Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


PRESSEKONFERENZ/1669: Kanzlerin Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin, 18.05.2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Sotschi - Freitag, 18. Mai 2018
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


P Putin: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren! Ich danke Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, dass sie unserer Einladung gefolgt und nach Sotschi zu einem Arbeitsbesuch gereist ist. Wir haben einiges zu besprechen.

Wir haben den ersten Teil der Gespräche stattfinden lassen. Nach der Pressekonferenz werden wir diese Besprechung im größeren Format fortsetzen. Mittlerweile haben wir uns über bilaterale Kooperationsfragen ausgetauscht. Es ging um die Kooperation im politischen Handel, zum wirtschaftlichen, kulturellen und humanitären Bereich. Außerdem haben wir über drängende internationale Fragen gesprochen. Es ist wichtig, dass trotz der schwierigen außenpolitischen Konjunktur, trotz der bestehenden Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf einige internationale Probleme Russland und Deutschland es für sinnvoll halten, in einem regelmäßigen Austausch zu bleiben. Die russische Seite ist bereit, mit deutschen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten im Sinne des gegenseitigen Vorteils und mit Blick auf die Interessen des russischen und des deutschen Volkes.

Deutschland gehört zu den wichtigen Handelspartnern Russlands und Deutschlands. Es rangiert auf Platz zwei nach der chinesischen Volksrepublik. In dem vergangenen Jahr ist der bilaterale Handel um 23 Prozent angewachsen. Im Januar und Februar 2018 ist der bilaterale Handel um weitere 13 Prozent angewachsen. Die Investitionszusammenarbeit wird auch stärker. Die russischen Investitionen in der deutschen Wirtschaft belaufen sich mittlerweile auf über 8 Milliarden US-Dollar, und die deutschen Kapitalanlagen in Russland machen über 18 Milliarden US-Dollar aus. Das sind fast 5 Prozent der direkten Auslandsinvestitionen der russischen Wirtschaft.

In Russland gibt es fast 5.000 deutsche Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von mehr als 50 Milliarden US-Dollar. Sie beschäftigen circa 270.000 Personen. In Deutschland sind circa 1.500 Firmen mit russischem Kapital aktiv. Wir sind der Meinung, dass Regierungen beider Länder auch in der Zukunft dazu beitragen müssen, dass die Handelsindustrie und technologische Kooperation sich intensiv weiter entwickeln. Die Energiewirtschaft gehört zu den wichtigen Bereichen unserer Partnerschaft. Wir haben über die gesamte Palette der Zusammenarbeit in diesem Bereich gesprochen. Insbesondere haben wir auch über Infrastrukturprojekte gesprochen einschließlich Nord Stream 2.

Ich möchte Sie darauf hinweisen und deutlich machen, dass wir dieses Projekt stets als ein rein wirtschaftliches Projekt angesehen haben. Dieses Projekt haben wir stets als etwas gesehen, wo unsere Unternehmen im Einsatz waren. Stets haben wir dieses Projekt außerhalb jeglicher politischer Prozesse betrachtet.

Nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 wollen wir nicht den Transit des russischen Gases über die Ukraine einstellen. Darüber habe ich mit Frau Bundeskanzlerin heute auch gesprochen. Sie hat diese Frage auch in den Raum gestellt. Ich möchte deutlich machen: Die Lieferungen werden fortgesetzt, sollten sie für die wirtschaftlichen Akteure wirtschaftlich sinnvoll und zielführend sein.

Ich möchte außerdem deutlich machen, dass Russland und Deutschland im humanitären und kulturellen Bereich weiter zusammenarbeiten. In diesem Jahr soll das Jahr für Kommunal- und Städtepartnerschaften abgeschlossen werden. Man bereitet auch das Wissenschaftsjahr vor. Außerdem will man ein groß angelegtes Konzertprogramm "russische Saison 2019" stattfinden lassen. Unsere Zivilgesellschaften kooperieren weiter aktiv im Rahmen des Petersburger Dialoges, der Potsdamer Begegnungen und des Deutsch-Russischen Forums.

Zusammen mit Frau Bundeskanzlerin habe ich auch eingehend über wichtige internationale Fragen gesprochen. Vor allem haben wir uns darüber ausgetauscht, wie es um den gemeinsamen umfassenden Aktionsplan zum iranischen Nuklearprogramm bestellt ist, nachdem die USA einseitig daraus ausgestiegen sind. Wir hatten uns ja auch darüber ausgetauscht, wie die Situation im Nahen Osten ist. Sie hat sich (zugespitzt).

Wir haben auch über das Problem der syrischen Krise gesprochen. Wir haben festgestellt, dass wir einen gemeinsamen Beitrag zum politischen Prozess auf der Genfer Plattform und in Astana zu leisten haben. Wir wollen auch der syrischen Bevölkerung vor Ort humanitäre Hilfe zukommen lassen. Wir registrieren die Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland darum, den wirtschaftlichen Aufbau in diesem Land zu betreiben. Es ist wichtig, dass jegliche Hilfe nach Rücksprache mit der legitimen Regierung geleistet wird.

Wir haben auch über die Lage in der Ukraine gesprochen. Wir waren uns einig, dass die Minsker Vereinbarungen eine alternativlose Grundlage für eine Lösung bleiben. Natürlich werden wir uns weiterhin darum bemühen, dass das Normandie-Format aktiv bleibt. Wir werden dazu beitragen, dass die Kontaktgruppe in Minsk auch ergebnisorientiert weiterarbeitet. Wir wollen unsere außenpolitischen Ämter anweisen, noch einmal das Thema der VN-Mission zu prüfen, die die Aufgabe haben wird, den Schutz der OSZE-Beobachter zu gewährleisten.

Abschließend möchte ich noch einmal, Frau Bundeskanzlerin, von Herzen dafür danken, dass wir einen offenen Meinungsaustausch pflegen konnten, der durchaus rechtzeitig und sinnvoll war. Danke schön.

BK'in Merkel: Ich möchte mich auch bedanken, dass ich heute hier sein kann und diese Gespräche führen kann. Wir waren im vorigen Jahr um etwa diese Zeit auch hier, als es um die Vorbereitung des G20-Gipfels ging, bei dem wir ja auch gut und eng zusammengearbeitet haben.

Wir haben die Themen der bilateralen Zusammenarbeit behandelt. Hier gibt es sowohl wirtschaftliche Beziehungen als auch die vom Präsidenten schon genannten Aktivitäten, wie zum Beispiel den Petersburger Dialog.

Ich habe von meiner Seite darauf hingewiesen, dass Fragen der Pressefreiheit von entscheidender Bedeutung sind - in speziellen Fällen habe ich darum gebeten, die Dinge noch einmal zu betrachten - und genauso auch der kulturellen Freiheit.

Wir freuen uns, wenn es Aktivitäten russischer Kulturinstitutionen gibt, zum Beispiel Konzerte. Aber auch das Wissenschaftsjahr wird für die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft wichtig sein. Das unterstützen wir.

Wir pflegen miteinander einen regelmäßigen und offenen Austausch, in dem auch unterschiedliche Positionen dargestellt werden können.

Das Thema Ukraine war natürlich ein zentrales Thema im Gespräch. Auch ich weiß, dass wir das Minsker Abkommen haben und dass dieses Minsker Abkommen die einzige Grundlage ist, auf der wir arbeiten können. Leider hat es heute Nacht auch wieder schwere Verletzungen des Waffenstillstandes gegeben. Deshalb ist der Gedanke einer UN-Truppe einer, den wir weiter verfolgen sollten. Darüber stimmen wir auch überein. Die Außenminister könnten und sollten daran aus meiner Sicht auch weiter arbeiten. Das wäre ein guter Erfolg zu einer Stabilisierung der Lage, um dann auch die politischen Schritte durchzusetzen, die ja in Minsk vereinbart wurden.

