themenbereichen sehr einig. Wir stehen zum Beispiel beide auf der Seite des Multilateralismus und setzen uns beide für die Einhaltung internationaler Regeln ein. Was die konkreten Themen anbelangt, haben Sie, Frau Merkel, von Chinas Beitritt zur WTO und von Artikel 15 des WTO-Beitrittsprotokolls gesprochen. In diesem Zusammenhang haben Sie gesagt, dass die EU die Verpflichtungen erfüllen sollte und erfüllen wird. Unlauteren Handel gibt es auch in der EU, aber dort gilt das Prinzip der Diskriminierungsfreiheit. Das heißt, das ist nicht gegen China gerichtet. Es war ferner die Rede davon, dass die EU auch Artikel 15 erfüllen wird. Das können wir nur begrüßen.

Wenn das EU-Recht angepasst wird, dann sollte das WTO-konform geschehen. Das ist eine richtige Entscheidung. Warum? Es gibt wirklich so viele Unberechenbarkeiten in dieser Welt. Wenn wir dem begegnen wollen, gilt, dass eine bestimmte politische und wirtschaftliche Ordnung erhalten bleiben sollte. Wir sollten zu dem Konsens, den wir schon vereinbart haben, stehen. Wir müssen ständig weitere Arbeit leisten, damit unsere Welt eine bessere wird. Wir müssen immer den Blick nach vorne richten und dürfen keine Umwege oder einen Schritt zurück machen. China und Deutschland sind gerne bereit, zu noch mehr Fortschritten in der menschlichen Gesellschaft beizutragen.

Wir haben uns vor allem im bilateralen Rahmen ausgetauscht und konnten uns in vielerlei Hinsicht auf viele wichtige Punkte einigen. Wir haben eben hier - Sie waren ja dabei - über zehn Verträge abgeschlossen, aber es gibt noch viel mehr Regierungsvereinbarungen. Diese gibt es in den Bereichen "People-to-People"-Austausch, Wirtschaft, Handel, Kontakte zwischen den Menschen in unseren beiden Ländern und beiderseitige Öffnung. Man muss sagen, dass das sehr ergiebig war. Diejenigen, die bei der Unterzeichnung dabei gewesen sind, wissen das ja besser als ich. Ich will an dieser Stelle Ihre Zeit nicht noch länger in Anspruch nehmen.

Wir haben uns wirklich lange Zeit auf das Zustandekommen der heutigen Unterzeichnung dieser Vereinbarungen in der Hoffnung vorbereitet, dass wir die Beziehungen zwischen China und Deutschland noch enger gestalten können. Das gilt für die Bereiche Handel, Investitionen und Kontakte zwischen den Menschen. Es gibt in allen diesen von mir angesprochenen Bereichen eine steigende Tendenz. Natürlich verläuft das nicht ganz ohne Probleme, wir lassen uns aber immer von dem Geist der Gleichberechtigung und der Zusammenarbeit leiten.

Frau Merkel, Sie haben eben auch das Thema Elektromobilität angesprochen. Dazu von mir eine Anmerkung: Die chinesisch-deutsche Führungsspitze hat sich ja schon geeinigt, was die gemeinsame große Richtung anbelangt. Gestern Abend hatten wir ein sehr langes Gespräch darüber. Ich glaube, wir haben eine Lösung gefunden. Das heißt, wir werden an der Weiterentwicklung der E-Mobilität weiter arbeiten. Das ist die eine Seite der Dinge. Andererseits müssen wir dafür sorgen, dass wir auch günstige Rahmenbedingungen für den bestehenden Markt schaffen. Seien Sie versichert: Die chinesische Regierung wird weiter daran arbeiten, dass vor allem in China lokal hergestellte deutsche Autos gut verkauft werden.

Zu den Unternehmensanliegen: Wir haben die zuständigen Behörden schon gebeten, den Unternehmensanliegen entgegenzukommen und diese zu berücksichtigen. Ich glaube, sagen zu können, dass wir eine Lösung gefunden haben. Dadurch sind wir sicher besser in der Lage, unsere Zusammenarbeit noch breiter ausbauen zu können.

Neben der Zusammenarbeit im Automobilbereich haben wir auch über die Zusammenarbeit in der Luftfahrt - ein Beispiel ist das Flugzeug C919 - oder die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung von Luftfahrtrechten gesprochen. Unser "People-to-People"-Austausch wächst ständig und ist stabil. Das gibt mir die Zuversicht und die Überzeugung, dass beide Länder davon profitieren. Aber nicht nur wir werden davon profitieren, sondern das gilt auch für den Rest der Welt.

Wir haben auch die Zusammenarbeit auf Drittmärkten oder in dritte Staaten besprochen.

Ferner haben wir uns über internationale Themen von gemeinsamem Interesse ausgetauscht. Manches haben Sie unterstrichen, Frau Merkel. China ist ein entschlossener Befürworter des Nichtverbreitungsregimes. Wir halten ganz strikt die UN-Resolutionen ein. Das gilt für Problemfelder wie maritime Streitpunkte oder das nordkoreanische Atommanifest. Einerseits müssen wir prinzipienfest bleiben, andererseits wollen wir adäquate Lösungen finden. Schließlich braucht man diplomatische Lösungen. Nur so sind wir in der Lage, ein günstiges Klima für Frieden und Stabilität in der Region und auch in der Welt zu schaffen.

In diesem Jahr findet der G20-Gipfel auf deutschem Boden statt. Dabei können Sie sich auf die volle Unterstützung Chinas verlassen. Wir werden dafür sorgen, dass das ein Erfolg wird. Ich wünsche Ihnen, Frau Merkel, als Vorsitzende von G20 gutes Gelingen. Dann können wir ein Signal senden. Wir beide sind ja für die Wahrung von Freihandel und für Investitionserleichterungen. Im Laufe der Globalisierung sollten wir uns einerseits der Zeitströmung anpassen. Andererseits gibt es sicher Probleme, die immer wieder auftauchen. Diese muss man dann auch vernünftig angehen.

Insgesamt kann ich sagen: Wir blicken voller Optimismus in die Zukunft unserer Welt. Wir haben gestern aus dem Fenster geschaut. Die Sonne schien, und heute scheint die Sonne auch. Das wird auch morgen und übermorgen so bleiben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gerade das Thema des Investitionsabkommens zwischen China und der EU angesprochen. Sie wissen, dass Ministerpräsident Li Keqiang bald zur EU reist und sich mit der EU-Spitze trifft.

Wie schätzen Sie die Verhandlungen über dieses Investitionsschutzabkommen ein? Welche Aussichten hat Ihrer Einschätzung nach die Machbarkeitsstudie des Vertrages über die Errichtung einer Freihandelszone zwischen China und der EU?

BK'in Merkel: Ich wünsche mir, dass die Verhandlungen zum Investitionsschutzabkommen jetzt sehr schnell vorangetrieben werden. Dabei werden auf beiden Seiten noch Kompromisse notwendig sein. Wenn wir das gelöst und das Investitionsschutzabkommen fertig haben, dann messe ich der Machbarkeitsstudie für den Freihandel große Bedeutung zu und hoffe, dass daraus eines Tages auch der Beginn von Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen werden kann. Aber die Voraussetzung ist die Fertigstellung des Investitionsschutzabkommens.

MP Li Keqiang: Gestern Abend habe ich mit der Bundeskanzlerin ein sehr intensives Gespräch über die Verhandlungen über das Investitionsschutzabkommen zwischen China und der EU geführt. Wir sind zu der gemeinsamen Meinung gekommen, dass es derzeit sehr notwendig ist, diese Verhandlungen zu beschleunigen. Denn die Unterzeichnung eines solchen Investitionsschutzabkommens liegt im beiderseitigen Interesse. Es dient der gegenseitigen und gleichberechtigten Öffnung der Märkte zwischen China und der EU. Außerdem ist es außerordentlich nützlich für die Liberalisierung und Erleichterung des Handels sowie der gegenseitigen Investitionen.

China und die EU sind große gegenseitige Handelspartner. Deshalb ist die Zeit reif für die Diskussionen über das Freihandelsabkommen. Derzeit hat China schließlich schon mit mehr als 20 Ländern solche Freihandelszonen errichtet. Ich denke, wir können, auf diesen bereits bewährten Erfahrungen aufbauend, mit den größeren Volkswirtschaften Freihandelszonen errichten oder zunächst einmal solche Machbarkeitsstudien einführen. Denn wir können auch mit ganz einfachen Dingen beginnen und solche Gespräche Schritt für Schritt intensivieren. Denn das schlussendliche Ziel ist es, einen wirklich ambitionierten Vertrag über die Errichtung einer Freihandelszone abzuschließen. Mein Wunsch ist also wirklich, dass sich unsere bilateralen Investitionen und auch das Handelsvolumen zwischen China und der EU ständig vergrößern.

Frage: Herr Ministerpräsident Li, es scheint so zu sein, dass sich die USA aus dem Klimaschutz zurückziehen. Trump hat gesagt, die Chinesen benutzten den Klimaschutz, um die US-Wirtschaft zu beschädigen. Was sagen Sie dazu? China hat sich ja sehr klar zu den Klimaschutzverpflichtungen bekannt. Was heißt das konkret? Wie wollen Sie das konkret umsetzen?

Sie haben sich ja ganz klar und offen für Freihandel und gegen Protektionismus ausgesprochen. Deutsche und auch ausländische europäische Unternehmen kämpfen trotzdem immer noch mit Handelshemmnissen und Schwierigkeiten in China.

Auch eine Frage an die Kanzlerin - - -

BK'in Merkel: Nicht dass Sie sich nachher wundern: Wir müssen um elf Uhr fertig sein. Wenn Sie fair sind, dann würde ich sagen: Jeder eine. - Sie haben jetzt schon zwei Fragen an ihn gestellt. Ich meine das nicht böse; Sie können jetzt auch noch eine stellen, aber wir müssen um elf Uhr schließen.

Zusatzfrage: Ich mache es ganz kurz. Die Welt braucht China. Sie brauchen China auch bei G20. Wo müssen Sie möglicherweise Zugeständnisse machen?

MP Li Keqiang: Was das Thema des Klimaschutzes anbelangt, hat sich China in den letzten Jahren eigentlich stets dafür eingesetzt, den Klimaschutz auch weltweit voranzutreiben. China hat sich an diesem Prozess in den vergangenen Jahren aktiv beteiligt und ist in diesem Zusammenhang vielen internationalen Abkommen und Verträgen beigetreten oder hat sie unterzeichnet. Außerdem hat China als erstes Land weltweit diese internationalen Verträge in nationale Gesetze umgewandelt und durch nationale Volkskongresse gebilligt. Wir gehören auch zu den ersten Ländern, die den Vereinten Nationen ein landesspezifisches Maßnahmenpaket bei der Bewältigung der Klimaherausforderungen vorgelegt hat.

In China sagt man: Unsere Worte zählen, und unsere Taten müssen auch Erfolge haben. - Das heißt, China wird zu seiner Verantwortung stehen. China steht in dieser Frage, in der Frage des Schutzes des Klimas, nicht allein. Unsere Theoretiker und unsere Wissenschaftler in diesem Bereich finden Anschluss an die Welt und verfolgen die weltweiten Geschehnisse bezüglich des Klimaschutzes mit großer Aufmerksamkeit.

China ist auf der einen Seite ein großes Land. Deshalb steht China zu seiner internationalen Verantwortung. Das heißt, wir werden bereit sein, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft die Herausforderungen zu bewältigen und ein grünes, ein kohlenstoffemissionsarmes und ein nachhaltiges Weltwirtschaftswachstum herbeizuführen.

Auf der anderen Seite ist China auch ein Entwicklungsland. In diesem Zusammenhang leistet China auch durch die Süd-Süd-Kooperation den ganz kleinen Inselstaaten und vielen ärmsten Ländern der Welt nach Kräften finanzielle Hilfen. Wir wissen auch, dass eine Volkswirtschaft in einem bestimmten Entwicklungsstadium unbedingt auf nachhaltiges und grünes Wachstum setzen muss. Das heißt, die Bekämpfung des Klimawandels liegt auch in unserem Interesse. Das ist auch der Grund, warum wir unseren Verpflichtungen weltweit in diesem Zusammenhang stets nachzukommen versucht haben.

Unter dem Strich wird China weiterhin an seinem Versprechen im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens festhalten. Wir werden auch Schritt für Schritt und in sehr mühevoller Arbeit gemeinsam mit anderen Ländern auf das Ziel der Agenda der nachhaltigen Entwicklung 2030 hinarbeiten.

Was das Thema der Öffnung der Märkte nach außen anbelangt, hat China in den letzten 30 bis 40 Jahren stets versucht, sich weiter nach außen zu öffnen. Das ist zwar keine lange Zeit, aber dieser Öffnungsprozess dauert an. Die Tür öffnet sich weiter. Wir haben in den vergangenen 30 bis 40 Jahren der Öffnung und der Reformen erstaunliche Ergebnisse erzielt. Diese werden auch weltweit anerkannt. Vor allem haben wir durch die Öffnung nach außen und durch die Reformen gewaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen erzielt. Deshalb haben wir durchaus keinen Grund, diese Tür wieder zu schließen. Das beutet, dass dieser Prozess weiter vorangehen wird.

Zweitens ist es manchmal unvermeidlich, dass im Zuge der Öffnungen manche Reibungen und manche Probleme auftreten. Aber, ehrlich gesagt, werden einige kleine Probleme von den Medien oder von anderen Ländern einfach auch übertrieben. Ich nenne einfach zwei Zahlen: Vergangenes Jahr stiegen die deutschen Investitionen in die chinesischen Märkte um 74 Prozent. Im ersten Quartal hat das bilaterale Handelsvolumen zwischen China und Deutschland vor dem Hintergrund der schleppenden weltwirtschaftlichen Erholung ein zweistelliges Wachstum erzielt. Diese Fakten sind vor allem dank der gegenseitigen Öffnungen zustande gekommen.

Außerdem ist China gerade dabei, die Praktiken mit der Negativliste voranzutreiben. Jetzt brauchen sich ausländische Firmen nicht mehr bei den Behörden genehmigen zu lassen, sondern sie müssen sich nur noch registrieren lassen. Außerdem gibt es weiterhin einen kontinuierlichen Abbau genehmigungspflichtiger Bereiche oder von Beschränkungen für ausländische Investitionen. Zudem sind chinesische und ausländische Firmen auf dem chinesischen Markt gleichberechtigt. Sie werden gleich behandelt.

Dieser Prozess geht also, wie gesagt, kontinuierlich weiter. Ich denke, das ist für die Zukunft sehr aussichtsreich.

Wenn ich noch etwas ergänzen darf: In diesem enormen Handelsvolumen erzielt Deutschland gegenüber uns einen großen Überschuss. Wir sind damit nicht unzufrieden. Denn unsere Verbraucher haben eine größere Auswahl an Produkten, vor allem auch eine größere Auswahl an deutschen hochwertigen Produkten. Das freut uns auch sehr.

BK'in Merkel: Ich möchte erst einmal sagen, dass ich es sehr erfreulich finde, dass China zu den Verpflichtungen aus dem Klimaschutzabkommen steht. Gerade bei dem Besuch, der sich jetzt in Brüssel anschließt, wird die Kooperation der Europäischen Union mit China in diesem Bereich auch gerade im Blick auf neue Technologien eine Rolle spielen.

Was die Frage der G20-Kooperation anbelangt, so gibt es eine sehr konstruktive Zusammenarbeit, was unsere Agenda angeht - sowohl im Bereich Weltwirtschaft als auch in den Bereichen Handel, Gesundheit, Terrorismusbekämpfung, Rolle der Frauen und auch Kooperation mit Afrika. Natürlich gibt es ein hartes Ringen in einzelnen Formulierungen. Das wird bis zum letzten Tag andauern. Aber insgesamt wird die Agenda von China unterstützt. Das freut uns, weil wir ein hohes Maß an gemeinsamer Entwicklung dieser Agenda haben.

MP Li Keqiang: Eine kurze Ergänzung: Es gibt keine einseitigen Zugeständnisse zwischen China und Deutschland. Wir machen immer gegenseitig Kompromisse und diskutieren immer miteinander darüber.

BK'in Merkel: Ja, leider. Manchmal würden wir uns natürlich über einseitige Zugeständnisse freuen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, eine ganz kurze Frage: Sie haben breit auch über Sicherheitspolitik gesprochen. Nun gab es gestern einen furchtbaren Anschlag in Kabul. Sind Sie für einen Abschiebestopp deutscher Flüchtlinge und abgelehnter deutscher Asylbewerber nach Kabul? Wenn nicht, wird das aus Ihrer Sicht eine Rolle im Wahlkampf hier in Deutschland spielen?

Eine Frage an den Herrn Ministerpräsidenten: Sie haben auch die Lage in Nordkorea angesprochen. Bedeutet das Zusammenziehen von sehr viel Militär der Amerikaner in der Nähe Nordkoreas aus Ihrer Sicht eine Verschärfung der Lage in der Region? Könnten Sie dazu bitte etwas sagen? - Danke.

BK'in Merkel: Was Afghanistan anbelangt, so gab es gestern in der Tat einen Anschlag, der uns alle erschüttert und der die Grausamkeit terroristischer Aktivitäten noch einmal gezeigt hat. Wir werden natürlich alles dafür tun, um uns gegen diesen islamistischen Terrorismus zu stellen. Er ist eine weltweite Herausforderung. Deshalb wird es auch bei den Diskussionen in der G20-Präsidentschaft eine Rolle spielen.

Was die Frage der Rückführung von abgelehnten Flüchtlingen aus Deutschland nach Afghanistan anbelangt, so ist der gestrige Tag noch einmal Anlass, genau hinzuschauen, die Sicherheitslage immer wieder richtig zu analysieren, ich sage auch: Provinz für Provinz - das tut das Bundesaußenministerium auch -, sich vor allen Dingen auch auf die Flüchtlinge zu konzentrieren, die in Deutschland kriminelle Taten begangen haben, und sich jeden Einzelfall ganz genau anzuschauen. Das ist für mich die Lehre aus dem gestrigen Tag.

MP Li Keqiang: Am Anfang unseres gestrigen Gesprächs habe ich der Frau Bundeskanzlerin gesagt: Wir haben heute herrliches Wetter, aber es bestürzt uns auch, dass sich gerade ein Anschlag in Kabul ereignet hat, bei dem auch viele deutsche Diplomaten getötet oder verletzt worden sind. Wir wollen deshalb den deutschen Opfern unser tiefes Mitgefühl aussprechen. Wir verurteilen diesen Anschlag auf das Schärfste.

Terrorismus ist ein weltumspannendes Problem. Deshalb müssen alle Länder hart gegen den internationalen Terrorismus vorgehen und alle möglichen Maßnahmen ausarbeiten und ergreifen.

Afghanistan war auch Gegenstand unserer gestrigen Diskussionen. China und Deutschland wollen gemeinsam Afghanistan beim Wiederaufbau der Gesellschaft und der Wirtschaft Hilfe leisten und ihnen dabei helfen, die Sicherheitskapazitäten zu erhöhen, damit die dortige Bevölkerung in Frieden leben kann.

In der Frage des nordkoreanischen Atomprogramms vertritt China eine konsequente Position. Wir sind immer gegen jegliche Atom- und Raketentests der nordkoreanischen Führung gewesen. Wir halten auch an den UN-Resolutionen fest und wollen diese in vollem Umfang umsetzen. Als ein großer Nachbar von Nordkorea hoffen wir auch, dass diese Region immer stabil bleibt. Wir plädieren dafür, durch diplomatische Maßnahmen und Gespräche die Probleme zu lösen. Wir müssen alle Konfliktparteien dazu bewegen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und miteinander Gespräche zu führen.

In den letzten Tagen hat sich die Lage auf der koreanischen Halbinsel verschärft; das ist wahr. Aber wir appellieren an alle beteiligten Länder, ihre Verantwortung in dieser Region zu tragen und eine entsprechende Rolle zu übernehmen, damit die Lage dort deeskaliert. Als ein Entwicklungsland ist die vorrangigste Aufgabe der chinesischen Regierung, die Wirtschaft im eigenen Land aufzubauen und weiterzuentwickeln. Dazu brauchen wir sicherlich auch ein sicheres Umfeld. China und Deutschland arbeiten eng in Bezug auf internationale Themen zusammen, so zum Beispiel beim iranischen Nukleardossier und beim Istanbuler Prozess. Ich bin sicher, dass sich durch eine internationale Zusammenarbeit in diesen Krisenherden der Frieden wieder herstellen lässt. Wir befinden uns in einer Zeit internationaler Zusammenarbeit.

Donnerstag, 1. Juni 2017

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Ministerpräsidenten des
Staatsrates der Volksrepublik China, Li Keqiang, am 1. Juni 2016 in Berlin
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/06/2017-06-01-pk-merkel-li-keqiang.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2017

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