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PRESSEKONFERENZ/1874: Kanzlerin Merkel nach dem ersten Tag des Europäischen Rates, 21.06.2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Brüssel - Freitag, 21. Juni 2019
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel nach dem ersten Tag des Europäischen Rates


BK'in Merkel: Guten Morgen, meine Damen und Herren, wir werden ja am heutigen Tage noch eine ausführliche Pressekonferenz haben. Für den Abend jetzt nur Folgendes:

Wir haben heute als Erstes ausführlich unsere strategische Agenda besprochen und dort ganz besonders die Fragen des Klimaschutzes. Hier hat sich eine große Mehrheit der Mitgliedsstaaten dafür entschieden, dass wir die Klimaneutralität bis zum Jahre 2050 erreichen wollen, unter Einhaltung des Pariser Abkommens. Alle Mitgliedsstaaten sind der Meinung, dass wir das Pariser Abkommen einhalten müssen und auch unsere Ziele für 2030 vertreten. So glaube ich, dass wir dann doch eine sehr gute Ausgangsposition bei aller Unterschiedlichkeit haben werden, um bei dem UN-Gipfel im September eine herausragende Position für die Europäische Union darstellen zu können und damit auch Vorreiter für den internationalen Klimaschutz sein zu können.

Wir haben dann am Abend das, glaube ich, alle interessierende Thema auch der zukünftigen Personalbesetzung innerhalb der Europäischen Union zu diskutieren gehabt. Hier hat sich ergeben - und das hat der Ratspräsident nach seinen Konsultationen dann auch ausgedrückt -, dass es keine Mehrheit für einen der Spitzenkandidaten der politischen Parteien gibt und dass wir mit diesem Sachverhalt natürlich umgehen müssen. Das heißt, wir wollen natürlich eine gemeinsame Lösung mit dem Parlament, denn der Europäische Rat schlägt eine Person für den Präsidenten der Europäischen Kommission vor, die dann vom Europäischen Parlament gewählt werden muss. Und deshalb brauchen wir eine gemeinsame Haltung mit dem Europäischen Parlament.

Das war für uns alle klar, und insofern haben wir Donald Tusk gebeten, sehr schnell Konsultationen mit dem Europäischen Parlament aufzunehmen und den entsprechenden Fraktionsvorsitzenden. Und wir wollen unbedingt - und das war der gemeinsame Wille - vor Zusammentritt des neuen Europäischen Parlaments, wo dann ja auch sehr schnell ein Parlamentspräsident gewählt werden muss, ein Paket mit dem Europäischen Parlament, mit allen Vertretern des Europäischen Rates bilden, wo wir dann auch die verschiedenen Kräfteverhältnisse abbilden können. Das ist der ausdrückliche Wunsch. Wir werden also am 30. Juni zu einem außerordentlichen Europäischen Rat zusammentreten und auf diesem Rat dann nach Konsultationen von Donald Tusk mit dem Parlament versuchen, eine Lösung zu finden, die dann auch insgesamt die Möglichkeit bietet, ein ausgewogenes Paket in der jeweiligen Verantwortlichkeit - Parlament, Europäischer Rat - zu bestimmen.

Das war der Gegenstand der heutigen Diskussionen. Das waren sehr intensive, aber sehr freundschaftliche Diskussionen in dem Sinne, dass wir alle wissen, dass wir eine gemeinsame Lösung finden müssen. Und davon waren diese Diskussionen auch geprägt.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt: "Es gibt keine Mehrheit für einen der Kandidaten". Heißt das, dass sich die EVP damit von Manfred Weber verabschiedet und auf die Suche geht? Und ist das das Ende des Spitzenkandidatensystems?

BK'in Merkel: Donald Tusk hat uns heute den Stand von heute Abend berichtet. Den müssen wir zur Kenntnis nehmen und den müssen wir mit unseren Parteien diskutieren, was das bedeutet. Das Parlament wird dazu sicherlich auch eine Position beziehen und dann wird man weiterverfolgen, was das bedeutet. Also, ich werde Ihnen erst am Ende des Prozesses die abschließende Antwort auf Ihre Fragen geben. Aber es ist ein Befund, der uns natürlich vor Herausforderungen stellt. Das ist vollkommen klar.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, im Prinzip auch nochmal in die gleiche Richtung: Keine Mehrheit für einen der Spitzenkandidaten - heißt das, keine Mehrheit im Parlament, nachdem was Herr Tusk gehört hat, oder heißt das: keine Mehrheit im Europäischen Rat. Gab es darüber heute Abend eine Abstimmung? Also, wie sind Sie sozusagen dieser Aussage nochmal nähergekommen?

BK'in Merkel: Also, wir haben heute Abend ausdrücklich nicht abgestimmt, weil wir dem Wort und den Aussagen von Donald Tusk vertrauen. Er hat eine umfangreiche Konsultation durchgeführt, und das, was er uns heute gesagt hat, reflektiert sich aber in gewisser Weise auch in dem, was wir aus dem Parlament hören. Denn dort haben die Fraktionsvorsitzenden von RE - von der neuen Liberalen Gemeinschaft - und von den Sozialisten gesagt, sie könnten Manfred Weber nicht unterstützen. Die EVP wiederum sagt es andersrum, und dadurch sind auch keine Mehrheiten erkennbar. Aber das, was Donald Tusk uns heute gesagt hat, ist erst einmal seine Reflexion im Blick auf den Europäischen Rat. Aber auch im Blick auf das Europäische Parlament sehe ich im Augenblick eine ähnliche Konstellation.

Frage: Eine ganz kurze Nachfrage: Sie haben ja lange auch dieses Prinzip verteidigt. Können Sie das heute Abend einfach schon so hinnehmen, dass das anders nicht geht?

BK'in Merkel: Das Prinzip des Spitzenkandidaten - - -

Frage: - - - und auch Manfred Weber [unverständlich] - - -

BK'in Merkel: Na ja, ich habe mich ja, wie man weiß, sehr langsam dem Thema des Spitzenkandidaten angenähert. Ich glaube, wir stehen jetzt auf halbem Wege und wenn wir noch die transnationalen Listen dazunehmen würden, würden wir ein wirklich transparentes Verfahren bekommen. Aber wir sind eben noch nicht ganz an dem Punkt, wo ich ihn mir wünsche.

Und jetzt müssen wir einfach den Zustand so nehmen, wie er ist. Der kommt auch aus der Tatsache, dass es jetzt nicht mehr reicht, wenn zwei politische Familien sich einigen, sondern mehrere sich einigen müssen - mindestens drei -, und das müssen wir jetzt einfach mal so aufnehmen und daraus die richtigen und guten Schlussfolgerungen ziehen, die aber meiner Meinung nach gemeinsame Schlussfolgerungen vom Rat und vom Parlament sein müssen. Wir schlagen die Person vor, aber wir wollen auf gar keinen Fall eine Krise mit dem Parlament, um dann zu erkennen, dass das, was wir vorschlagen, nicht akzeptiert wird. Das wäre nicht gut für die Arbeit der Europäischen Union in den nächsten fünf Jahren.

Dankeschön!

Freitag, 21. Juni 2019

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel nach dem ersten Tag
des Europäischen Rates in Brüssel, 21. Juni 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-nach-dem-ersten-tag-des-europaeischen-rates-1639758
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2019

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