In dem Zusammenhang haben wir auch über die Rolle gesprochen, die der Gas-Transit für die Ukraine hat. Unsere Überzeugung von deutscher Seite - dazu hat ja auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier in dieser Woche Gespräche geführt - ist, dass auch nach dem Bau von Nord Stream 2 die Transitrolle der Ukraine weiter bestehen muss. Das ist von strategischer Bedeutung. Deutschland ist auch bereit, sich hier zu engagieren und die Möglichkeiten und die Grundlagen dafür mit zu befördern.

Auch wir sehen Nord Stream 2 als ein wirtschaftliches Projekt. Aber es hat eben auch Implikationen, und deshalb geht es auch um die Frage, welche Garantien in dem Zusammenhang für die Ukraine gegeben werden.

Wir haben sehr intensiv über die Situation in Syrien gesprochen. Hier ist der von den Vereinten Nationen gesteuerte Prozess aus meiner Sicht die Möglichkeit, an der wir arbeiten müssen. Es gibt die sogenannte Astana-Gruppe. Es gibt die sogenannte "Small Group". Es geht jetzt darum, in den nächsten Schritten eine gemeinsame Agenda zu haben, die dann in den jeweiligen Gruppen auch behandelt werden kann. Wir unterstützen aus voller Kraft, soweit wir das können, die Arbeit des UN-Sonderbeauftragten, von Herrn de Mistura.

Die Lage hat sich durch den Austritt der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Iran-Abkommen noch einmal verkompliziert. Deutschland, Großbritannien, Frankreich und all unsere Kollegen in der Europäischen Union stützen dieses Abkommen weiterhin. Wir bleiben in diesem Abkommen. Wir wissen trotzdem, dass dadurch eine sehr spezifische Situation entstanden ist, in der wir ja auch von europäischer Seite aus mit dem Iran sprechen. Ich glaube, es ist ein Abkommen, das alles andere als vollkommen ist, aber es ist besser, als kein Abkommen zu haben. Aber es gibt Themen, über die mit dem Iran darüber hinaus gesprochen werden muss - darüber gibt es auch breite Einigkeit zwischen uns und den Vereinigten Staaten von Amerika -, zum Beispiel das ballistische Raketenprogramm, aber zum Beispiel auch die Frage, wie es weitergeht, wenn Teile des Iran-Abkommens auslaufen.

Insgesamt ist die Situation in der Region um Syrien herum natürlich sehr angespannt, und deshalb muss alles unternommen werden, um möglichst viele politische Gespräch zu führen, die schrittweise zu einer Lösung führen können. Es wäre jetzt gut, wenn das, was einmal in Sotschi vereinbart wurde, nämlich dass ein Verfassungsprozess in Gang kommt, jetzt auch durch die Benennung von Vertretern untermauert werden könnte; denn dann wäre ein Element dessen, was Herr de Mistura auch anstrebt, damit erreicht.

Insgesamt waren es wichtige Gespräche. Ich denke, diese großen Probleme kann man nur lösen, wenn man auch über Themen, in denen man unterschiedlicher Meinung ist, intensiv spricht und indem man auch versucht, die Analyse zu klären und sie gleich zu machen beziehungsweise sozusagen wenigstens die Fakten gemeinsam auf den Tisch zu legen und zu versuchen, daraus Lösungswege zu erarbeiten. In diesem Sinne war das sehr wichtig, und ich freue mich, das Gespräch dann nachher noch weiter fortzusetzen.

Frage: Ich habe eine Frage an die Bundeskanzlerin: Würden Sie sagen, dass wir angesichts der Schwierigkeiten, die viele Europäer im Moment mit US-Präsident Trump und seinem eher als unilateral empfundenen Vorgehen haben, vor einer Renaissance des deutsch-russischen Verhältnisses stehen?

Herr Präsident, es gibt Klagen deutscher und europäischer Firmen darüber, dass das russische Parlament ein Gesetz vorbereitet, das ausländische Firmen auffordert, sich nicht an US-Sanktionen gegen Russland zu beteiligen, und Ihnen da auch mit Strafen droht. Unterminiert das nicht Ihren Versuch, ausländische und auch deutsche Investitionen in Russland weiter zu fördern? Warum glauben Sie, dass dieses Gesetz sinnvoll sei?

BK'in Merkel: Wir haben eine feste transatlantische Freundschaft, die auch schon immer in der Geschichte Fragen unterschiedlicher Meinungen aushalten musste, und ich glaube, das kann auch jetzt so sein. Aber das stellt ja die Intensität der transatlantischen Beziehungen nicht infrage.

Wir haben ein strategisches Interesse daran, gute Beziehungen zu Russland zu haben. Ich habe mich auch in den schwierigsten Zeiten dafür eingesetzt, dass zum Beispiel der Nato-Russland-Dialog fortgesetzt wird und dass es auch seitens der EU immer wieder Kontakte gibt. Ich halte das Miteinander-Reden für absolut wichtig. Unsere Zivilgesellschaften haben viele, viele Verbindungen, und auch diese Zusammenarbeit, die deutsch-russische Zusammenarbeit, muss sehr schwerer Differenzen aushalten, manchmal auch sehr grundsätzliche.

Aber ich sage noch einmal: Wenn man Probleme lösen will, dann muss man miteinander reden. Es gibt auch Themen, bei denen wir durchaus einer Meinung sind, und das ist ja dann bei den vielen Fragen, in denen wir nicht einer Meinung sind, auch gut. Deshalb ist mein Ansatz in diesen Zeiten, in denen viel übereinander geredet wird, dass man alle Möglichkeiten ausloten sollte, miteinander zu reden, und damit ist dies heute wieder ein Baustein in einer, glaube ich, sehr wichtigen Zeit. Insofern ist der Termin vielleicht nicht schlecht gewählt.

P Putin: Wenn Sie mir gestatten, würde ich auch mit der Beantwortung des ersten Teils Ihrer Frage anfangen. Ich glaube, es besteht keine Notwendigkeit, die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland in einen Zusammenhang mit unseren Beziehungen zu Drittstaaten zu setzen. Ich habe bereits gesagt, dass Deutschland zu den wichtigsten Handels- und Wirtschaftspartnern Russlands gehört. Unser Handel lag vor einigen Jahren bei ca. 80 Milliarden US-Dollar. Gott sei Dank, nimmt dieser Handel mittlerweile zu. Er liegt bei ca. 50 Milliarden US-Dollar. Hunderttausende Arbeitsplätze hängen an unserer Zusammenarbeit, sowohl in Russland als auch in der Bundesrepublik. Das sind Hunderttausende Arbeitsplätze! Mittlerweile haben wir angefangen, mehr deutsche Waren einzukaufen. Das ist doch auch eine Unterstützung für die Arbeitsplätze in Deutschland. Es gibt tausende gemeinsame Kooperationsprojekte, gemeinsame Unternehmen. Das ist ein großer Faktor, der das Leben der Deutschen und der Russen beeinflusst.

Selbst in schwierigsten Zeiten haben wir den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Das Leben geht ja weiter. Es entstehen neue Möglichkeiten. Alte Probleme können nicht gelöst werden, wenn man keinen Dialog miteinander führt; ich glaube, das liegt für alle auf der Hand. Deshalb bin ich der Meinung, dass die deutsch-russischen Beziehungen eine Eigendynamik und eine eigene Bedeutung haben.

Was dieses Gesetz anbelangt, das jetzt in der Staatsduma erörtert wird, so möchte ich Ihnen zustimmen: Natürlich muss dieses Gesetz ausgewogen formuliert sein. Aber Parlamentsabgeordnete in unserem Land und in Ihrem Land gehen manchmal von emotionellen Überlegungen aus, obwohl das Vorhandensein dieses Gesetzes auch außer Frage steht. In Europa gibt es dieses Gesetz, und aus Brüssel haben wir gehört, dass unsere Kollegen in der Europäischen Union diese Gesetze aktivieren wollen, um ihre Interessen vor sogenannten grenzüberschreitenden Sanktionen - seitens der USA in diesem Fall - zu schützen. Es wäre nichts Besonderes und Außergewöhnliches, sollte auch Russland ein ähnliches Gesetz verabschieden. Aber ich stimme Ihnen zu: Dieses Gesetz muss ausgewogen sein. Dieses Gesetz darf unserer eigenen Volkswirtschaft und unseren Partnern, die gewissenhaft in Russland aktiv sind, keinen Schaden zufügen. Ich bin sicher, dass das genau so der Fall sein wird. Sie wissen, dass das Parlament die Verabschiedung dieses Gesetzes auf später verschoben hat, um zusätzliche Konsultationen mit der russischen Regierung aufzunehmen, und die Besetzung wird heute erst zustande kommen.

Frage: Guten Tag! Ich habe eine Frage an beide Staats- und Regierungschefs: Haben Sie über die Lage in der Ukraine gesprochen? Ist es nicht nötig, möglichst bald zur Zusammenarbeit im N4-Format zurückzukommen? Haben Sie heute über einen möglichen Termin für einen nächsten Gipfel im Normandie-Format gesprochen? Wann könnte dieser stattfinden?

Ich habe eine weitere Frage zur Ukraine, Frau Bundeskanzlerin. In diesem Land gibt es einen sehr gefährlichen Präzedenzfall in Bezug auf die Meinungsfreiheit. Unter ganz erfundenen Vorwänden wurde dort der Chefredakteur von RIA Novosti Ukraine festgenommen. In diesem Zusammenhang möchte ich an Sie die Bitte aller russischen Journalisten herantragen, Ihre Einflussmöglichkeiten gegenüber der Kiewer Regierung geltend zu machen, damit diese Person entlassen wird und damit dieser Praxis ein Ende gesetzt wird. Es geht um Kirill Wyschinski.

Vielleicht können Sie, Herr Präsident, auch die Kiewer Regierung direkt ansprechen.

P Putin: Was das Normandie-Format anbelangt, habe ich mich dazu schon geäußert. Wir halten dieses Normandie Format für ein wichtiges Instrument zur Lösung der Situation im Südosten der Ukraine, und die Russische Föderation ist bereit, in diesem Format weiter aktiv zu sein. Wir halten dieses Format für sehr wichtig. Für heute ist es so, dass dieses Format durch nichts ersetzt werden kann.

Wir haben über keinen konkreten Termin gesprochen, aber über diese Möglichkeit haben wir gesprochen. Die Gipfeltreffen müssen ja im Voraus gut vorbereitet sein. Unsere Kolleginnen und Kollegen arbeiten daran. Unsere Berater und die Außenministerien sind dabei involviert.

Was die Festnahme des Journalisten anbelangt, so stimme ich Ihnen zu: Das ist etwas, was noch nie dagewesen ist. Dem Menschen wird vorgeworfen, Staatsverrat verübt zu haben, und zwar allein deshalb, weil er seinem Beruf nachgegangen ist. Ich kann mich nicht entsinnen, dass sich so etwas in der Vergangenheit schon einmal ereignet hat. Wir haben dieses Thema gestreift genauso wie andere Probleme, denen wir uns in der Ukraine gegenübersehen. Aber ich werde jetzt nicht en détail gehen.

BK'in Merkel: Selbstverständlich kann es im N4-Format auch wieder ein Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs geben. Aber das muss dann natürlich so vorbereitet sein, dass es auch Ergebnisse gibt. Deshalb haben die Außenminister schon begonnen, unser neuer deutscher Außenminister mit dem jetzt ja auch neu ernannten Außenminister Russlands, die Vorbereitungen zu beginnen. Auf der Ebene der Berater gibt es ständige Kontakte.

Ich denke, der nächste Schritt sollte sein, sich mit der UN-Mission zu beschäftigen und zu schauen, ob es uns gelingt, ein gemeinsames Mandat hinzubekommen, das man dann in den UN-Sicherheitsrat einbringen kann. In einem solchen Falle, wäre das sicherlich ein Punkt, an dem sich auch die Staats- und Regierungschefs wieder treffen könnten.

Also: Jederzeit, aber es muss auch eine Substanz und eine Möglichkeit geben, etwas an Fortschritt zu präsentieren. Daran wird intensiv gearbeitet. Denn die Situation ist so, wie sie ist, absolut nicht befriedigend.

Zweitens: Was den Journalisten anbelangt, werde ich mich mit dem ukrainischen Präsidenten selbstverständlich sowieso über meine Reise heute nach Sotschi austauschen. Ich werden den Fall dann auch mit ansprechen, genauso wie ich hier in Russland auch die Fälle von Journalisten angesprochen habe, die hier verhaftet werden oder ihre Arbeit nicht leisten können, was uns auch durchaus beunruhigt.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Deutschland hat über 700 syrische Flüchtlinge aufgenommen, von denen der Großteil wahrscheinlich irgendwann wieder nach Hause möchte. Welches Signal haben Sie von russischer Seite dafür bekommen, dass Russland Druck auf Syrien ausüben wird, damit der politische Prozess endlich wieder richtig in Gang kommt?

Herr Präsident, eine Frage zu Sergej Skripal, der heute aus dem Krankenhaus entlassen wurde: Können Sie uns Ihre Reaktion darauf geben? Was erhoffen Sie sich von ihm in der Untersuchung, die ja diplomatisch schwierig ist?

BK'in Merkel: Ich sagte ja, dass wir über die Frage Syriens gesprochen haben. Es ist ja ein auch von den Vereinten Nationen unterstützter Vorschlag gemacht worden, nämlich einen Verfassungsprozess in Gang zu setzen. Gestern gab es Signale dafür, dass auch aus der Astana- oder Sotschi-Gruppe heraus Syrien seine Vertreter benennt. Dann müssen auch andere Vertreter benannt werde. Ein politischer Prozess ist also dringend notwendig und muss in Gang kommen. Dabei wollen wir die Dinge auch unterstützen.

Ich habe auch über eine Sorge gesprochen, nämlich das sogenannte Dekret Nummer 10 in Syrien, nach dem Menschen, die sich nicht in einer bestimmten Frist melden, ihr Wohneigentum verlieren. Das ist natürlich eine sehr schlechte Nachricht für alle, die eines Tages wieder nach Syrien zurückkehren wollen. Darüber werden wir noch intensiver sprechen und auch Russland bitten, seinen Einfluss geltend zu machen, dass das von Assad nicht gemacht wird. Denn das wäre eine große Barriere für eine Rückkehr. Deshalb muss verhindert werden, dass dort Fakten geschaffen werden.

P Putin: Schauen Sie, was den ersten Teil Ihrer Frage anbelangt, so möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es in den Gebieten, die durch Militär Syriens befreit wurden, einen großen Zustrom von denen gibt, die zurück in ihre Häuser kommen. Mehr noch: Nehmen wir zum Beispiel Ost-Ghuta, das von Menschen freiwillig verlassen wurde. Mit Hilfe unserer Militärpolizei wurden sie unter anderem in die Region Idlib verbracht. Die Menschen bitten mittlerweile darum, dass sie wieder zurückgebracht werden. Diese Bewegung findet schon statt. Es gibt sie schon. Es geht um Tausende Menschen.

Was muss an dieser Stelle getan werden? - Man muss den Prozess der humanitären Hilfe und den Prozess des wirtschaftlichen Aufbaus in Syrien depolitisieren. Wenn die Europäer wollen, dass Menschen aus Europa zurück in ihre Häuser kommen, dann müssen die für uns unverständlichen Restriktionen aufgehoben werden, wenn es darum geht, Syrien in den Regionen zu unterstützen, die von der Regierung der Arabischen Republik Syrien kontrolliert werden. Wie kommen die Menschen denn dorthin zurück, wenn dort alles zerstört worden ist? Syrien verfügt, offen gesagt, nicht ganz über diese Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten sind in höchstem Maße eingeschränkt. Wenn jemand will, dass die Menschen aus Europa nach Hause zurückkommen, so muss Syrien darin unterstützt werden, die Wirtschaft wieder aufzubauen. Dieses Land muss wirkliche humanitäre Hilfe erfahren. Dieser Prozess muss depolitisiert werden, davon bin ich felsenfest überzeugt.

Nehmen wir zum Beispiel Rakka. Dort ist alles zerstört worden. Menschen kommen noch bei Minenexplosionen um. Viele Tote liegen noch auf den Straßen. Wohin sollen die Menschen dort denn zurückkommen? Wir alle müssen darüber nachdenken, und wir alle müssen uns in diese Arbeit einbringen.

Was Skripal anbelangt, so habe auch ich heute aus den Medien erfahren, dass er aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Er möge weiter gesund sein. Wir freuen uns sehr darüber.

In diesem Zusammenhang habe ich einige Überlegungen. Erstens bin ich der Meinung: Unsere britischen Kollegen haben behauptet, ein Kampfstoff sei eingesetzt worden. Sollte das der Fall gewesen sein, wäre diese Person vor Ort ums Leben gekommen. Dieser Kampfstoff kann so stark sein, dass ein Mensch sofort oder im Laufe weniger Sekunden beziehungsweise Minuten ums Leben kommt. Gott sei Dank, ist der Herr gesund geworden und aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Was die Untersuchung anbelangt, so haben wir von unserer Seite mehr als einmal den britischen Partnern jegliche erforderliche Hilfe in dieser Untersuchung angeboten. Wir haben um einen Zugang zu dieser Untersuchung gebeten. Bislang gibt es keine Reaktion. Unser Vorschlag und unser Angebot bleiben auf dem Tisch.

Frage: Wladimir Wladimirowitsch, Sie haben gesagt, dass Sie mit Frau Bundeskanzlerin darüber gesprochen haben, dass die USA aus dem JCPoA ausgestiegen sind.

Meine erste Frage geht an Frau Bundeskanzlerin. Die sekundären antiiranischen Sanktionen werden nicht nur russische, sondern auch europäische und deutsche Firmen treffen. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um diese Firmen zu schützen?

Ich möchte dieses Thema weiterführen. Wladimir Wladimirowitsch, es ist bekannt geworden, dass Donald Trump Nord Stream 2 als etwas bezeichnet hat, das den europäischen Interessen zuwiderlaufe. Er droht, Sanktionen gegen die Firmen zu erlassen, die an diesem Projekt beteiligt werden sollen. Was sagen Sie zu den Perspektiven von Nord Stream 2? Frau Bundeskanzlerin, Ihre Prognosen würden wir auch gern hören.

BK'in Merkel: Wir sind seitens der Europäer mit dem Iran im Kontakt, um darüber zu sprechen, dass der Iran in diesem Abkommen bleiben sollte; denn ich glaube, dass mit diesem Abkommen mehr Sicherheit, mehr Kontrolle und vor allen Dingen mehr Transparenz da ist. Die IAEA hat deutlich gemacht, dass sie der festen Überzeugung ist, dass der Iran zurzeit seine Verpflichtungen aus diesem Abkommen einhält. Deshalb glauben wir, dass diese Transparenz ein hohes Gut ist.

Es kann passieren - wir müssen die weitere Entwicklung jetzt abwarten -, dass Unternehmen, die im Iran investieren wollten, dies nun nicht tun. Wir diskutieren in Brüssel in der Tat auch über eine solche Blockadeverordnung; aber auch da darf man sich keinen Illusionen hingeben, das wird nicht sozusagen im großen Stil kompensierbar sein. Das sind dann wirtschaftliche Entscheidungen, die die Firmen treffen.

Nichtsdestotrotz bleibt unsere Haltung, dass auch für den Iran das Verbleiben in diesem Abkommen ein Wert an sich ist; denn wir haben viele Jahre darüber verhandelt, es ist indossiert im UN-Sicherheitsrat, das heißt, es hat eine internationale Glaubwürdigkeit. Ich glaube, es würde dem Iran auch sehr gut zu Gesicht stehen, nun zu sagen: Wir wollen diese Verpflichtungen auch weiter aufrechterhalten.

P Putin: Was Nord Stream 2 anbelangt, so habe ich mich mittlerweile dazu geäußert. Wir haben über dieses Projekt im Kontext weiterer Projekte von uns gesprochen. Es geht um Energieprojekte. Diese Zusammenarbeit entwickelt sich sehr vielschichtig, diese Zusammenarbeit gibt es schon seit Längerem, seit mehreren Jahrzehnten, und diese Zusammenarbeit gestaltet sich ganz erfolgreich.

Was die US-amerikanische Opposition zu Nord Stream 2 anbelangt, kennen wir diese schon lange. In diesem Zusammenhang könnte man schon sagen, dass da ein seltener Fall von Kontinuität in der Tätigkeit der jetzigen Administration in Bezug auf die frühere Position der Obama-Administration gegeben ist. Hier gibt es also nichts Neues. Diese Position ist durch zwei Überlegungen bedingt, wie man uns sagt: Erstens. Man will die Ukraine unterstützen, die nicht sonderlich gewillt ist, mit Russland zusammenzuarbeiten, doch sehr gerne unsere Transitgelder einkassiert. Es geht dabei um 2 bis 3 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Man will also, dass wir die Ukraine mit unseren Geldern etwas ernähren.

Ich habe bereits gesagt, dass wir bereit sind, diesen Transit zu erhalten, sollte dieser wirtschaftlich sinnvoll sein. Diese wirtschaftliche Zweckmäßigkeit kann erreicht werden im Rahmen der Gespräche, die wir mit der ukrainischen Seite zu führen bereit sind. Es geht nämlich darum, dass Nord Stream 2 nicht nur für Gaslieferungen nach Deutschland genutzt werden kann; Nord Stream 2 kann auch für Gaslieferungen in andere europäische Länder genutzt werden, insbesondere mit Blick auf die rückläufige Förderung in Großbritannien und in Norwegen. Der Bedarf der europäischen Länder an diesem Brennstoff nimmt zu und die Eigenproduktion geht zurück.

Donald ist nicht bloß ein Präsident der USA, Donald ist auch ein robuster Unternehmer. Deshalb bin ich der Meinung, dass er auch die Interessen seiner Wirtschaft nach vorne bringen will, um LNG aus den USA auf dem europäischen Markt zu verkaufen. Ist das möglich? Ja, das ist möglich, aber das ist teuer; das könnte sogar um 25 bis 30 Prozent teurer sein als russisches Pipeline-Gas in Europa. Man hat LNG-Terminals in Europa aufgebaut; diese Terminals werden zu ca. 25 bis 30 Prozent genutzt. Warum ist das so? Weil das nicht wirtschaftlich sinnvoll ist, weil das einfach teuer ist. Ich verstehe den US-amerikanischen Präsidenten: Er schützt die Interessen seiner Wirtschaft, er will sein Produkt in Europa vermarkten.

Es hängt aber auch von uns ab, wie wir unsere Beziehungen zu unseren Partnern weiter gestalten wollen, und das hängt auch von unseren europäischen Partnern ab. Dieses Projekt ist offen für weitere Partner, nicht nur für diejenigen, die mittlerweile an diesem Projekt beteiligt sind. Ich weiß, dass man mittlerweile an der Pumpstation in der Bundesrepublik arbeitet, der Anlandestelle von Nord Stream 2; von unserer Seite arbeiten wir auch weiter. Wir halten dieses Projekt für lukrativ für uns, und wir werden für dieses Projekt kämpfen.

Danke schön!

Freitag, 18. Mai 2018

*

Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, 18.05.2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/05/2018-05-18-pk-merkel-putin-sotschi.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang