Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


PRESSEKONFERENZ/1630: Kanzlerin Merkel und der schwedische Ministerpräsident Löfven, 16.03.18 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Freitag, 16. März 2018
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem schwedischen Ministerpräsidenten Löfven

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute wieder einmal Stefan Löfven, den schwedischen Ministerpräsidenten, ganz herzlich bei uns in Berlin begrüßen darf. Wir haben natürlich darüber gesprochen, dass unsere beiden Länder freundschaftlich verbunden sind und wir enge bilaterale Beziehungen haben. Aber sie waren nicht breiter Gegenstand unserer Diskussionen, weil wir keinerlei Probleme zu gewärtigen haben. Deshalb haben wir sehr viel über europäische und globale Herausforderungen gesprochen.

Dazu gehörte zum einen das Thema der Vorbereitung des nächsten Europäischen Rates. Hier geht es auf der einen Seite um ökonomische Fragen. Wir sind sehr froh, dass beide Länder eine sehr gute Wachstumsphase haben, dass in beiden Ländern auch die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Deshalb wollen wir alles tun, auch durch Stärkung des digitalen Binnenmarktes, um diese wirtschaftliche Wachstumsphase möglichst lange zu erhalten.

In dem Zusammenhang haben wir auch über die Herausforderungen bezüglich des freien globalen Handels gesprochen. Wir sind zwei Länder, die auf Multilateralismus setzen und deshalb die WTO in einer starken Rolle sehen wollen. Wir glauben, dass die jetzt in Aussicht gestellten Zölle durch die Vereinigten Staaten von Amerika diesen Grundsätzen der WTO widersprechen und wollen diese Probleme, wo möglich, durch Gespräche verändern oder lösen. Die Kommissarin hat hier unsere uneingeschränkte Unterstützung. Aber wir werden dieses Thema sicherlich auch in der nächsten Woche beim Europäischen Rat aufrufen.

Deutschland und Schweden haben ähnliche Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Thema der Migration. Schweden hat sehr viele Flüchtlinge aufgenommen. 2015 waren es in Schweden pro Kopf mehr als in Deutschland. Wir haben dann auch gemeinsam für das EU-Türkei-Abkommen gearbeitet. Wir haben eine ähnliche Herangehensweise, nämlich diejenigen, die einen Aufenthaltsstatus bei uns haben, möglichst schnell zu integrieren, auch in den Arbeitsmarkt. Darüber haben wir uns ausgetauscht. Darüber werden wir in Zukunft weiter sprechen. Diejenigen, die kein Aufenthaltsrecht haben, gilt es natürlich wieder in ihre Heimat zurückzuführen. Auch hier können wir gut zusammenarbeiten. Denn wir haben hier mit einigen Herkunftsländern immer noch Probleme zu lösen. Wir setzen darauf, dass bis zum Juni ein gemeinsames europäisches Asylsystem verhandelt und verabschiedet werden kann und werden diese Erwartung auch nächste Woche beim Europäischen Rat deutlich machen.

Wir haben uns dann mit dem mehrjährigen Finanzrahmen beschäftigt. Das ist eine große Herausforderung. Schweden und Deutschland sind Nettozahler, und so werden wir auch versuchen, gemeinsam eine Repriorisierung vorzunehmen, also neue Schwerpunkte für europäische Aufgaben in den Mittelpunkt zu stellen und hier auch gemeinsam zu verhandeln.

Natürlich war ein Thema auch die Westbalkanstrategie. Hier setzen wir darauf, dass die Staaten des westlichen Balkans eine Beitrittsperspektive haben, aber sie auf der Grundlage der Erfüllung von Bedingungen erfolgt. Wir wollen alles tun, damit diese Staaten diese Beitrittsperspektive möglichst schnell realisieren können. Wir sind auch sehr gut abgestimmt, was die Verhandlungen mit Großbritannien bezüglich des Austritts Großbritanniens anbelangt und möchten auch in der Zukunft eine enge Partnerschaft zwischen der Europäischen Union der 27 Mitgliedstaaten und dem Königreich Großbritannien.

Alles in allem war es heute ein sehr harmonisches, aber wichtiges Gespräch für die Vorbereitung des Europäischen Rates und für die Stärkung unserer bilateralen Beziehungen. Noch einmal herzlich willkommen hier in Berlin.

MP Löfven: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin, für die Einladung, hierher kommen zu dürfen. Ich bin der erste internationale Gast nach Ihrer Wiederwahl. Das ehrt mich, und es erfüllt mich auch mit Stolz und Freude.

Wir haben sehr gute Beziehungen. Das hat sich hier bestätigt. Wir wollen weiterhin unsere Beziehungen ausbauen und weiterentwickeln. Deutschland ist ein sehr wichtiger Partner für Schweden. Insbesondere gilt das auch bei der Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union. Da möchte ich mich direkt auf Angela Merkel beziehen. Ich weiß wirklich ihre Führungsrolle in der Europäischen Union zu schätzen und auch die gute Arbeit, die wir hier gemeinsam geleistet haben.

Ich möchte mich auch für ein sehr ergiebiges und gutes Gespräch heute bedanken. Vor allem haben wir über die großen Europafragen gesprochen, die auf der Tagesordnung stehen. Es ist unserer Meinung nach wichtig, dass wir eine starke Europäische Union haben, auch jetzt im Lichte der Herausforderung, die wir sehen. Wir müssen stark sein, was Stabilität und Wachstum, aber auch Sicherheit anbelangt. Insbesondere gilt das auch für mehr Arbeitsplätze. Es gibt nach wie vor zu viele Menschen, die arbeitslos sind. Insbesondere gilt das für die Jugend. Es ist aber auch wichtig, dass wir eine starke EU haben, die sich für die Werte und die Wertvorstellungen einsetzt, auf die die Zusammenarbeit basiert.

Eine Frage, die natürlich auch diskutiert wurde - das hat die Bundeskanzlerin ja auch erwähnt -, war die Migration. Hier ist bereits sehr viel erfolgt, was die Stärkung der Außengrenzen anbelangt - dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb der Europäischen Union, also Drittstaaten, zum Beispiel afrikanische Länder -, um hier eine bessere Entwicklung zu erzielen.

Aber wir müssen auch ein internes System erhalten, das wirklich funktioniert, eine harmonisierte Gesetzgebung und eine Umsetzung innerhalb der Europäischen Union.

Ganz grundsätzlich müssen hier alle Länder Verantwortung übernehmen und Menschen helfen, die auf der Flucht sind. Sie müssen sie entgegennehmen und nicht nur einige wenige. Hier muss also die europäische Zusammenarbeit funktionieren. Wenn das nicht funktioniert, dann ist das auch schädlich für die europäische Zusammenarbeit. Daran muss man denken.

Wir haben über die kommenden Verhandlungen diskutiert, was den Langzeithaushalt anbelangt. Nächste Woche haben wir eine Ratstagung. Da wird auch der Brexit ein Punkt sein, und die Handelsfragen werden ein großer Punkt auf der Tagesordnung sein.

Es ist beunruhigend und sehr bedauerlich, dass die USA beschlossen haben, erhöhte Zölle für Stahl einzuführen. Die Europäische Union muss hier reagieren. Das ist unvermeidbar. Wir 27 beziehungsweise 28 müssen hier zusammenhalten. Wir müssen Wege finden um voranzukommen, ohne dass das in einen echten Handelskrieg eskaliert, der dann die Situation nur verschlimmert. Wenn wir uns hier nicht für den freien Handel einsetzen, dann wird das für alle Länder sehr teuer und kostspielig sein. Das wird zu Kosten führen, die keiner von uns haben möchte. Wir müssen also so agieren, dass wir uns nicht selber in einen Handelskrieg bringen.

Natürlich sind wir sehr besorgt über die Entwicklungen in England, also diese Giftgasattacke, die in Großbritannien erfolgt ist. Alle Anwendungen von chemischen Waffen sind völlig inakzeptabel. Wir stellen uns voll und ganz hinter die britische Forderung, dass Russland erklären muss, wie dieses Nervengift in Großbritannien als Mordversuch eingesetzt werden konnte.

Wir haben auch kurz über die koreanische Halbinsel und den Prozess gesprochen, der dort abläuft.

Schlussendlich: Wir haben gute Beziehungen. Wir wollen diese Zusammenarbeit weiter fortsetzen, die wir bereits in Stockholm eingeleitet haben, als die Bundeskanzlerin im letzten Jahr zu Besuch war, nämlich Innovation und Digitalisierung. Da wollen wir zusammenarbeiten. Diese Fragen sind sehr wichtig für uns, für eine nachhaltige Wirtschaft und für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften.

Nochmals vielen herzlichen Dank für diese guten Diskussionen und die guten Beziehungen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin und Herr Ministerpräsident, eine Frage vom schwedischen Fernsehen an Sie beide. Der Widerstand in Osteuropa bleibt ja stark gegen verpflichtende Asylquoten. Glauben Sie beide, dass es immer noch möglich ist, diese Staaten zu überzeugen? Welche Möglichkeiten bietet der mehrjährige Finanzrahmen der EU, um Druck auszuüben?

BK'in Merkel: Wir wollen ein gemeinsames europäisches Asylsystem, zu dem natürlich auch eine faire Lastenteilung gehört. Wir wollen jetzt gar nicht über Druck arbeiten, sondern eher über Überzeugung. Wenn man einmal die Situation in Italien nimmt, dann muss man ja sehen: Italien ist durch die Migration und die illegale Migration, vorrangig aus Libyen, sehr gefordert. Das Problem, das Italien hat, ist rein darauf zurückzuführen, dass es geographisch am nächsten zu Libyen liegt. Ich finde, wenn wir miteinander Solidarität zeigen, dann müssen wir auch einem Land wie Italien in einer solchen Situation helfen. Diese Hilfe muss von allen angeboten werden. Wie das nachher im Detail ausformuliert werden kann und wie wir ein faires "burden sharing" machen - das bedeutet ja nicht, dass jeder die gleiche Aufgabe hat -, das müssen wir miteinander besprechen. Aber ich war sehr froh, auch von Stefan Löfven zu hören, dass die Zeit jetzt drängt. Wir müssen bis Juni versuchen, hier ein vernünftiges und in sich geschlossenes System zu verhandeln.

MP Löfven: Wir brauchen ein System, an dem alle mitwirken. Das ist ja etwas, was uns alle angeht. Das ist ja auch offensichtlich. Natürlich geht es auch um die Ganzheit. Es geht da nicht nur um die Verteilung der Flüchtlinge, die nach Europa kommen. Wir müssen ein gesamtes Paket sehen, eine Strategie der EU. Wir müssen also dafür sorgen, dass wir die entsprechende Unterstützung in unserer Umwelt haben. Wir haben auch eine Zusammenarbeit mit der Türkei, dann eine Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern. Das dämpft ja die Situation ein bisschen, dass nicht mehr so viele Menschen über das Mittelmeer zu uns kommen. Da haben wir unsere Außengrenze.

Der zweite Punkt: Das muss funktionieren. Wir wissen, dass diese Außengrenzen eben gut geschützt sein müssen.

Dann haben wir den dritten Punkt. Es geht um die interne Lösung. Wie wollen wir diese Menschen verteilen, die zu uns kommen? Dann meine ich: Alle müssen ihren Beitrag leisten. Ich höre da immer "mehr Kompromissbereitschaft". Schlussendlich: Alle Parteien müssen bereit sein, an diesem Kompromiss mitzuwirken. Das ist sehr wichtig für die Europäische Union als Ganzes.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie beide haben es angesprochen. Es ist auch über Nordkorea gesprochen worden. Frau Bundeskanzlerin, sehen Sie eine Rolle Deutschlands oder der EU im Zusammenhang mit dem Vermittlungsangebot Schwedens, in Nordkorea zu vermitteln?

Herr Löfven, Sie haben heute Morgen den nordkoreanischen Außenminister getroffen. Können Sie ein paar Details verraten? Ging es da vielleicht auch schon über Zeitpläne oder Pläne, wo man sich treffen könnte? Und haben Sie Unterstützung durch die USA?

BK'in Merkel: Ich freue mich über alle Gesprächskanäle, die es gibt, gerade auch, wenn das durch Schweden der Fall ist. Denn wir wollen natürlich alle eine Lösung, die durch Gespräche ermöglicht wird. Ich glaube, auch die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft bei der Reaktion auf das nordkoreanische Nuklearprogramm war wichtig.

Jetzt kann der schwedische Ministerpräsident, wenn er schon neben mir steht, besser über die Rolle Schwedens sprechen als ich. Ich freue mich natürlich, wenn Schweden eine Rolle spielt.

MP Löfven: Wie gesagt, ganz kurz: Der nordkoreanische Außenminister hält sich zurzeit in Schweden auf und spricht mit der schwedischen Außenministerin, Margot Wallström. Ich selber habe den Außenminister heute Morgen ganz kurz gesprochen, bevor ich hierher gefahren bin. Wir haben die ganze Zeit gesagt, dass wir gerne als Vermittler auftreten wollen und den Prozess irgendwie erleichtern wollen. Hauptakteure sind natürlich Nordkorea, Südkorea, USA, China und Japan, denn die haben ja starke Interessen in dieser Frage; die Substanz muss also zwischen diesen Ländern verhandelt werden. Wenn wir hier aber sozusagen als Ermöglicher, als "facilitator", auftreten können, damit dabei etwas herauskommt, dann werden wir das natürlich machen; denn es ist ja sehr wichtig - sowohl für diesen Teil der Welt als auch für uns alle -, dass das nicht noch weiter eskaliert, sondern wir hier eine gewisse Sicherheit für uns alle schaffen können.

Frage: Zum Langzeithaushalt der Europäischen Union: Wird es in der Zukunft so sein, dass Schweden und Deutschland mehr einzahlen müssen? Sehen Sie die Gefahr, dass die Unterstützung der Europäischen Union in der Bevölkerung dann zurückgeht?

Herr Löfven, wie sehen Sie das? Sie haben jetzt ja einen Bundesverwandten verloren, wenn es darum geht, die Kosten niedrig zu halten.

BK'in Merkel: Wir haben in unserer Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung gesagt, dass wir bereit wären, etwas mehr in den Haushalt zu zahlen. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass dort alle Wunschvorstellungen erfüllt werden können. Wir haben verabredet, dass die Nettozahler - und Schweden und Deutschland sind Nettozahler -, aber auch die anderen sehr eng zusammenarbeiten werden.

Deutschland bekommt auch sehr viel Geld für die Entwicklung der neuen Länder, die ja letztlich eine Situation haben, die der Situation Osteuropas sehr ähnelt. Das unterscheidet unsere Situation noch einmal ein wenig von der schwedischen, aber die Nettozahler werden sich trotzdem sehr eng absprechen.

Die Frage ist dann ja auch: Wofür wird das Geld ausgegeben? Auch das ist eine wichtige Sache. Wir wollen die Prioritäten richtig abgebildet haben. Wir haben neue Aufgaben. Der Ministerpräsident hat eben über den Schutz der Außengrenze und über die Bekämpfung von Fluchtursachen durch Entwicklungspolitik in Afrika gesprochen: Das sind Schwerpunkte. Natürlich wird man dann in Abhängigkeit von diesen Schwerpunkten - Sind die richtig gewählt, können wir dadurch vielleicht auch europäische Aktivitäten entfalten, die wir sonst national alleine unternehmen müssten? - entscheiden, wie wir die Haushaltsverhandlungen genau führen werden. Die Kommission wird ja im Mai ihren Vorschlag machen. Dann müssen wir auf die Strukturfondsverordnung warten, damit wir überhaupt erkennen: Was bedeutet das für welches Land? Dann werden wir miteinander darüber reden, wie sich das darstellt, und werden dazu auch in sehr engem Kontakt bleiben.

MP Löfven: Es geht ja darum, wie das endgültige Ergebnis dann aussehen wird, und dieses Ergebnis soll gut sein. Es gibt sehr viele Komponenten, die da einwirken, und das muss diskutiert werden.

Wir haben aber klar und deutlich gesagt: Wir können es nicht akzeptieren, dass die gesamten Reformbemühungen Schwedens dann sozusagen in diese EU-Abgaben eingehen. Wir haben hier eine Botschaft an das schwedische Volk: Wir schaffen unser Wohlfahrtsystem, wir wollen das ausbauen. Wir haben das stärkste Schutz- und Sicherheitsprogramm, und da können wir es nicht so handhaben, dass die Gelder dann stattdessen in die EU fließen.

Es gibt natürlich auch Möglichkeiten, die Prioritäten hier anders zu setzen. Wir haben in Bratislava und in Rom auch klar und deutlich diskutiert, wie die Prioritäten aussehen werden. Wenn man einige Sachen mit einer größeren Priorität versieht, muss man andere Prioritäten etwas herabsenken; man kann nicht einfach alles gleich hoch priorisieren und dann immer mehr einzahlen. Es geht dann also um die Strukturfonds und die Beihilfen, und dann haben wir die Agrarpolitik. Da kann der Eigenanteil an Finanzierung der einzelnen Länder also ansteigen. Das haben wir auch diskutiert.

Schlussendlich müssen wir ja sehen, wie das dann in der Gesamtheit aussieht, also auch für Schweden. Es gibt vielleicht auch Komponenten in dieser Diskussion, die wir jetzt noch nicht kennen und die dann im Laufe der Gespräche auftauchen. Wir sind da also offen, aber die Grenze, die "bottom line" ist sozusagen, dass wir dann nicht unsere ganzen Reformen aufgrund der erhöhten Beiträge aufgeben werden.

Frage: Eine Frage sowohl an den Ministerpräsidenten als auch an die Bundeskanzlerin zum Thema Russland: Glauben Sie, dass der Europäische Rat und damit alle EU-Länder die Erklärung der vier großen westlichen Staaten zu Russland, die ja sehr hart war, unterstützen und auch zu Sanktionen bereit sind, die vielleicht bis zu einem Boykott der Fußball-WM in Russland gehen können?

Aus aktuellem Anlass noch eine weitere Frage an Sie beide: Glauben Sie eigentlich, dass der Islam zu Deutschland und zu Schweden gehört?

BK'in Merkel: Ich fange einmal mit dem Zweiten an. Ich will da gern das wiederholen, was ich schon des Öfteren gesagt habe: Die Prägung unseres Landes ist sehr stark durch das Christentum erfolgt und erfolgt auch heute durch das Christentum; es ist eine jüdische Prägung. Inzwischen leben aber vier Millionen Muslime in Deutschland, und sie üben hier auch ihre Religion aus. Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam. Wir wollen natürlich einen Islam, der auf der Grundlage des Grundgesetzes basiert und grundgesetzkonform ist, und das habe ich auch des Öfteren schon deutlich gemacht. Ich denke, wir müssen alles tun, um das Zusammenleben zwischen den Religionen gut zu gestalten. Deshalb ist die Islamkonferenz dabei ein sehr wichtiges Instrument.

Zu Russland: Wir haben hier eine sehr einheitliche Meinung. Wir werden das Thema sicherlich auch auf dem Europäischen Rat besprechen. Es geht jetzt aber nicht um den Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft, sondern es geht jetzt erst einmal darum, dass Aufklärung geschieht. Ich finde es sehr gut, dass die britische Regierung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen die Substanzen zur Verfügung stellt, und ich kann nur hoffen, dass sich auch Russland an dieser Aufklärung beteiligt. Ansonsten haben wir gestern deutlich gemacht, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Spuren nach Russland gehen und dass deshalb dieses Vorgehen sehr scharf zu verurteilen ist. Den Diskussionen auf dem Europäischen Rat kann ich nicht vorgreifen, aber Deutschland steht zu der Stellungnahme, die wir gestern abgegeben haben.

MP Löfven: Für Schweden ist es wichtig, dass wir die Regierung Großbritanniens voll und ganz unterstützen und dass wir auch die starke Verurteilung dieses Nervengasangriffs durch Deutschland, Frankreich und die USA unterstützen. Russland muss sich jetzt erklären und auf diese Fragen antworten. Das ist ja ein versuchter Mord mit Nervengas in Großbritannien gewesen, und mit aller Wahrscheinlichkeit war es eben Russland, das hier einbezogen war. Das muss natürlich nächste Woche diskutiert werden. Am Montag nächster Woche werden auch unsere Außenminister tagen, und dabei wird dieses Thema sicherlich auch angesprochen. Auf Spekulationen über Sanktionen möchte ich jetzt nicht eingehen, dazu ist jetzt nicht der Zeitpunkt. Die Diskussionen werden wir nächste Woche aber sicherlich fortsetzen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es leben ja auch Muslime in Schweden, die natürlich dem Islam angehören. Natürlich wollen wir keine extremen Islamisten haben, das verurteilen wir alle; aber alle Menschen haben eine freie Wahl der Religion, seine Religion kann man ja als Einzelner selber wählen, und das gilt für alle. Natürlich müssen sich dann auch alle an der Gesellschaft und an dem Stil, an den wir glauben, orientieren, aber es gibt natürlich auch Menschen, die an gar nichts glauben, das ist ja auch in Ordnung. Es ist also wirklich die Aufgabe jedes Einzelnen, seinen Glauben zu wählen.

Freitag, 16. März 2018

*

Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem schwedischen
Ministerpräsidenten Löfven in Berlin am 16. März 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/03/2018-03-16-pk-merkel-loefven.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang